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Kommission Nukleare Entsorgung (KNE)

7.2.2 Beurteilung der fachspezifischen Themen zum Standortnachweis durch die KNE

7.2.2.1 Tektonik, Geodynamik und Erosionsszenarien

Die Analyse der KNE beruht auf der "Beurteilung der tektonischen Situation des Zürcher Weinlandes und des geodynamischen Konzeptes" " {KNE, Teilbericht A} und der

"Beurteilung der plio-/pleistozänen Entwicklungsgeschichte des Zürcher Weinlandes und der Erosionsszenarien" " {KNE, Teilbericht B}.

Teilbericht A: "Beurteilung der tektonischen Situation des Zürcher Weinlandes und des geodynamischen Konzeptes"

Einleitend stellt die KNE den allgemeinen geodynamischen Rahmen der Nordschweiz dar, zieht Schlussfolgerungen für die Tektonik des Zürcher Weinlandes und allgemeine

Schlussfolgerungen zu den hinsichtlich des Entsorgungsnachweises gestellten Fragen.

Aus Sicht der KNE ist die Tektonik der Nordschweiz gut und umfangreich untersucht und beschrieben. Ergänzende Untersuchungen im Rahmen künftiger Arbeiten schlägt die Kommission allerdings zu folgenden Themen vor:

Ausweitung der Untersuchungen bzgl. aktiver Tektonik im Gebiet Hegau-Bodensee-Graben.

Systematische Maturitäts-, Diagenese- und Apatitspurenanalysen in künftigen Tiefbohrungen.

7 Nachfolgend wird die Referenz [37] in diesem Unterkapitel durch das Akronym KNE ersetzt. Entsprechende Referenzangaben erfolgen in geschwungener Klammer, fallweise ergänzt mit Gliederungsnummer, Seitenzahl, Figurennummer usw.

Das von der Nagra dargestellte geodynamische Modell sei "mit vernünftigen

Argumentationen begründet", müsse aber künftig weiter entwickelt werden. Das von der Nagra postulierte Langzeitszenarium des "anhaltenden alpinen Fernschubs" hält die KNE für ein "extremes Szenarium". Sie schlägt vor, dieses im Referenzfall durch das

realistischere Szenarium des "Ausklingens der alpinen NNW-SSE-Kompression und einer anhaltenden WSW-ENE gerichteten Extension des alpinen Vorlandes" zu ersetzen.

Für den Entsorgungsnachweis hält die KNE den vorgelegten Datensatz und den gegenwärtigen Kenntnisstand für genügend. Sie erwartet allerdings im Verlaufe der nächsten Projektphasen eine weiter verbesserte Charakterisierung des Wirtgesteins und eine Bestätigung der Gesteinseigenschaften.

Teilbericht B: "Beurteilung der plio-/pleistozänen Entwicklungsgeschichte des Zürcher Weinlandes und der Erosionsszenarien"

In {KNE, Teilbericht B} untersucht die KNE die Prozesse, welche für die geologische Gliederung und Gestaltung der Landschaft während der erforderlichen Isolationsdauer der Abfälle, d. h. während einer Million Jahre, wichtig sind. Dabei geht sie von den Prozessen aus, welche in den vergangenen 10 Millionen Jahren die geologische

Entwicklung bestimmt haben. Im betrachteten Referenzfall der Nagra befindet sich das Lager im Opalinuston auf 650 – 750 m Tiefe im Gebiet des Zürcher Weinlandes.

Neotektonik: Die KNE hält die von der Nagra mit drei verschiedenen Methoden (Geodäsie, Geomorphologie und Beckenmodellierung) ermittelten Hebungsraten des Zürcher Weinlands von ca. 0,08 bis 0,15 mm/a bzw. 100 m in einer Million Jahre für die nähere Zukunft (1 Million Jahre) für zuverlässig und für, im regionalen Rahmen

betrachtet, relativ klein.

Glazialgeschichte: Die KNE unterstützt das Szenarium der Nagra, bei welchem davon ausgegangen wird, dass für die nächste Million Jahre weiterhin mit einem "Eishausklima"

zu rechnen ist. Die Annahmen der Nagra zum Ausmass künftiger Vereisungsphasen und deren Erosionspotenzial seien sehr konservativ. Nach Auffassung der KNE sollte der zeitliche Ablauf der Glazialgeschichte, seine Zyklen sowie die Sedimentations- und Erosionsabläufe mit Forschungsprogrammen noch besser untersucht werden.

Insbesondere sollte geklärt werden, ob die Gletscher in jeder Eiszeit den Untergrund bis auf den Fels erodiert haben oder ob die grossen Übertiefungen auf einmalige Situationen zurückzuführen sind.

