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Betriebswirtschaftliche Beschaffungsfunktion

Die betriebliche Funktion der Beschaffung ist als zentraler Bestandteil des Versor-gungsmanagements anzusehen. Kennzeichnend für die Beschaffung ist dabei vor allem ihre Beziehung zum Markt.

Sie ist die Schnittstelle zwischen einem Unternehmen und den im Leistungserstellungs-prozess vorangestellten Beschaffungsmärkten. Dabei übernimmt die Beschaffung Ein-fluss auf die Beschaffungsmärkte, um vorhandene Potenziale dem Unternehmen zu-gänglich zu machen, und trifft für diesen Aufgabenbereich vorbereitende Maßnahmen zur Optimierung der Planungs-, Entscheidungs- und Organisationsstrukturen. Die Be-schaffung umfasst damit alle Tätigkeiten – sowohl unternehmens- als auch marktbezo-gene –, die mit dem Ziel ausgeführt werden, dem Unternehmen notwendige, nicht selbst hergestellte Objekte verfügbar zu machen.37

Der Begriff der Beschaffung soll im Folgenden im Hinblick auf die Funktionen der Be-schaffung und deren Bedeutung für das Unternehmen sowie auf ihre strukturelle Um-setzung und ihren Prozess eingegrenzt werden.

2.1.1 Funktionen der Beschaffung im Unternehmen

Die Einkäufer eines Unternehmens müssen sich ständig der Frage stellen: „Welche Lie-feranten können welches Material oder welche Dienstleistung, in welcher Menge, zu welchem Preis, in welcher Zeit, in welcher Qualität produzieren, montieren, liefern oder leisten? Sie müssen im Vorfeld beurteilen, ob die Zusagen des Lieferanten glaubhaft und realistisch sind und in angemessenem Preis-Leistungs-Verhältnis stehen. Das

37 Vgl. Arnold 1995, S. 2 f.

ko des Versorgungsengpasses soll minimiert bzw. ganz vermieden werden. Dabei dür-fen Sie zeitgleich ihr Unternehmen nicht mit einer zu hohen Kapitalbindung belasten.“38 Die Beschreibung der Beschaffung als marktverbundenes System wird in der Regel durch die Betrachtung des Beschaffungsobjektes ergänzt, um eine nähere Eingrenzung vornehmen zu können.39

Schon frühe Definitionen der Beschaffung nähern sich der Beschaffungsaufgabe durch eine Orientierung an der Art der Leistungserbringung, dem Beschaffungsobjekt, der Zeitspanne, innerhalb derer beschafft werden soll, und am Raum, innerhalb dessen be-schafft werden soll, also am Markt.40 Grundsätzlich benötigen Unternehmen Wirt-schaftsgüter, die als externe Faktoren in die Leistungserstellung einfließen. Dazu gehö-ren Material, Anlagen, Dienstleistungen, Personal, Kapital, Rechte und externe Informa-tionen.41

Es besteht vor diesem Hintergrund nun die Möglichkeit, die Beschaffungsfunktion um-fassend zu betrachten und alle diese externen Faktoren als Objekte für die Beschaffung zu definieren, um zu „alle Objekte umfassenden Aussagen zu gelangen.“42 In der be-trieblichen Praxis jedoch hat sich keine Organisationseinheit herausgebildet, die alle ex-ternen Objekte zusammen betrachtet. Eine ganzheitliche Beschaffungseinheit für alle externen Faktoren hat sich nicht durchgesetzt.

Stattdessen hat sich eine Abgrenzung von Personal, Rechten und Kapital als Beschaf-fungsobjekte im Sinne des Einkaufs entwickelt, denn für diese Wirtschaftsgüter gibt es eigene Fachabteilungen, die sich im Schwerpunkt mit ihnen beschäftigen, sowie eigene wissenschaftliche Forschungsbereiche.43 Die Beschaffung als Fachabteilung bzw. For-schungsbereich „umfasst […] Tätigkeiten, die mit der Bereitstellung von Sachgütern und Dienstleistungen zusammenhängen.“44

Aufgrund einer Tendenz zu immer geringeren Fertigungstiefen der Unternehmen rücken auch Verknüpfungen verschiedenartiger Leistungen als Beschaffungsobjekte in den Vordergrund. Bei vielen Leistungsangeboten handelt es sich um Bündel diverser

