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Bewertung der Position in der Logistikkette

Im Dokument Fulfillmentim E-Business (Seite 13-17)

Die im E-Commerce am häufigsten gewählte Stufe D, die sich durch ein Vollsorti-ment und die nationale Reichweite auszeichnet, soll nachfolgend detaillierter be-wertet werden. Dazu soll im Szenario des Spielwarenhandels einem eigenständigen Online-Merchant ein filialisiertes Handelsunternehhmen gegenüber gestellt wer-den. Die Filialen unseres fiktiven Spielwarenhändlers werden ausschliesslich durch die Unternehmenszentrale in einem festen Lieferrhythmus versorgt. Die Zentrale bezieht ihre Waren auf verschiedenen Wegen in Grosshandelsmengen, das gleiche gilt für den Online-Shop. Die punktierte Linie zwischen den beiden in Abb. 2.2 deutet das dritte Szenario an, dass der E-Shop ein Kanal des Filialhändlers sei.

Angebotsbreite, Warenverfügbarkeit und Warenweg

Gehen wir zunächst einmal davon aus, dass dem Online-Merchant und dem Filial-händler die gleichen Beschaffungskanäle zur Verfügung stehen.

Der Filialhändler kauft das Sortiment für alle seine Filialen gebündelt ein. Damit erzielt er Mengen, die ein Online- oder Versandhändler normalerweise nicht an Lager legt. Je grösser das Sortiment in den Filialen, desto grösser die Chance, dass ein Kunde den Bedarf in seiner Filiale deckt, denn individuelle Produktbestellun-gen durch Kunden in einer Filiale sind nicht verbreitet. Ist jedoch ein bestimmtes Spielzeug z.B. nach einer Sendung im Lokalradio im Raum Zürich ausverkauft, so wird kaum ein Kunde eine Nachlieferung abwarten. Im Rahmen von CRP (Conti-nous Replenishment) kann der Händler mit seinem Bestand im Zentrallager reagie-ren, danach ist die Reaktionsmöglichkeit des Händlers aufwändig und langwierig, obwohl das Produkt in anderen Filialen noch vorrätig ist. Generell leidet der Filial-händler unter seiner geringen Flexibilität, um auf regionale und schnelllebige Be-dürfnisse einzugehen.

Der Online-Shop ist mit seinem Lagerbestand sofort handlungsfähig, mit Hilfe eines KEP (Kurier, Express- und Paketdienstleister) kann er national binnen 24 Stunden liefern. Er hat aber das Problem mit der Übergabe an den Kunden weil dieser tagsüber nicht sicher zu erreichen ist. Das Risiko einer scheiternden Überga-be ist aus Kundensicht ein grosser Hinderungsgrund für E-Commerce. NeÜberga-ben KEP-Dienstleistern, die günstige Lieferzeitfenster anbieten, kommt als Lösung auch ein Pick-up-Service in Betracht (siehe Fallstudie Adorishop). Hinzu kommt die Pro-blematik des Umtauschs, das Geschenk könnte ja doppelt sein.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Online-Shop besteht darin, Dinge liefern zu können, die in einem Verkaufsladen wahrscheinlich nicht verfügbar sind. Dazu sind eigene Lagerbestände aber nur bedingt sinnvoll, dort würde wohl auch nur das liegen, was vorhersehbar ist und die Filiale des Wettbewerbers ebenfalls vorhält.

Sinnvoller ist die elektronische Integration mit den Warenbeständen der

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ranten aus Stufe C. Sofern diese bereit sind, Einzelsendungen mit kurzer Reakti-onszeit zu versenden, ist bei geringen aufgelaufenen Lagerkosten eine sehr grosse Angebotsbreite realisierbar (siehe Fallstudie myToys). Die Verlängerung der Lie-ferzeit kann dann vermieden werden, wenn der Grosshändler den Artikel im Na-men des Online-Shops direkt versendet (siehe Fallstudie Ecomedia).

Aus diesen unterschiedlichen Warenwegen heraus könnten sich folgende optimale Verfügbarkeitsvarianten bei einem Versand mit KEP ergeben:

• Lagerartikel, ohne Geschenkverpackung 1 Tag

• Lagerartikel, mit Geschenkverpackung 2 Tage

• Lagerartikel bei Grosshändler, ohne Geschenkverpackung,

mit Direktversand 1 Tag

• Lagerartikel bei Grosshändler, mit oder ohne Geschenkverpackung, Versand über Zentrale des Online-Händlers 4 Tage Informations- und Geldflüsse

Für viele Kunden im E-Commerce ist ein zuverlässiger Liefertermin ein wichtiges Entscheidungskriterium.

Filialhändler arbeiten häufig mit isolierten Legacy Systemen, die nur die Möglich-keiten im eigenen Logistiksystem abbilden können. Ein Online-Händler wird dage-gen bestrebt sein, eine EDV-Systemarchitektur aufzubauen, die ihm eine Realtime-Integration der Systeme von Geschäftspartnern ermöglicht. Wenn die Bestellung eines Spielzeugs für 50 DM beim Online-Händler eine Bestellung beim Gross-händler, eine Geschenkverpackungsanweisung für den Versand und einen Auftrag beim KEP auslösen muss, dann kann das nur in vollintegrierten Systemen rentabel sein. Nachfragen von Kunden (Track & Trace) und das Reklamationsmanagement sind anders nicht zu bewerkstelligen. Auch die Auslastungsschwankungen, die im Spielwarenhandel im Jahresverlauf extrem sind, würden eine manuelle Abwicklung in Spitzenzeiten ins Chaos stürzen.

Das Stichwort AVP – available to promise – steht für eine verbindliche elektroni-sche Lieferzeitauskunft über die verschiedenen Stufen der Logistikkette hinweg.

