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In diesem Bericht fassen wir die wesentlichen Ergebnisse der Analysen sowie mögliche Schlussfolgerungen zusammen. Hierzu gehen wir wie folgt vor:

Kapitel 2: Beschreibung der vier untersuchten Vorschläge für ein Kapazitätsmechanismus-Design;

Kapitel 3: Erläuterung der Einschätzung des Handlungsbedarfs, der zur Einschätzung der Wirkungen der Mechanismen herangezogenen Bewertungskriterien sowie des hierzu verwendeten Analyseansatzes;

Kapitel 4: Darlegung der Einschätzung der Mechanismen auf Basis der zuvor definierten Bewertungskriterien; und

Kapitel 5: Zusammenfassung und Schlussfolgerungen.

Im Anhang I finden sich zudem zusätzliche Details zum Strommarktsimulationsmodell, den verwendeten Modellannahmen sowie zu den Ergebnissen der Berechnungen zu den Wirkungen der untersuchten Mechanismen.

Charakterisierung der untersuchten Kapazitätsmechanismen

2 Charakterisierung der untersuchten Kapazitätsmechanismen

In diesem Kapitel beschreiben wir die wesentlichen Charakteristika der untersuchten Kapazitätsmechanismen. Hierbei gehen wir wie folgt vor:

Grundsätzliche Abgrenzung von Kapazitätsmechanismen anhand von Kernausgestaltungselementen (Abschnitt 2.1);

Beschreibung des Referenzfalls „EOM 2.0“ (Abschnitt 2.2);

Beschreibung der detaillierten Ausgestaltungsvorschläge zu den einzelnen Modellkandidaten:

Reserve (Abschnitt 2.3);

Dezentraler umfassender Kapazitätsmarkt (Abschnitt 2.4);

Zentraler umfassender Kapazitätsmarkt (Abschnitt 2.5); und

Zentraler fokussierter Kapazitätsmarkt (Abschnitt 2.6);

Zusammenfassende Übersicht der untersuchten Kapazitätsmechanismen (Abschnitt 2.7); sowie

Analyse der Möglichkeiten internationaler Einbindung der Kapazitätsmechanismen (Abschnitt 2.8).

2.1 Grundsätzliche Abgrenzung der Kapazitätsmechanismen

Im Folgenden beschreiben wir drei Dimensionen, anhand derer eine grundsätzliche Unterscheidung von Kapazitätsmechanismen erfolgen kann.

Dabei differenzieren wir zwischen

Konstituierenden Elementen, welche die wesentlichen Grundpfeiler einzelner Mechanismen darstellen (Abschnitt 2.1.1);

Kern-Ausgestaltungsdetails, die eine Präzisierung der konstituierenden Elemente bieten (Abschnitt 2.1.2); und

Sonstigen Ausgestaltungsdetails, die eine weitergehende Differenzierung ermöglichen (Abschnitt 2.1.3).

Charakterisierung der untersuchten Kapazitätsmechanismen

Dabei beziehen wir uns in den detaillierten Analysen und Bewertungen einzelner Mechanismen in Kapitel 4 im Wesentlichen auf die Ausgestaltungselemente der ersten Ebene, die konstituierenden Elemente (Abbildung 15).

Abbildung 15. Hierarchie der Ausgestaltungselemente

Quelle: Frontier

2.1.1 Übersicht konstituierende Elemente

Konstituierende Elemente beziehen sich auf die Grundausrichtung eines Kapazitätsmechanismus, bezogen auf

das Ziel des Kapazitätsmechanismus;

die Definition der Kapazitätsnachfrage;

die Definition des Kapazitätsangebots;

die grundlegende Organisation der Kapazitätsbeschaffung; sowie

den Einsatz und die Definition des Kapazitätsproduktes.

Im Folgenden beschreiben wir mögliche Ausprägungen dieser Elemente.

