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Dieses Kapitel gibt einen kurzen Einblick in die Disziplin Brand Design. Des weiteren erfolgt durch die Darstellung der dem Brand Design eigenen Konzentration auf emotionale Elemente und Nutzererfahrungen eine Zusammenführung mit dem

User-Centered Design, wie es auch im Usability Engineering und Screen Design angewandt wird. Hierdurch wird die Relevanz des Brand Design für Joy-of-Use eruiert.

Brand Design (auch: Branding2) beschäftigt sich mit der Gestaltung von Marken. Dies geschieht einerseits aus der gestalterischen Sicht von Designern und andererseits aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht, dem Marketing. Es geht um die Planung, Realisierung und Kontrolle sämtlicher Marketing-Maßnahmen für markierte Produkte (Markenführung) sowie die Gestaltung von Markennamen und Markenzeichen. Als Bestandteil der Corporate Identity bezeichnet Brand Design (hier auch: Corporate Design) die „Gestaltung aller optisch wahrnehmbaren Elemente des Erscheinungsbilds eines Unternehmens wie Firmenzeichen, Firmenfarben, Slogan, Schriftart, Farben etc.“

[Fantapié Altobelli&Sander 2001, 182]

Design Integration bezeichnet die einheitliche und konsequente Umsetzung dieser Aspekte im Rahmen eines Corporate bzw. Brand Design-Konzeptes. Als übergeordnetes Ziel des Branding wird eine langfristige Kundenbindung angestrebt. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein bestimmtes Markenimage transportiert, das wiederum auf ein bestimmtes Self-Image des Kunden abzielt. Die Marke drückt für den Benutzer etwas aus, weckt in ihm Erinnerungen und sorgt für Zufriedenheit. D. h., indem sich der Benutzer mit einer bestimmten Marke zeigt bzw. identifiziert, trägt er damit ein entsprechendes Image nach außen, das ihn beispielsweise modisch, umweltbewusst oder dynamisch darstellt. Branding zielt auf eine optimal gestaltete Marke und deren Positionierung ab, um den Benutzer an das Produkt zu binden. Damit wird es langfristig zu einem User-Centered Design, das die Arbeit mit der Marke an dem potentiellen Benutzer ausrichtet. Dieser steht im Mittelpunkt der Markenführung, da die Positionierung nach seinen Wünschen und Bedürfnissen ausgerichtet wird. Ist die Marke einmal entwickelt, so rückt die immer neue Markenpositionierung in den Vordergrund.

Die Konzentration geht dann auf den Kunden über bzw. wie dieser durch eine erfolgreiche Positionierung zu erreichen ist. „Die Marke ist so zu positionieren, dass sie eine attraktive Alleinstellung im Vergleich zum Wettbewerb erreicht. Maßstab für die erfolgreiche Umsetzung eines Positionierungskonzeptes ist dabei allein die subjektive Wahrnehmung der Konsumenten.“ [Fantapié Altobelli&Sander 2001, 11]

Diese subjektive Wahrnehmung entspricht Joy-of-Use: der Benutzer hat ein positives Gefühl und fühlt sich daher zum Produkt hingezogen, nutzt es wiederholt. Es erfolgt eine emotionale Bindung an die Marke.

Im Branding werden streutechnische, ökonomische und verhaltenswissenschaftliche Ziele unterschieden. Streutechnische Ziele bezeichnen z. B. den Verbreitungsgrad und die Auswahl der Medien. Verbesserung der Marktposition, Umsatz- oder Gewinnwachstum

2 Brand Design bezeichnet die Disziplin aus Designersicht, während im betriebswirtschaftlichen Umfeld eher der Begriff des Branding verwendet wird. Beide Begriffe können jedoch gleichbedeutend verwendet werden.

sind Beispiele für ökonomische Ziele. Die verhaltenswissenschaftlichen Ziele sind für Joy-of-Use von Bedeutung. Diese beinhalten Zielgrößen wie Bekanntheit der Online-Präsenz, Interesse, Markenimage, Kaufabsicht, Markenbekanntheit, Steigerung der Kundenbindung und Kundendialog. [Vgl. Fantapié Altobelli&Sander 2001]