Da die Integration von Daten mehrerer Geschäftspartner sehr aufwändig ist, kön-nen hier die Dienste der bereits in Kapitel 2.3 erwähnten 3rd Party Logistics Provi-der zum Zuge kommen.

Hersteller Detail-händler

Bank

Konsument

Gross-händler

Bank Bank Bank

Bestellung Bestellung

Bestellung

Rechnung Rechnung Rechnung

Zahlungsauftrag

Gutschrift Gutschrift Gutschrift

Spedition KEP

Zahlungsaufträge Zahlungsauftrag

Bank Bank

Zahlungsauftrag

Eigener Fuhrpark

Gut-schrift

Gut-schrift

Informationsfluss Warenfluss Geldfluss

Abb. 2.3: Gegenüberstellung von Materialfluss, Informationsfluss und Geldfluss

Zunehmend wird die Forderung gestellt, den Auftragsstatus und den Sendungssta-tus einer Bestellung jederzeit über eine Internetschnittstelle einsehen zu können. Je nach Anforderung müssen mehrere Entitäten gleichzeitig verwaltet werden, z.B.

die Auftrags-, Sendungs- oder die Fahrzeugidentifikation. Bei Mehrwegtransport-mitteln wie Kühlboxen können auch diese eine eigene Identifikation haben, ggf.

müssen Pfandwerte bei Kunden und Abholtermine verwaltet werden.

Die Anforderung einer automatisierten Abwicklung gilt auch für Geldflüsse, die aufgrund der bargeldlosen Zahlungsverfahren als Sonderform der Informa-tionsflüsse betrachtet werden können. Allerdings sind für die Zahlungsabwicklung mit den Banken der beteiligten Firmen und den Payment Service Providern der Kreditkartengesellschaften zusätzliche Partner in den Gesamtworkflow einzubin-den. Die Sicherheitsanforderungen in Bezug auf die Identifikation der Teilnehmer, die nicht abstreitbare Dokumentation der Vorgänge und die Vertraulichkeit der Daten sind in diesem Anwendungsbereich besonders hoch.

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Kosten

Während bisher Leistungsaspekte im Fulfillment im Vordergrund standen, soll nun ein Vergleich der Kostenstruktur zur Klärung der Wettbewerbssituation der beiden Kontrahenten beitragen.

Unternehmenszentrale mit modernem ERP-System, zentrales Management, eigene Logistikinfrastruktur mit Zentrallager, Stammdatenpflege Reklamations- und Umtauschhandling

via Filiale an Zentrale

Stationäre Verkaufsfiliale

Reklamations- und Umtauschhandling via Callcenter und Postversand

Online-Shop

Persönliches Einkassieren, Bargeldhandling, Ladendiebstähle

Elektronisches Inkasso, Bonitätsprüfung, evtl. Nachnahme, Debitorenverluste Persönlicher Verkauf in der Filiale,

Continous Replenishment

Personalisierte digitale Verkaufs- und Kundenbindungsmassnahmen, CRM Wareneingang Filiale, Verteilung,

verkaufs-gerechte Warenpräsentation, Deko

Kosten durch mehrfache oder erfolglose Zustellung, evtl. Pick-Up-Service Wenige Sammellieferungen an Filialen Viele Einzelversendungen

als Paket an Kunden Waren in filialgerechte Einheiten

komissionieren, auszeichnen Verkaufsfilialen einrichten u. unterhalten,

Inventar kalkulatorisch abschreiben

E-Commerce-Informatikinfrastruktur einrichten, unterhalten, kalk. abschreiben Finanzierung

Warenlager Zentrale und Filialen Finanzierung Warenlager Zentrale

Abb. 2.4: Gegenüberstellung der Kostenfaktoren in Filialvertrieb und Online-Verkauf

Abb. 2.4 zeigt die Kostenstruktur der beiden Handelsformen auf. Auf der Seite des Filialunternehmens steht dem gebündelten Verkaufsvolumen ein hoher Kosten-block durch Filialbetrieb und Warenbestand gegenüber. Aufgrund der etablierten Einzelhandelsstrukturen kann mit relativ genauen Prognosedaten kalkuliert werden und für das Anlagevermögen wie Ladeneinrichtungen sind lange kalkulatorische Abschreibungszeiten möglich.

Der E-Merchant benötigt ein deutlich kleineres Anlagevermögen, muss dies aber, u.a. aufgrund der kurzen technischen Halbwertszeiten in der EDV, schnell ab-schreiben. Einen grossen Kostenblock stellt das Offline-Marketing dar. Die noch

unkalkulierbare Dynamik in den Online-Märkten zieht unsichere Verkaufsprogno-sen und Veränderungen bei strategischen Partnerschaften nach sich. Zu den hohen Kosten in der Komissionierung und Verpackung muss ergänzt werden, dass die Produktverpackungen von Konsumgütern in der Regel nicht auf die Belastungen des Einzelversands ausgelegt sind. Die Aufwände für den Transportweg können nicht immer in voller Höhe offen auf den Kunden abgewälzt werden.

Allein die Betrachtung der Kostenstruktur lässt annehmen, dass ein reiner Online-Retailer ab einer kritischen Grösse durchaus wettbewerbsfähig zu einem Filialan-bieter sein kann. Aus Ertragsgesichtspunkten hoffnungslos erscheint hingegen der Versuch, auf der Struktur eines Einzelhandelsgeschäfts aufbauend, E-Commerce zu betreiben, denn in diesem Fall addieren sich die Kosten aus beiden Vertriebskanä-len. Da dieses Modell zum Test von Online-Absatzkanälen dennoch immer wieder gewählt wird, sind Meldungen über hohe Startverluste solcher Unternehmen nicht verwunderlich.

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