Erosionsszenarien: Die KNE bestätigt die allgemeine Vorstellung, dass Vergletscherungen vor allem die Talerosion fördern. Flächenhafte Denudation spiele eine kleinere Rolle. In Warmzeiten sei die chemische Erosion wichtiger, sie würde aber die Hebungsraten nicht ausgleichen. Durch Flusserosion ergäbe sich im schlimmsten Falle (worst case) zwischen Basel und Bodensee innert einer Million Jahre eine zusätzliche Erosion von 100 m.

Die KNE ist der Ansicht, dass keines der betrachteten Erosionsszenarien zu einer Freilegung des Lagers führen könne. Solange sich Gletscher in ihrer Ausdehnung und Mächtigkeit nicht wesentlich von jenen bisheriger (vergangener) Kaltzeiten

unterscheiden, dürften sie sich in alpenfernen, distalen Gebieten wie dem Zürcher Weinland an alte bzw. bestehende Täler halten.

Diese Aussagen werden allerdings relativiert durch die oben erwähnten Unsicherheiten zur Glazialgeschichte und sind daher mit einer Empfehlung zu vertiefter Erforschung verbunden.

In den Schlussfolgerungen verbindet die KNE die Erkenntnisse aus der Erdgeschichte mit Abschätzungen zum möglichen menschlichen Einfluss.

7.2.2.2 Aufbau und Ablagerungsgeschichte des Opalinuston

{KNE, Teilbericht C} enthält die "Beurteilung der sedimentologischen und lithofaziellen Verhältnisse des Opalinustons im Zürcher Weinland". Es wird erörtert, "ob es bei dem heutigen Stand der Kenntnis hinsichtlich der Sedimentologie und Lithologie des

Wirtgesteins Fakten gibt, die den Opalinuston im Zürcher Weinland als Wirtgestein für radioaktive Abfälle als nicht geeignet erscheinen lassen, und das Projekt daher

aufgegeben werden sollte, oder ob das Projekt weiter verfolgt werden kann".

Die Analyse der Entstehung und lithologischen Entwicklung des Opalinustons umfasst neben Informationen aus den Berichten der Nagra auch Expertenwissen und zahlreiche Literaturdaten.

Gemäss der Zusammenfassung {KNE, S. 5} ist der Opalinuston "im Gebiet der Nordschweiz recht einheitlich ausgebildet und im Zürcher Weinland etwa 110 m

mächtig". Im Tongestein seien dünne Silt- und Feinsandlagen, Kalkbänkchen und Lagen mit Konkretionen im Kilometer- bis 10-Kilometer-Bereich lateral verfolgbar, ohne dass sich der tonreiche Charakter des Gesteins ändere. Insgesamt seien die

Gesteinseigenschaften des Opalinustons hinsichtlich seiner Eignung zur Lagerung radioaktiver Abfälle als günstig zu beurteilen. Der hohe Tongehalt und die feinen Korngrössen hätten geringe hydraulische Durchlässigkeiten zur Folge und bestimmten das Selbstabdichtungsvermögen. Wichtig seien in diesem Zusammenhang die

Gleitfähigkeit der plättchenförmigen Mineralien und das Quellverhalten der

Tonmineralien. Nach der Ablagerung sei der Opalinuston von jüngeren Sedimenten überlagert worden und dabei auf eine Temperatur von 70 bis 80 °C aufgewärmt worden.

In Teilbericht C empfiehlt die KNE, in einer späteren Phase ergänzende Studien mit folgenden Zielsetzungen durchzuführen (gekürzt):

Verfeinerung der genetischen Interpretation der lithologischen Variationen zur Optimierung der Baumassnahmen;

Analyse der Sedimentverteilung;

Zuordnung von wichtigen geotechnischen Eigenschaften zur Lithologie;

genauere Temperaturgeschichte;

alternative Gebinde-Auslegungen, damit die maximalen in der geologischen Geschichte erreichten Paläotemperaturen im Lager nicht überschritten werden;

genauere Bestimmung und experimentelle Validierung der für die Riss- und Kluftbildung kritischen Parameterwerte.

Zusammenfassend beurteilt die KNE die lithologischen Eigenschaften des Opalinustons hinsichtlich seiner Eignung zur Lagerung radioaktiver Abfälle insgesamt als günstig. Die Lithologie habe eine geringe hydraulische Durchlässigkeit und das

"Selbstabdichtungsvermögen" bei Kluftbildungen zur Folge. Weiter stellt sie fest: "Die für die Lagerung radioaktiver Abfälle günstigen lithologischen Eigenschaften werden durch den Bau eines Tiefenlagers und das Aufbringen einer thermischen Last beeinflusst. Diese Einflüsse sind im Falle der Weiterführung des Projektes noch vertieft zu untersuchen und genauer zu quantifizieren, um mögliche Risiken zu minimieren."