Grundprinzipien der Markenführung gelten sowohl für Offline- als auch für Online-Marken. Unter mehreren generellen Erfolgsprinzipien des Branding wird als erster Punkt das Schaffen und Erhalten einer Monopolstellung in der Psyche des Verbrauchers genannt. In der Literatur wird aufgrund der sich angleichenden funktionalen Qualität der Produkte auf die steigende Relevanz emotionaler Aspekte hingewiesen. [Vgl. Fantapié Altobelli&Sander 2001, 19f.] Leistung, gute Funktionalität und Qualität sind allein nicht mehr ausreichend, um sich von den Mitbewerbern abzusetzen. Der Nutzen von Marken liegt daher inzwischen „vielmehr in einer emotionalen Unique Feeling Position (z. B.

Coca-Cola) statt in einer rationalen Unique Selling Position (z. B. Bosch)“ [eBRANDING 2000, 24]. Diese emotionale Produktpositionierung ist gegenüber einer Positionierung, die auf rationale, technisch-objektive Produktvorteile setzt, für den Mitbewerber schwerer anzugreifen. Das Brand Design konzentriert sich darauf, die Emotionen des Benutzers positiv anzusprechen, ihn dadurch an das Produkt zu binden und gegenüber Mitbewerbern einen Vorteil zu erlangen. Aus Marketingsicht wird die emotionale Erfahrung im Internet als Markentreiber (Brand Driver) verstanden. Auch der Markenwert (Brand Equity) enthält eine emotionale Komponente, da er sich u.a. aus der Zufriedenheit des Benutzers und seinen Vorlieben zusammensetzt. Um einen hohen Markenwert zu erlangen, werden für den Benutzer relevante emotionale Markenversprechen beschrieben und adressiert. Es sollen so genannte Mehrwertmarken kreiert werden, die Leistung mit Emotion verbinden. Die so genannte Integrated Experience Proposition, eine einzigartige positive Gesamterfahrung, bezeichnet dieses Ziel. Leistungen dürfen dabei nicht vernachlässigt werden. Denn werden nur Emotionen und keine Leistungen geboten, so wirkt sich dies nachteiliger aus, als Leistungen ohne Emotionen anzubieten. [Vgl. E-Branding-Strategien 2001] Die Gebrauchstauglichkeit zeigt sich wieder als Voraussetzung für Joy-of-Use. Der Benutzer kann Joy-of-Use nur empfinden, wenn das Produkt die versprochene Leistung erbringt.

Im Branding werden verschiedene Erscheinungsformen von Marken systematisiert. So bezeichnet beispielsweise Daimler-Chrysler eine Wortmarke und der Mercedes-Stern eine Bildmarke. Des Weiteren gibt es Herstellermarken, Handelsmarken, optische oder akustische Marken u.v.a.m. Bis auf olfaktorische und taktile Marken lassen sich alle Erscheinungsformen auf interaktive Systeme übertragen. Für sie wäre lediglich eine Markenpräsenz innerhalb der zugehörigen Hardware denkbar. [Vgl. Fantapié Altobelli&Sander 2001, 4f.]

Das Internet als verbreitetste Form interaktiver Systeme wird im Branding gesondert behandelt. Benutzer zeigen im Internet im Regelfall eine geringe innere Beteiligung und es wird von einem Low-Involvement3 des Benutzers gesprochen. Daher ist es hier sinnvoll, Benutzer emotional anzusprechen. So können z. B. visuelle Elemente Interesse wecken und zu einer Aktivierung des Benutzers beitragen. Ziellos „browsende“ Benutzer sollen in eine Art des bei Hassenzahl beschriebenen Goal Mode (Kapitel 3.1) überführt werden. [Vgl. Fantapié Altobelli&Sander 2001, 55ff.] Esch et al. kritisieren, dass bisher nur wenige Internetauftritte emotionale Wirkungen vermitteln und bestehende Möglichkeiten zur Erzeugung von Emotionen im Internet unzureichend genutzt werden.

