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1925 – 1941 Christian und Luise Jossi

Im Dokument Aufgewachsen im Altersheim - (Seite 39-48)

40 Der Gemeinderat wählte Herrn Christian Jossi aus Lenzburg, mit Stellenan-tritt zusammen mit seiner Frau Luise am 28. März 1925.

Frau Luise Jossi, hier im Bild nach ihrer Pensionierung, von uns Kindern

«Groseli» genannt, hat uns 10 Seiten sehr schön von Hand geschriebene Aufzeichnungen ihrer Böndlerzeit hinterlassen, woraus ich sehr gerne zitie-re:

«Mit uns traten damals auch ein Bursche und ein Mädchen als Helfer ein.

Vom alten Personal blieb noch ein Mädchen. Dieses war von Frau Näf gut angelernt und konnte eine gute Stütze sein, wenn es dazu aufgelegt war.

Sie wusste nämlich den Speisezettel rechts gut. Die Mengen, die man brauchte für die Gerichte, hat mir Frau Näf noch aufgeschrieben:

So gab es morgens zum Kaffee immer abwechselnd Mais, Rösti, Hafermus oder zweimal in der Woche Käse. Für das Mittagessen

Montags: Suppe, Teigwaren mit Käse, Obst oder Salat

Dienstags: Suppe, Salzkartoffeln, Gemüse, Fleisch (nur für die noch Mithel-fenden) meist Geräuchertes

Mittwochs: Erbslisuppe mit gerösteten Brotwürfeli, Milchreis, Obst, frisch oder Dörrobst

Donnerstags: Böhnli- Gerstensuppe darin Geräuchertes (Speck) gekocht mit Kartoffeln und Gemüse

Freitags: Hafersuppe, Teigwaren, Obst oder Salat

Samstags: Kaffee, Rösti, manchmal noch etwas gekochtes Obst

Sonntags: Dünkli-Fleischsuppe, Siedfleisch für alle, Kartoffeln, Gemüse Salat

Man suchte dann den Speisezettel so viel wie möglich zu verbessern. So wurde aus den Salzkartoffeln am Sonntag Kartoffelstock, mit gutem Rahm verbessert!

An Gemüse fehlte es im Böndler nicht: es wurde angepflanzt und die Setz-linge selbst gezogen, in einem 1935 gebauten Gewächshaus. Die ganze Ernährung wurde früh auf Selbstversorgung umgestellt, Brot aus eigenem Mehl selbst gebacken...

Mit den sanitären Anlagen war es 1925 noch schlecht bestellt. In der alten Waschküche stand eine alte Blechbadewanne. Wenn wir den Simon nicht gehabt hätten! Er war immer unser getreuer Helfer dort. In diesem Raum mussten sich die Männer waschen. Die Frauen und die Verwalterfamilie benützten Waschschüsseln…

Bis zur Eröffnung des Spitals in Bauma 1931 mussten die Kranken im Hau-se gepflegt werden. Der getreue alte Hausarzt Dr. Spörri kam immer mit dem Stock zu Fuss. Auch Dr. Kübler kam auf Verlangen. Durch seine immer wieder empfohlenen Senfwickel verhinderten wir manche Lungenentzün-dung vor schlimmem Ausgang…

Vor der dem Einbau einer Zentralheizung waren 8 Zimmeröfen und der grosse blaue Kachelofen in der vorderen Männerstube mit Ofenbank und

41 teilweise bemalten Kacheln (er wurde 1931 abgebrochen und trug die Jahr-zahl 1721!) zu besorgen...

der Böndlerbetrieb wurde oft für Baumwärterkurse, Demonstrationen für Heuheinzen und Getreidepuppen, Traktorvorführungen und wegen der Milchkontingentierung für eigene Käseproduktion benutzt. Vom Böndler kamen Impulse für die spätere Selbstversorgung während den Kriegsjahren.

