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GleichstellunGsbericht basel-landschaft care-arbeit

KontExt

Care-Arbeit umfasst die gesellschaftlich und wirtschaftlich notwendige Betreuungs-, Pflege-, Sorge-, Haus- und Beziehungsarbeit. Der grösste Teil der Care-Arbeit wird unbezahlt und privat geleistet und ist somit nicht sozial abgesichert. Männer und Frauen sind zeitlich unterschiedlich stark an Care-Arbeit gebunden – dabei geht es um die grundsätzliche Aufteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit im gesamten Le-bensverlauf. Vereinbarkeitsfragen zwischen Care- und Erwerbsarbeit stellen sich für Frauen und Männer – stark bedingt durch Stereotype – in einem unterschiedlichen Ausmass. Care-Arbeit wird häufig mehrfach im Lebensverlauf relevant: einerseits bei der Kinderbetreuung, andererseits bei der Pflege von kranken Familienangehörigen.

Die Care-Arbeit gewinnt mit dem gesellschaftlichen Wandel an Bedeutung: Der Kin-derbetreuungsbedarf nimmt durch die steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen zu, der Anteil pflegebedürftiger älterer Menschen durch die Alterung der Bevölkerung ebenfalls. Da der •Altersquotient des Kantons Basel-Landschaft mit 35% höher als der Schweizer Altersquotient (29%, 2015) ist, ergeben sich im kantonalen Vergleich grosse Herausforderungen.

bEZahLt VErsus unbEZahLt

Die Frage, wer wie viel Care-Arbeit leisten will und kann, hängt von vielen Faktoren ab. Soll die Kinderbetreuung familienintern verteilt oder extern delegiert werden?

Können Pflegebedürftige zu Hause gepflegt werden oder sollen sie in Alters- und Pflegeheimen betreut werden? Das Einkommen, die finanziellen Reserven, das tat-sächlich vorhandene Angebot für familienergänzende Angebote, der Arbeitsmarkt, flexible Arbeitszeiten, berufliche Ambitionen, die Ausbildung, Unterstützung durch Angehörige und Freiwillige1 spielen eine Rolle bei der Beantwortung solcher Fragen und bei der Organisation der Care-Arbeit. Nicht zu unterschätzen ist auch der Auf-wand der Privatpersonen für die Organisation und das Management der bezahlten und unbezahlten Care-Arbeit.

Für die Kinderbetreuung werden in der Schweiz schätzungsweise 166 Millionen bezahlte und 2103 Millionen unbezahlte Stunden aufgewendet. Für Erwachsene sind es 368 Millionen bezahlte und 186 Millionen unbezahlte Stunden.

unbEZahLtE carE-arbEit

Vier Fünftel der Care-Arbeit werden unbezahlt geleistet, 92% davon für die Kin-derbetreuung.2 Obwohl mehr unbezahlte als bezahlte Arbeit geleistet wird, ist die Wertschätzung der unbezahlten Arbeit nach wie vor gering. Frauen haben 2013 62%

des unbezahlten Arbeitsvolumens und Männer 62% des bezahlten Arbeitsvolumens übernommen. Der Wert der unbezahlten Arbeit wird auf 401 Milliarden Franken geschätzt.3 Die monetäre Bewertung der Pflege von Angehörigen beträgt 3547,6 Mil-lionen Franken (schweizweite Daten 2013).4

Die unbezahlte Arbeit ist nicht sozial abgesichert. Das Ergänzungsleistungsgesetz zur AHV und IV betreffend Kosten für die Pflege und Betreuung durch Familienangehö-rige wird zurzeit überarbeitet, wobei vorgesehen ist, die ambulante Betreuung und Pflege zu fördern. Wer unbezahlt Care-Arbeit leistet, muss sie mit der Erwerbsarbeit vereinbaren. Die unbezahlte Betreuung Angehöriger kann folglich Nachteile auf dem Arbeitsmarkt ergeben: Die dabei erworbenen Qualifikationen werden nicht anerkannt, die soziale Absicherung ist ungenügend und es gibt weniger Ausbildungsoptionen.

