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Im Jahre 2002 war die nach dem deutschen Schriftsteller benannte Waldemar-Bonsels-Stif-tung von München aus auf der Suche nach dem Film DIE BIENE MAJA UND IHRE ABENTEU-ER. Er war 1924 bis 1926 nach der Geschichte von Waldemar Bonsels von der Kultur-Film AG in Berlin gedreht worden. Auf Grund der parallelen Quellen ging man davon aus, er sei kulturhisto-risch bedeutsam.

Zu diesem Zeitpunkt galt der Film als verloren.

Im Bundesarchiv lagen lediglich Fragmente vor.

Zum einen existierte das Fragment einer Nitro-kopie mit einer Länge von 350 m als Depositum der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, das vom Bundesarchiv bereits auf Sicherheitsfilm umko-piert worden war.

Des weiteren war eine Nitrokopie mit 1073 m Länge aus dem Staatlichen Filmarchiv der DDR vorhanden. Bei dieser Version fehlten jedoch die Rollen drei und vier von insgesamt sechs Rollen.

Leider ergänzten sich diese beiden Materialien nicht und waren deshalb nur vorläufig notgesi-chert worden.

Mit Hilfe schriftlicher Quellen konnte immer-hin nachgewiesen werden, dass die Originallän-ge, maßgeblich ist das Datum der Uraufführung, 1944 m betragen hatte. Es fehlten also einige hun-dert Meter, immerhin fast der halbe Film. In die-ser Form schien er nicht präsentabel. Die Bedeu-tung der literarischen Vorlage und insbesondere der filmhistorische Stellenwert des Filmes selbst waren Grundlage der Überlegung, diesen Titel trotz seiner fragmentarischen Überlieferung in die Restaurierungsaktivitäten einzubeziehen - keine einfache Entscheidung angesichts der zahlreichen nicht ausreichend gesicherten Filme, die es wert wären, für die Öffentlichkeit und Nachwelt auf-bereitet und als Teil des deutschen Filmerbes kon-servatorisch gesichert zu werden.

Bemühungen um die Wiederherstellung der Originalfassung

Mit der Entscheidung für die „Biene Maja“ be-gann eine aufwändige Recherche nach den ver-schollenen Rollen. In der Regel ist es in solchen Fällen unwahrscheinlich, irgendwo ein komplettes intaktes Duplikat zu finden, wenn das auch nicht ausgeschlossen ist. In der Regel hofft der Film-archivar auf andere Fragmente oder auch Vorführ-fassungen für das Ausland, die in irgendeinem anderen Archiv der Welt oder bei anderen Insti-tutionen aufzufinden sind, mit deren Hilfe das vorhandene Material ergänzt werden kann. Das Bundesarchiv-Filmarchiv ist eines der fünf größ-ten Filmarchive der Welt und es ist Mitglied in der FIAF. Beides, das Gewicht der Institution und die internationale Vernetzung erleichtern, neben der Erfahrung und Routine, die Recherche.

Die Suche nach den verloren geglaubten Filmma-terialien führte durch mehrere europäische Län-der. Schließlich war sie erfolgreich: Im finnischen Filmarchiv in Helsinki (SUOMEN ELOKUVA-ARKISTO) fand sich eine original viragierte, also eingefärbte Nitrokopie. Diese fast komplette Kopie enthält deutsche Zwischentitel, die um fin-nische und schwedische Untertitel ergänzt sind - eine filmhistorisch seltene Situation, wie der zuständige finnische Kollege, Herr Juha Kind-berg, bestätigt. Sie wurde dem Bundesarchiv für die Rekonstruktion zur Verfügung gestellt. Beim Transport war zu berücksichtigen, dass es sich um Nitrozellulosematerial handelt, das bekanntlich explosionsgefährdet und deshalb besonderen Be-stimmungen unterworfen ist.

Bei einer Sichtung wurde die Vollständigkeit des Materials und seine Anordnung geprüft. Es ist keineswegs selten, sondern sogar fast die Regel, dass Auslandsfassungen von deutschen Filmen vollkommen anders geschnitten wurden als die deutsche Fassung.

Beiträge – Abteilung FA

Bei den Ordnungsarbeiten zur Wiederherstellung der Originalfassung des Uraufführungsabends, also bei der Prüfung der Längen der einzelnen Film-akte und der Wiederherstellung der Reihenfolge des Filmmaterials, kommen den Filmarchivaren ironischer Weise die ordnungspolitischen Rege-lungen in früheren Zeiten zugute. Filme mussten (und werden auch heute noch) vor ihrer öffent-lichen Aufführung von staatöffent-lichen oder durch den Staat autorisierte Stellen begutachtet werden, die den Film genehmigten, verboten oder Auflagen er-teilten. Die Ergebnisse dieser Zensur sind zumeist schriftlich überliefert. Für Deutschland verfügt das Bundesarchiv über die größte Sammlung von mehr als 40.000 Filmzensurkarten aus der Zeit von 1908 bis 1945. Sie ist vollständig in Form von Mikrofiches zugänglich. Die Daten werden in einer Accessdatenbank verwaltet, eine Digitalisie-rung der Karten ist vorgesehen. An Hand dieser Zensurkarten sind die wichtigsten filmografischen Angaben, oft auch der Inhalt und die Schnittfolge, zu rekonstruieren. Last but not least ist der Zensu-reingriff dokumentiert, so er denn stattgefunden hat.

Der Abgleich mit der Zensurkarte bestätigte, das die Länge und die Abfolge der deutschen Geburts-stunde dieses Filmes entsprachen, sogar die aus-ländischen Zwischentitel befanden sich überwie-gend an der Stelle der ursprünglich deutschen - ein Glücksfall für den Filmarchivar, denn oft sind die Zuordnungsarbeiten, die die Voraussetzung für die folgenden Kopier- und Schnittaufträge sind, noch wesentlich aufwändiger.