Wenn ich zurückdenke, war der Böndler von 1925 bis 1936 mehr Ar-menhaus, Trinker- (Heil-) Anstalt und Arbeitserziehunganstalt als Al-tersheim und sollte die Gemeinde nichts kosten. Es ist ja gut, dass es nicht mehr so ist!»

Dabei war das Armenhaus doch bereits 1916 erstmals in «Altersheim Bön-dler» umbenannt worden!

Zur Begleichung von ungedeckten Kosten von bedürftigen Pensionären war dem Böndler 1922 von einem Johann Kägi aus Zürich ein Legat von Fr.

1000 gestiftet worden. Es wurde zusätzlich mit dem Armenhausfonds der Armenpflege von

Fr. 4000 ergänzt und bis heute als Kägi- Stiftung weitergeführt.

Auf Wunsch eines 1896 geborenen Ernst Kägi, der zur Abtragung seiner Steuerschulden im Betrieb mitarbeitet, erhielt der Verwalter die Kompetenz,

«den mitarbeitenden Insassen bei strenger Arbeit an 1-2 Wochentagen zum Mittagessen etwas Fleisch zu geben.»

Für die möglichst gerechte Ausrichtung von Trinkgeldern wurde am 3. Augst 1931 von der Altersheimkommission das folgende Reglement verabschie-det:

«1. Die Auszahlung von Trinkgeld erfolgt wöchentlich.

2. Um die noch rüstigen und zu strenger Arbeit willigen Leute besser aus-zeichnen zu können, werden für die Höhe der Trinkgelder 3 Stufen festge-setzt, und zwar in der Regel Fr. 1; -.80 und -.50.

3. Wer keine Arbeit verrichtet oder die ihm angewiesene Aufgabe nicht willig und fleissig ausführt, hat keinen Anspruch auf Trinkgeld. Ebenso verliert das Recht auf Trinkgeld, wer in betrunkenem Zustand Streit verursacht, sich widersetzt, die Hausordnung stört, zu spät oder gar nicht heimkehrt.

4. Wer ohne Einwilligung des Verwalters aus der Anstalt austritt hat nach seinem Wiedereintritt während der ersten 4 Wochen keinen Anspruch auf Trinkgeld…»

Nachdem der «ortsansässige» Coiffeur nicht mehr zu seinem Dienst er-schienen ist, wurde auch diese Aufgabe dem Verwalter Jossi übertragen, für eine Entschädigung von Fr. 100 für die nächsten 8 Monate, für das ganze Jahr 1927 dann «extra» Fr. 200.

42 An der Gemeindeversammlung vom März 1927 wurde der Einbau einer Waschküche im Heim bewilligt. Vorher standen in der alten Waschküche nur eine einzige alte Blechbadewanne und ein Waschherd mit einer Wasch-trommel, welche von Hand betrieben werden musste, sowie eine Schwinge.

Die neue Waschküche wurde allerdings bereits 1937 bei einer Inspektion durch den Bezirksarzt Dr. Wolf als zu klein gerügt, der gleichzeitig auch mehr Waschgelegenheiten für die Insassen forderte.

Die von einem Verkäufer in Bauma empfohlene Anschaffung einer Schreib-maschine für den Verwalter wurde jedoch von der Kommission abgelehnt.

Herr Jossi hatte offenbar damals auch noch kein Bedürfnis danach ...

