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Bellmann hatte wie alle anderen neu angestellten Mitarbeiter neben dem Aufbau der Abteilung ein vielseitiges Arbeitsprogramm . Hervorzuheben ist – wie

Buchbesprechung

H. Bellmann hatte wie alle anderen neu angestellten Mitarbeiter neben dem Aufbau der Abteilung ein vielseitiges Arbeitsprogramm . Hervorzuheben ist – wie

in Göttingen – seine Beteiligung an den Bestimmungsübungen und, neu hinzuge-kommen, die Leitung von Geländepraktika, die Beschaffung lebender Tiere für das Zoologische Anfängerpraktikum und der Unterricht im Großen Zoomorphologischen Praktikum (Teil Spinnentiere und „Myriopoden“) . Daneben organisierte er gemeinsam mit einem Kollegen aus der Botanik auch die Studienberatung für Studierende und im Institut außerdem die Vorträge von Studierenden, Doktorand(-inn)en und auswärtige Kollegen im Rahmen des Oberseminars . Die Kleinen Zoologischen Exkursionen (ins Kleine Lautertal bei Ulm-Herrlingen, an die Blau und die Donau, an kleine Tümpel, an Kiesgruben, Trockenrasen, im Botanischen Garten, an Waldrändern etc .) waren für alle Beteiligten stets ein großartiges Erlebnis. H. Bellmann kann-te fast alle Tiere (und Pflanzen) und wusskann-te über Lebensraum, Habitatbindung, Entwicklung und Lebensweise von Tieren viele wesentliche Einzelheiten . Auf dem Gebiet „Faunistik“ war er schon damals in hohem Maße vollendet . Das zeigte sich auch auf Ganztagsexkursionen für Fortgeschrittene ins Nördlinger Ries, ins Allgäu, in die Trockenwälder auf den Mainhöhen bei Würzburg und andere Gebiete . Die Großen Zoologischen Exkursionen mit ihm hatten geradezu Expeditionscharakter . Sie waren stets auf verschiedene Regionen und Biotope ausgerichtet . In den Jahren zwischen den meeresbiologischen Kursen auf Helgoland ging es mehrmals nach Slowenien (bes . Istrien), an den Neusiedlersee und nach Südfrankreich (Banyuls/Collioure), wo er sich mit R . Grimm und G . Maier terrestrische und marine Lebensräume im Unterricht aufgeteilt hatte . Auch hier begeisterte er mit enormen Kenntnissen über die Fauna und Flora, die er jeden Abend bei lockeren Gesprächen an Lebend- und Todfängen noch einmal demonstrierte . Dabei ging es durchaus nicht nur ernsthaft zu .

Neben seinen „Pflichtveranstaltungen“ war H. Bellmann, „bewaffnet“ lediglich mit seiner Spiegelreflexkamera, auch sonst viel unterwegs. Diese Unternehmen waren meist auf ganz spezielle Biotope ausgerichtet . Sie galten vor Ort stets der gesamten Fauna, ganz besonders aber bunten helicophilen und thermophilen Arten (bei Libellen, Heuschrecken, Tagfaltern, Hautflüglern und Spinnen). Durch das Studium der faunistisch-systematischen Fachliteratur, teilweise in sehr alten Schriften, und durch Kontakte mit zahlreichen Fachkollegen und Freunden erhielt er ständig neue Informationen über Lebensräume und seltene Arten . Seine Exkursionen erstreck-ten sich so allmählich auch auf immer weiter entfernt liegende Regionen in fast ganz Europa (zwischen Spanien/Frankreich und Österreich/Ungarn und zwischen Deutschland und dem Mittelmeerraum) . Oft gewann er Mitreisende, die ihm auch bei Neuentdeckungen zur Seite standen, wie z .B . A . Nadig (Chur) bei endemischen Heuschrecken in alpinen Seitentälern der Schweiz. Ständig war er fotografisch aktiv . So vervollständigte er in weiten Teilen Europas sein Bildarchiv, vor allem für die oben genannten Tiergruppen . Gleichzeitig gewann er umfassende Erfahrungen über Phänologie und spezifische Ansprüche „seiner“ Arten. Wegen einer einzigen begehrten Spezies fuhr er mit seinem Auto an einzelnen Tagen, oft nur für einige