Es war nicht bekannt, welche Schrifttypen ur-sprünglich in der deutschen Fassung verwendet worden waren. Daher musste eine Schrift gefun-den wergefun-den, die für einen Film der 1920er Jahre angemessen ist. Artverwandte Filme aus der glei-chen Entstehungszeit sollten als Anregung die-nen.

Eine weitere erfreuliche Tatsache war, dass die gut erhaltene viragierte Nitrokopie aus Finnland einfarbig mit einem kräftigen Orange und in sehr gutem technischen Zustand vorlag und nur drei schwarz-weiß-Szenen enthielt. Eine Form-Inhalts-Analyse ergab, dass es sich bei den schwarz-weiß-Passagen offenkundig nicht um eine Ausbesserung oder Ähnliches handelte, sondern um ein bewusst

aus dramaturgischen Gründen gewähltes Stilmit-tel. Daher wurden die schwarz-weiß-Szenen bei der Erstellung der Positivkopie natürlich erhalten.

Bei einfarbig viragierten Materialien erhebt sich die Frage, ob eine finanziell und technisch auf-wändigere Farbkopierung notwendig ist oder eine schwarz-weiß-Kopierung ausreichend wäre. In diesem Fall mussten wir uns auf Grund des guten Erhaltungszustandes der Farbe und der eindeutig dramaturgisch wichtigen Funktion der gewählten Farbgebung für die Farbkopierung entscheiden.

Technische Arbeiten

Die technischen Arbeiten wurden in enger Koo-peration der Filmrestaurierungsbereiche des Bun-desarchivs in Koblenz und Hoppegarten sowie ABC & Taunusfilm Wiesbaden ausgeführt.

An der finnischen Nitrokopie wurden zunächst die üblichen Reparaturarbeiten durchgeführt. Da das Material eine Leihgabe war, durfte es sich da-bei nicht um gravierende Veränderungen handeln wie zum Beispiel ein Schnitt in die ursprüngliche Aktfolge (Rolleneinteilung) oder der Austausch der fremdsprachigen Zwischentitel. Insofern wur-den nur reine Reparaturen an defekter Perforation bzw. mangelhaften Klebestellen vorgenommen.

Unterbleibt diese technische Vorkontrolle mit ent-sprechenden Korrekturen, besteht die Gefahr, dass der Film im Sichtgerät oder Kopierwerk zerreißt und unwiederbringliche Schäden entstehen. Die Wichtigkeit dieser zeitaufwändigen Vorarbeiten, die in den Restaurationswerkstätten in Hoppe-garten Meter für Meter, nicht selten auch Bild für Bild durchgeführt werden, darf deshalb nicht unterschätzt werden. Eine Reinigung, bei der der Film über zahlreiche Rollen durch ein Waschbad geleitet wird, gehörte ebenfalls zur Vorbereitung des Materials für die Umkopierung.

Von der finnischen Version wurde nun ein Dupli-katnegativ im hauseigenen Kopierwerk in Koblenz erstellt und bei ABC & Taunusfilm in Wiesbaden entwickelt.

Parallel dazu wurden ebenfalls in Koblenz die neuen deutschen Zwischentitel erstellt und auf schwarz-weiß-Filmmaterial fotografiert. Orien-tierung bei der grafischen Gestaltung bildeten

Beiträge Abteilung FA

dabei Zwischentitel, die bei einer aus gleicher Produktionszeit stammenden Filmkopie gefun-den wurgefun-den. Anschließend wurgefun-den in Hoppegar-ten die im Internegativ noch enthalHoppegar-tenen fremd-sprachigen Zwischentitel herausgeschnitten und von der Restauratorin gegen die deutschen Zwi-schentitel ausgetauscht. Durch weitere Schnitte und Umstellungen wurde die ursprüngliche Akt-gliederung wieder hergestellt, wie sie an Hand der Zensurunterlagen rekonstruiert worden war.

Die endgültige Kopierung dieses geschnittenen Negativs zum Positiv, also zu einer Vorführko-pie, erfolgte wiederum bei ABC & Taunusfilm.

Durch Belichtungsanweisungen wurde erreicht, dass bei der Endkopierung die im Negativ noch in schwarz-weiß enthaltenen Zwischentitel durch entsprechende Lichtsteuerung im zeittypischen Grün ausbelichtet wurden.

Als Resultat der monatelangen Bemühungen vie-ler Kolleginnen und Kollegen, dem Einsatz vievie-ler Stunden und nicht unbeträchtlicher Geldsummen ist nun im Bundesarchiv erstmals seit Jahrzehnten eine Fassung mit einer Länge von 1753 m gesi-chert und benutzbar. Die finnische Nitrofilmfas-sung hätte nach deutschen Rechtsbestimmungen wegen der Gefahr der Selbstentflammbarkeit hier nicht gezeigt werden dürfen. Dass sich der Auf-wand gelohnt hat, zeigte nicht nur die Dankbar-keit der Bonsels-Stiftung. Das Restaurierungser-gebnis wurde 2005 beim cinefest Hamburg, dem von CineGraph Hamburg in gemeinsamer Verant-wortung mit dem Bundesarchiv alljährlich im No-vember veranstalteten internationalen Festival des deutschen Film-Erbes, uraufgeführt. Eine Presse-mitteilung des Bundesarchivs zog sofort die erste Buchung für ein englisches Festival nach sich. Es wird sicher nicht die letzte Bestellung sein.

Egbert Koppe, Barbara Schütz

Zensurkarte „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“, eine für die Rekonstruktion entscheidende Quelle, erste Seite.

Bundesarchiv, ZK 12141

Die letzte Seite dieser Zensurkarte.