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Biotechnologische Herstellung von Seidenproteinen der Florfliege

3 Synopsis

3.2 Biotechnologische Herstellung von Seidenproteinen der Florfliege

In der vorliegenden Arbeit war zunächst eine rekombinante Herstellung von Seidenprotei-nen im analytischen Maßstab ausreichend, aus diesem Grund wurde auf die aufwendige Erstel-lung von codon-usage-optimierten Gensequenzen, welche den natürlichen Sequenzen von ChryC1, ChryC2 und ChryC3 entlehnt sind, verzichtet. Stattdessen wurden die natürlichen Voll-längenkonstrukte, welche für die drei Seidenproteine kodieren, direkt in bakterielle Expressi-onsvektoren (pET-System) kloniert, welche nachfolgend einem BL21-Bakterienstamm zugeführt wurden (Teilarbeit I).

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Alle getesteten Fermentationstrategien, welche hohe Zelldichten beinhalteten (OD600>30), führten stets zu sehr geringen Ausbeuten, welche wahrscheinlich auf hohe Abbauraten des Ziel-proteins während der Induktionsphase zurückzuführen waren. Im Gegensatz dazu erwies sich eine Fermentationstrategie mit niedrigerer Zelldichte (OD600 zwischen 3 und 3,5) sowohl bezüg-lich Proteinqualität als auch Proteinausbeute als vorteilig. Nachfolgend ließen sich alle drei Sei-denproteine jeweils mit einer sequentiellen selektiven Proteinfällung reinigen (Teilarbeit I). Da sich alle drei Seidenproteine als sehr hitzestabil erwiesen, wurde eine selektive Proteinfällung bei 80°C in die Reinigungsstrategie integriert, um bereits einen Großteil an E.coli-Proteinen vom Zielprodukt zu entfernen.

Eine Besonderheit stellte die Reinigung von ChryC2 dar: Im Gegensatz zu ChryC1 und ChryC3 zeigte ChryC2 keinerlei Tendenz, nach Zugabe einer beliebigen Menge an (NH4)2SO4 zu präzipitieren. Aus diesem Grund wurde ChryC2 durch Zugabe von Aceton gefällt und anschlie-ßend per Harnstoffpuffer selektiv resolubilisiert (Teilarbeit I).

3.3 Studien über Eigenschaften der Selbstassemblierung von ChryC1, ChryC2 und ChryC3

Alle drei Seidenproteine wiesen in wässriger Lösung eine vorwiegend ungeordnete Protein-struktur auf (random coil), wie zirkularspektroskopische Messungen ergaben (siehe Abbildung 13 sowie Teilarbeit I). Diese Strukturverteilung verschob sich nach Zugabe von Ethanol jeweils stark in Richtung von beta-Faltblattstrukturen. Für ChryC3 stellte dies die einzige Testbedin-gung dar, unter der eine Veränderung der Proteinstruktur induziert werden konnte. Erwäh-nenswert ist außerdem, dass sich bei ChryC1-Lösungen diese Strukturveränderung auch zusätz-lich in der Entstehung von makroskopisch sichtbaren Fasern äußerte. REM-Untersuchungen ergaben, dass sich diese Fasern durch eine glatte Oberfläche sowie ein hohes Längen-Durchmesser-Verhältnis auszeichneten (Teilarbeit I, Abbildung 8).

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Abbildung 13: CD-Spektren der Proteine ChryC1, ChryC2 und ChryC3 in 10mM NH4HCO3, nach bzw.

ohne Zugabe von jeweils vier Volumina 100% Ethanol (p.a.). Modifiziert nach Teilarbeit I, Abbil-dung 4.

Für ChryC1 konnte eine lower critical solution temperature (LCST) von 27,3°C ermittelt werden, oberhalb derer eine wässrige ChryC1-Lösung eine deutlich sichtbare Trübung annahm (Teilarbeit I, Abbildung 7). Dieses Verhalten erwies sich als komplett reversibel und könnte mit der grundlegenden Domänenarchitektur von ChryC1 erklärt werden, welche unter anderem zwei repetitive Kerndomänen mit entgegengesetzter Nettoladung aufweist. Diese Kerndomänen werden in wässriger Lösung möglicherweise durch Wasserstoffbrückenbindungen stabilisiert.