Wie Norman weisen sie darauf hin, dass emotionale Eindrücke den kognitiven Eindrücken stets vorausgehen und dabei als positiver oder negativer Wahrnehmungsfilter dienen.

[Vgl. Moderne Markenführung 2001, 565ff.]

Eine Möglichkeit der Kundenbindung sehen Esch et al. im Anbieten von emotionalen Mehrwertdiensten im Internet. Mehrwertdienste sind Angebote, die nicht unmittelbar mit dem Verkauf in Zusammenhang stehen. Sie inszenieren die Marke in ansprechender Form und erhöhen Zugriffe und Verweildauer auf der Webseite. Emotionale Mehrwertdienste reflektieren die Markenwelt, indem sie markenspezifische Elemente in Spiele o.ä. einbinden. Sie sind besonders für „browsende“ Benutzer geeignet, die nach Anregung und Stimulation suchen. Ein Beispiel ist die angebotene Patenschaft für eine Milka-Kuh auf der Webseite der Firma Milka. Die Milka-Kuh ist Benutzern aus der Offline-Werbung bestens bekannt (sie wurde seit 1973 in 110 Werbespots eingesetzt und hat einen Bekanntheitsgrad von 90% in der deutschen Bevölkerung [Kraft Foods 2003]), womit die Verbindung zum Produkt hergestellt ist. Durch die erforderliche Pflege der Patenkuh ist der Benutzer angehalten, immer wieder auf die Seite zurückzukommen.

Diese Spielform stellt einen emotionalen Mehrwertdienst dar und bindet den Benutzer emotional an das Produkt.4 [Moderne Markenführung 2001, 591ff.] Emotionale Mehrwertdienste lassen sich allerdings nicht mit allen Marken gleich gut umsetzen und sind insbesondere bei ernsthafteren Produkten schwieriger einzusetzen. Für Benutzer, die gezielt suchen und sich bereits im Goal Mode befinden, sind ebenfalls sachliche Mehrwertdienste empfehlenswerter. Aufgrund der höheren kognitiven Beteiligung muss der Nutzen für den Kunden klar erkennbar sein. Generell sollten Mehrwertdienste nicht

3 Das Involvement-Konstrukt geht auf die Social Judgement Theory zurück, beschrieben bei M. Sherif und H.

Cantril: The Psychology of Ego Involvement, New York, 1947. Involvement ist das Ausmaß, in dem ein Objekt oder Meinungsgegenstand zum Wertesystem eines Individuums in Beziehung steht, bzw. das Engagement, mit dem sich ein Benutzer einer Sache zuwendet. Ein hohes Involvement zeichnet sich durch eine intensive innere Beteiligung des Benutzer aus und ist im Internet mit aktiver Informationssuche, aktiver Auseinandersetzung, hoher Verarbeitungstiefe, stark verankerter Einstellung, hoher Gedächtnisleistung sowie Ansprechbarkeit durch rationale Argumentation verbunden. Bei niedrigem Involvement durch den Benutzer ist all dies nicht gegeben.

[Vgl. Fantapié Altobelli&Sander 2001, 78ff]

4 Patenschaft für Milka-Kuh unter der URL: http://www.milka.de/ (15.04.2004)

zum Selbstzweck werden. Eine Relevanz für den Nutzer und das Passen zur Marke ist sicherzustellen; die Mehrwertdienste müssen zum Markenkern passen und auf die Markenpositionierung eingehen. [Moderne Markenführung 2001, 593f.]

