• Keine Ergebnisse gefunden

3. Begriffsklärung

3.3. Beutekunst und Raubkunst

Kunstgegenstände übten von je her eine besondere Faszination auf Menschen aus, waren sie doch oft Zeichen der Identität und Entwicklung einer Zivilisation. In Konfliktsituatio-nen wurden denn auch regelmäßig solche Gegenstände geraubt. Die Motive für den Raub reichten dabei von Machtdemonstrationen über die Demütigung des Gegners bis hin zu ganz profanem Profitstreben. Es war wohl die unmäßige Gier Napoleons, welche im 19.

Jahrhundert zu einer Änderung der bis dato offenbar gängigen Praxis des Kunstraubes in Kriegszeiten führte. 49 Einen völkerrechtlichen Höhepunkt stellte dabei der Artikel 56 der Haager Landkriegsordnung von 1899 dar:

47 Vgl. Schneider, S. 151.

48 Vgl. Rautenberg, S. 28 und 198.

49 Vgl. Hartung, Hannes: Kunstraub in Krieg und Verfolgung, Berlin 2005, S. 11-17.

“The property of the communes, that of religious, charitable, and educational institutions, and those of arts and science, even when State property, shall be treated as private property. All seizure of and destruction, or intentional damage done to such institutions, to historical monuments, works of art or science, is prohibited, and should be made the subject of proceedings.”50

Der Begriff Beutekunst kann als ein gedankliches Resultat dieses Artikels betrachtet werden und ist die zusammenfassende Bezeichnung für in Kriegszeiten widerrechtlich verschleppte Kulturgüter. Darunter fallen auch Bücher in ihrer Eigenschaft als Werke der Kunst oder der Wissenschaft.51 In diesem Sinne ist der Begriff für jeden kriegsbedingten Kunstraub der Vergangenheit geeignet. Jedoch ist die Situation für die Zeit des „Dritten Reiches“, des zweiten Weltkrieges und der anschließenden Besatzungszeit komplizierter.

Zwar ist die Begriffsbedeutung für Beutekunst auch für diesen Zeitraum gültig, doch verlagerte sich der Begriffsnutzung auf Kulturgüter, die von den damaligen Alliierten, insbesondere der Sowjetunion, aus Deutschland geraubt wurden. Gerade der Fingerzeig auf die Sowjetunion ob der schieren Menge der geraubten Güter mag auf emotionaler Ebene verständlich sein. Zudem stützt die in Russland gebrauchte Terminologie diese einseitige Begriffsverwendung.52 Ein solcher Standpunkt ist allerdings kaum haltbar. Er verstellt den Blick auf den Umstand, dass in dieser Zeit viele Staaten, einschließlich Deutschland, Kulturgüter erbeutet haben. Die Menge der betroffenen Güter, die Professionalität bei der Organisation des Raubes und das rechtswidrige Handeln selbst ändern daran nichts.

Ein Kulturgegenstand kann also ausschließlich als Begleiterscheinung einer wie auch immer gearteten kriegerischen Auseinandersetzung zu Beutekunst werden. Ein Raub desselben Gegenstandes ohne diesen speziellen politischen Kontext macht ihn allgemein zu Diebesgut. Wurde nun aber derselbe Gegenstand einer natürlichen Person entzogen, die Mitglied einer von den Nationalsozialisten verfolgten ethnischen Gruppe war, wird er zu Raubkunst.

50 Siehe Text der Haager Landkriegsordnung auf der Webseite des Internationalen Roten Kreuzes:

http://www.icrc.org/ihl.nsf/FULL/150?OpenDocument.

51 Vgl. Rautenberg, S. 83, 85 und 312f (Artikel zu Kunstbuch und Künstlerbuch). Bücher sind Trägermedien für Zeugnisse künstlerischer oder wissenschaftlicher Leistungen oder stellen selbst ein solches Zeugnis dar.

52 Vgl. Hartung, S. 52 und 59. In Russland ist hier beispielsweise die Rede von Kriegstrophäen.

Raubkunst ist die Bezeichnung für verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter.53 Er gilt für sämtliche geraubten Kulturgüter von natürlichen Personen, welche zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten aus rassischen, religiösen und politischen Gründen verfolgt wurden. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf den Juden Europas.54 Als wesentlicher Unterschied zur Beutekunst muss angemerkt werden, dass es für aus jüdischem Besitz stammende Raubkunst keine ausdrückliche territoriale Zuordnung geben kann. Das liegt an der nationenübergreifenden Existenz jüdischer Kultur in den europäischen Staaten. Die Konsequenz dieses Unterschiedes wird bei Restitutionsversu-chen deutlich. Für die Rückgabe von Raubkunst müssen die ursprüngliRestitutionsversu-chen Besitzer bzw.

deren Erben nötigenfalls in einer weltweiten Suche ermittelt werden. Bei Beutekunst hingegen ist der Vorbesitzer, eine natürliche oder juristische Person, bekannt. Hier muss eher das Kulturgut selbst gesucht und, wenn der aktuelle Besitzer bekannt ist, über die Rückgabe verhandelt werden.

Resümierend lässt sich feststellen, dass die Unterschiede zwischen Beutekunst und Raubkunst hauptsächlich auf der juristischen Ebene zu finden sind. Der Gegenstand der widerrechtlichen Aneignung ist in jedem Fall das Kulturgut selbst. Der weitere Umgang mit diesem Kulturgut ist dann abhängig vom konkreten Vorbesitzer und den spezifischen Umständen, die zum unrechtmäßigen Besitzwechsel geführt haben. Neben der juristischen Angrenzung kann allerdings auch der materielle Wert der Bücher als ein zugegebenerma-ßen subjektives Unterscheidungsmerkmal herangezogen werden. Da Raubkunst natürlichen Personen entzogen wurde fallen in diese Kategorie oft Gebrauchsbücher für den Alltag, deren Wert eher im ideellen Bereich festgemacht werden kann. Beutekunst ist dagegen eher wertvoll, zumal dann, wenn es sich um Unikate handelt, die in Museen oder Archiven gelagert waren.

53 Ein alternativ für Raubkunst gebräuchlicher Begriff ist Raubgut. Er ist in der Regel in Veröffentlichungen über die Suche nach solchen Kulturgütern und deren Restitution zu finden. Raubgut erscheint jedoch begrifflich ungenau und unnötig verallgemeinernd.

Möglicherweise beruht die Verwendung des Begriffes auf Zweifeln hinsichtlich der Möglichkeit, Bücher als Kunst zu einzuordnen.

Raubgut stellt eher ein Synonym für Diebesgut dar, was Raubkunst prinzipiell natürlich ist. Er wird jedoch nach Ansicht des Verfassers der oben genannten Bedeutung von Raubkunst, einschließlich des moralischen und aktuellen politischen Hintergrundes, nicht gerecht.

Daher soll der Begriff Raubgut im weiteren Verlauf der Arbeit keine Verwendung finden.

54 Vgl. Hartung, S. 60f.