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Chief Scientist Rainer Knust

Im Dokument EXPEDITIONSPROGRAMM NR. 86 (Seite 74-78)

Contents

1. Überblick und Fahrtverlauf 73

Overview and Itinerary 74

2. The scientific programme 78

2.1 Biodiversity, phylo-geography and phylo-genetics

in a latitudinal cline 78

2.2 Climate depending processes in pelago-benthic coupling

and food webs 84

2.3 Impact of climate change on cold adapted organisms 94 2.4 The role of climate induced changes in ice conditions

and iceberg disturbances on the benthal biodiversity 101 3. Beteiligte Institute / Participating Institutes 105

4. Fahrtteilnehmer/Participants 108

5. Schiffsbesatzung / Ship’s crew 110

1. ÜBeRBlICK uNd FAhRTVeRlAuF

R. Knust, C. Bock, D. Gerdes, K. Mintenbeck (AWI)

Laut Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) aus dem Jahr 2007 sind Anzeichen für Klimaveränderungen in der Gesamtantarktis zwar weniger offensichtlich als in der Arktis, in einigen Teilen der Antarktis gibt es aber bereits erhebliche Veränderungen im Temperaturregime. Die mittleren Lufttemperaturen an der Antarktischen Halbinsel und in der Bellingshausen-See sind seit 1950 um ca. 1,5° C gestiegen; in den letzten 100 Jahren sogar um ca. 3° C. Die Wassertemperatur bei Südgeorgien ist im Winter um 3,3° C und im Sommer um 0,9° C wärmer als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Als Folge der Erwärmung lässt sich insbesondere im Bereich der Antarktischen Halbinsel ein deutlicher Rückgang diverser Eisschelfe beobachten, so sind zum Beispiel in den vergangenen 10 Jahren an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel die beiden Larsen-Schelfeise A und B mit einer Gesamtfläche von insgesamt ca. 80 x 80 km komplett weggebrochen. Die Veränderungen im Temperaturregime sowie die Veränderungen in der Eisschelfdynamik werden signifikante Einflüsse auf die Lebensgemeinschaften der betroffenen Schelfgebiete haben.

Mögliche langfristige Folgen einer fortschreitenden Erwärmung wird eine Verschiebung in der Artenzusammensetzung durch die Auslöschung (Extinktion) ansässiger (endemischer) Arten und Invasion von Arten aus nördlicheren Meeresgebieten sein. Dies wird potentiell mit signifikanten Veränderungen der Nahrungsnetzstruktur einhergehen. Ob eine Art unter veränderten abiotischen Bedingungen in ihrem Lebensraum erfolgreich bestehen kann, ist ebenso abhängig von der individuellen genetischen und physiologischen Ausstattung und Plastizität, wie das Neubesiedlungspotential invasiver Arten.

Untersuchungen während früherer Expeditionen zur Biogeographie und Biodiversität im Bereich der Scotia-See und der Bouvet-Insel haben gezeigt, dass diese Inseln im Südatlantik wichtige Trittsteine für eine Besiedlung der Antarktis durch Arten aus den nördlicheren Bereichen sein können. Erste Hinweise für solche Besiedlungsversuche durch reptante dekapode Krebse wurden während ANT-XIX/5 gefunden.

Die Veränderungen in der Schelfeisdynamik führen einerseits zu Veränderungen in den Stoffflüssen zwischen Pelagial und Benthal in den jetzt unbedeckten Schelfgebieten, andererseits aber auch zu einem erhöhtem Aufkommen von Eisbergstrandungen auf dem Schelf mit entsprechenden Konsequenzen für die benthischen Lebensgemeinschaften und für die demersale Fischfauna. Diese Auswirkungen sind in den Jahren 1996 - 2006 auf verschiedenen Antarktisexpeditionen (EASIZ I-III, BENDEX, LARSEN AB) untersucht worden. Dabei wurden deutliche Fortschritte beim Verständnis der Bedeutung pelago-benthischer Kopplungsprozesse und der Störungsintensität durch Eisbergstrandungen für Besiedlungsmuster und Biodiversität des antarktischen Schelfs erzielt. Vollkommen unklar sind aber immer noch die zeitlichen Abläufe der Wiederbesiedlungsprozesse nach Störungen. Um eine Zeitmarke zu setzen, wurde in der Saison 2003/2004 (ANT-XXI/2, BENDEX) ein Experiment durchgeführt, bei dem in einem definierten Gebiet eine künstliche mechanische Störung des Meeresbodens gesetzt wurde. Das gestörte Gebiet soll auf dieser Expedition wieder aufgesucht werden, um die Wiederbesiedlung zu dokumentieren. Welche Auswirkungen die großflächigen Schelfeisabbrüche in der Westantarktis auf die Biodiversität und Artenzusammensetzung haben, ist ebenfalls wenig bekannt. 2006/2007 wurden während

