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II. SCHRIFTTUM

3.2 Einflüsse der Calciumzufuhr auf das Wachstum und die Skelettentwicklung

3.2.1 Calciumüberversorgung

Wie Überprüfungen der Fütterung von Junghunden belegen, sind Ca-Fehlversorgungen auch in der heutigen Fütterungspraxis nicht selten (u.a. DOBENECKER et al. 1998, GRUßENDORF et al. 2001, LAUTEN et al. 2002). Insbesondere die von Besitzern häufig praktizierte unkritische Gabe von Mineralsupplementen zusätzlich zu einem ausgewogenen Tierfutter resultiert in einer Ca-Überversorgung (LAUTEN et al. 2002). Darüber hinaus können auch kommerzielle Futter mit fehlerhaftem Mineralstoffgehalt gefunden werden (HAZEWINKEL et al. 1985, LAUTEN et al. 2002).

Hunde unter einem Alter von sechs Monaten sind noch nicht in der Lage eine fehlerhafte Ca-Zufuhr in der Nahrung durch Veränderung der Calciumabsorption aus dem Darmtrakt auszugleichen. Der Absorptionskoeffizient ist bei hoher Calciumzufuhr mit dem Futter gleich hoch wie bei bedarfsgerechter Ca-Zufuhr, weshalb eine Resorption proportional zum Gehalt im Futter stattfindet (GOEDEGEBUURE und HAZEWINKEL 1986, HAZEWINKEL et al.

1987, SCHOENMAKERS et al. 2000, TRYFONIDOU et al. 2002, DOBENECKER 2002, LAUTEN et al. 2002).

DOBENECKER (2002, 2004) zeigte anhand von Untersuchungen an zwei verschiedenen Rassen (Beagle, Foxhound-Boxer-Labrador), dass von der 12.-24. Woche die Ca-Resorptionsrate zurückgeht. Darüber hinaus konnten rassespezifische Unterschiede mit einer höheren Ca-Absorptionsrate bei den Beagles festgestellt werden. Diese Ergebnisse lassen genetische Unterschiede in der Regulation der Ca-Absorption bei wachsenden Hunden

vermuten, welches eine Erklärung für die unterschiedliche Sensitivität der verschiedenen Hundesrassen gegenüber einem Ca-Überschuss mit einer höheren Inzidenz von fütterungsbedingten Krankheiten des Skelettsystems vor allem bei großen und Riesenrassen geben könnte (DOBENECKER et al. 1998, DOBENECKER 2002, 2004).

Folglich muss bei Jungtieren der tägliche Calciumbedarf exakt berechnet und über das Futter zugeführt werden, um Schäden im Skelettwachstum zu vermeiden.

Ein überhöhtes Angebot von Ca im Futter führt über die daraus resultierende Hypercalcämie zu einer vermehrten Synthese und Freisetzung von CT aus den parafollikulären Zellen der Schilddrüse. CT wirkt über verschiedene Mechanismen einer Erhöhung des Blutcalciumspiegels entgegen. Im Skelett hemmt CT primär die Freisetzung von Ca aus dem Knochen und bewirkt über Hemmung der Aktivität der Osteoklasten und Stimulierung der Osteoblasten eine vermehrte Einlagerung von Ca und P. In der Niere wird die tubuläre Rückresorption von P gehemmt, woraus eine vermehrte P-Ausscheidung resultiert (ALLEN 1982, ENGELHARDT und BREVES 2000, MEYER und ZENTEK 2005).

HAZEWINKEL et al. (1985) zeigten anhand von Untersuchungen an 11 Deutschen Doggenwelpen, dass eine 3fache Überversorgung mit Ca (3,3% Ca TS) bei unverändertem P-Gehalt des Futters zu einem verlangsamten Wachstum im Vergleich zur Kontrollgruppe führt, was später auch von NAP et al. (1993a) bestätigt werden konnte. Darüber hinaus zeigten sich bei einem Teil der Hunde Skelettentwicklungsstörungen in Form von Wirbelkörperfehlbildungen sowie radiologisch feststellbare Veränderungen im Sinne des Osteochondrosis Syndroms.

In einer weiteren Studie verglich LEPINE (1998) das Wachstum von 36 Deutschen Doggen unter unterschiedlicher Calciumzufuhr. Bei einer Versorgung mit 0,8% Ca im Futter wuchsen die Tiere schneller und erreichten höhere Körpergewichte als die Tiere mit übermäßiger Calciumversorgung (2,7% Ca). Unterschiede konnten auch im Mineralstoffgehalt der Knochen festgestellt werden. Mit steigendem Calciumgehalt im Futter stiegen sowohl der Gehalt als auch die Dichte im Knochen an. Bei den Tieren unter hoher Calciumzufuhr konnte klinisch eine Lahmheit und bei drei Tieren HOD festgestellt werden.

In den meisten Studien über die Auswirkungen einer übermäßigen Calciumzufuhr auf das Skelettwachstum wurden als Vertreter großer Rassen Deutsche Doggen verwendet. Um zu unterscheiden, ob alle großwüchsigen Hunderassen gleichermaßen empfindlich gegenüber hoher Calciumzufuhr mit dem Futter sind oder ob rassespezifische Prädispositionen bestehen, wurde eine Aufzuchtstudie mit 25 Beagles und 35 FBI-Kreuzungen (Adultgewicht über 30 kg) durchgeführt (DOBENECKER et al. 2006). Insbesondere sollten mögliche genetische Unterschiede im Ca-Metabolismus verschiedener Rassen untersucht werden. Die Welpen beider Rassen wurden in Kontrollgruppe mit bedarfsgerechter individueller Calciumzuteilung (NC, ca. 1,1% Ca TS) und Versuchsgruppe mit 3facher Calciumüberversorgung (HC, ca.