Umfassendes vs. selektives Kapazitätsziel

Ein Kapazitätsmechanismus kann sowohl auf die Gesamtsystemleistung abzielen als auch auf eine Art „Reserve“ als Teilmenge. Der Gesetzgeber könnte beispielsweise eine umfassende Leistungsvorhaltung von 80 GW (entspricht ungefähr der Spitzenlast in Deutschland) oder auch eine partielle/selektive Reserve (z.B. 5 GW) für den Notfall vorschreiben.

Umfassende Mechanismen – Umfassende Mechanismen zielen darauf ab, die gesamte als notwendig erachtete gesicherte Kapazität durch Kapazitätszahlungen zu vergüten. In diesem Fall vermarkten die Betreiber

Konstituierende Elemente

Kern-Ausgestaltungsdetails

Sonstige Ausgestaltungsdetails

Abnehmende Priorität

Charakterisierung der untersuchten Kapazitätsmechanismen

der vergüteten Kapazität ihre Stromerzeugung grundsätzlich weiterhin – analog zum heutigen EOM – im Energiemarkt.

Partielle Mechanismen – Bei selektiven Mechanismen wird nur ein ausgewählter Teil der Gesamtleistung mit Kapazitätszahlungen vergütet, während die übrige Leistung weiterhin ausschließlich Erlöse durch den Verkauf von Energie auf den bereits heute etablierten Großhandelsmärkten erzielen kann.18 Einen Extremfall eines partiellen Mechanismus stellt die sogenannte Reserve dar. Darin werden einige wenige Anlagen kontrahiert, welche nur im präzise definierten „Notfall“ eingesetzt werden.19

Zentrale vs. dezentrale Definition der Nachfrage

Zu unterscheiden sind zentrale und dezentrale Mechanismen. Die Adjektive

„zentral“ und „dezentral“ beziehen sich hierbei auf die Bestimmung der Nachfrage, die entweder zentral („top down“) durch eine Behörde gesetzt oder dezentral („bottom up“) von Marktakteuren bestimmt wird, sowie auf die Art und Weise, wie bzw. von welcher Instanz die Kapazitäten kontrahiert und finanziert werden (siehe hierzu auch Frontier Economics/Formaet Services (2013)):

Zentraler Mechanismus – Bei einem zentralen Mechanismus wird eine vorhandene oder zu schaffende Institution mit der Aufgabe betraut, die Höhe der als notwendig erachteten Kapazität zu bestimmen und z.B. in Form von Auktionen zentral zu beschaffen. Ebenso erfolgt eine zentrale Kontrolle der Vertragserfüllung durch die Vertragsnehmer (Erzeugungs- oder DSM-Einheiten). Die Refinanzierung der Leistungsvorhaltekosten erfolgt auf administrativem Wege, beispielsweise in Form einer Steuer oder einer Umlage auf die Endverbraucher. Als zentrale Mechanismen lassen sich drei der vier hier untersuchten Kapazitätsmechanismen einordnen: der

„zentrale Kapazitätsmarkt“ (ZKM), der „Fokussierte Kapazitätsmarkt“

(FKM) sowie die „Reserve“.

Dezentrale Mechanismen – Im Rahmen dezentraler Leistungsverpflichtungssysteme wird die Gesamtkapazität durch eine Verpflichtung einzelner Marktakteure initiiert. Verpflichtete Akteure können

18 Einige Kapazitätsmechanismen stellen zudem über die sichere Verfügbarkeit hinaus weitere Anforderungen an zu vergütende Kapazität, z.B. bezüglich der Art, des Standortes oder anderer technischer Voraussetzungen wie der Anpassungsgeschwindigkeit der Produktion. Von dieser Form der „Selektivität“ wird hier abstrahiert.

19 Im Rahmen anderer selektiver Mechanismen werden grundsätzlich alle Kapazitäten weiterhin am Energiemarkt vermarktet, es können jedoch nur ausgewählte Anlagentypen einen Anspruch auf Kapazitätszahlungen erhalten. Im Fall des von Öko-Institut, LBD und Raue (2013) entwickelten

„Fokussierten Kapazitätsmarktes“ sind dies z.B. Neuanlagen und Bestandsanlagen.