Da diese Art der Bindungen thermisch instabil ist, entfällt unter erhöhten Temperaturen dieser Stabilisierungseffekt, was zu Neuanordnungen zwischen den Proteinmolekülen führt. Diese neu-en zwischneu-enmolekularneu-en Interaktionneu-en äußern sich makroskopisch in einer Eintrübung der Pro-teinlösung.

Es bleibt unklar, inwieweit das LCST-Verhalten von ChryC1 eine Rolle beim natürlichen Spinnprozess des Eierstiels spielt. Unter Laborbedingungen konnte sich diese Proteineigen-schaft zumindest nicht zunutze gemacht werden, um unter rein wässrigen Bedingungen einen Phasenübergang zur Proteinfaser zu induzieren. Dies gilt sowohl für reine ChryC1-Lösungen als auch für Lösungen aus einem ChryC1-ChryC2-Gemisch mit einem molaren Verhältnis, welches ihrem natürlichen Genexpressionsverhältnis von 5,5:1 entsprach.

Für ChryC1 konnte eine weitere äußerst bemerkenswerte Eigenschaft zur Selbstassemblie-rung beobachtet werden: Wurde die Proteinkonzentration einer wässrigen ChryC1-Lösung per Dialyse gegen einen polyethylenglycolhaltigen Puffer erhöht, so assemblierte ChryC1 zu

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Filmstrukturen mit glatter Oberfläche und äußerst gleichmäßiger Dicke (Teilarbeit I, Abbil-dung 5). Mittels FTIR-Messungen konnten für diese Filme ein beta-Faltblattanteil von knapp 50% ermittelt werden, ohne dass die Filme einer Nachbehandlung z.B. durch organische Lö-sungsmittel ausgesetzt werden mussten. Es konnte zudem ausgeschlossen werden, dass dieser Strukturanteil durch Trocknungseffekte innerhalb des Films hervorgerufen wurde, da FTIR-Messungen von nassen Filmen, bei denen das Wasser durch deuteriertes Wasser ausgetauscht wurde, praktisch identische Werte ergaben (Teilarbeit I, Tabelle 1 sowie Abbildung S6). Im Zuge dieser Arbeit konnte nicht weiter ermittelt werden, inwieweit das Material der Dialysemembran (bestehend aus regenerierter Cellulose) einen Einfluss auf diesen Assemblierungsprozess hat.

Wässrige ChryC2-Lösungen ließen sich nur mäßig konzentrieren, da ab einer Proteinkon-zentration von ca. 1 mg/ml entsprechende Lösungen eine starke Neigung zur Hydrogelbildung aufwiesen. TEM-Untersuchungen ergaben, dass diese Hydrogele auf die Präsenz von Nanofibril-len mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 5 nm zurückzuführen sind (Teilarbeit I, Ab-bildung 6). Diese Nanofibrillen wiesen einen hohen Anteil an beta-Faltblattstrukturen auf, wie zirkularspektroskopische Messungen ergaben (Teilarbeit I, Abbildung S5).

Die vorliegende Arbeit stellt die erste Studie bezüglich der Assemblierungseigenschaften der Seidenproteine aus dem Eierstiel der europäischen Florfliege dar. Die gewonnenen Erkennt-nisse über die Eigenschaften der einzelnen Proteine sollen dabei helfen, zukünftig den natürli-chen Spinnprozess in einem wässrigen System labortechnisch nachahmen zu können. Grund-sätzlich erscheint es als große Herausforderung, im Zuge einer kontrollierten Selbstassemblie-rung zur Faser aus einem Proteingemisch das unkontrollierte Aggregieren einzelner Seiden-komponenten (namentlich ChryC2) zu vermeiden. In diesem Zusammenhang konnte bislang lediglich evaluiert werden, dass die Spinnparameter, die für Seidensysteme der Webspinnen bzw. des Seidenspinners als entscheidend erkannt wurden (Änderung des pH sowie der Kon-zentration kosmotroper Salze), ohne Bedeutung für den natürlichen Spinnprozess von Florflie-genseide zu sein scheinen.