ANT-XXIII/8 erste Untersuchungen zur Besiedlung der ehemals vom Schelfeis bedeckten LARSEN-A/B - Gebiete an der östlichen Halbinsel durchgeführt. Die begonnenen Arbeiten sollen auf dieser Expedition fortgesetzt werden.

Auf der Expedition ANT-XXVII/3 werden mögliche Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Biodiversität von Lebensgemeinschaften und Ökosystemfunktionen in sub- und hochantarktischen Gebieten untersucht. Die Expedition ist Bestandteil des internationalen SCAR-Programms „Biodiversity and Evolution in the Antarctic: The response of life to change“

(EBA). Aufbauend auf Daten und Ergebnissen von früheren Expeditionen (ANT-XV/3, ANT-XVII/3, ANT-XIX/5, ANT-XXI/2, ANT-XXIII/8), die im Rahmen der Programme EASIZ und EVOLANTA durchgeführt wurden, wird sich diese Expedition auf drei Hauptthemen konzentrieren:

1. Die geographische Verbreitung von Arten in der Sub- und Hochantarktis und die genetischen und physiologischen Steuerungsprozesse, die diese Verbreitung bestimmen.

2. Pelago-benthische Kopplungsprozesse und Auswirkungen von klimabedingten Veränderungen auf das Nahrungsnetz.

3. Auswirkungen von veränderten Schelfeissituationen auf die Biodiversität des Benthos und der demersalen Fischfauna des westlichen und östlichen Weddellmeeres.

Die Arbeiten während der Expedition werden sich auf die Lebensgemeinschaften des Schelfs (ca. 200 - 600 m Wassertiefe) und des Schelfrandes konzentrieren. Die Untersuchungen umfassen sowohl subantarktische Gebiete der Scotia-See und um die Bouvet-Insel, als auch die hochantarktischen Schelfgebiete des westlichen und östlichen Weddellmeeres (siehe Abb. 1.1). Arbeiten zur Biogeographie, Genetik, Ökologie und Physiologie werden in allen 7 Untersuchungsgebieten durchgeführt. Dabei werden sich die Arbeiten zur Genetik, Ökologie und Physiologie auf ausgewählte Arten des Zooplanktons, des Makrozoobenthos, auf Cephalopoden, Dekapoden und Fische konzentrieren. Wie bereits in den vergangenen Jahren sollen Tiere für weiterführende physiologische Untersuchungen lebend nach Bremerhaven transportiert werden.

In den subantarktischen Gebieten (BB, SG, SO, KG und BO, siehe Karte) wird die Arbeitszeit jeweils ca. 2 - 3 Tage betragen. In den Gebieten des hochantarktischen Schelfs [Larsen-AB (LA) und östliches Weddellmeer (EW)] sind Prozesstudien zur pelago-benthischen Kopplung und zur räumlichen Verteilung der Besiedlungsmuster geplant, entsprechend sind hier die Arbeiten jeweils auf ca. 10 - 15 Tage ausgelegt.

Polarstern wird am 08. Februar 2011 zum dritten Fahrtabschnitt der 27. Antarktis-Expedition in Punta Arenas (Chile) auslaufen. Die ersten Stationen werden auf dem Schelf von Südgeorgien und den Südorkneys liegen, danach wird die Antarktische Halbinsel angelaufen. Neben Stationsarbeiten bei King George Island soll die deutsche Dallmann-Station bei Jubany versorgt und lebendes Tiermaterial übernommen werden, das bereits im Januar in der Potter Cove gefangenen wurde. Anschließend wird Polarstern die beiden Hauptarbeitsgebiete im westlichen Weddellmeer (LARSEN-A/B) und im östlichen Weddellmeer (BENDEX-Gebiet) anlaufen. In beiden Gebieten wird ein umfangreiches wissenschaftliches Programm durchgeführt. Nach der Versorgung von Neumayer-III wird Polarstern als letztes Arbeitsgebiet die Bouvet-Insel ansteuern. Am 18. April geht der dritte Abschnitt der 27. Antarktis Expedition in Kapstadt (Südafrika) zu Ende.

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