Reduzierte Erwerbsarbeit und hohe unbezahlte zeitliche Belastung können eine

•Armutsgefährdung und möglicherweise auch Renteneinbussen verursachen (ins-besondere in der zweiten Säule).5

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200

unbezahlt bezahlt

für Erwachsene für Kinder

Zeitaufwand für bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit in Millionen Stunden pro Jahr, Schätzungen 2007/2008, CH

zeitaufWand für bezaHLte und unbezaHLte care-arbeit in miLLionen stunden pro jaHr, scHätzunGen 2007/2008, cH

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Immer mehr Frauen und Männer im höheren Erwerbsal-ter müssen Erwerbstätigkeit und Pflege vereinbaren.

Mehrfache Vereinbarkeitsfragen können sich ergeben, wenn eine Person berufstätig ist, für den eigenen Haus-halt und Familie sorgt und zusätzlich Enkelkinder so-wie einen bereits pflegebedürftigen Elternteil betreut.6 Rund zwei Drittel der Hauptpflegepersonen sind noch im Erwerbsalter. Sie sehen sich häufig mit einer gros-sen Belastung konfrontiert.7 Ein Pflegefall im Haushalt kann in gleichem Masse zu einer Erwerbsunterbrechung führen wie die Geburt eines Kindes. Der Verlauf eines Pflegefalls ist jedoch weniger voraussehbar und planbar als die Kinderbetreuung. Der Zeitaufwand kann sich mit der Zeit erhöhen. Die intensive Pflege eines Angehörigen ist mit vielfältigen Belastungen verbunden und kann sich bei fehlender Entlastung auf den Gesundheitszustand der pflegenden Person auswirken.8

Care-Arbeit ist in der Bevölkerung ungleich verteilt: Eltern mit kleinen Kindern und Personen über 50 leisten überdurchschnittlich viel unbezahlte Pflege- und Betreu-ungsarbeit. Insgesamt übernehmen Frauen den weitaus grössten Teil der unbezahlten Care-Arbeit.9

2013 wendeten Frauen durchschnittlich rund 11 Stunden pro Woche für die Betreuung von Erwachsenen auf – Männer 5 Stunden. Für die Kinderbetreuung wendeten Frauen im Schnitt pro Woche 22 Stunden auf – Männer 13 (Kinderbetreuung: Ernährung, Hygiene, Spiel, Hausaufgaben, Begleitung und Transport).

Pflegebedürftige Erwachsene in Privathaushalten werden hauptsächlich durch die Partnerin beziehungsweise den Partner gepflegt. Ansonsten übernehmen vor allem Töchter die Care-Arbeit, deutlich seltener die Söhne.10 Vereinbarkeitsprobleme von Pflege und Erwerbsleben traten bislang für Männer vergleichsweise seltener auf als für Frauen. Männer leisten vor allem Care-Arbeit, wenn sie selbst im Ruhestand sind und hauptsächlich für die eigene Partnerin.11 Geschlechtsspezifische Rollener-wartungen, der häufige Altersunterschied zwischen Frauen und Männern in der Paarbeziehung und die unterschiedliche Lebenserwartung führen dazu, dass öfter Frauen ihre Männer pflegen als umgekehrt.12

bEZahLtE carE-arbEit

Bezahlte Care-Arbeit erfolgt einerseits in staatlichen Einrichtungen (z. B. in Krippen, Kindertagesstätten, schulischen Tagesstrukturen, Spitälern, Alters- und Pflegeheimen usw.) und andererseits im privaten Rahmen

(Haushalts-hilfen, privates Pflegepersonal usw.). Nicht gewinnori-entierte Care-Anbietende (z. B. Spitex, Pro Senectute) arbeiten teils mit bezahlten Angestellten, teils mit in-stitutionalisierter Freiwilligenarbeit wie Begleit- oder Mahlzeitendiensten.13

In der bezahlten Care-Arbeit sind mehrheitlich Frauen tätig. Auch ausländische Arbeitskräfte sind hier über-durchschnittlich häufig beschäftigt. Der Bedarf kann nicht mit einheimischen Arbeitskräften gedeckt werden,

da in der Schweiz in den letzten Jahren zu wenig Nachwuchs ausgebildet wurde.14 In den folgenden Abschnitten wird der Fokus auf die Care-Arbeit kranker oder ge-brechlicher Personen gelegt (mehr zur Kinderbetreuung im Kapitel «Familie und Partnerschaft»).