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Endverbraucher oder Endverbraucher beliefernde Unternehmen („Versorger“) sein. Diese Akteure unterliegen dann der Verpflichtung, eine an ihrer Last bzw. Produktion orientierte Leistung vorzuhalten, entweder selbst oder durch Dritte, in Form von beschafften „Leistungszertifikaten“.

Die eigentliche Kontrahierung der Leistung ist dann private Entscheidung des Verpflichteten (er muss hierfür eine Prognose seines Bedarfs und den Zeitpunkt des Abrufs/Nachweises durchführen). Die Refinanzierung der Leistungsvorhaltekosten erfolgt grundsätzlich in Wettbewerbsmärkten, z.B.

im Falle der Leistungsverpflichtung für Energieversorger durch Einpreisung im Endverbraucher-Stromvertrag20. Zentrale Institutionen spielen in solchen Mechanismen insbesondere eine Rolle bei der Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen. Im Rahmen dieser Studie wird das von BDEW und VKU entwickelte Modell von „Versorgungssicherheitsnachweisen“ (VSN) als dezentraler KM untersucht.

Präqualifikation des Kapazitätsangebots

Mechanismen können weiterhin danach unterschieden werden, ob die Definition des Kapazitätsangebots besonderen Beschränkungen unterliegt oder ob alle erdenklichen Kapazitätsformen an Ausschreibungen und Auktionen teilnehmen können, oder ob lediglich ausgewählte Technologien zur Teilnahme zugelassen sind, das heißt, Präqualifikationsstandards erfüllen müssen.

Einheitlichkeit der Beschaffung

Das Verfahren der Kapazitätsbeschaffung hängt in erster Linie von der Definition der Kapazitätsnachfrage ab:

In Mechanismen mit zentraler Kapazitätsbeschaffung wird die erforderliche Kapazität im Rahmen einseitiger Auktionen und Ausschreibungen beschafft.

Freie Beschaffung ist beispielsweise in dezentralen Mechanismen möglich, z.B. über Eigenbereitstellung, bilateralen Handel oder Börsenhandel.

Definition des Kapazitätsproduktes

Die Definition des Kapazitätsproduktes in Hinblick auf den Einsatz der Kapazitäten legt fest, ob die Teilnahme von Kapazitäten am Strommarkt an Bedingungen geknüpft ist.

20 In der Praxis werden viele originär dezentral konzipierte Leistungsverpflichtungssysteme letztendlich durch einen zentralen Beschaffungsmechanismus ergänzt. Beispielsweise ist in der geplanten Versorgerverpflichtung in Frankreich ein Notfallmechanismus vorgesehen, durch den der Netzbetreiber RTE Kapazität beschaffen kann, falls befürchtet wird, dass die verpflichteten Akteure ihrer Pflicht nicht ausreichend nachkommen.

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2.1.2 Kern-Ausgestaltungsdetails

Im Folgenden gehen wir auf die Definition von Kernausgestaltungselementen ein. Diese dienen in erster Linie der Konkretisierung der zuvor genannten konstituierenden Merkmale.

Kapazitätsnachfrage – Im Kapazitätsmechanismus muss festgelegt werden, wie viel Kapazität von wem und wie nachgefragt und vergütet wird.

Kapazitätsangebot – Müssen bestimmte Präqualifikationskriterien erfüllt werden, so kann beispielweise zwischen

Bestands- und Neuanlagen;

Erzeugungseinheiten oder Nachfrageflexibilität; oder

Anlagen mit unterschiedlichen Emissionsstandards

unterschieden werden. Gleichermaßen ist es möglich, dass keinerlei Präqualifikationskriterien erfüllt werden müssen, um am Mechanismus zu partizipieren.

Sicherstellung – Das Element der Sicherstellung beschreibt, wie in den Mechanismen die Erfüllung des Kapazitätsziels sichergestellt wird, d.h.

welche Kontroll- und Sanktionssysteme von wem eingerichtet werden.

