• Keine Ergebnisse gefunden

bei DaimlerChrysler Aerospace Airbus GmbH

„Was ist eigentlich Know-how-Management?“

Mit dieser Frage werde ich häufig konfrontiert. Um sie zu beantworten, muß vorab geklärt werden, was unter Know-how zu verstehen ist. Natürlich existieren zahl-reiche wissenschaftliche und industrielle Definitionen. Wir innerhalb der DaimlerChrysler Aerospace-Airbus GmbH (DA) verstehen unter Know-how einerseits Informationen, Daten, Fakten und andererseits Erfahrungen, Fähig-keiten, FertigFähig-keiten, die für uns im ersten Schritt des Projektes weitaus wichtigere Komponente.

Know-how wird für den Mitarbeiter und damit für unser Unternehmen jedoch erst dann wertvoll, wenn es für konkretes Handeln gewinnbringend eingesetzt werden kann. Durch gezielten Know-how-Transfer soll der Mitarbeiter ökonomischer agieren können als bisher. Die richtige Verteilung des hows, das Know-how-Management, wird damit zum entscheidenden Schlüsselfaktor.

Im Rahmen des Projektes ‚Know-how-Management‘ möchten wir das Know-how jedes einzelnen Mitarbeiters erfassen und für das Unternehmen nutzen. Nach unserer Philosophie ist zunächst jeder Mitarbeiter, unabhängig von Qualifikation, Fachbereich und Hierarchiestufe als potentieller Know-how-Träger einzuschätzen.

Darüber hinaus möchten wir nicht nur das in der beruflichen Praxis, sondern auch das im Privatbereich erworbene Know-how einfließen lassen. Ich möchte dies an einem etwas provokativem Beispiel verdeutlichen: Warum wird das unter-nehmerische Know-how eines Mitarbeiters nicht genutzt, der in seiner Freizeit im Vorstand eines Rallye-Clubs erfolgreich über Millionenbeträge entscheidet, wäh-rend er tagsüber im Rechnungswesen nur ‚Erbsen‘ zählt? Ist dem Unternehmen nicht bekannt, daß der Mitarbeiter dieses Know-how hat? Oder möchte der Mit-arbeiter sein Know-how nicht einbringen bzw. darf er es nicht einsetzen?

Mit diesen Fragestellungen möchte ich schon zu Beginn meiner Ausführungen auf die Komplexität und Interdisziplinarität des Themas aufmerksam machen. Wieviel und welches Know-how in unserem Unternehmen steckt, können wir nur erahnen.

Schnell und gezielt das richtige Know-how aufzuspüren ist nicht nur aufgrund unserer Unternehmensgröße und der Komplexität unserer Produkte aufwendig und schwierig. Natürlich spielt auch die Unternehmenskultur eine große Rolle, denn sie entscheidet mit, ob der Mitarbeiter sein Know-how versteckt und vielleicht nur für sich selbst nutzt, oder sein Know-how offen distributiert.

Durch die Implementierung von ‚Know-how-Management‘ soll der heutige Nut-zungsgrad des Know-hows von vielleicht maximal 20 % auf 30 bis 40 % gesteigert werden. Produktivitätssprünge, die durch ‚konventionelles Reengineering' kaum erreichbar sind, werden hier spielend realisiert. Wie kann so etwas möglich sein? In den bisher von uns durchgeführten Veränderungsprozessen hatten wir uns haupt-sächlich auf die ‚harten Faktoren‘ konzentriert und nur diese immer wieder opti-miert. Durch die Vielzahl der durchgeführten Optimierungsschleifen ist das Rationalisierungspotential der harten Faktoren jedoch schon weitestgehend ausge-schöpft, und es muß ein immer größerer Aufwand betrieben werden, um geringe Verbesserungen zu erzielen. Im Projekt ‚Know-how-Management‘ wird der Akzent von Anfang an auch auf ‚weiche Faktoren‘ gelegt, die, da sie bisher kaum in Veränderungsprozessen in Angriff genommen wurden, noch ein enormes Ratio-nalisierungspotential aufweisen: mit geringem Aufwand sind riesige Produktivi-tätssprünge möglich!!