Stunden, manchmal auch über Nacht, schnell mal an den Gardasee, die Vogesen und andere Orte . Oft blieb die Suche nach dem Objekt seiner Begierde erfolglos und er musste mehrfach fahren . So beobachtete er die seltene Große Sägeschrecke Saga pedo, die früher in Österreich auch am Hackelsberg (Burgenland) vorkam, mit seiner Frau erst in Kroatien im Gebirgsmassiv der Učka. Auch andere Objekte, wie der Alpenbock Rosalia alpina auf der Schwäbischen Alb, entzogen sich lange seinen fotografischen Absichten. Bei Heuschrecken und auch bei Fröschen sammelte er nicht nur Bilder, sondern auf Tonbändern auch deren „Gesänge“, die er, gut vergleichbar, auch in graphischen Klangmustern darstellte . Im Mittelpunkt seiner Arbeiten stand aber immer und überall die fotografische Dokumentation von Arten und Habitat. Hier hatte H. Bellmann seinen „Weg“ gefunden .

An einem der Hauptarbeitsgebiete der Abteilung, den vergleichenden Unter-suchung en von Tiergesellschaften in Waldökosystemen und Streuobstwiesen, war er zunächst nur am Rande beteiligt . Quantitative Arbeiten über Arteninventare, Abundanz, Diversität, Biomasse, Energieumsatz und Elementgehalte, über den Einfluss von Klima und Witterung sowie die Bedeutung von tierischen Indikatoren beim Thema

„Waldsterben“ waren zunächst nicht sein Metier . Bei der Bearbeitung von Fichten-Sturmwurfflächen wurde sein Interesse aber schnell geweckt, denn hier konnte er vor allem auf weitgehend vegetationsarmen baumlosen Arealen attraktive Insekten und Spinnen erfassen und mit der Sukzession der Pflanzengesellschaften auch den Wechsel ihres Auftretens zwischen 1991 und 1997 dokumentieren – s . in A . Fischer (Hrsg .) „Die Entwicklung von Waldbiozönosen nach Sturmwurf“ .

H. Bellmann hat, wie er selbst sagte, im Laufe der Jahre weit über 50 000 Fotos von ca. 2500 Tier- und 1800 Pflanzenarten hergestellt und damit das we -sentliche Fundament für zahlreiche Fach- und Bestimmungsbücher (bes . über Spinnen, Libellen, Heuschrecken, aculeate Hautflügler, Schmetterlinge, die heimische Süßwasserfauna und über Pflanzen) geschaffen. Kein Lebensraum und fast keine Tier- und Pflanzengruppe wurden ausgelassen. Sogar an Darstellungen der marinen Flora und Fauna war er beteiligt . Ein letzter Höhepunkt im gesamten Buchsortiment war dann das 2012 erschienene Werk über „Geheimnisvolle Pflanzengallen“, das in Bild und Text europaweit absolut einmalig ist . Alle Bücher sind, dank der herausge-benden Verlage, von einmaliger Qualität . Sie enthalten nicht nur exzellente Fotos, sondern auch für alle porträtierten Arten im Text regelrechte Steckbriefe für Aussehen, Phänologie, Entwicklung, für Vorkommen und Gefährdung und viele Skizzen als Orientierungshilfe bei Bestimmungsschlüsseln . Auch das Layout mit den farbigen Einbanddeckeln ist bei allen Bänden ganz ausgezeichnet gelungen .

Alle Bücher haben stets großen Anklang gefunden, sowohl bei Naturliebhabern, Studenten und Fachkollegen als auch bei Spezialisten, die in vielen Rezensionen ihre Anerkennung deutlich zum Ausdruck brachten . Einige Bände wurden sogar ins Französische, Spanische, Niederländische und Polnische übersetzt . Eine weitere ganz besondere Anerkennung erfuhr H. Bellmann (gemeinsam mit anderen Autoren) durch die Veröffentlichung seiner eindrucksvollen Fotos in der „Naturenzyklopädie Europas“ und in der „Großen Enzyklopädie der Insekten Europas“ . Auch durch die Überarbeitung des Jahrhundertwerks der Entomologie „Biologie und Ökologie der Insekten“ (W . Jacobs und M . Renner), errang er gemeinsam mit K . Honomichl einen hohen wissenschaftlichen Bekanntheitsgrad .