Das so genannte Experience Branding bezeichnet eine erfolgreiche Markenführung, die einen Mehrwert für den Kunden (und damit für die Marke) in Form einer überlegenen Gesamterfahrung mit der Marke entlang aller Kundenschnittstellen darstellt. Erfahrung wird hier als ein Zusammenspiel von kumulativer Interaktion und Bedürfniserfüllung verstanden und erfordert eine markenkonsistente Steuerung. Kernelemente des Experience Branding sind Individualisierung, Innovation, emotionaler Zusatzwert und Bildung einer Gemeinschaft. Leider eignet sich nach wie vor Offline-Kommunikation besser zur Emotionalisierung einer Marke. Die Glaubwürdigkeit von klassischen Medien (TV und Zeitung) ist höher als die des Internets. [Vgl. E-Branding-Strategien 2001, 86ff.]

Für den Benutzer soll eine positive Erfahrung kreiert werden, ein Rauschzustand oder ein rauschhaftes Entdecken neuer Möglichkeiten. Auch Benutzer, die sich eine gezielte Suche vornehmen, enden oft beim Hin- und Herklicken im World Wide Web und verlieren sich wieder im Action Mode. So genannte Emotional Benefits sind nur eine Möglichkeit, dem entgegen zu wirken und den Benutzer zu binden. So erzeugt Amazon beispielsweise einen emotionalen Zusatznutzen der Marke durch die persönliche Ausrichtung auf den Benutzer. Den Benutzern werden persönliche Buch- und Musikempfehlungen vorgestellt, die aus ihrem Kauf- und Klickverhalten abgeleitet sind. Dadurch werden ihnen immer neue, auf ihr Profil passende Artikel unterbreitet und damit ihre Neugier geweckt. [Vgl. E-Branding-Strategien 2001, 152, 195 und 243]

Ansatzpunkte für eine psychologische Erfolgskontrolle können mittels Logfile-Analysen gewonnen werden. Umfassende und aussagekräftige Erfolgskontrolle in Bezug auf psychologische Größen (Bekanntheit, Erinnerung, Präferenzen) ist jedoch lediglich auf der Grundlage von Nutzerbefragungen zur Imagewirkung, Erinnerung usw. oder durch experimentelle Verfahren wie Tachistoskop oder Blickregistrierung möglich. Weiterhin sind die Zahl der Zugriffe und Verweildauer auf einer Webseite Indikatoren für Interesse.

Die im Zugriffsprotokoll erfassten, abgerufenen Dateien bzw. Seiten können Präferenzen des Benutzers für bestimmte Inhalte wiedergeben. Clickstreams geben Aufschluss über Navigationsverhalten und Interessensgebiete. Weiterhin bezeichnen AdViewTime, Click-Trough-Rate und AdClicks Messwerte psychologischer Erfolgskontrolle. [Fantapié Altobelli&Sander 2001, 152ff.]

Emotionale Elemente können grundsätzlich zwei unterschiedliche Wirkungen entfalten:

Klimawirkungen und Erlebniswirkungen. Klimawirkungen in einem Internetauftritt entstehen hauptsächlich durch emotionale Reize, die wenig bewusst aufgenommen und peripher verarbeitet werden. Positive Klimawirkungen verbessern den Erfolg, indem sie

die Informationsvermittlung unterstützen. Für positive Wahrnehmungsklimate bieten sich nach dem heutigen Stand der Technik vor allem optische und akustische Gestaltungsmittel an. Generell sollte aber der visuellen Ansprache der Vorrang gegeben werden, weil Lautsprecher an PCs oft ausgeschaltet oder gar nicht vorhanden sind.

[Moderne Markenführung 2001, 588f.] Erlebniswirkungen werden durch dominante emotionale Reize ausgelöst, die zentral verarbeitet werden. Zur Vermittlung von Erlebnissen sollte auf große, emotionsstarke Bilder zurückgegriffen werden. Intros eignen sich ebenfalls dafür. Die Marke sollte dabei in das vermittelte Erlebnis integriert sein (emotionale Wirkungen auf die Markenpositionierung abstimmen). Erlebnisvermittlung nur als Begrüßung reicht jedoch nicht aus, das Erlebnis sollte auf jeder Seite des Markenauftritts erkennbar sein. [Vgl. Moderne Markenführung 2001]

