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Begriffsabgrenzung des umweltbewußten ~aufverhaltens

Der Terminus umweltbewußtsein hat in den verschiedenen Fach-disziplinen vielfältige Interpretationen erfahren, ohne wis-senschaftlich eindeutig bestimmt zu sein. 37 Nach Dierkes und Fietkau ist dies im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß der Begriff im außerwissenschaftlichen Bereich entstanden ist und bisher keine theoretischen Bezugssysteme exi-stieren, die ihm einen eindeutig definierten Platz zuwei-sen. 38

37

38

Vgl. Fietkau, H.J., Bedingungen ökologischen Handelns -Gesellschaftliche Aufgaben der Umweltpsychologie, Wein-heim 1984, S. 72. zur terminologischen Einordnung des Umweltbewußtseins als einem zusammengesetzten Begriff ("Umwelt", "Bewußtsein") vgl. Pichler, Ch., Das Umwelt-bewußtsein von Konsumenten - Implikationen für das Mar-keting, in: Der Markt, 2/1989,

s.

61 ff.

Vgl. Dierkes, A., Fietkau, H.-J., Umweltbewußtsein - Um-weltlernen, a.a.o.,

s.

11 f.

Umweltbewußtsein wird generell in der Literatur als Werthal-tung oder als Einstellung aufgefaßt. Während die Interpreta-tion des Umwel tbewußtseins als Werthaltung den Stellenwert der Umweltbelastungen als ein generelles Problem unserer Ge-sellschaft beinhaltet, 39 kommt in der Auffassung des Umwelt-bewußtseins als einer Einstellung40 die individuelle Pro-blembewertung zur Geltung. Der individuellen Sichtweise fol-gend lassen sich unterschiedliche Definitionen des Umweltbe-39

40

Zur Auffassung des Umweltbewußtseins als Werthaltung vgl. Adlwarth,

w.,

Wimmer, F., Umweltbewußtsein und Kaufverhalten, a.a.o.,

s.

169 und Wimmer F., Umweltbe-wußtsein und konsumrelevante Einstellungen und Verhal-tensweisen, a.a.O.,

s.

52 ff. sowie die dort angegebene Literatur. Die Sichtweise des Umweltbewußtseins als eine Werthaltung wird in den folgenden Betrachtungen ausge-schlossen, da die Auffassung des Konstrukts als eine Einstellung kaufverhaltensnäher ist und der größere Teil der Autoren, die sich mit dem umweltbewußtsein beschäf-tigen, dieser Handlungsnähe Folge leistet.

Eine Einstellung läßt sich grundlegend definieren als die "innere Bereitschaft (Prädisposition) eines Indivi-duums, auf bestimmte Stimuli der Umwelt konsistent posi-tiv oder negaposi-tiv zu reagieren. Objekte einer Einstellung können Sachen, Personen und Denkobjekte (z.B. bestimmte Themen) sein." Meffert, H., Marketing, a.a.o.,

s.

151.

Die Einstellung ist ein nicht beobachtbares Konstrukt, dem in der Konsumentenverhaltensforschung eine große -und sicherlich nicht immer einheitliche - Aufmerksamkeit geschenkt wird. Weitgehende Übereinstimmung besteht darin, daß ihr mehrere Dimensionen zugewiesen werden können, die verschiedene Arten von menschlichen Reak-tionen auf einen Stimulus umfassen. Demnach impliziert die Einstellung das Einordnen von bestimmten Objekten in die Gefühle (affektive Dimension), den individuellen Wissensstand (kognitive Dimension) und die Absicht zu handeln (konative Dimension). Ob man die Verhaltens-dimension in den Einstellungsbegriff einschließen oder als eine eigenständige psychische Größe erachten soll, ist jedoch ungeklärt. Zur Erläuterung des Einstellungs-begriffs sowie der diesbezüglich interessierenden Frage-stellungen sei an die Standardliteratur zur Verhaltens-forschung verwiesen. Vgl. Kroeber-Riel,

w.,

Konsumenten-verhalten, 4. Aufl., München 1990,

s.

49-54, 162 ff.;

Müller-Hagedorn, L. , Das Konsumentenverhalten - Grund-lagen für die Marktforschung, Wiesbaden 1986,

s.