38 Riffner/Weidelich 2001, S. 13.

39 Vgl. Thiell 2006, S. 35.

40 Vgl. Grochla 1980, S. 9.

41 Vgl. z. B. Arnold 1982, S. 11, Berg 1981, S.11, Arnold 1995, S. 8, Heimbrock 2001, S. 146

42 Vgl. Grochla 1980, S. 25.

43 Vgl. Arnold 1997, S. 5.

44 Janker 2008, S. 14.

jektarten, die zusammen ein Transaktionsobjekt darstellen (heterogene Leistungsbün-del).45

Die Beschaffung hat im Rahmen ihrer Versorgungsfunktion drei wesentliche Aufgaben im Unternehmen zu erfüllen. Sie hat eine kostengünstige Versorgung sicherzustellen und die (Wert-)Potenziale der Lieferanten für das eigene Unternehmen nutzbar zu ma-chen. Die Beschaffung muss Versorgungssicherheit gewährleisten und in einer Berater-funktion die anderen Unternehmensbereiche unterstützen.46

2.1.2 Bedeutung und Entwicklung der Beschaffung

Die betriebliche Beschaffung befindet sich seit Mitte der 1990er Jahre verstärkt im Wandel. Es zeichnete sich damals bereits ab, dass die entscheidenden Entwicklungen im Einkauf und der Beschaffung die Globalisierung des Beschaffungsmarktes, Standardi-sierungsbestrebungen bei Teilen und Modulen, Verantwortungsverlagerung auf Liefe-ranten, Konkurrenzkampf und Preisdruck sind.47 Ergänzt werden kann diese Aufstel-lung durch die verstärkte Prozessorientierung ab den 1990er Jahren.48

Entwicklungen seit den 1990er Jahren, die den Wandel der Beschaffung vorangetrieben haben, sind:

- „die zunehmende Globalisierung,

- die verstärkte Konzentration auf eigene Kernkompetenzen, - vermehrte Modular- und System-Sourcing-Konzepte,

- die verstärkte Bildung differenzierter und strategischer Kunden-Lieferanten-Beziehungen,

- hohe Geschäftsdynamik und schnelle Reaktion auf Kundenwünsche, - die zunehmende Prozess- und Netzwerkorientierung sowie

- der verstärkte Einsatz von IuK-Technologien.“49

Diese Entwicklungen tragen maßgeblich dazu bei, dass die Lieferanten und zum Teil die Vorlieferanten immer enger in die Leistungserstellungsprozesse der Unternehmen eingebunden werden. Der Beschaffung kommt damit als Aufgabe die Gestaltung der Schnittstellen zu.50 Entsprechend hat sich die Bedeutung der Beschaffung von einer

45 Vgl. Thiell 2006, S. 37.

46 Vgl. Arnolds et al. 2010, S. 6 f.

47 Vgl. Arnold et al. 2008, S. 270.

48 Vgl. Koppelmann 2000, S. 36 ff.

49 Schönsleben/Hieber/Alard, 2003, S. 734.

50 Vgl. Schönsleben/Hieber/Alard 2003, S. 746.

nen Versorgungsfunktion auf Einzeltransaktionsbasis zu einer gestaltenden Aufgabe in Unternehmensnetzwerken verschoben und die Beschaffung hat damit an Einfluss ge-wonnen.

Aufgrund der oben skizzierten Entwicklungen erfüllt die Beschaffung neben der opera-tiv angelegten Aufgabe des Einkaufs von Gütern nach Bedarf auch eine strategische Funktion und rückt als ein den Geschäftserfolg entscheidender Faktor weiter in den Vordergrund.51

2.1.3 Strukturelle Organisation der Beschaffung

Diesen Bedeutungswandel der Beschaffung müssen Unternehmen auch strukturell um-setzen, damit sie ihrem gegenüber dem Einkauf geänderten Anforderungsprofil gerecht werden kann.

Grundsätzlich ist die Einbettung der Beschaffungsorganisation in das Unternehmen in einer dezentralen Organisation oder als Zentraleinkauf möglich. Dazwischen werden in den Unternehmen hybride Formen gelebt. Auch die Unternehmensgröße spielt dabei ei-ne Rolle. So gibt es in Konzerei-nen die Entwicklung zur Schaffung von ergebnisverant-wortlichen Unternehmensbereichen (Profit Center) mit einem entsprechend dezentrali-sierten Einkauf. Damit geht aber Marktmacht durch Bündelung verloren. In kleineren, homogen strukturierten Unternehmen wird häufig ein Zentraleinkauf realisiert.52

Den aktuellen Tendenzen und Einflüssen entsprechend, werden auch im Einkauf zu-nehmend Dezentralisierungstendenzen mit flacheren Hierarchien und der Stärkung der Eigenverantwortung beobachtet. Der Beschaffung kommt „eine zentrale Bedeutung bei der Steuerung aller beschaffungsmarktgerichteten Aktivitäten zu, welche mit dem zu-nehmenden Outsourcing bisher selbst erbrachter Wertschöpfungsaktivitäten einhergeht.