«In den letzten Jahren meiner Berufstätigkeit musste ich mich zusätzlich um meine alte Mutter kümmern. Auch mein erster Enkel kam zu dieser Zeit auf die Welt. Es war eine intensive Zeit.»

elisabeTh, 75

Zeitaufwand für unbezahlte Care-Arbeit in Haushalten mit Kind(ern) oder pflegebedürftiger erwachsener Person in Stunden pro Woche 2013, CH

0 5 10 15 20 25

Männer Frauen

Betreuung von Kindern Betreuung, Pflege von Erwachsenen

zeitaufWand für unbezaHLte care-arbeit in HausHaLten mit kind(ern) oder pfLeGebedürftiGer erWacHsener person in stunden pro WocHe 2013, cH

«Die Arbeitsbedingungen im Pflegedienst sind schwierig.

Obwohl noch immer hauptsäch-lich ein Frauenberuf, wird kaum Rücksicht auf die familiäre Situation der Mitarbeiterinnen genommen.»

regina, 46

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bEZahLtE carE-arbEit in PriVathaushaLtEn

Mit der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen entstehen Mehrfachbelastungen in den Familien, da die Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen nicht mit einer gleich hohen Zunahme unbezahlter Arbeit der Männer einhergeht. Es stellt sich die Frage nach einer Umverteilung (innerhalb eines Haushalts) oder einer Auslagerung der Care-Arbeit. Eine Auslagerung kann die Familien entlasten und für die Paare in Bezug auf die Erwerbsarbeit eine ähnlichere Ausgangslage ermöglichen. Die Auslage-rung der Care-Arbeit ist jedoch stark abhängig von den finanziellen Ressourcen. Sind diese im privaten Arbeitgeberhaushalt knapp, besteht die Gefahr, dass die Angestellten (hauptsächlich Frauen) unter prekären Bedingungen arbeiten müssen und so die Ungleichheit sozial verschoben wird. Eine Studie des •NFP 60 hat gezeigt, dass in den Privathaushalten die gesetzlichen Regulationen zu kurz greifen. Fehlende Verträge, keine Sozialversicherungen und lange Arbeitszeiten, aber auch fehlendes Vertrauen, Unklarheiten und wenig anerkannte Kompetenzen gegenüber den Angestellten sind üblich. Studien zufolge werden die sehr zeitintensive und voraussetzungsreiche Organisation, Administration und Beziehungspflege der Care-Arbeit im Arbeitge-berhaushalt von den Frauen übernommen, die nun gleichzeitig Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeberinnen sind.15

Die Zahl der Putz- und Haushaltshilfen, Au-pairs, Kinderbetreuungspersonen und Altenpflegerinnen und -pfleger, die in Privathaushalten angestellt sind, hat zugenom-men. Gemäss Schätzungen arbeiten über 100 000 Personen in Privathaushalten, viele müssen schwarzarbeiten. Offiziell sind rund 53 000 Hausangestellte registriert.16 Im Bereich der Pflege von Kranken und Alten sind in Privathaushalten hauptsächlich weibliche Pflegerinnen aus dem Ausland tätig. Sie arbeiten teilweise illegal oder sind in einigen Fällen •Sans-Papiers, was sie besonders schutzlos und ausbeutbar macht. Die Aufträge erhalten sie von Privaten und auch profitorientierten Vermitt-lungsunternehmen.17 Ein Beispiel sind die sogenannten «Care-Migrantinnen», die in 24-Stunden-Betreuungsverhältnissen für Pflegebedürftige in Privathaushalten arbeiten. Sie pendeln dreimonatlich zwischen der Schweiz und ihrem Herkunftsland (durch •Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und EU möglich). Viele von ihnen arbeiten unter prekären Arbeitsbedingungen: ohne Arbeitsvertrag, geregelte