Branding zeigt bereits viele Aspekte, die Joy-of-Use unterstützen. So beschreibt das Experience Branding die Notwendigkeit einer Gesamterfahrung für den Benutzer. Es wird eine umfassende und allgegenwärtige User Experience angestrebt, wie sie für Joy-of-Use erforderlich ist. Durch die schwerpunktmäßige Ausrichtung auf Selbst- und Markenimage, Erinnerungen u.ä. spielt das reflective Design dennoch eine größere Rolle im Brand Design als behavioral und visceral Design. Das Brand Design zielt lediglich darauf ab, dass das „gebrandete“ Produkt modisch angepasst ist und der Benutzer sich in seinem Umfeld darüber positiv äußert – die Werbung dadurch zum Selbstläufer wird. Die tatsächliche Freude bei der Benutzung ist nicht das primäre Ziel des Brand Designs, sondern nur das Image des Produktes ist von Bedeutung.

7 Joy-of-Use in der Kritik

Derzeit wird Joy-of-Use zumeist euphorisch bejubelt. Wie jedoch bei jeder Thematik gibt es auch Fachleute, die Joy-of-Use kontrovers hinterfragen. Nicht für jeden macht der Rummel um Joy-of-Use Sinn. Häufig werden im deutschsprachigen Raum Wolfgang Dzida, Ahmet Cakir und Thomas Geis als extreme Kritiker des Joy-of-Use angeführt. Sie sehen vor allem Schwierigkeiten in der Definition dieser Thematik sowie in der unklaren Konzeptbildung. Interessant ist dabei die unterschiedliche Herangehensweise an eine einheitliche Meinung. Im Folgenden werden die einzelnen Standpunkte dargestellt, um einen Einblick in die aktuelle, kritische Diskussion über Joy-of-Use zu geben.

Thomas Geis, Usability-Experte und Geschäftsführer von ProContext GmbH, legt bspw.

zunächst Wert auf die Unterscheidung von Produktgruppen und unterteilt:

1. nicht-interaktive Produkte, die Arbeitsaufgaben unterstüzen (z. B. Hammer) 2. interaktive Produkte, die Arbeitsaufgaben unterstützen (z. B. Software, Telefon) 3. nicht-interaktives Spielzeug für Erwachsene (z. B. Brettspiel)

4. interaktives Spielzeug für Erwachsene (z. B. Computerspiele, Flippergerät) 5. interaktives Spielzeug für Kinder (z. B. Spielcomputer)

6. nicht-interaktives Spielzeug für Kinder (z. B. Puppe, Ball)

Die Produktkategorien drei bis sechs haben implizit das primäre Benutzerziel der Unterhaltung und werden in diesem Zusammenhang nicht näher erläutert. Geis stellt Joy-of-Use als eigenständiges Konzept für Produktgruppe eins und zwei in Frage. Dies sind nicht-interaktive und interaktive Produkte, die Arbeitsaufgaben unterstützen und bei denen die Erledigung einer konkreten Aufgabe im Vordergrund steht. In Arbeitskontexten wird jedes Produktmerkmal, das hilft, die Arbeitsaufgabe zu erfüllen, als zufriedenstellend empfunden. Jedes Produktmerkmal, das der Erledigung der Arbeitsaufgabe entgegenwirkt, wird als nicht-zufriedenstellend empfunden, da es erlernt werden muss und von der Arbeitsaufgabe ablenkt. Damit untermauert Geis, dass bei der Erledigung von Arbeitsaufgaben mit Produktunterstützung die Freude der Produktnutzung nur eine Folge von hindernisfreier Nutzung ist. Dies wiederum wird bereits in der ISO 9241-11 als Zufriedenstellung beschrieben. Menschen haben in einem konkreten Arbeitskontext Freude daran, Produkte zu nutzen, die ihre Arbeitsaufgabe hindernisfrei unterstützen (= Effektivität und Effizienz nach ISO 9241-11). Geis argumentiert daher, dass Joy-of-Use als Konzept nicht sauber definiert ist und vermutlich gar „kein eigenes Konzept ist, sondern ein Effekt konsequent gebrauchstauglich gestalteter Produkte und somit ein Synonym für "Zufriedenstellung", wie in ISO 9241-11 definiert“ [Geis 2004].

