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5.5 Biomonitoring im Urin

5.5.2 Quantitative Analyse von Metaboliten im Spontanurin

Die Säuremetabolite des Trimethylbenzols werden als geeignete Biomarker nach Expositionen TMB-haltiger Produkte angesehen [19, 66, 84, 95, 109, 112, 138].

Insbesondere die 3,4-Dimethylhippursäure wird als Glycin-Konjugat der 3,4-DMBA als geeigneter Biomarker für Trimethylbenzolexpositionen vorgeschlagen [25, 33, 66, 82, 84, 92, 93, 95, 112]. Aber auch die Diemthylbenzoesäuren selbst werden als solche nach Trimethylbenzolexpositionen angesehen und z.T. auch bereits als solche angewendet [109, 110, 175].

Einige der weiteren im Leerwert wie im postexpositionellen Urin vorkommenden Substanzpeaks wurden anhand der Massenspektren charakterisiert und mithilfe der Massenspektrometrie-Bibliothek Substanzen zugeordnet. Einige der im Leerwert vorkommenden Substanzen sind auch bei Bergemalm-Rynell et al. (1982) im Rattenurin beschrieben und können für eine Ein- und Zuordnung von Metaboliten hilfreich sein [15]. Diese sind in der Tabelle 58 im Anhang subsumiert.

im Allgemeinen weithin als mögliche modifizierende Einflüsse bekannt und publiziert sind [9,16, 29, 57, 120].

Auf eine Berücksichtigung der Expositionskonzentration als unabhängige Variable wurde verzichtet, da in Publikationen bereits eine Korrelation zwischen dieser und postexpositionellen Konzentrationen von C9-Alkylbenzolmetaboliten im Spontanurin nachgewiesen worden ist [25, 66, 72, 84, 93, 138, 175].

Das Verfahren der kapillargaschromatografisch-massenspektrometrischen Bestim-mung einiger BSTFA-derivarisierter Phase-I-Carbonsäuremetabolite von C9-Alkylbenzolen erwies sich zur quantitativen Bestimmung des Einflusses der Faktoren Expositionsdauer und physischer Aktivität auf die innere Belastung nach komplexen aromatischen Kohlenwasserstoffgemischexpositionen als geeignet. Die Qualitäts-sicherung erbrachte zufriedenstellende Werte.

In den präexpositionellen Spontanurinleerwerten waren keine der in der vorliegenden Studie quantifizierten Metaboliten nachweisbar. Im Fall der Dimethylbenzoesäuren konnten diese im präexpositionellen humanen Spontanurin ebenfalls in zwei weiteren humanexperimentellen Studien nicht detektiert werden [109, 138].

Die nach vier- resp. achtstündigen aromatischen KWG-Expositionen in Höhe von 200 mg/m³ bei unterschiedlichen intermittierenden physischen Belastungsgraden ermittelten Kreatinin-korrigierten Spontanurinkonzentrationen sind in Tabelle 28 mit den jeweiligen Variabilitäten subsumiert.

Tabelle 28: Mittlere Spontanurinkonzentrationen einiger C9-Alkylbenzolmetabolite und Summenwerte unter den verschiedenen Belastungsstufen und Expositionsdauern mit den zugehörigen Variationskoeffizienten

Parameter Stufe Spontanurinkonzentration [mg/g Kreatinin]

Variationskoeffizient [%]

