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1. Internationales Einheitsrecht und privates Einheitsrecht

Grundsätzlich baut die vorliegende Arbeit auf einer Unterscheidung zwischen privatem Einheitsrecht und staatlichem Einheitsrecht auf. Allerdings verschwim-men gerade im internationalen Handel die Grenzen zwischen „staatlich“ und

„privat“ wie in keinem anderen Rechtsgebiet: Staatliches Recht wird vor priva-ten Schiedsgerichpriva-ten angewendet und fortgebildet. Private Normen werden Ent-scheidungsgrundlage vor staatlichen Gerichten. Eine Verschmelzung von staat-lich und privat scheint die notwendige Folge zu sein und eine genaue Trennung erscheint als überaus schwierig.37

Gleichwohl liegt das Erkenntnisinteresse gerade in dieser Unterscheidung, was eine nähere Definition notwendig macht. Um eine analytische Trennschärfe zu gewährleisten, stellt die Arbeit im Folgenden für die Qualifizierung „staat-lich“ und „privat“ auf den Ort der Rechtserzeugung ab. Im Ausgangspunkt liegt der Arbeit damit eine positivistische Beschreibung des Rechts zugrunde.38

37 Siehe generell zur diffizilen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft Rupp, §  31 Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staats-rechts, 2004, Rn.  29 ff.; siehe für eine Darstellung und Analyse dieser Verflechtungen auf dem Gebiet des Seehandelsrechts Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen See-handelsrechts, 2012.

38 Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992, S.  31 ff.

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II. Begriffe und Abgrenzung

Werden die Normen durch Organe erzeugt, die unmittelbar (Nationalstaaten) oder mittelbar (internationale Organisationen) demokratisch legitimiert sind, so sind sie als staatlich zu qualifizieren. Fehlt ihnen hingegen dieses Moment der autoritativen Gesetztheit, werden sie der privaten Sphäre zugerechnet,39 selbst wenn im Nachhinein ein staatlicher Anerkennungsakt erfolgt.

Unter Zugrundelegung dieser Abgrenzung werden auch die Begriffe des inter-nationalen Einheitsrechts im Gegensatz zum privaten Einheitsrecht definiert.

Grundsätzlich soll dem Begriff des internationalen Einheitsrechts die traditio-nelle Definition von Kropholler zugrunde gelegt werden. Internationales Ein-heitsrecht bezeichnet damit

„die Gesamtheit derjenigen privatrechtlichen Rechtssätze, die in wenigstens zwei Staaten gleichlautend gelten und ihrem Sinn und Zweck nach auch so gelten sollen“.40

Mit Gruber ist zu dieser Definition noch hinzuzufügen, dass die international einheitliche Geltung der Rechtssätze auf einer rechtlichen Bindung der beteilig-ten Staabeteilig-ten beruhen muss.41

Damit knüpft die traditionelle Doktrin den Begriff des Einheitsrechts an einen Vereinheitlichungswillen (animus unificandi)42 solcher Organe an, die die Kom-petenz zur Rechtsvereinheitlichung haben. Dies sind seit dem 19. Jahrhundert Nationalstaaten als zentrale Regelsetzer oder supranationale oder internationale Organisationen.43 Internationales Einheitsrecht im klassischen Sinne ist damit grundsätzlich das Ergebnis völkerrechtlicher Bestrebungen, die das Ziel verfol-gen, international einheitliche Regeln zu erzeugen.44 Privates Einheitsrecht hin-gegen wurde gerade nicht durch ein Organ mit hoheitlicher Kompetenz zur Rechtsvereinheitlichung erzeugt.

Durch den Anknüpfungspunkt an den Ursprung der Regulierung ermöglicht die traditionelle Definition der vorliegenden Arbeit eine klare Grenzziehung zwi-schen staatlichen Mechanismen der Rechtsvereinheitlichung und privatem Ein-heitsrecht.

Inhaltlich lassen sich nach dem Grad der bezweckten Vereinheitlichung zu-dem unterschiedliche Erscheinungsformen des Einheitsrechts ausmachen, die sowohl bei staatlichem als auch privatem Einheitsrecht auftreten können, aber

39 Ebd., S.  34 ff.

40 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  1.

41 Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  14, 20 ff.

42 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  1; de Ly, Uniform Contract Law and International Self-Regulation, in: Basedow/Ferrari/Posch/Schnyder/Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  59, 59.

43 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  45.

44 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  1; Gruber, Metho-den des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  20 ff.