Hingegen wurde Herrn Jossis Wunsch nach Verbesserung der Raumver-hältnisse in der alten Küche aufgenommen und ein Anbau an die Ostseite des Gebäudes geplant. Nach längerer Diskussion wurde Architekt Senn 1930 mit der Planung des Anbaus mit 4,5 Meter Tiefe und einem Kosten-dach von Fr. 35'000 beauftragt. Die Gemeindeversammlung vom 31. Mai 1931 genehmigte den Küchenanbau und eine Zentralheizung mit einem Kellerraum, der 25 Tonnen Koks fassen sollte. Dazu war auch ein Kellervor-bau von 2 Metern gegen Südosten nötig, welcher darauf eine Wohnungster-rasse für den Verwalter ermöglichte:

43 die Raumaufteilung im 1. Stock der Verwalterwohnung, mit den drei

Schlaf-zimmern, in welchen auch meine Geschwister und ich zusammen aufge-wachsen sind

44 der mit Holz beheizte Kochherd in der neuen Küche

die Vorratskammer mit den gespeicherten Lebensmitteln: links von oben Apfelmus, unten Bohnen, Schinken, Schwartenmagen und Randen; rechts von oben Kirschen, Erdbeer-, Himbeer- und Johannisbeeren- Konfitüre, Holundergelee, Brombeer-Konfitüre und ganz unten rechts Schweine-schmalz

45 Die «Beköstigung» gab wegen Klagen einzelner Insassen immer wieder zu reden.

Deshalb wurde 1928 beschlossen, dass im Sommer, weil das Morgenessen ja schon auf 6 Uhr 30 angesetzt war, allen Insassen eine Zulage von Rösti, Mais oder eventuell Käse zu Kaffee und Brot zu geben. Der Verwalter erhielt die Kompetenz den Insassen «bei strenger Arbeit» an ein bis zwei Wochen-tagen zum Mittagessen etwas Fleisch zu geben (!)

Am 15. Februar 1936 trat Otto Brändli, geb. 1913 von Wald, als Knecht ein mit einem Monatslohn von Fr. 110, der auch während seines Wiederho-lungskurses ausbezahlt werden sollte. Da Verwalter Jossi an einer «ver-schleppten Brustfellentzündung» litt und zu einer Kur ins Sanatorium Wald (die Höhenklinik und das heutige Rehazentrum Wald) musste, sollte der für ihn einspringende neue Meisterknecht Otto Brändli jetzt wenigstens vom Haareschneiden und Rasieren der Insassen entlastet werden.

Während des Heuet wurden jetzt neu auch eine Zwischenverpflegung nachmittags bestehend aus Kaffee, Käse und Brot eingeführt und um 7 Uhr abends dem Stallpersonal ein Nachtessen zusätzlich verabreicht, was eine kleine Mehrausgabe verursachte.

Trotzdem gab es immer wieder Insassen, welche sich nur während des Win-ters im Heim einfanden, den Sommer hindurch jedoch austraten und so die Arbeit im Bauernhof erschwerten.

Obwohl früher beschlossen worden war, dass keine verheirateten Angestell-ten im Heim toleriert würden, wurde Otto Brändli bewilligt, nach der Heirat mit seiner als Dienstmädchen eintretenden Ehefrau 1938 eine Wohnung in der Anstalt beziehen zu können.

Offenbar bereits 1937 wurden die neu als Kriegsvorsorge vorgeschriebenen Verdunkelungsvorhänge (aus Stoff nicht aus Papier) für die Hälfte der Zim-mer, und Verdunkelungslampen für die übrigen beschafft. Die Feuerwehr-kommission beanstandete den Mangel einer ausziehbaren Feuerwehrleiter.

Den schulentlassenen Kindern der Hauseltern, Sohn Hans und Tochter Lisi Jossi, sollte für ihre Mithilfe in Haushalt und Betrieb ab 1. Mai 1938 ein Mo-natslohn von Fr. 50 ausbezahlt und beide auch in die Unfallversicherung aufgenommen werden.

Am 22. September 1938 war erstmals Reisetag für die Heiminsassen. Dank 14 Autobesitzern aus dem Dorf Bauma durften alle Insassen die Fahrt nach Einsiedeln und an den neu aufgestauten Sihlsee am Nachmittag bis abends um ½ 8 geniessen, ohne einen störenden Zwischenfall. Dies wurde erst

46 1950 wieder mit Privatautos wiederholt. Im Jahr 1956 erfolgte der Ausflug an den Rheinfall erstmals mit einem Car von Edi Bosshard.