4 h 2 x 4 h 4 h 2 x 4 h

2,4-DMBA i.R. 21 ± 6 79 ± 15 26 20

50 W 31 ± 12 100 ± 25 34 24

75 W 35 ± 9 107 ± 24 27 20

2,5-DMBA i.R. 17 ± 4 54 ± 11 30 19

50 W 24 ± 8 64 ± 16 37 25

75 W 26 ± 7 69 ± 14 24 23

3,4-DMBA i.R. 27 ± 7 67 ± 37 26 19

50 W 40 ± 12 69 ± 15 29 23

75 W 47 ± 12 77 ± 21 26 27

1,2,4-TMB-DMBA i.R. 65 ± 14 181 ± 30 22 17

50 W 95 ± 29 237 ± 54 30 23

75 W 108 ± 23 252 ± 53 21 21

2,3- u. 3,5-DMBA i.R. 4 ± 1 13 ± 3 23 22

50 W 5 ± 2 15 ± 4 31 28

75 W 6 ± 2 16 ± 4 28 23

DMBA i.R. 69 ± 15 194 ± 32 22 16

50 W 100 ± 30 248 ± 49 30 20

75 W 114 ± 24 264 ± 54 21 21

4-EBA i.R. 4 ± 1 8 ± 2 27 23

50 W 6 ± 2 11 ± 3 33 28

75 W 8 ± 2 12 ± 4 31 30

4-MMA i.R. 5 ± 8 8 ± 14 83 51

50 W 9 ± 11 11 ± 15 94 67

75 W 7 ± 10 11 ± 17 66 32

3-MMA i.R. 1 ± 1 2 ± 1 77 44

50 W 1 ± 1 2 ± 1 91 53

75 W 2 ± 1 4 ± 1 53 34

2-MMA i.R. 1 ± 1 2 ± 1 149 183

50 W 1 ± 1 3 ± 2 125 137

75 W 1 ± 1 2 ± 1 134 153

Summe alle i.R. 80 ± 16 213 ± 33 21 16

50 W 117 ± 32 274 ± 48 27 17

75 W 132 ± 23 297 ± 54 17 18

Es sind aus der Tabelle im Trend ansteigende Quantitäten mit zunehmender Expositionsdauer und Belastung erkennbar. Die Summenwerte zeigen tendenziell geringere Variabilitäten als die Einzelwerte; die Summenwerte aller quantitativ registrierten Metabolite wiesen die geringsten Variationskoeffizienten auf und bieten sich daher aus den Aspekten umfassenderer Repräsentation des exponierten

Gemisches und geringgradigerer interindividueller Wertestreuung als bessere Marker zur Evaluation der Exposition an.

Die Ergebnisse der Spontanurinanalytik offenbarten mittels zweifaktorieller Varianzanalyse für Messwiederholungen statistisch signifikante Effekte (p < 0,001) der Einflussfaktoren Expositionsdauer und physische Aktivität auf die Kreatinin-korrigierten Spontanurinkonzentrationen der Messparameter 4-EBA, 2,5-, 2,4-, 3,4-DMBA, 2,3- und 3,5-3,4-DMBA, der 3-MMA, der Summenwerte aller registrierten Metaboliten, aller 1,2,4-Trimethylbenzolmetabolite sowie aller Dimethylbenzoesäuren.

4-MMA wies lediglich einen statistisch signifikanten Effekt in Bezug auf die Expositionsdauer (p = 0,02) auf, während beim 2-MMA keine statistisch signifikanten Zeit- und Belastungseffekte erkennbar waren.

In der näheren Betrachtung der Mittelwertsunterschiede der drei Belastungsstufen mittels paarweiser multipler Mittelwertsvergleiche nach der Bonferroni-Methode (Signifikanzniveau p = 0,05) manifestierten sich statistisch signifikante Unterschiede zwischen der Belastungsstufe 1 (in Ruhe) und 2 (50 W) nur bei den Summenwerten der 1,2,4-Trimethylbenzolmetaboliten, der Dimethylbenzoesäuren sowie aller quantitativ registrierten Metaboliten. Zwischen der Stufe 1 (in Ruhe) und 3 (75 W) zeigten sich diese bis auf die 2-MMA bei allen Messparametern. Zwischen der Stufe 2 (50 W) und 3 (75 W) manifestierte sich nur bei der 4-MMA und der 3-MMA ein statistisch signifikanter Effekt (p < 0,001 resp. p < 0,05).

Der Effekt der Expositionsdauer war bis auf die 4-MMA bei allen o.g. Messparametern deutlicher ausgeprägt als der körperliche Belastungseffekt - praktisch erkennbar an höheren faktoriellen Konzentrationszunahmen zwischen den beiden Stufen der Expositionsdauer als zwischen den drei Stufen physischer Aktivität.

Statistisch signifikante Interaktionseffekte der Faktoren Belastungsstufe und Expositionsdauer zeigten sich bei den Messparametern 2,4-DMBA (p = 0,01), 2,5-DMBA (p < 0,05), dem Summenwert der 1,2,4-Trimethylbenzolmetabolite (p = 0,01) und dem Summenwert aller Dimethylbenzoesäuren (p < 0,005).

3,4-DMBA (p = 0,051), die Summe aller registrierter Metabolite (p = 0,07), 4-EBA (p = 0,149) und die weiteren Messparameter mit deutlich höheren Irrtums-wahrscheinlichkeiten wiesen statistisch nicht-signifikante Interaktionseffekte auf.

