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Quellenübersicht:

A) Das Widerstandsrecht im Calvinismus (aus der "Institutio Christianae Religionis" von Calvin, 1535) B) Brief von Johannes Calvin (1509-1564) an seinen Schüler Caspar Olevian in Heidelberg (1560)

A) Das Widerstandsrecht im Calvinismus (aus der "Institutio Christianae Religionis" von Calvin, 1535)

30. Hier (gegenüber einer ungerechten Obrigkeit) offenbart sich nun Gottes wunderbare Güte, Macht und Vorsehung. Denn bald erweckt er aus seinen Knechten öffentliche Erretter und rüstet sie mit seinem Auftrag aus, um eine mit Schandtaten beladene Herrschaft zur Strafe zu ziehen und das auf manch ungerechte Weise unterdrückte Volk aus seiner elenden Qual zu befreien, bald bestimmt er dazu auch die Wut von Menschen, die bei solcher Rettungstat etwas anderes im Schild

führen und etwas anderes ins Werk setzen. So hat er das Volk Israel aus der Tyrannei des Pharao durch Mose (2. Mose 3, 7-10), aus der Gewaltherrschaft Kusans, des Königs von Syrien, durch Othniel (Richter 3,9) und aus manch anderer Knechtschaft durch andere Könige oder Richter zur Freiheit führen lassen. So dämpfte er die Hoffart von Tyros durch die Ägypter, die Frechheit der Ägypter durch die Assyrer, die Rohheit der Assyrer durch die Chaldäer, das Selbstvertrauen Babylons durch die Meder und, als Kyrus die Meder bereits unterworfen hatte, durch die Perser. Die Undankbarkeit und die gottlose Halsstarrigkeit der Könige von Juda und Israel aber, die sie angesichts der vielen Wohltaten bewiesen, die er ihnen gewährt hatte, die hat er bald durch die Assyrer, bald durch die Babylonier gebändigt und niedergeschlagen.

Freilich geschah das nicht alles in gleicher Weise. Denn jene ersteren (Mose, die Richter usw.) waren durch eine rechtmäßige Berufung Gottes zur Ausrichtung solcher Taten herbeigerufen worden, und wenn sie also gegen Könige zu den Waffen griffen, so verletzten sie damit in keiner Weise jene Majestät, die den Königen durch Gottes Anordnung beigegeben ist, sondern sie hielten, da sie vom Himmel herab gewappnet waren, die geringere Gewalt kraft der größeren im Zaum, so wie auch die Könige das Recht haben, gegen ihre Statthalter vorzugehen. Die letzteren aber wurden zwar durch Gottes Hand zu dem bestimmt, was ihm gefallen hatte, und richteten, ohne es zu wissen, sein Werk aus, aber in ihren Herzen lebte doch kein anderer Gedanke als der, eine Freveltat zu tun.

31. Aber wie man auch die Taten der Menschen selbst beurteilen mag, so führte der Herr doch durch diese Taten gleichermaßen sein Werk aus, indem er das blutige Zepter schamloser Könige zerbrach und manch unerträgliche Herrschaft stürzte. Das sollen die Fürsten hören - und darob erschrecken!

Wir aber sollen uns unterdessen nachdrücklich hüten, diese Autorität der Obrigkeit, die mit verehrungswürdiger Majestät erfüllt ist und die Gott durch die ernstesten Gebote bekräftigt hat, zu verachten oder zu schänden - selbst wenn sie bei ganz unwürdigen Menschen liegt und bei solchen, die sie durch ihre Bosheit, so viel an ihnen ist, mit Schmutz bewerfen! Denn wenn auch die Züchtigung einer zügellosen Herrschaft Gottes Rache ist, so sollen wir deshalb doch nicht gleich meinen, solch göttliche Rache sei uns aufgetragen - denn wir haben keine andere Weisung, als zu gehorchen und zu leiden.

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Dabei rede ich aber stets von amtlosen Leuten. Anders steht nun die Sache, wo Volksbehörden eingesetzt sind, um die Willkür der Könige zu mäßigen; von dieser Art waren z.B. vorzeitig die "Ephoren", die den lakedämonischen Königen, oder die Volkstribunen, die den römischen Konsuln, oder aber auch die

"Demarchen", die dem Senat der Athener gegenübergestellt waren; diese Gewalt besitzen, wie die Dinge heute liegen, vielleicht auch die drei Stände in den einzelnen Königreichen, Wenn sie ihre wichtigsten Versammlungen halten. Wo das also so ist, da verbiete ich diesen Männern nicht etwa, der wilden Ungebundenheit der Könige pflichtgemäß entgegenzutreten, nein ich behaupte geradezu: wenn sie Königen, die maßlos wüten und das niedrige Volk quälen, durch die Finger sehen, so ist solch ihr absichtliches Übersehen immerhin nicht frei von schändlicher Treulosigkeit; denn sie verraten ja in schnödem Betrug die Freiheit des Volkes, zu deren Hütern sie, wie sie wohl wissen, durch Gottes Anordnung eingesetzt sind!

(in: Geschichte in Quellen, Renaissance, Glaubenskämpfe, Absolutismus, Bayerischer Schulbuchverlag, München 1976, S. 251)

Aufgaben:

1. Liste Beispiele für Widerstand gegen unrechtmäßige Herrschaft auf, die Calvin vorbringt.

2. Beschreibe, wie er das Widerstandsrecht einschränkt.

3. Erläutere, welche Rechte und Pflichten nach Calvin die drei Stände Klerus, Adel, Bürger - z.B. im Reichstag: Bischöfe, Fürsten, Reichsstädte - im Unterschied zu den "amtlosen Leuten" haben.