79 ff., 182 ff.; Trommsdorff, V., Konsumentenverhalten, Stutt-gart 1989, S. 121 ff.

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wußtseins im politischen, sozial-psychologischen, ökolo-gisch-psychologischen sowie soziologischen Bereich anführen, die neben dem Verwendungszusammenhang vor allem Unterschiede in Anzahl und Ausmaß der berücksichtigten Bereiche der menschlichen Psyche aufweisen.

Eine Begriffsauffassung politischen Ursprungs bietet der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der in seinem Umwelt-gutachten 1978 das Umweltbewußtsein als "Einsicht in die Ge-fährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen durch diesen selbst, verbunden mit der Bereitschaft zur Abhilfe 1141 definiert. Hierbei wird die kognitive und die intentionale

(konative) Komponente berücksichtigt, während die gefühls-mäßige Dimension unbeachtet bleibt.

Aus der Sicht sozialpsychologischer Theorien stellt das Um-wel tbewußtsein ein komplexes Einstellungssystem mit insge-samt vier Komponenten dar, wobei neben Wissens-, Emotions-und Handlungsaspekten zusätzlich eine sozial-normative Kom-ponente mit Gesetzen und Konventionen als verhaltensregulie-rende Größe einbezogen wird. 42 Diese Kategorisierung berück-sichtigt alle in Betracht kommenden Konstruktdimensionen.

Weil jedoch kein unmittelbarer Anknüpfungspunkt zum Kaufver-halten von Konsumenten gegeben ist, wird dieser Form psychi-scher Reaktionskategorien in den folgenden Ausführungen keine explizite Bedeutung beigemessen.

41

42

Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutach-ten 1978, Drucksache 8/1938 des Deutschen Bundestages, S. 445.

Vgl. Winter, G., Umweltbewußtsein im Licht sozialpsycho-logischer Theorien, in: Fietkau, H.-J., Kessel, H.

(Hrsg.), Umweltlernen - Veränderungsmöglichkeiten des Umweltbewußtseins, Königstein/Ts. 1981,

s.

55-116, hier

s.

61-64.

Andere Begriffsauffassungen, die der Sichtweise 4er ökologi-schen Psychologie43 zuzuordnen sind, weisen auf eine all-tagssprachliche Ausdeutung des Umweltbewußtseins44 und die insgesamt feststellbare begriffliche Unschärfe hin. Demnach kann das Umweltbewußtsein als das "Sammelbecken für eine Vielzahl psychischer Funktionen1145 angesehen werden, die alle Komponenten des weitgefaßten Einstellungsbegriffsbein-haltet. Auf die terminologischen Unklarheiten wird auch aus dem soziologischen Blickwinkel hingewiesen. So ist das Um-weltbewußtsein beschreibbar als ein "··· pragmatisches Kon-strukt, wenn es in alltäglicher Argumentation zur Rechtfer-tigung von individuellen Ansichten und/oder Handlungsweisen herangezogen wird, ohne daß darüber Klarheit bestände, was Umweltbewußtsein exakt bedeute und welche Ausprägungsformen es annehmen könnte. 1146

Bereits in den 70er Jahren befaßte sich Bruhn mit dem sozia-len Bewußtsein von Konsumenten als einem Gegenstand 4er Mar-ketingwissenschaft und kam zu der Erkenntnis, daß Umweltbe-wußtsein dem sozialen BeUmweltbe-wußtsein subsumiert beziehungsweise 43

44

45 46

Die ökologische Psychologie ist nicht nur eine Teildis-ziplin der Psychologie, sondern weist durch das Einbrin-gen der ökologischen Perspektive einen Komplementari-tätscharakter auf. Der ökologischen Psychologie wird das Potential zugesprochen, die Psychologie in Grenzen zu verändern. Vgl. Kruse, L., u.a. (Hrsg.), ökologische Psychologie, a.a.o.,

s.

7.

So stellt Spada fest, daß man "alltagssprachlich ..• un-ter dem Umweltbewußtsein vor allem Befürchtungen, Unzu-friedenheit und Betroffenheit angesichts der in den letzten Jahrzehnten sichtbar gewordenen und sich vergrö-ßernden Umweltprobleme" verstehen kann. Vgl. Spada, H., Umweltbewußtsein: Einstellung und Verhalten, in: Kruse, L. u.a. (Hrsg.), Ökologische Psychologie, a.a.O.,

s.

