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Gesamtstrategie Bildungsmonitoring zur Weiterentwicklung des Bildungssystems in Deutschland. Im Jahr 2006 wurde durch die Kultusministerkonferenz die Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring beschlossen (KMK & IQB, 2006). Neben dem Konstanzer Be-schluss im Jahr 1997, in dem bereits die regemäßige Durchführung länderübergreifender Vergleichsuntersuchungen auf den Weg gebracht wurde (KMK, 1997), ist die Gesamtstra-tegie zum Bildungsmonitoring ein Meilenstein in der Weiterentwicklung des Bildungssys-tems in Deutschland. Der Gesamtstrategie liegen sowohl politische Ziele, wie die gesell-schaftliche Teilhabe, die individuelle Entwicklung und das berufliche Fortkommen der Be-völkerung, als auch der wirtschaftliche Erfolg des Landes zugrunde (KMK & IQB, 2006).

Als Auslöser der Entwicklungen spielte das schlechte Abschneiden deutscher Schulen im internationalen Vergleich der PISA-Ergebnisse eine tragende Rolle. Durch die Orientierung an PISA verlagerte sich die Zielsetzung von einer bisher starken Akzentuierung der passen-den Struktur und inhaltlichen Vorgaben (Input-Steuerung) auf die Prozesse und Ergebnisse des Lernens (KMK & IQB, 2006). Die Qualitätssicherung und Standardisierung auf allen Ebenen des Bildungssystems stellt für die Erreichung der neuen Ziele eine Notwendigkeit dar. In diesem Rahmen wurden vier konzeptionell verbundene Verfahren festgelegt: Inter-nationale Schulleistungsstudien, Ländervergleiche zur Überprüfung der Erreichung der Bil-dungsstandards, Vergleichsarbeiten und schließlich die gemeinsame Bildungsberichterstat-tung von Bund und Ländern (KMK & IQB, 2006). Die Verfahren sollen Handlungsbedarfe in Bezug auf die frühzeitige Förderung z. B. von Schülerinnen und Schülern mit Migrations-hintergrund oder sozialer Benachteiligung aufdecken. Sie sollen ebenso die kompetenz- und standardbasierte Unterrichtsentwicklung durch die Lehrkräfte erleichtern. Des Weiteren be-inhalten die Beschlüsse die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften hinsichtlich ihrer Diag-nosefähigkeit, des Umgangs mit Heterogenität und der individuellen Förderung von Schüle-rinnen und Schülern. Die Erarbeitung von Konzepten, Materialien und Aufgabenpools, zu-nächst in den Unterrichtsfächern Deutsch und Mathematik, ist ebenfalls ein Teil der Ge-samtstrategie (KMK & IQB, 2006).

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Die Entwicklung von Bildungsstandards. Die Bildungsstandards für den in dieser Arbeit relevanten Primarbereich wurden im Jahr 2004 beschlossen (KMK, 2004a). Die Im-plementierung in den Fächern Deutsch und Mathematik begann im Schuljahr 2005/2006 (KMK, 2004a). Die Bildungsstandards haben generell eine Überprüfungs- und Entwick-lungsfunktion. Die Stärken und Schwächen von Schülerinnen und Schülern in den zentralen Kompetenzbereichen sollen aufgedeckt und eine Qualitätssicherung ermöglicht werden. Da-bei konzentrieren sich die Bildungsstandards auf erwünschte Lernergebnisse des jeweiligen Faches (KMK, 2004b). Die Bildungsstandards wurden als Regelstandards entwickelt. Diese beziehen sich auf eine mittlere Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern. Damit soll eine Über- oder Unterforderung vermieden werden, die bei Mindest- oder Maximalstan-dards schneller auftreten kann (KMK, 2004b; KMK & IQB 2010). Im Unterschied zu den Lehrplänen, die ein strukturierendes Element darstellen, zeigen die Bildungsstandards eine Zielperspektive auf (KMK, 2004b).

Klieme (2004) bezieht die Bildungsstandards in Abhängigkeit vom jeweiligen Ein-satzbereich auf folgende Funktionen: Die Bildungsstandards können in empirischem Sinne als gemessene Lernergebnisse bezeichnet werden. In Vergleichsuntersuchungen dienen diese Lernergebnisse z. B. als messbare Standards, die verglichen werden können. In diag-nostischem Sinne können die Bildungsstandards als Benotungsmaßstab eingesetzt werden.