4. Vergleiche Calvins Auffassung des Verhältnisses von "Volk" und "Obrigkeit" mit derjenigen von Luther! (s. Datei LUTHER.TXT)

B) Brief von Johannes Calvin (1509-1564) an seinen Schüler Caspar Olevian in Heidelberg 1560

Die Pfarrer werden von unserem Kollegium gewählt. Es wird den Kandidaten eine Schriftstelle gegeben, an deren Auslegung sie eine Probe ihrer Geschicklichkeit geben

können; dann werden sie über die Hauptpunkte der Lehre geprüft;

schließlich haben sie sowohl vor uns als vor der Gemeinde zu predigen. Dabei sind auch zwei Ratsmitglieder anwesend. Wird ihre Ausbildung genügend befunden, so schlagen wir sie dem Rate unter Beilegung des Zeugnisses vor, und es steht in seiner Macht, sie abzulehnen, wenn er etwa einen für untauglich hält. Werden sie angenommen, dann werden ihre Namen veröffentlicht, so dass, wenn einer irgendein unbekanntes Vergehen auf dem Gewissen hat, dies binnen 8 Tagen angezeigt werden kann. Wessen Wahl durch allgemeine stillschweigende Zustimmung gebilligt wird, der wird dann Gott und der Gemeinde anbefohlen.

Die Kinder werden nur im öffentlichen Predigtgottesdienst getauft, da es widersinnig scheint, dass die feierliche Aufnahme in die Gemeinde nur vor ein paar Zeugen geschehe. ...

Zum heiligen Abendmahl Christi darf keiner kommen, der nicht seinen Glauben bekannt hat. Deshalb werden jährlich vier Prüfungen

abgehalten, an denen die Kinder befragt und eines jeden Fortschritte festgestellt werden. ... Was die Erwachsenen angeht, so wird jährlich eine Inspektion jeder Familie abgehalten. Wir verteilen die Quartiere untereinander, so dass die einzelnen Bezirke der Reihe nach besucht werden können; der Pfarrer ist von einem Ältesten begleitet; dabei werden dann neu Zugezogene auch geprüft. Den schon Aufgenommenen

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wird das erlassen und nur untersucht, ob es im Hause ordentlich und friedlich zugeht, ob Streit mit den Nachbarn oder etwa Trunksucht vorkommt, ob sie faul und träge im Predigtbesuch sind.

Die Sittenzucht wird folgendermaßen gehandhabt: Jährlich werden zwölf Älteste gewählt, nämlich zwei aus dem Kleinen Rat, die übrigen aus dem Rat der Zweihundert, gleichgültig ob Alteingesessene oder Neubürger. Wer recht und treu seines Amtes waltet, wird nach Jahresfrist nicht entlassen, außer wenn er etwa durch ein anderes Staatsamt in Anspruch genommen wird. Vor der Wahl werden die Namen der Kandidaten veröffentlicht, so dass, wer einen als unwürdig kennt, es rechtzeitig melden kann.

Vor dieses kirchliche Gericht wird nur geladen, über wen dies einstimmig beschlossen wird; so wird jeder gefragt, ob er etwas vorzubringen habe. Es wird auch niemand vorgeladen, als wer sich einer persönlichen Mahnung ungehorsam erwiesen hat und der Gemeinde durch böses Beispiel Ärgernis gibt.

So werden Flucher, Trunkenbolde, Hurer, Raufbolde und Streitsüchtige, Tänzer und Reigenführer und dergleichen Leute vorgeladen. Wer nur leicht gefehlt hat, wird mit freundlichen Worten zurechtgewiesen und entlassen. Bei schwereren Sünden ist die Rüge strenger; der Pfarrer tut sie dann nämlich in den Bann, wenn auch nur für kurze Zeit; dadurch werden sie vom Abendmahl ausgeschlossen, bis sie um Verzeihung bitten und vom selben Pfarrer wieder mit der Gemeinde ausgesöhnt worden sind.

Verachtet jemand verstockt die kirchliche Macht und lässt nicht innerhalb Jahresfrist von seinem Trotz, so wird er vom Rat auf ein Jahr ausgewiesen. Benimmt sich jemand besonders frech, so nimmt der Rat die Sache auf und erteilt die Strafe. Wer, um sein Leben zu retten, bei den Papisten der evangelischen Lehre abgeschworen und der Messe beigewohnt hat, wird aufgefordert, sich der Gemeinde zu stellen. Der Pfarrer erklärt dann die Sache von der Kanzel; dann wirft sich der Gebannte auf die Knie und bittet demütig um Verzeihung. Die Befugnisse des Konsistoriums sind nur derart, dass die staatliche Gerichtsbarkeit in ihrem Vorgehen durch sie nicht gehemmt wird. Damit das Volk nicht über maßlose Strenge klagen kann, sind nicht nur die Pfarrer denselben Strafen unterstellt, sondern jedes bannwürdige Vergehen zieht zugleich die Absetzung mit sich.

(zit. nach der deutschen Übersetzung von R. Schwarz, Calvins Lebenswerk in seinen Briefen, Tübingen 1909)

Aufgaben:

1. Beschreibe, wie ein Pfarrer bei den Calvinisten in sein Amt eingeführt wird.

2. Charakterisiere das Verhältnis zwischen Pfarrer und Gemeinde.

3. Definiere, welche Ansprüche an die Ältesten der Gemeinde gestellt werden.

4. Schätze die Rolle des „kirchlichen Gerichts“ ein.

5. Nenne Vor- und Nachteile eines solchen Gemeindelebens für den einzelnen Bürger.

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