623.

Dierkes, M., Fietkau, H.-J., Umweltbewußtsein - Umwelt-verhalten, a.a.o.,

s.

12.

Urban, D., Was ist Umweltbewußtsein?, in: ZfS, 5/1986, S. 365.

20

gleichgesetzt werden kann. 4 7 Aufgrund des Begriffsverständ-nisses vom Umweltbewußtsein als einem mehrdimensionalen Ein-stellungskonstrukt sowie wegen der gebotenen Nähe zum Kauf-verhalten soll in Anlehnung an Bruhn unter dem Umweltbewußt-sein eines Konsumenten das Wissen und die Einsicht über die ökologischen Konsequenzen des individuellen Kauf- und Kon-sumverhaltens (Kauf, Ver- und Gebrauch und Entsorgung von Produkten) 48 verstanden werden.

Diese Begriffsauffassung impliziert als Teilbestimmungen eine kognitive Komponente, die das mit dem Umweltbewußtsein verbundene subjektive Wissen des Konsumenten über die ökolo-gischen Konsequenzen beinhaltet, sowie eine affektive Kompo-nente, welche die mit dem Umweltbewußtsein verbundenen ge-fühlsmäßigen Einstellungen und Meinungen gegenüber den mit ökologischen Aspekten zusammenhängenden Problemen und Streitfragen umfaßt.

Die verhaltensgerichtete konative Komponente von Einstellun-gen erfährt ihre Berücksichtigung, indem das Umwel tbewußt-sein zum umweltbewußten Kaufverhalten ergänzt wird. Die Ver-wendung und Extension des Begriffs Kaufverhalten ist in der 47

48

So versteht Bruhn den Begriff "sozial" im Sinne von

"gemeinschaftlich bzw. an übergeordneten Aspekten orien-tiert", weshalb eine Trennung zwischen sozial und ökolo-gisch nicht möglich und auch nicht sinnvoll ist. Vgl.

Bruhn, M., Das soziale Bewußtsein von Konsumenten, a.a.o.,

s.

26 (Fn.4). Konsequenterweise kommt Bruhn im Rahmen einer Replikation der Studie zu dem Schluß, daß die Begriffe "soziales" und "ökologisches Bewußtsein"

synonym verwendet werden können. Vgl. Bruhn, M. , Das ökologische Bewußtsein der Konsumenten - Ergebnisse ei-ner Befragun~ im Zeitvergleich, in: Meffert, H., Wagei-ner, H. (Hrsg.), Ökologie und Unternehmensführung - Dokumen-tation des. 9. Münsteraner Führungsgesprächs; Ar bei tspa-pier Nr. 26 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Mar-keting und Unternehmensführung e.V., Münster 1985,

s.

56 ff.

Vgl. Bruhn, M., Das soziale Bewußtsein von Konsumenten, a.a.o.,

s.

26.

Literatur nicht einheitlich. 49 In jedem Falle beinhaltet er den eigentlichen JCaufakt, der als eine Austauschbeziehung (Geld gegen Ware) zwischen dem Anbieter und dem Nachfrager eines Produktes aufgefaßt werden kann. 50 Darüber hinaus ist es sinnvoll, die kaufinduzierten Verhaltensweisen zu berück-sichtigen. Diesen sind vor allem jene Informationsgewin-nungs- und -verarbeitungsaktivitäten des Konsumenten zuzu-ordnen, die er zu zwecken der persönlichen Transparenz ins-besondere über das Produktangebot und die Produkteigenschaf-ten ergreift. 51 Von der Informationsgewinnung hängt es letztlich ab, welche Produktal ternati ven (z.B. Marken) der Konsument in seinen Kaufentscheidungsprozeß einbezieht und welche Eigenschaften der Beurteilung von Produkten zugrunde gelegt werden. 52 Das Ausmaß der Informationsgewinnungsakti-vi täten gibt zusätzlich Aufschluß über das indiInformationsgewinnungsakti-viduelle "Für und Wider" einer Produktwahl. Daher kann die Informationsge-winnung auch als kognitive JControlle interpretiert werden, deren Ausmaß die gedankliche Auseinandersetzung mit der Kaufentscheidung repräsentiert. Diese kognitive Kontrolle wird von einigen Autoren zur Klassifikation von Käufertypen herangezogen (Abbildung 3), 53 wobei eine schwach ausgeprägte 49

50 51

52

53

Vgl. Andritzky, K., Die Operationalisierbarkeit von Theorien zum Konsumentenverhalten, Berlin 1976,

s.

