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Aktion 2: Universeller Zugang zu HIV-Testung und Therapie

2.2.2. Behandlung

Derzeitige Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 80 Prozent der HIV-Patienten, die in Klinikambulanzen oder Schwerpunktpraxen medizinisch betreut werden, eine antiretrovirale Therapie (ART) erhal-ten. In Deutschland findet der größte Teil der Behandlun-gen in diesen auf HIV spezialisierten Klinikambulanzen oder Schwerpunktpraxen statt. Verlässliche Angaben dar-über, wie viele HIV-positiv diagnostizierte Menschen aus-schließlich in normalen Praxen oder gar nicht behandelt werden, sind derzeit nicht verfügbar.

Die Qualität des Behandlungsangebots in Deutschland wurde im Jahr 2009 durch eine „Qualitätssicherungsver-einbarung HIV/AIDS“ zwischen dem Kassenärztlichen Bundesverband (KBV), der Deutschen Arbeitsgemein-schaft niedergelassener Ärzte (DAGNÄ) und den Kranken-kassen gestärkt. Die Vereinbarung regelt die fachlichen und organisatorischen Voraussetzungen für das Erbrin-gen und die Abrechnung spezialisierter Versorgungsleis-tungen für Menschen mit HIV.

Ferner unterstützt sie eine leitliniengerechte Behandlung indem sie darlegt, welche Untersuchungen zu einer opti-malen Therapie gehören und welche Fortbildungen Ärz-tinnen und Ärzte notwendigerweise absolvieren müssen.

Der Ausbau ärztlicher Kompetenz hinsichtlich HIV und AIDS ist ein wichtiger Schritt zur Qualitätssicherung der Behandlung.

In den vergangenen Jahren ist die antiretrovirale Behand-lung ständig optimiert worden. Stellten früher Präparat-kombinationen mit starken Nebenwirkungen hohe Anfor-derungen an die Einnahmedisziplin der Patienten, sind die neuen Kombinationen patientenfreundlicher, neben-wirkungsärmer und wirksamer. Durch die optimierte The-rapie kann die Behandlung früher einsetzen; dadurch werden noch bessere Ergebnisse erzielt. Derzeit wird eine antiretrovirale Behandlung spätestens bei einem Absinken der CD4-Zellen auf 350/µl Blut empfohlen. Ein positiver Nebeneffekt der hohen Wirksamkeit moderner antiretroviraler Medikamente ist die stark verringerte Übertragbarkeit von HIV unter wirksamer Behandlung.

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Behandlungssituation von Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus

Grundsätzlich besteht ein Behandlungsanspruch für alle in Deutschland lebenden Personen mit HIV. Menschen, die sich ohne Aufenthaltstitel oder Duldung und ohne Kenntnis der Behörden im Bundesgebiet aufhalten, haben nach Angaben von Kirchen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden vielfach aus Furcht vor Entdeckung des illegalen Aufenthaltes die ärztliche Heilbehandlung in öffentlichen Stellen vermieden. Deshalb wurde in die 2009 in Kraft getretenen Allgemeinen Verwaltungsvor-schriften (VV) zum Aufenthaltsgesetz die Klarstellung auf-genommen, dass die geltende Rechtslage zur „ärztlichen Schweigepflicht“ grundsätzlich auch den sogenannten

„verlängerten Geheimnisschutz“ umfasst. Demnach gilt diese Übermittlungssperre auch für den im Rahmen der Leistungsabrechnung des Krankenhauses beteiligten Kostenträger, z. B. das Sozialamt, es sei denn, dieses wird ohne vorherige Konsultierung eines Arztes unmittelbar wegen der Inanspruchnahme des öffentlichen Gesund-heitswesens befasst.

Viele Beratungsstellen (z. B. der öffentlichen Gesund-heitsämter) bieten kostenlos und anonym HIV-Tests auch für Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus an, eine antiretrovirale Behandlung bleibt ihnen aber nach wie vor schwer zugänglich. In einigen europäischen Län-dern wird auch dieser Gruppe der kostenfreie Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen ermöglicht, da es aus bevölkerungsschützenden Gründen wichtig ist, die Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern.

2.3. Neue Entwicklungen  

und künftige Herausforderungen

Deutschland zeichnet sich durch ein kompetentes und effizientes Netzwerk an Beratungs-, Test- und Therapie-einrichtungen aus. Dennoch werden bis zu einem Drittel aller HIV-Infektionen erst jenseits des optimalen Thera-piezeitpunkts diagnostiziert. Zur Erreichung eines univer-sellen Zugangs zu Beratung, Testung und Behandlung gilt es, den Anteil der Spätdiagnosen und der späten Einstiege in die antiretrovirale Behandlung weiter zu verringern.

Dazu stehen gezielte Fortbildungen sowie die weitere Sensibilisierung von Ärztinnen und Ärzten aus, damit diese in Kliniken und Praxen gezielter auf HIV-Testmög-lichkeiten hinweisen oder Patientinnen und Patienten mit Risikokontakten selbst Tests anbieten.

Eine wichtige Rolle spielen auch gut zugängliche Testan-gebote für Personen mit einem hohen Infektionsrisiko.

Aufgrund ihrer großen Bedeutung für die HIV-Ausbrei-tung in Deutschland sollte der Ausbau von HIV-BeraHIV-Ausbrei-tungs- und Testangeboten für diese Menschen auch in einer Situ-ation begrenzter finanzieller Ressourcen auf Kommunal- ebene angestrebt werden.

Sexuell übertragbare Infektionen können das Risiko einer HIV-Übertragung erhöhen. In vielen Einrichtungen wird der HIV-Test bereits auch in Kombination mit einem Syphi-lis-Test angeboten, aber bisher kaum für andere Infektio-nen wie Herpes oder Gonorrhö. Hier besteht die Aufgabe, für besonders gefährdete Gruppen geeignete Testkombi-nationen anzubieten und das Angebot gezielt zu erwei-tern.

Ein besonderer Bereich ist die Gesundheitsversorgung in Haft. Hier ist die Etablierung eines bundesweit einheitli-chen Standards in der Prävention, Beratung, Testung und Behandlung von HIV und Hepatitis ebenso wesentlich wie in der Substitution Drogenabhängiger.

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Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus können grundsätzlich ärztliche Heilbehandlung in öffentlichen Stellen in Anspruch nehmen, ohne die Datenweitergabe an Ausländerbehörden befürchten zu müssen. Dagegen gibt es keine Regelungen, mit denen die bestehende Übermittlungssperre – über die ärztliche Schweigepflicht hinaus – auf die Inanspruchnahme von geplanten ambu-lanten oder stationären Behandlungen erstreckt würde.

Dies betrifft auch die antiretrovirale Therapie, die so für diese Gruppe nur erschwert zugänglich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine antiretrovirale Behandlung besonders kostspielige stationäre Akutbehandlungen vermeiden helfen kann. Außerdem senkt sie die Übertrag-barkeit von HIV und kann so zu einer verminderten Aus-breitung von Infektionskrankheiten beitragen. Es ist daher wichtig zu überprüfen, in welchem Rahmen Men-schen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus ein erleichter-ter Zugang auch zu diesen Behandlungen ermöglicht werden könnte.

Aktion 3:

Solidarität und

Anti-Diskriminierung