Ruhezeiten, gerechten Lohn (nicht existenzsichernd in der Schweiz) und/oder ohne Sozialversicherung.

bEZahLtE carE-arbEit in öFFEntLichEn und PriVatEn institutionEn In öffentlichen und privaten Institutionen (z. B. in Spitälern, Altersheimen) wird gespart und rationalisiert. Das hat Einfluss auf die Arbeitsbedingungen. Die Löh-ne sind tief, die Angestellten arbeiten häufig in

klei-nen Pensen.18 Insgesamt wird die Care-Arbeit dadurch gesellschaftlich wenig anerkannt und geschätzt. 2014 arbeiteten im Kanton Basel-Landschaft 697 Männer und 3236 Frauen in Pflegeheimen (17,7% Männer, 82,3%

Frauen). Die •Vollzeitäquivalente betrugen 615,3 bei den

Männern und 2321,2 bei den Frauen, was im Vergleich zur Anzahl der beschäftigten Personen den hohen Anteil an Teilzeitstellen verdeutlicht. In Spitex-Organisationen arbeiteten 2014 im Kanton Basel-Landschaft 1713 Personen. Der durchschnittliche Beschäftigungsgrad betrug nur 36%.

In den Spitälern arbeiteten 2014 75% Frauen. Einzig bei den Ärztinnen und Ärzten (376 Ärzte und 315 Ärztinnen) sowie bei den technischen Diensten waren mehr Männer als Frauen beschäftigt. Der Anteil des Personals ausländischer Nationalität betrug 36%.

«Es geht häufig darum, das Personal aus Sicht des Betriebs am effizientesten einzuteilen.»

regina, 46

Geschlechterverhältnis der Beschäftigten in Spitälern des Kantons BL nach Hauptfunktionsgruppe 2014

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Männer Frauen

Technische Dienste Ärztinnen und Ärzte Hausdienstpersonal Sozialdienste Medizinisch-technisches Personal Administrativpersonal Medizinisch-therapeutisches Personal Pflegepersonal

GescHLecHterverHäLtnis der bescHäftiGten in spitäLern des kantons bL nacH HauptfunktionsGruppe 2014

care-arbeit

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Beim Hausdienstpersonal arbeiten mehr Ausländerinnen als Schweizerinnen: 42%

der Angestellten in diesem Bereich sind Frauen ausländischer Nationalität.

bEZuG Zu andErEn LEbEnsPhasEn

Bei der Care-Arbeit spielen die Zeitbudgets für Erwerbs- und Care-Arbeit eine grundle-gende Rolle. Diese Zeitaufteilung ist zwischen Männern und Frauen unterschiedlich.

Die Zeitbudgets und damit zusammenhängenden Vereinbarkeitsfragen sind mit allen Lebensphasen verflochten, beispielsweise betrifft Care-Arbeit die Kindheit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit zunehmendem Alter werden Fragen zur Pflege Angehöriger häufiger. Sie können sich jedoch im gesamten Lebensver-lauf immer wieder stellen. Wenn ein Familienmitglied eine Behinderung hat, ist die Care-Arbeit langfristig präsent. Die Vereinbarkeit von Care- und Erwerbsarbeit kann die Möglichkeiten im Erwerbsverlauf beeinflussen und sich dann auch auf den Ruhestand auswirken, zum Beispiel wenn Erwerbsunterbrüche fehlende Beiträge in die zweite Säule zur Folge haben.

1 EBG 2010, S. 17 2 EBG 2010, S. 7 3 BFS 2015c 4 Rudin/Strub 2014 5 EBG 2010, S. 22

6 Höpflinger/Perrig-Chiello 2009

7 BMFSFJ 2011, S. 122 8 VGD 2013, S. 14 9 EBG 2010, S. 6 10 EBG 2010, S. 13 11 BMFSFJ 2011, S. 183 12 EBG 2010, S. 13

13 EBG 2010, S. 9 14 EBG 2010, S. 14

15 NFP 60 2014, S. 28; Wigger et al. 2014 16 Wigger et al. 2014

17 Wigger et al. 2014 18 NFP 60 2014, S. 28

Zusammenfassung für