3 f.

Vgl. Müller-Hagedorn,

a.a.o.,

s.

47. L., Das Konsumentenverhalten, Vgl. Meffert, H., Marketing, a.a.o.,

s.

140 f.; Müller-Hagedorn, L., Das Konsumentenverhalten, a.a.o.,

s.

49, Meffert, H., Steffenhagen, H., Freter, H. (Hrsg.), Kon-sumentenverhalten und Information, Wiesbaden 1979,

s.

31 f.

Vgl. Böhler, H., Beachtete Produktalternativen und ihre relevanten Eigenschaften im Kaufentscheidungsprozeß von Konsumenten, in: Meffert, H., u.a. (Hrsg.), Konsumenten-verhalten und Information, a.a.o.,

s.

261.

Für die in Abbildung 3 aufgeführten Käufertypen vgl. Ka-tona, G., Das Verhalten der Verbraucher und Unternehmer, Tübingen 1960, S. 57 ff.; Howard, J.A., Sheth, J.N., The Theory of Buyer Behavior, New York 1969,

s.

1 ff.;

Wein-22

gedankliche Beteiligung auf einen Impulskauf oder auch Ge-wohnheitsverhalten schließen läßt. Demgegenüber deuten stark kognitiv kontrollierte Einkäufe auf ein extensives "echtes"

Entscheidungsverhalten hin.

IIJAIIK KOGNITIV KONTROLLIERTE KAUPl!NTSCHEJDUNGl!N

IMPULSIVER

KAUF HABITUALI•

811:RTl!R KAUF LIMITIERTl!A

KAUF EXTEN81Vl!A

ZUl'ALL8- Gl!WOHN- Yl!Al!INMCHTE EXTl!N81VI! •ECHTE•

KAUi' Hl!ITSKAUP: KAUPl!NT. KAUPl!NT.

TROMM8D0Af'F IMPUL8KAUF (Kontlftuura) INVOLVEMl!NTKAUP

Abb. 3: Kaufverhaltenstypen in Abhängigkeit vom Ausmaß der kognitiven Kontrolle der Kauf-entscheidung

Auf der Basis der vorgenommenen Begriffsklärungen läßt sich das umweltbewußte Kaufverhalten eines Konsumenten begreifen berg, P., Das Entscheidungsverhalten der Konsumenten, Paderborn 1981,

s.

11 ff. Der Übersichtlichkeit halber sowie aufgrund ähnlicher theoretischer Ansatzpunkte wur-den die Käufertypen dieser Autoren zusammengefaßt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß Katona einen impulsi-ven und einen extensiimpulsi-ven Typ ermittelte, die durch einen limitiert kognitiv kontrollierten Käufertyp (Howard, Sheth) sowie einen habitualisierten Kaufentscheider (stellvertretend Weinberg) ergänzt wurden. Weiterhin vgl. Kroeber-Riel, W., Konsumentenverhalten, a.a.o., s.

372 ff.; Sheth, J., Raju, P., Wahlentscheidungen und Prozeßmodelle des Informationsverhaltens von Konsumen-ten, in: Meffert, H. u.a. (Hrsg.), Konsumentenverhalten und Information, a.a.o., s. 147 ff.; Trommsdorff, V., Konsumentenverhalten, a.a.o.,

s.

261 ff.

als die von seinem Umweltbewußtsein beeinflußten und kogni-tiv kontrollierten Kaufentscheidungen. Je nach Ausmaß der kognitiven Kontrolle beim Kauf eines mehr oder weniger -umweltverträglichen Produkts sind dabei unterschiedliche Ausprägungsformen umweltbewußten Kaufverhaltens möglich.