3,6% Ca TS) eingeteilt. Zu Beginn und am Ende der Versuchsphasen wurden von den Vordergliedmaßen Röntgenaufnahmen angefertigt und verschiedene Knochenparameter ausgemessen. Bei den FBIs konnte kein Einfluss der Calciumzufuhr auf die Skelettentwicklung festgestellt werden, dagegen zeigten die Beagles bei übermäßiger Calciumzufuhr ein hochsignifikant retardiertes Längenwachstum der Knochen. Entgegen der Tatsache, dass die Dauer und die Höhe der Calciumüberversorgung für die Entstehung von Skelettentwicklungsstörungen großer Hunderassen in anderen Studien ausreichend waren, traten bei den FBIs keine Schäden am Skelettsystem auf. Diese Tatsache könnte durch eine nachgewiesene niedrigere Ca-Absorptionsrate sowie eine geringere Empfindlichkeit gegenüber einem Ca-Exzess erklärt werden. An der bei den Beagles unter Calciumüberversorgung festgestellten Wachstumsretardierung an Radius und Ulna ist ursächlich vermutlich eine gestörte enchondrale Ossifikation verantwortlich. Somit konnte auch bei kleinen Hunderassen eine Empfindlichkeit gegenüber einem Ca-Überschuss gezeigt werden, eine klinische Manifestation trat jedoch nicht auf. Folglich bestimmen nicht nur das Endgewicht und die damit zusammenhängende Wachstumskurve die Calciumtoleranz eines Welpen, sondern auch genetische Prädispositionen für die Entstehung von Skelettentwicklungsstörungen der Rasse (DOBENECKER et al. 2006).

KALLFELZ und WENTWORTH (1969) untersuchten in einer Studie an sechs Beaglewelpen die Höhe des Einbaus von Ca in den Knochen zu verschiedenen Alterszeitpunkten. Sie fanden nach intravenöser Applikation von Ca einen schnelleren Abfall des Serum-Calciums bei jüngeren im Vergleich zu älteren Hunden. Die Retentionsrate von Ca im Körper lag bei den jüngeren Tieren dagegen über derjenigen der älteren Hunde und zeigte eine signifikante Abhängigkeit zur Körpermassezunahme. Dies zeigte, dass bei den jüngeren Tieren Ca

schneller aus dem Blut in Knochengewebe eingebaut wird, als dies bei älteren Hunden der Fall ist. Das Maximum des Calciumeinbaus in den Knochen bestimmten sie für das Alter von fünf Monaten.

Wird nach einer Phase der Ca- und/oder P-Fehlversorgung deren Gehalt im Futter gemäß dem Bedarf des Tieres zugeteilt, kommt es zur teilweisen Rückbildung der pathologischen Veränderungen. Je nach Schwere der bestehenden Veränderungen können jedoch bleibende Schäden am Skelettsystem zurückbleiben (SCHOENMAKERS et al. 2000).

Die histopathologischen Auswirkungen einer chronischen Ca-Überversorgung auf die Skelettentwicklung können in Störungen der Knorpelreifung sowie Störungen der Knochenreifung und Remodellierung eingeteilt werden: Mit zunehmendem Alter wachsender Tiere nimmt die Breite der Wachstumsfuge ab, beim Vergleich mit einer ausgewogenen Ca-Versorgung finden sich bei Ca-Überversorgung aufgrund einer Hemmung der Knorpelreifung jedoch durchgehend breitere Wachstumsfugen mit irregulär ausgebildeter Knorpelmatrix. Die Störungen der Knorpelentwicklung setzen sich auch in die Knochenmatrix fort. An den Knochen tritt folglich eine Beeinträchtigung der enchondralen Ossifikation auf, die sich in mehr oder weniger großen Diskontinuitäten zwischen Knorpel und Metaphyse äußern.

Aufgrund verminderter Knochenreifung findet sich bei hoher Ca-Versorgung im Vergleich zu bedarfsgerecht versorgten Tieren eine größere Anzahl über das Knochengewebe verteilter Reste der Knorpelmatrix. Auch die Remodellierung der Knochenmatrix ist deutlich reduziert, was zu einer höheren Knochendichte und zu einer weiteren Ausdehnung der sekundären Spongiosa in Richtung der Diaphysen führt. Der Grund dafür liegt in einer verminderten Anzahl und Aktivität der Osteoklasten im Knochengewebe bei Ca-Überversorgung infolge erhöhter CT- und verminderter PTH-Konzentrationen. Die Knochentrabekel der primären und sekundären Spongiosa sind bei hoher Ca-Supplementierung dicker und irregulär angeordnet.

Mit zunehmendem Alter nimmt die Knochenmasse zu. Die Anzahl der Osteoklasten im Knochen liegt bei normaler Ca-Versorgung signifikant höher als bei Ca-Überversorgung.

Infolgedessen zeigen sich bei Ca-Überversorgung verminderte Remodellierungsprozesse in den Knochen, wohingegen die Kortexdicke aufgrund einer größeren Osteoblastenanzahl stärker ist (HAZEWINKEL et al. 1985, GOEDGEBUURE und HAZEWINKEL 1986, SCHOENMAKERS et al. 2000).