Eine mögliche Einbringung von Joy-of-Use sieht er erst, nachdem die Kriterien der

Gebrauchstauglichkeit vollständig erfüllt sind (Joy-of-Use als ästhetisches Merkmal oberhalb der Gebrauchstauglichkeitsgrenze). Geis beschreibt Joy-of-Use schlicht als gutes Industriedesign, das eine gewisse Ästhetik von Produkten sicherstellt und verweist darauf, dass dies insbesondere für nicht-interaktive Produkte relevant ist. [Geis 2004]

Die von Geis interpretierte Gleichheit von Joy-of-Use mit der in der ISO 9241-11 definierten Zufriedenstellung (siehe Kapitel 6.2) lässt sich allerdings aus psychologischer Sicht leicht angreifen. So kann nämlich Freude auch unter Abwesenheit von vorherigen Erwartungen erlebt werden. Sie wird als Emotion intensiver, wenn bestehende Erwartungen übertroffen werden. Zufriedenstellung erfordert aber lediglich das Einlösen von Erwartungen – sie beschreibt nicht die Emotion erlebter Freude, die ohne vorherige Erwartungen subtil oder offensichtlich eintritt und spontan auftritt. [Vgl. Hassenzahl 2003] Damit wird deutlich, dass Joy-of-Use nicht schon allein durch die definierte Zufriedenstellung abgedeckt wird. Denn wie in den vorherigen Kapiteln beschrieben, bezeichnet Joy-of-Use wesentlich mehr als die bloße Erfüllung von Erwartungen.

Weiterhin ist es ein strittiges Thema, ob Zufriedenstellung bis jetzt überhaupt in der ISO-Norm abgedeckt wird und wenn nicht, ob Joy-of-Use dies tun könnte. Die Nutzerzufriedenstellung ist neben Effizienz und Effektivität die dritte Grundlage der Software-Ergonomie. Sie wird zwar in der ISO 9241-11 bestimmt, in der Literatur findet sie jedoch wenig Beachtung und die Schwerpunkte liegen eher auf Methoden zur effizienten und effektiven Gestaltung von Benutzungsoberflächen. Bisher wurde angenommen, dass Benutzer zufrieden sind, wenn sie ihr Resultat effektiv und effizient erhalten. Heute dagegen wird es als nicht ausreichend angesehen, ausschließlich negative Emotionen zu unterdrücken, ohne positive Emotionen zu fördern. [Vgl. dazu Eibl 2003, 165ff.] Auch Jordan kritisiert, dass „the human-factors profession has traditionally operationalized ‚satisfaction’ in a manner that is limited to the avoidance of physical or cognitive discomfort” [Jordan 2000, 7]. Dadurch fördert Usability eine limitierte Sichtweise auf den Benutzer des Produktes, was Jordan sogar als entmenschlichend ansieht. Verfechter des Joy-of-Use argumentieren, dass ein schönes, ästhetisches Interface zu einem besseren Arbeiten beiträgt und dabei mehr bewerkstelligt als bloße Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung.

Doch auch Wolfgang Dzida, Inhaber von Usability Engieneering Projects, bemängelt das unklare Bewertungskonzept von Joy-of-Use. Allerdings betrachtet er sich als Befürworter einer Erweiterung des Usability-Konzeptes um eine ästhetische Qualitätsdimension, sieht jedoch Schwierigkeiten in der Realisierung einer solchen. Dzida bezieht sich vor allem auf die Unterteilung des Usability nach der ISO 9241-10 in Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung und verweist darauf, dass die Effizienz in die Qualitätsfaktoren Dialogqualität und Qualität des Informationsdesigns aufgeteilt wird. Dialogqualität drückt

sich in der dynamischen Qualität eines Produktes aus, während das Informationsdesign Eigenschaften der statischen Oberflächenqualität ausmacht. Für Joy-of-Use gilt es nach Dzida zunächst einmal zu erörtern, ob es sich um eine statische oder eine dynamische Eigenschaft handelt. Ästhetik bezieht sich zumeist auf die Oberflächengestaltung, Joy-of-Use allerdings geht weiter und bezieht sich zusätzlich auf Dialog und Interaktivität und ist damit ebenfalls dynamisch. [Vgl. Dzida 2003] Dzida sieht die Problematik in der semantischen Konzeptbildung. An welcher Stelle lässt sich Joy-of-Use einordnen?