Ziel des Projektes ist die ökonomische Nutzung aller Ressourcen, der ‚hard and soft factors‘, und damit die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch

systematische quantitative und qualitative Erfassung des Know-hows der Mit-arbeiter,

gezielte und systematische Sicherung und Entwicklung des Know-hows und

Einsatz des richtigen Know-hows zur richtigen Zeit am richtigen Platz.

Welchen Nutzen hat das Unternehmen durch die Implementierung des Projektes?

Wie bereits erwähnt sind Produktivitätssteigerung und Kostensenkung leicht realisierbar: durchschnittlich werden ca. 80 % der Arbeitszeit zur Informations-suche verschwendet. Dieser Aufwand könnte sich durch die anstehende Informa-tionsflut via Internet/Intranet sogar noch weiter vergrößern. Der Zeitaufwand zur Informationssuche wird durch Know-how-Management erheblich reduziert, z.B.

kann der richtige Ansprechpartner zu Fachfragen einfach und schnell gefunden werden (Yellow-Pages).

Die Motivation der Mitarbeiter wird sich deutlich erhöhen, da das Know-how des einzelnen Mitarbeiters in den Mittelpunkt des Unternehmensinteresses rückt und als wichtigste Ressource anerkannt und wertgeschätzt wird.

Der freie Zugang für sämtliche Mitarbeiter zum Unternehmens-Know-how und die intelligente Kanalisierung des Know-how‘s verhindern, daß das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muß. Innovationen im Technologiebereich sind da-durch wieder leichter möglich. Auf Basis von Know-how-Landschaften sind z.B.

Ballungen, Lücken, Überlappungen des Know-hows auf beliebigen Aggregations-stufen, wie Hierarchieebene oder Projektteamebene etc., leicht erkennbar. Damit können nicht nur Gesamtorganisationen gezielter weiterentwickelt werden, sondern auch Organisationsstrukturen und -abläufe flexibler und schlagkräftiger gestaltet werden als in der Vergangenheit.

Aufgrund der systematischen Erfassung des Mitarbeiter-Know-hows sind gezieltere und schnellere Stellenbesetzungen in Projekten und Fachabteilungen mit dem

‚Richtigen‘ möglich sowie die implizierten Wechselwirkungen in den entsendenden Bereichen transparenter und antizipierbarer.

Durch Know-how-Management ändert sich das Zusammenspiel und die Rolle ein-zelner Fachdisziplinen wie z.B. Personal-, Fach- und Projektabteilung sowie die Rolle der Führungskräfte und Mitarbeiter.

Welchen Nutzen hat denn eigentlich der Mitarbeiter durch das Projekt?

Die Selbstreflexion der Mitarbeiter zur Identifizierung ihres eigenen Know-hows und damit die Bewußtwerdung des eigenen Know-hows sowie die Anerkennung durch das Unternehmen fördert die Motivation und das Selbstbewußtsein der Mitarbeiter. Gezieltere individuelle Qualifizierungsmaßnahmen sind aufgrund des selbst erstellten Know-how-Profils leichter möglich.

Wie bereits oben erwähnt, können alle Mitarbeiter schneller und gezielter unter-schiedliche Informationen abrufen, z.B. den richtigen Ansprechpartner/Spezia-listen zu einer Fachfrage finden, Projekterfahrungen anderer Mitarbeiter (lessons learned) nutzen etc.

Jeder Mitarbeiter kann leicht sämtliche Projekte im Unternehmen identifizieren, die sein spezielles Know-how benötigen bzw. die sich für eine Weiterentwicklung seines Know-hows eignen würden.

Natürlich sind mit Know-how-Management nicht nur vermehrt Chancen für den Mitarbeiter verbunden, sondern auch Ängste und Risiken, wie z.B. sich durch die Abgabe von Know-how ersetzbar und damit überflüssig zu machen oder zum

‚Gläsernen Mitarbeiter‘ zu werden.