Die Interaktionseffekte zeigten bei grafischer Darstellung ordinalen Charakter. D.h., es existieren isolierte Faktoreneffekte wie ein zusätzlich durch den gemeinsamen

Einfluss dieser Faktoren bedingter Effekt auf die Kreatinin-korrigierten Spontanurin-konzentrationen.

In der Literatur sind Interaktionseffekte der beiden untersuchten Faktoren auf die Kreatinin-korrigierten Spontanurinkonzentrationen noch nie untersucht, nachgewiesen oder postuliert worden. Auch isolierte Effekte der beiden Faktoren, unabhängig voneinander, sind auf die Spontanurinkonzentrationen von C9-Alkylbenzolmetaboliten bisher kaum dokumentiert.

Lediglich Järnberg beschrieb in Bezug auf den TMB-Biomarker 3,4-DMHA im humanen Spontanurin postexpositionell wie am nächsten Morgen einen ausgeprägten körperlichen Belastungseffekt auf die jeweiligen Kreatinin-korrigierten Spontanurin-konzentrationen [95].

Andere Autoren beschrieben als Folge einer begleitenden körperlichen Belastung Konzentrationszunahmen der aromatischen Kohlenwasserstoffe im Blut [16, 23, 29, 57, 120, 197]. Diese lassen auch eine vermehrte Metabolisierung und Exkretion der Biotransformationsprodukte erwarten, da in vielen Studien erhöhte aromatische Metabolitenkonzentrationen im Harn bei nachgewiesenen steigenden Luft- und/oder Blutkonzentrationen registriert wurden - allerdings nicht mit zugrunde liegendem zunehmenden physischen Belastungsgrad, sondern mit zunehmenden Expositionskonzentrationen [66, 72, 84, 93, 109, 146, 175]. Dies ist insofern von Relevanz, da zum einem bei ansteigender körperlicher Aktivität neben HZV- und Ventilationszunahmen Distributionsveränderungen mit Perfusionsabnahmen in den Eliminationsorganen Leber und Nieren sowie Durchblutungsanstiegen in der Lunge, den Muskeln, der Haut und dem Fettgewebe resultieren, zum anderen mögliche Kreatininzunahmen im Spontanurin belastungs- und urinvolumenreduktionsbedingt zu erwarten sind [7, 29, 57, 62, 120].

Im Fall des Kreatinins kann der Effekt des belastungsabhängigen Konzentrationsanstieges durch die Kreatininkorrektur abgeschwächt sein, da mit steigender Belastung die Kreatininmenge im Harn eher zunimmt. Aus diesem Aspekt können dieser Form des Biomonitorings im Urin vor allem bei exzessiver körperlicher Belastung Grenzen gesetzt sein. Ebenso resultieren Einschränkungen der Interpretierbarkeit unterschiedlichen Ausmasses bei Nierenfunktionsstörungen, extremer Diät, Kreatininzufuhr in Form von Präparaten und Nahrungsmitteln (Fleisch), durch Alter, Geschlecht und Medikamenteneinnahmen [118]. Statistisch signifikante Unterschiede (p < 0,05) beim Kreatinin zeigten sich in der vorliegenden Studie im

Friedman-Rangsummen-Test nur nach 4 h, nicht aber nach 2 x 4 h. In Wilcoxon-Rang-Tests manifestierten sich diese signifikanten Differenzen zwischen den nach vierstündigen Expositionen erhaltenen Werten unter Ruhe und 75 W sowie dem achtstündigen Kreatininwert bei 75 W, d.h. ein grundsätzlicher systematischer Trend ist hier allenfalls nur schwach erkennbar.

Des Weiteren ist eine vermehrte Azidifizierung des Harnes und eine Erhöhung der Körpertemperatur insbesondere bei kontinuierlicher Aktivität anzunehmen, die die Exkretion der Metaboliten modifizieren könnten.

Insgesamt spielt die physische Aktivität eine bedeutsame Rolle in der Toxikokinetik von Lösemitteln. Ihr durch Variabilität bedingter Einfluss auf physiologische und toxikokinetische Prozesse wird oft in der toxikologischen Gefahrenbestimmung übersehen [120].