Weniger passend zur Effektivität und Effizienz weißt es doch eine gewisse Affinität zur Zufriedenstellung auf. Doch geht das Verständnis von Joy-of-Use über Zufriedenstellung hinaus, es drückt mehr aus als die beeinträchtigungsfreie Nutzung eines Produktes. Joy-of-Use lässt sich folglich nicht unter Zufriedenstellung subsumieren, lediglich eine Erweiterung wäre denkbar. Weiterhin spricht Dzida das Fehlen eines semantisch sauber konstruierten Qualitätsbegriffes an. Für Joy-of-Use empfiehlt er die Bildung eines relationalen Begriffes, der bisher noch nicht gefunden scheint. (Vgl. Kapitel 2.1) Zusammenfassend erscheinen ihm Konzept und Begriff des Joy-of-Use zu ungenau.

[Dzida 2004c]

Ahmet Cakir, wissenschaftlicher Leiter des ERGONOMIC am Institut für Arbeits- und Sozialforschung in Berlin, hält die Auseinandersetzung mit Joy-of-Use durchaus für lohnenswert. Er kritisiert jedoch, dass Joy-of-Use kein eigenständiges Konzept sei, sondern unter einem anderen mentalen Modell angewendet werden sollte. Nach Cakir sollte Joy-of-Use nicht als Konzept in bestehende Usability-Prozesse integriert werden. Er bezeichnet Joy-of-Use als ein „aus Spaß wird Ernst“ und bezieht sich dabei insbesondere auf den Computerhersteller Apple, der es erfolgreich geschafft hat, mit Spaß ernsthafte Gegenstände zu gestalten. Das Design des iMac und die innovative Nutzung von Farbe im Computerdesign haben zweifellos etwas verändert. Zum Erfolg trug ein so genanntes all-in-one Engineering-Konzept bei, sowie als Killerapplikationen die i-Anwendungen von iTunes, iMovie bis hin zu iLife und Garageband.5 „All diese Anwendungen zielen auf Joy-of-Use, besitzen aber ein ausgeklügeltes Usability-Konzept“ [Cakir 2004]. Weiterhin ist Cakir der Ansicht, dass die Aufgabe der Joy-of-Use-Gestaltung von anderen Personen als denen des Usability besetzt werden sollte. Insbesondere die Denkweise der klassischen Software-Ingenieure empfindet er als unpassend für die Gestaltung von Spaß. Zwar räumt Cakir ein, dass von Designern nicht unbedingt ein „vernünftiges“

Navigationskonzept erwartet werden darf, hält sie dennoch für kompetenter, Joy-of-Use umzusetzen. Als Gegenbeispiel für gute, manuelle Kontrolle, deren Entwicklung ebenfalls nicht Usability-Ingenieuren oblag, führt Cakir Flipperautomaten an. Er sieht in Usability

5 Eine nähere Beschreibung des iMac findet sich auf der Webseite der Firma Apple.

URL: http://store.apple.com/Apple/WebObjects/germanstore?family=iMacG4

den im Vordergrund stehenden objektiven Nutzen einer Ingenieurswissenschaft, während Joy-of-Use die Wünsche des Benutzers in den Vordergrund stellt, dem die Benutzung

den im Vordergrund stehenden objektiven Nutzen einer Ingenieurswissenschaft, während Joy-of-Use die Wünsche des Benutzers in den Vordergrund stellt, dem die Benutzung