In der Abt . Ökologie und Morphologie der Tiere und zuletzt am Institut für Experimentelle Ökologie trug H. Bellmann mit seinen überragenden faunistischen Kenntnissen auch zum Gelingen mancher Diplom-, Staatsexamens- und Doktorarbeiten bei . Er betreute Arbeiten z .B . über Heuschrecken im Donauries, aculeate Hymenopteren in Sand- und Kiesgruben, die Verbreitung und Habitatbindung der Spinne Eresus niger, der Sibirischen Azurjungfer Coenagrion hylas, der Berghexe Chasaria briseis und zur Ökologie und Ethologie der Grille Myrmecophila acervorum . Auch die Nutzung leerer Schneckenschalen durch alle möglichen Arthropoden war immer wieder Gegenstand der Diskussion . Von besonderem Engagement geprägt, war in der Nachlese seiner eigenen Doktorarbeit auch die Betreuung von Laborarbeiten (bei C . Uhlig) über das vielfältig unterschiedliche Verhalten von Fischen (Cichliden) aus dem Tanganjikasee in Ostafrika bei der Nutzung leerer Schneckenhäuser für Eiablage und Brutpflege.

Später führte er auch am Institut für Experimentelle Ökologie eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten zum Erfolg .

Einer breiten Öffentlichkeit wurde H. Bellmann auch durch seine attraktiven Vorträge zu unterschiedlichen Themen bekannt . Beispielhaft genannt seien hier lediglich „Entomologie des Schneckenhauses“, „Zoologische Kostbarkeiten auf der Schwäb. Alb“, „Elsass und Vogesen - Heimat seltener Pflanzen und Tiere“ und

„Binnendünen als hochgradig gefährdete Lebensräume“ .

H. Bellmann war in seinem Fach also sehr vielseitig orientiert . Er war überall hoch geachtet und beliebt, bei seinen akademischen Lehrern, bei Kolleg(inn)en und Freunden ebenso wie bei den Studierenden . Mit seinem feinen trockenen norddeutschen Humor trug er darüber hinaus in der Abteilung, am Institut und auf Exkursionen stets auch zu einem hervorragenden Arbeitsklima bei .

H. Bellmann war Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Gesellschaften, so der Deutschen Gesellschaft für allgemeine u . angewandte Entomologie (DGaaE), der Österreichischen Entomologischen Gesellschaft (ÖEG), der Gesellschaft für Ökologie und des Naturbunds Deutschland (Nabu) . Bei den Tagungen der DGaaE in Ulm (1989) und der gemeinsam mit österreichischen und schweizer Entomologen ver-anstalteten Tagung in Wien (1991) war er in der Organisation und mit eigenen Beiträgen maßgeblich beteiligt . In den letzten Jahren war er außerdem als Kurator im „Naturpark Obere Donau“ aktiv .

Heiko Bellmann wurde am 07 .03 .2014 überraschend mitten aus einem er-folgreichen Leben gerissen . Sein früher Tod hat überall Bestürzung und Trauer ausgelöst . Die Lücke, die er hinterlässt, wird nie zu schließen sein . Allen, die ihn kannten, wird er als großartiger Naturforscher, als stets liebenswürdiger und hilfs-bereiter Mensch, als Freund und Kollege in dankbarer Erinnerung bleiben . So wird er in Gedanken und Herzen weiterleben . Seine einmaligen Leistungen, seine Bilder und seine Bücher werden Generationen überdauern und in unserer zunehmend digitalisierten Welt immer wieder die Fülle und Schönheit der Natur erfahren lassen und für ihren Schutz einstehen .

Prof . em . Dr . Werner Funke (Ulm) Prof . Dr . Manfred Ayasse (Ulm)