7.2.2.3 Hydrogeologie und Hydrochemie

Hydrogeologie und Hydrochemie werden in folgenden Teilberichten abgehandelt:

Teilbericht D: "Beurteilung der hydrogeologischen-hydrochemischen Untersuchungen und Datengrundlagen"

Teilbericht E: "Beurteilung der isotopengeochemischen Untersuchungen und Datengrundlagen"

Teilbericht D: "Beurteilung der hydrogeologischen-hydrochemischen Untersuchungen und Datengrundlagen"

Die KNE betrachtet zuerst die regionalen hydrogeologischen Verhältnisse im Zürcher Weinland: die Stockwerkstruktur der Grundwasserleiter und ihre hydraulischen Durchlässigkeiten, die chemische Zusammensetzung der Tiefengrundwässer, die Verteilung der hydraulischen Potenziale und der daraus ableitbaren

Wasserfliessrichtungen, den Einfluss der regionalen Hydrogeologie auf mögliche

Austrittspfade von Radionukliden aus dem Tiefenlager und die Bedeutung der regionalen Hydrogeologie für den Bau und Betrieb eines Tiefenlagers. Sodann analysiert die

Kommission die Aussagen und die Dokumentation der Nagra.

Die KNE bezeugt, dass die Nagra seit den 80-er Jahren sehr viel getan hat, um

bestehende hydrogeologische Daten einzubeziehen und mit gezielten Untersuchungen zu ergänzen. Im Bericht zur Geosynthese [44] sei die umfangreiche Datenbasis zur

regionalen Hydrogeologie sorgfältig und mit der kritischen wissenschaftlichen Distanz zusammengefasst. Den allenfalls vorhandenen Datenlücken werde in der

Sicherheitsanalyse mit konservativen Annahmen/Parametersätzen oder mit der Nichtberücksichtigung einer Barrierenwirkung Rechnung getragen. Die umfangreichen Daten und ihre sorgfältige Zusammenstellung und Interpretation durch die Nagra und ihre Experten ergäben ein solides und nachvollziehbares Bild der hydrogeologischen Verhältnisse im Zürcher Weinland. "Obwohl nicht alle Formationen im gleichen Umfang und gleicher Breite hydrogeologisch untersucht wurden und im Detail bekannt sind, sind die daraus gezogenen Schlussfolgerungen nachvollziehbar und plausibel und erlauben für die jetzige Projektstufe (Entsorgungsnachweis) die Frage der Eignung des Opalinustons im Zürcher Weinland positiv zu beantworten. Die vorgelegten Befunde weisen auf ein sehr hohes Einschlussvermögen des Opalinustons hin (Verweilzeiten der Porenwässer im Zeitbereich von Millionen von Jahren)" {KNE, S. D6). Die Erweiterung und

Vervollständigung der Daten habe in der nächsten Projektphase zu erfolgen, wobei insbesondere die Rolle der Rahmengesteine des Opalinustons noch vertiefter zu klären sei.

Teilbericht E: "Beurteilung der isotopengeochemischen Untersuchungen und Datengrundlagen"

Die kritische Sichtung der isotopengeochemischen Daten dient in erster Linie der Überprüfung der von der Nagra vorgenommenen Interpretation zu den

In-situ-Transporteigenschaften des Opalinustons und der angrenzenden Rahmengesteine. Es handelt sich damit gleichzeitig um eine Überprüfung des allgemeinen hydrogeologischen Modells und der Parameter zum Fliessverhalten, welche in die Sicherheitsanalyse

einfliessen.

Die KNE kommt zum Schluss, dass die in [44] und [42] diskutierten Edelgasresultate

"mit Vorbehalt schlüssig" seien und den Schluss zuliessen, dass Edelgase diffusiv (also nicht konvektiv) zwischen den Porenwässern (des Opalinustons) und angrenzenden Aquiferen ausgetauscht würden. Die Herkunft der Porenwässer aus fossilen marinen Wässern wird bestätigt und die Diffusionsrichtungen aus dem Opalinuston in die Aquifere, vor allem in den tiefer liegenden Stubensandstein, werden dargelegt.

Die Kommission formuliert schliesslich Empfehlungen zur Transportmodellierung und zur genaueren Untersuchung des Horizontaltransports durch das Wirtgestein.

7.2.2.4 Schlussfolgerungen der KNE

In ihrer Zusammenfassung {KNE, S. 1} kommt die KNE "nach Prüfung der

erdwissenschaftlichen Datengrundlagen zum Schluss, dass der Standortnachweis mit dem Projekt Opalinuston erbracht ist. Die erdwissenschaftlichen Annahmen, welche die Nagra bei der Entwicklung der Szenarien für den Nachweis der Langzeitsicherheit getroffen hat, basieren auf sorgfältig zusammengetragenen und nachvollziehbaren Daten. Diese wurden entsprechend dem Stand der wissenschaftlichen Kenntnisse

ausgewertet und interpretiert. Wo eine ausreichende Datenbasis heute noch fehlt, hat die Nagra konservative Annahmen getroffen. … Die KNE hat bei der Überprüfung des

Projektes Opalinuston verschiedene offene Fragen formuliert, welche im Rahmen der weiteren Untersuchungen geklärt werden müssen."