Die Expositionsdauer wird in der Literatur oftmals nur beiläufig als Einflussfaktor erwähnt, obwohl diese bezüglich der Aspekte Halbwertszeit und Kumulation im Organismus von Bedeutung ist. Heinrich-Ramm et al. (2000) beschreiben generell für Komponenten mit hoher Fettlöslichkeit eine Kumulation, die neben dem Expositionsausmaß von der Expositionsdauer abhängig ist [81].

Humantoxikologische Untersuchungen von Kostrzewski et al. (1997) mit Trimethylbenzolisomeren dokumentierten diesbezüglich intraexpositionell mit zunehmender Expositionsdauer ansteigende Exkretionsraten aller Dimethylbenzoe-säuren, die postexpositionell mit leichten Schwankungen tendenziell kontinuierlich abnahmen [109].

Als Expositions-reflektierende Indikatoren werden nach C9-aromatenreichen Gemischexpositionen von Pfäffli et al. (1985) der Kreatinin-korrigierte Summenwert der Diemthylbenzoesäuren propagiert [138], während Järnberg et al. (1997) wegen einer geringeren interindivuellen Variabilität die Summe der Exkretionsraten aller DMHA-Isomere als besseren Parameter empfehlen [93]. Schließlich nennen Kostrzewski et al. (1997) die Exkretionsraten der DMBA-Isomere als geeigneten Marker [109], der in Form des Exkretionsratensummenwertes der 1,2,4-TMB-assoziierten DMBA-Isomere von 170 mg/h während der letzten beiden Expositionsstunden nach viertägiger TMB-Exposition als Biologischer Expositions-Index in Polen festgesetzt wurde [81].

Aus der Sicht der vorliegenden Studie empfiehlt sich die Verwendung von Kreatinin-korrigierten Summenmarker- gegenüber Einzelwertkonzentrationen. In der

Inter-pretation der Resultate sollten potenzielle biotransformationsbedingte Interaktionen berücksichtigt werden. So zeigten sich in der vorliegenden Studie möglicherweise durch kompetitive Effekte bedingte Unterschiede in der Relation der 1,3,5- und 1,2,3-TMB-assoziierten DMBA’s im Vergleich zu den 1,2,4-1,2,3-TMB-assoziierten DMBA’s.

Denn bei der Betrachtung der Summe der drei 1,2,4-Trimethylbenzol-Dimethylbenzoesäureisomerkonzentrationen gegenüber der des 1,3,5- und des 1,2,3-TMB’s fällt auf, dass, wie aus der obigen Tabelle erkennbar, belastungsabhängig 13-19fach höhere Werte der 1,2,4-TMB-assoziierten DMBA’s ersichtlich sind. Dies überrascht in Anbetracht der nur im Lösemittel mit etwa 31 % um den Faktor 2 höheren 1,2,4-Trimethylbenzolmenge gegenüber knapp 15 % der Summe der beiden anderen TMB-Isomere. Auch im Blut betragen diese Unterschiede nur etwa den Faktor 2. In der Literatur werden weniger klaffende Relationen zwischen 1,2,4-Trimethylbenzol- sowie 1,3,5- und 1,2,3-TMB-Metaboliten beschrieben [93, 109, 138].

Insgesamt könnte dieser Sachverhalt ein Hinweis auf eine kompetitive Hemmung des 1,3,5-TMB- und des 1,2,3-TMB-Metabolismus durch den des 1,2,4-TMB’s in der vorliegenden Studie sein.

Die quantitativ nachgewiesenen Ethyltoluolmetabolite, die im qualitativen Exkretionsprofil nicht die Ethyltoluol-Hauptstoffwechselprodukte repräsentierten, wiesen geringe Konzentrationen auf. Bei einem Teil der Probanden konnten bestimmte Methylmandelsäureisomere nicht nachgewiesen werden. Dieser Sachverhalt könnte auf Enzympolymorphismen und/oder kompetitiver Hemmung durch andere Substrate beruhen.

Des Weiteren überraschte, dass die 2,4-DMBA als quantitativ ausgeprägtester Metabolit der DMBA-Isomere imponierte, da in der Literatur die 3,4-DMBA bzw.

dessen Glycinderivat 3,4-DMHA bisher ausschließlich nach Einzel- wie Gemischexpositionen den führenden Hauptmetaboliten darstellte bzw. als solcher angesehen wurde [71, 82, 93, 109, 138, 175]. Allerdings differierten die in den verschiedenen Studien exponierten Ausgangsgemische in ihrer Zusammensetzung.