Noch kurz vor der Generalmobilmachung beschloss die Kommission «da etwelcher Mangel an geeigneter Lektüre für die Insassen bestehe, werde für das Abonnieren von Unterhaltungsblättern ein Kredit von Fr. 30 pro Jahr eröffnet». Von den damit angeschafften Schweizer und Deutschen Illustrier-ten aus der Kriegszeit, die alle auf dem Estrich aufbewahrt wurden, habe ich sehr profitiert, sobald ich selbst auch lesen konnte!

Ein Jahr später begann der Zweite Weltkrieg:

Am 2. September 1939 mussten die beiden Männer, Verwalter Jossi und Meisterknecht Brändli, für den Aktivdienst einrücken. Die beiden Frauen, Luise Jossi und Luise Brändli, mussten nun ganz allein in Haus und Hof zu Recht kommen.

Ihnen half dabei ein Insasse, Arnold Kägi. Morgens um fünf Uhr trafen sich die beiden Frauen mit ihm im Stall, um die anfallenden Arbeiten in der Landwirtschaft und mit dem Holzhandel zu besprechen. Der Holzhandel war damals eine sehr wichtige Einnahmequelle für das Heim, denn wegen dem Mangel an Kohle kam es zu einem fieberhaften Kauf von Brennholz.

Frau Jossi machte dann beim Frühstück dementsprechend die Befehlsaus-gabe, so dass niemand merkte, dass die Anordnungen dazu meist von Arnold Kägi kamen.

Dann mussten die 55 Insassen versorgt werden, mit Kleidung und Nahrung aus eigenem Anbau. Der Böndler war nämlich verpflichtet Brotgetreide für alle Pensionäre für 6 Monate selbst anzubauen. Und das Brot wurde 2-3-mal wöchentlich für alle selbstgebacken, mit Handarbeit in einer grossen Backmulde geknetet!

Oft mussten auch Streitereien unter den Insassen geschlichtet werden, alles bis spätabends um 8 Uhr.

Die beiden Männer erhielten trotz den Dispensationsgesuchen der Kommis-sion leider nur sehr selten Urlaub vom Aktivdienst, was die Frauen an den Rand ihrer Kräfte brachte. Den Männern wurde während ihrer Abwesenheit im Militär der volle Lohn, abzüglich von Fr. 2 Sold pro Tag ausbezahlt, der Monatslohn von Frau Brändli wurde von Fr. 60 auf 70 erhöht.

Hans Jossi, der Sohn des Verwalters arbeitete jetzt im Betrieb mit für Fr. 70 und ebenso seine Schwester Lisi im Haushalt für Fr. 50 pro Monat.

Ab Juli 1941 wurden die Kostgelder wegen der Teuerung der Lebensmittel von Fr. 1.40 auf 1.60 für Baumer und von Fr. 2.- auf 2.50 für Auswärtige und Selbstzahlende erhöht.

47 Luise Brändli, Lisi Jossi, drei unbekannte, hinten Otto Brändli, Hausmutter Luise Jossi (hinten), Marie Jossi, Anni Jossi und Hans Jossi (von links nach

rechts)

Leider erkrankte Verwalter Jossi erneut schwer und musste im April 1940 wieder ins Sanatorium eingewiesen werden. Er erholte sich nicht mehr und starb am 30. Mai 1941 im Krankenhaus in Bauma in seinem 48. Altersjahr an der Tuberkulosekrankheit. Im Protokoll steht über seine 16- jährige Tätig-keit: «Vorbildliche Gewissenhaftigkeit und Treue zeichneten seine segens-reiche Wirksamkeit…. Er war ein guter Anstaltsvater, ein bleibendes, ehren-des Andenken ist ihm gesichert».

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Im Dokument Aufgewachsen im Altersheim - (Seite 39-48)