10 Einführung

nicht alle Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind. Strenges oder echtes Ein-heitsrecht bezeichnet zunächst einen solchen Regelungszustand, bei dem sowohl internationale als auch nationale Sachverhalte einheitlich geregelt werden.45 Im Gegensatz dazu knüpft die zweite Form des weiten oder unechten Einheitsrechts an die Tradition des römischen ius gentium oder des englischen law merchant an, indem es lediglich für internationale Sachverhalte eine einheitliche Lösung re-gelt und damit die Regelung nationaler Sachverhalte weiterhin dem nationalen Recht überlässt.46 Prominentes Beispiel für staatliches unechtes Einheitsrecht ist das UN-Kaufrecht, welches durch seinen Anwendungsbereich nach Art.  1 Abs.  1 UN-Kaufrecht nur auf internationale Sachverhalte Anwendung findet.47 Ein Bei-spiel für unechtes privates Einheitsrecht ist die neue Fassung der Incoterms 2010, die ausweislich der Kommentierung nicht mehr nur für internationale, sondern auch für nationale Transaktionen Anwendung finden können.48

In Abgrenzung zur Rechtsvereinheitlichung unterscheiden sich verwandte Mechanismen wie die Rechtsharmonisierung dadurch, dass hier nicht das Ziel verfolgt wird, Unterschiede in den Regelungen gänzlich abzuschaffen, sondern diese durch Sachrechtsangleichung nur zu reduzieren.49 Durch die Rechtsan-gleichung treten Rechtsakte nicht an die Stelle nationaler Regelungen, sondern machen lediglich Vorgaben für deren Ausgestaltung.50 Anschaulich wird dies am Beispiel einer Richtlinie der Europäischen Union, die zwar gemäß Art.  288 Abs.  3 AEUV hinsichtlich des zu erreichenden Ziels für die adressierten Mit-gliedstaaten verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt.51 Ebenso führen neuere

Harmonisierungsmetho-45 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  1–6; Twigg- Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 104.

46 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  47.

47 Ein weiteres Beispiel für diesen Ansatz ist das Montrealer Übereinkommen zur Verein-heitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999, welches nach Art.  1 des Übereinkommens eine internationale Beförderung vor-aussetzt. Siehe hierzu den Text des Übereinkommens auf <http://www.icao.de/>, zuletzt abge-rufen am 01.12.2017; Twigg-Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 104.

48 Siehe hierzu die Einleitung der Incoterms 2010, abgedruckt bei von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  187 ff.

49 Ferrari, Einheitsrecht, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  376 ff.

50 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  47.

51 Ebd., S.  47.

Stichwortverzeichnis

Die Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen. Die Seitenzahl ist kursiv gedruckt, wenn sich das Stichwort in einer Fußnote befindet.

AGB-Kontrolle 6, 109 f., 113,167, 171, 194, Allgemeine Geschäftsbedingungen 107 ff., 256

115, 124 f., 146, 166, 168 f., 236, 239, 256 boilerplate clauses 117

Brüssel I-Verordnung 3, 21, 28 f., 153 f., 155 f.

Brüssel Ia-Verordnung 23 f., 28 f., 153, 155 f.

einfach zwingende Normen 30, 95, 108 f., 113, 115 ff., 171 f., 194 f., 200, 203 ff.,

Gewohnheitsrecht 102, 105, 107, 113 ff., 118, 123 f., 139, 144, 149, 166, 176, Handelsbrauch 105, 107, 111 ff., 123 f., 131, 248 138 f., 142, 144 ff., 154, 156, 166 f., 176, 204, 236, 239, 243, 256

Handelsgewohnheitsrecht 46, 113 ff., 124, Handelsklausel 131 ff., 138, 140 ff., 145, 256

147 f., 151 f., 206, 236

290 Stichwortverzeichnis International Institute for the Unification

of Private Law, siehe UNIDROIT international zwingende Normen, siehe

Eingriffsnormen

Internationale Handelskammer 1 f., 75, 81 f., 131 ff., 137, 143, 156 f., 164 f., 170, 188, 212, 215 f., 221, 238 f., 248

internationaler Entscheidungseinklang 2, 20 ff., 42 f., 124

internationales Einheitsrecht 4, 8 f., 41 ff., 66, 84, 194

internationales Privatrecht 2 f., 12, 42 ff., 76, 93, 95 ff., 119 ff.

– Sachrechtsvereinheitlichung 10, 42 ff., 84 Rechtswahl 26, 29 ff., 36, 69, 94 ff., 108,

138, 190, 193 f., 199 ff., 203, 246 ff.

Rom I-Verordnung 24, 30, 97 f., 138, 193 f., 243, 247

Schiedsgerichtsbarkeit 8, 89, 91 f., 99, 104, 199, 202

standard terms 116 f., 123, 177 f., 194, 204 trade terms 132 f., 139, 144, 151 f., 207 Versteinerung 58, 73 f., 77, 85, 258 Vertragsklausel 107 ff., 115 f., 123 f., 149,

152, 184, 239, 243, 256

Wettbewerb der Rechtsordnungen 13, 61 ff., 85, 210, 212 f., 245, 255

Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980, siehe UN-Kaufrecht