Internationale Einbindung – Im Rahmen der Kapazitätsmechanismen muss definiert werden, ob und wie ausländische Kapazitäten an Mechanismen teilnehmen können.21

2.1.3 Sonstige Ausgestaltungsdetails

Im Folgenden beschreiben wir die sonstigen Ausgestaltungselemente:

Zeithorizont – In zentralen Kapazitätsmechanismen muss definiert werden, mit welcher Vorlaufzeit Ausschreibungen stattfinden und für welche Dauer Kapazitäten kontrahiert werden. In dezentralen Märkten finden diese Festlegungen in erster Linie auf Basis privatautonomer Entscheidungen der Vertragsparteien statt.

Beschaffung – Im Rahmen zentraler Beschaffungssysteme müssen diverse Ausschreibungsregeln und -details festgelegt werde, wie zum Beispiel

nach welchen Regeln der Zuschlag erfolgt;

21 Dieses Element der Kapazitätsmechanismen-Definition behandeln wir separat insbesondere in Abschnitt 2.8.

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ob Gebotsgrenzen (untere und obere Grenze) implementiert werden;

oder

ob getrennte oder einheitliche Auktionen für alle Kapazitätsarten durchgeführt werden.

Überprüfung Leistungspflicht – Neben der Kontrolle und Sanktionierung der Kapazitätsnachfrage muss ebenfalls sichergestellt werden, dass die Kapazitätsanbieter ihre Vertragspflicht der kontrahierten Kapazität erfüllen.

Die muss in zentralen Mechanismen wiederum durch eine zentrale Stelle erfolgen.

Refinanzierung – Eine Refinanzierung zentraler Kapazitätsmechanismen erfolgt in der Regel durch Umlagesysteme auf die Letztverbraucher. In dezentralen Mechanismen unterliegt die Finanzierung der Gestaltungsfreiheit den Vertragsparteien.

2.1.4 Auswahl der analysierten Modelle

Aufbauend auf dieser Kategorisierung und analog zu den laufenden Diskussionen (u.a. im Kraftwerksforum) vergleichen wir folgende Modelloptionen für die oben spezifizierten Mechanismen:

Reserve – Die in dieser Studie analysierte Reserve-Ausprägung entspricht im Wesentlichen den Ausführungen des im Fachdialog „Strategische Reserve“ von verschiedenen Universitäten, Industrieverbänden und Beratungsunternehmen unter Moderation des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit entwickelten Konzepts.22

Dezentraler umfassender Kapazitätsmechanismus (DKM) – In dieser Studie wird – soweit nicht anderweitig erwähnt – auf das von Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) entwickelte Modell von Versorgungssicherheitsnachweisen („VSN-Modell“) abgestellt.23

Zentraler umfassender Kapazitätsmechanismus (ZKM) – Diesbezüglich wird auf das u.a. vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität zu

22 Vgl. BMU et al. (2013).

23 Vgl. BDEW (2013) sowie BET/Enervis (2013). An verschiedenen Stellen wird zusätzlich auf unterschiedliche Auswirkungen von Modellvariationen wie der des in Frankreich derzeit geplanten Modells eingegangen. Hierbei wird die Gesamtnachfrage nach Leistungszertifikaten zentral festgelegt, die Beschaffung erfolgt jedoch weiterhin dezentral durch Vertriebe. In vielerlei Hinsicht ist das französische Modell daher ein Hybrid zwischen einem zentralen Kapazitätsmechanismus und einem dezentralen Kapazitätsmechanismus wie dem von BDEW/VKU vorgeschlagenen Modell.

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Köln (EWI) entwickelte bzw. empfohlene Konzept der

„Versorgungssicherheitsverträge“ referenziert.24

(Zentraler) fokussierter Kapazitätsmechanismus (FKM) – Hierzu wird auf das von Öko-Institut/LBD/Raue (2013) entwickelte Konzept eines fokussierten Kapazitätsmarktes abgestellt.

In Abbildung 16 ordnen wir die vier Modellkandidaten den oben beschriebenen Dimensionen

Zentrale vs. dezentrale Organisation; und

Umfassender vs. selektiver Kapazitätsbeschaffung zu.

Abbildung 16. Einordnung der Kapazitätsmechanismen

Quelle: Frontier