Als Hilfsmittel zur Erreichung o.g. Ziele dient ein intranetbasiertes Informations-verarbeitungs-Tool, das strategische Fragestellungen sowie Probleme aus dem ope-rativen Tagesgeschäft schnell beantwortet und leichter löst. Die Anwender kom-men aus den unterschiedlichsten Fachbereichen des Hauses, wie z.B. Entwicklung, Fertigung und Personalbereich. Das Tool kann von Führungskräften und Mit-arbeitern gleichermaßen genutzt werden. Die Zugriffsrechte werden abhängig von der jeweiligen Abfragefunktion und der Funktion des Mitarbeiters vergeben.

Mit der Funktion ‚Yellow-Page‘ kann jeder Mitarbeiter schnell und gezielt den richtigen Ansprechpartner zu einer fachlichen Frage finden, z.B. den Experten für Kraftstoffsysteme, der auch zusätzlich Erfahrung mit einem speziellen Systemliefe-ranten gesammelt hat. Als Ergebnis der Anfrage erhält man den Namen des Ex-perten mit der entsprechenden Organisationseinheit, Telefon, Fax und E-Mail-Adresse.

Der Button ‚Stellenbesetzung‘ beschleunigt und verbessert den Rekrutierungs-prozeß. Vakante Positionen, z.B. in temporären Teams oder feste Stellen im Fach-bereich, können schneller mit dem Richtigen besetzt werden. Mit geringerem Aufwand auf beiden Seiten finden der Suchende und der potentielle Know-how Träger systematischer zusammen.

Das individuelle Know-how-Profil des Mitarbeiters wird durch die Personalent-wicklungsfunktion als Know-how-Landschaft dargestellt und kann mit dem noch zu entwickelnden SOLL-Profil verglichen werden. Die systematische Planung und das kontinuierliche Monitoring des individuellen Qualifizierungsstandes der Mitarbeiter wird dadurch erleichtert.

Die Organisationsentwicklungsfunktion verdichtet individuelle Mitarbeiter-profile auf Organisationsebene. Die Know-how-Verteilung wird als Gebirgsland-schaft grafisch dargestellt und läßt Know-how-Ballungen und -Lücken visuell deut-lich hervortreten.

In der Implementierungsphase des Projektes können und sollen sich diese Anwen-dungsszenarien durch die Anwendung und durch neue Anforderungen aus den Fachbereichen entsprechend weiterentwickeln.

Zur Überprüfung der Machbarkeit und Akzeptanz des Instruments wurde von der TUHH ein IV-Tool mit Prototypcharakter entwickelt und in ausgewählten Ent-wicklungsabteilungen in unserem Hause von Mitarbeitern und Führungskräften ausgetestet.

Die Erfahrungen aus der Nutzung des IV-Tools zeigen, daß dieses Instrument erst noch zu einem serienreifen Produkt weiterentwickelt werden müßte, bevor es dann breitflächig zum Einsatz kommt.

Die bisher erzielten Ergebnisse aus dieser Machbarkeitsstudie erzeugten bei den involvierten Fachbereichen Aufmerksamkeit und haben einzelne Geschäftsfüh-rungsmitglieder neugierig gemacht und ihr Interesse an diesem Projekt weckt.

Als bisherige Bilanz kann festhalten werden, daß das Projekt vor einem großen Entwicklungssprung steht, der durch Professionalisierung des IV-Tools und breit-flächigere Implementierung des Projektes schnell ausgelöst werden kann.

Der Autor:

Peter Hoyer; Jahrgang 1960, Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stutt-gart, Dipl.-Ing. 1987; Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität Hagen, Dipl-Kfm. II 1997.

Seit 1987 im Daimler-Benz Aerospace Konzern;

1988-1991 Entwicklungsplanung und -controlling im Geschäftsbereich Militärflugzeuge;

seit 1992 bei der DaimlerChrysler Aerospace Airbus GmbH (DA) in Hamburg in der Bil-dung/Führungskräfteförderung; Entwicklung und Durchführung von nationalen und internatio-nalen Qualifizierungsmaßnahmen; Initiierung, Entwicklung und Umsetzung von Feedbackcen-tern (Projektleitung); Leiter des Projektes „Know-how-Management“.