In der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern können die Bildungsstan-dards als Maßstab und Entscheidungshilfe in der Frage dienen, ob eine Förderung notwendig ist und worin die Förderung bestehen soll. Außerdem sind die Bildungsstandards in norma-tivem Sinne als Erwartungen an die Leistung bzw. Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler sowie an die Unterrichtsinhalte (z. B. Lehrpläne) und an den Unterricht (z. B. Unter-richtsentwicklung) zu bezeichnen. Hierbei können die Bildungsstandards z. B. bei einer Dif-ferenz der erwarteten und tatsächlichen Leistung von Schülerinnen und Schülern, bei Ab-weichungen der vorgesehenen von den tatsächlich umgesetzten Unterrichtsinhalten sowie bei Abweichungen der erwarteten von der tatsächlichen Unterrichtsentwicklung zu struktu-rellen bildungspolitischen Entwicklungen beitragen.

Die durch die Bildungsstandards gewonnene Vergleichbarkeit wird ebenso durch das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) zur Normierung von Testaufga-ben sowie zur Überprüfung und Weiterentwicklung der Bildungsstandards genutzt (KMK, 2004b; IQB, n.d.).

9 Da in der vorliegenden Arbeit Deutschlehrkräfte befragt wurden, werden im Rahmen dieser Betrachtung die Bildungsstandards des Unterrichtsfaches Deutsch herangezogen (Ab-bildung 1). Die Sprache hat eine erhebliche Bedeutung für die kognitive, soziale und emoti-onale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern. Deshalb ist eine grundlegende sprachli-che Bildung für den Deutschunterricht in der Primarstufe vorgesehen. Die Bildungsstan-dards sind in die folgenden Bereiche gegliedert: Sprechen und Zuhören, Schreiben, Lesen – mit Texten und Medien umgehen sowie Sprache und Sprachgebrauch untersuchen (KMK, 2004a)1.

Abbildung 1. Bildungsstandards der Grundschule im Unterrichtsfach Deutsch (KMK, 2004a, S. 7)

Unterstützung von Lehrkräften in der Diagnostik. Die Diagnosefähigkeit von Lehrkräften ist von zentraler Bedeutung (Schrader, 1989) und dies in zweifacher Hinsicht:

Zum einen für die möglichst objektive Vergabe von Noten und zum anderen für die Förde-rung des Lernerfolgs der Schülerinnen und Schüler (Brunner, Anders, Hachfeld & Kraus, 2011). Forschungsbefunde zeigten, dass die Einschätzung von z. B. Leistungsniveau, Leis-tungsheterogenität und Leistungsbereitschaft einer Klasse durch Lehrkräfte nur in geringem Maße adäquat ist (Brunner et al. 2011; vgl. auch McElvany, Schröder, Hachfeld, Baumert,

1 In Abschnitt 3.3 werden die Bildungsstandards weiter ausgeführt.

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Richter, Schnotz, Horz & Ullrich, 2009; Spinath, 2005). In weiteren Befunden wurde fest-gestellt, dass die Einschätzung der Leistungen von Schülerinnen und Schülern durch Lehr-kräfte im Mittel zwar gut bzw. realistisch ist, die individuellen Unterschiede der Lehrerur-teile allerdings groß sind (Karing, 2009; Kunter & Pohlmann, 2015). Die Qualität der Ein-schätzungen der Lehrkräfte ist z. B. abhängig von der Erfahrung der Lehrkräfte und von Merkmalen der Situation (z. B. Krolak-Schwerdt, Böhmer & Gräsel, 2009; Kunter & Pohl-mann, 2015), ebenso konnte gezeigt werden, dass die Bandbreite der Variationen die Adä-quatheit der Lehrkrafteinschätzungen nicht systematisch erklären kann (Dicke, Lüdtke, Trautwein, Nagy & Nagy, 2012). Bis die im Rahmen der Gesamtstrategie Bildungsmonito-ring geforderte Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte in Bezug auf die Diagnosefähigkeit, den Umgang mit Heterogenität und die individuelle Förderung greift, ist die Unterstützung von Lehrkräften durch Ergebnisrückmeldungen von Individualdaten aus extern zur Verfü-gung gestellten diagnostischen Verfahren von besonderer Bedeutung. Ergebnisrückmeldun-gen der landesweiten Vergleichsarbeiten können hierzu ihren Beitrag leisten (Brunner et al.

2011). Ebenso kann das in Baden-Württemberg landesweit eingesetzte Testverfahren Online Diagnose die Lehrkräfte durch individuelle Rückmeldungen bei der Diagnostik von Schü-lerleistungen sowie beim Umgang mit Heterogenität in einer Klasse und durch die Förder-materialien bei der individuellen bzw. gezielten Förderung unterstützen.