Gleichzeitig wird die Eigenverantwortung und -steuerung des Einkaufs im Rahmen pro-zessorientierter Unternehmensführung gestärkt.“53

Mit diesem prozessorientierten Organisationsansatz wird Beschaffung zuständig für ers-tens das „Management von Nahtstellen zwischen den Teilprozessen des Beschaffungs-management, zweitens zu den anderen unternehmensinternen Kern- und Unterstüt-zungsprozessen sowie drittens zu den Wertschöpfungsprozessen externer Marktpartner

51 Vgl. Cox 2003, S. 88 ff.

52 Vgl. Arnold et al. 2008, S. 286 ff.

53 Arnold 2003, S. 148.

(Lieferanten und Outsourcing-Partner).“54 Mit diesem Organisationsansatz sind hybride Formen zwischen Zentralsierung und dezentraler Verantwortung möglich, die optimal an die unternehmensindividuellen Organisationsstrukturen angepasst werden können.

Für die Bundeswehr, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als großes Konzernunter-nehmen zu betrachten ist, ist diese Darstellung der Organisationsform der Beschaffung hilfreich, da auch bei ihr der Strategische Einkauf als prozessorientierte, hybride Form von zentraler und dezentraler Beschaffungsorganisation angelegt ist. Insofern bietet die-se Darstellung betriebswirtschaftlicher Organisationsformen Ansatzpunkte für den wei-teren Gang der Untersuchung.

2.1.4 Beschaffungsprozess

Die prozessorientierte Ausrichtung der betriebswirtschaftlichen Beschaffungsfunktion sieht als eine Aufgabe der Beschaffung das Management der Teilprozesse des Beschaf-fungsprozesses. Wird die Beschaffung als Wertschöpfungsprozess verstanden, so erfüllt sie Transaktionsaufgaben, also eine Veränderung der rechtlichen Verfügbarkeit, und Transferaufgaben, eine Sicherstellung der faktischen Verfügbarkeit.55 Diese wertschöp-fenden Funktionen können in strategischen und operativen Prozessen umgesetzt wer-den.

Der operative Beschaffungsprozess kann in zehn Phasen unterteilt werden.

- Bedarfsermittlung durch die Disposition - Bedarfsmeldung an den Einkauf

- Konsolidierung der Bedarfe verschiedener Bedarfsstellen - Lieferantenauswahl

- Angebotsanfrage - Angebotsvergleich - Angebotsauswahl

- Bestellung und Vertragsschluss - Auftragsverfolgung

- Lieferantenbeurteilung56

Diese Aufzählung zeigt chronologisch die Teilprozessschritte der operativen Beschaf-fung. Hier wird der „Nahtstellenansatz“ klar. Alle drei Ebenen des

54 Arnold 2003, S. 151.

55 Vgl. Large 2009, S. 20.

56 Vgl. Arnolds et al. 2010, S. 117.

ments, interne Teilprozessschritte der Beschaffung, andere Funktionen des Unterneh-mens (als Bedarfsträger) und Lieferanten sind als Schnittstellen zu verbinden. Die in-haltliche Nähe und Überschneidung zum Management von Lieferantenbeziehungen wird insbesondere bei der Lieferantenauswahl und der Lieferantenbeurteilung deutlich.

Der strategische Beschaffungsprozess ist von der tatsächlichen Abwicklung etwas dis-tanzierter. Er kann in sechs Schritten dargestellt werden und geht von einer (1) Situati-onsanalyse aus, auf deren Basis die (2) Bedarfsanalyse durchgeführt wird. Danach fol-gen eine Analyse der (3) Beschaffungsmärkte und die Wahl des Beschaffungsmarktes, bevor als Marktteilnehmer (4) die Lieferanten analysiert und ausgewählt werden. Es folgen die (5) Verhandlungen mit den Lieferanten und die (6) Beschaffungsabwicklung.

Auch hier zeigen sich deutliche thematische Überschneidungen mit dem Management von Lieferanten, das ebenfalls auf der strategischen Beschaffungsmanagementebene an-gesiedelt werden kann.57

Als weitere begriffliche Grundlage soll im Folgenden das Lieferantenmanagement in seiner wechselseitigen Beziehung zum Beschaffungsmanagement betrachtet werden.