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Bedingungen und Garantien

Im Dokument Convention on Cybercrime (ETS 185) (Seite 183-186)

Art. 18 Abs. 2 verweist auf die Bedingungen und Garantien der Art. 14 und 15. Ein Mindest-schutzniveau der Rechte der Anordnungsadressaten ist weder in Bezug auf die Anordnungs-zuständigkeit noch auf die Art der Daten vorgesehen. Insbesondere bestimmt die Norm keine datenschutzrechtliche Anforderung. Als Einschränkung der Befugnisse aus Art. 18 ist nur die Formulierung in Art. 14 Abs. 1 zu sehen, dass sich Maßnahmen des 2. Abschnitts – und damit auch die Herausgabeanordnung – auf „[…] besondere strafrechtliche Ermittlungen oder Ver-fahren […]“ beziehen müssen. Die Herausgabeanordnung muss daher in personeller und sach-licher Hinsicht auf bestimmte Personen, Telefonnummern, Emailadressen, usw. beschränkt werden. Eine unbegrenzte Datensammlung soll auf diese Weise vermieden werden.

4.5.5 Vergleichbare Befugnisnormen im deutschen Strafprozessrecht Die Herausgabe bestimmter Gegenstände an die Strafverfolgungsbehörden wird im deutschen Strafprozessrecht durch § 95 StPO geregelt. In Bezug auf „Bestandsdaten“ gibt § 89 Abs. 6 TKG die Möglichkeit, für das Vertragsverhältnis zwischen Anbieter und Nutzer von Tele-kommunikationsdiensten relevante Informationen abzufragen.

4.5.5.1 § 95 StPO – [Herausgabepflicht]

§ 95 StPO sieht eine Pflicht zur Herausgabe (Edition) von Gegenständen im Sinne von § 94 StPO vor. Die Vorschrift statuiert damit eine aktive Mitwirkungspflicht des Herausgabe-pflichtigen, die nach § 95 Abs. 2 StPO durch die Ordnungsmittel des § 70 StPO erzwungen werden kann. Ihr Hauptanwendungsbereich besteht darin, dass ein Beweisgegenstand im Rahmen einer Durchsuchung nicht gefunden und deshalb auch nicht beschlagnahmt werden kann.962 Durch die Formulierung „Gegenstände der vorbezeichneten Art“ nimmt § 95 StPO unmittelbar Bezug auf § 94 StPO. Objekte des Herausgabeverlangens können ebenso wie dort nur Gegenstände sein. Diese müssen „vorgelegt“ oder „ausgeliefert“ werden, was auf das Er-fordernis ihrer Körperlichkeit hindeutet. Welche Konsequenzen sich hieraus für unkörperliche Daten ergeben, ist Gegenstand der folgenden Darstellungen.

4.5.5.1.1 Gegenstände der vorbezeichneten Art

„Gegenstände der vorbezeichneten Art“ sind grundsätzlich solche, die der Sicherstellung nach

§ 94 StPO unterliegen. Aus den Verben „vorlegen“ und „ausliefern“ ergibt sich darüber hin-aus, dass nur bewegliche Gegenstände in Betracht kommen.963 Da sich in Bezug auf den Ge-genstandsbegriff im Übrigen keine Abweichungen zu § 94 StPO ergeben, wird insoweit auf die Ausführungen in Kapitel 4.3.7.2 verwiesen. Unkörperliche Daten unterliegen danach mangels Gegenständlichkeit nicht der Herausgabepflicht. Es kann jedoch die Herausgabe der Datenträger angeordnet werden.

Es stellt sich jedoch ebenso wie im Rahmen des § 94 StPO die Frage, inwieweit die

962 Löwe/Rosenberg – Schäfer § 95 Rn 1; SK/StPO – Rudolphi § 95 Rn 1

963 KK – Nack § 95 Rn 1; Löwe/Rosenberg – Schäfer § 95Rn 1

gabe von Fotokopien (Urkunden) bzw. sonstigen Kopien (Daten) als milderes Mittel zur Her-ausgabe des gesamten Speichermediums angeordnet werden kann. Ein Teil der Literatur ar-gumentiert vor allem in Hinblick auf die „elektronischen“ Buchführungsunterlagen eines Kaufmanns nach §§ 239 Abs. 4, 257 Abs. 3 HGB, dass sich das Editionsverlangen in Verbin-dung mit § 261 HGB auf die Herausgabe lesbarer Reproduktionen beziehe, während § 94 StPO den Datenträger selbst betreffe.964 Andere Autoren beschränken sich nicht auf die han-delsrechtlichen Unterlagen, sondern bejahen allgemein die Pflicht zur Herausgabe von Ko-pien als milderen Eingriff zur Herausgabe der Originals.965 Gestützt auf eine solche Argumen-tation ließe sich auch die Herausgabe von Daten begründen, die zuvor auf einen Datenträger kopiert wurden. Diese Meinung, die sich wie bei der Beschlagnahme von Daten im Wesentli-chen auf eine „a maiore ad minus”-Argumentation stützt, ist – wie schon dort966 – abzulehnen.

Zum einen ist die Gegenstandsqualität von Daten unabhängig von der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Rechte des Betroffenen zu beurteilen. Das Übermaßverbot erfüllt dog-matisch die Funktion, den Anwendungsbereich einer Eingriffsnorm zu begrenzen967, nicht ihn noch auszuweiten, indem das Tatbestandsmerkmal „Gegenstände“ extensiv interpretiert wird.968 Zum anderen statuiert § 95 StPO nicht wie die Sicherstellungsnormen lediglich eine Duldungspflicht des Betroffenen, sondern verlangt ihm eine aktive Mitwirkung ab. Dies kann mit den Ordnungs- und Zwangsmitteln des § 70 StPO durchgesetzt werden, so dass die Her-ausgabeanordnung eine größere Eingriffsintensität als die Sicherstellung gewinnen kann. Dar-aus folgt, dass die EingriffsvorDar-aussetzungen restriktiv zu behandeln sind. Weiterhin stellen die handelsrechtlichen Unterlagen wohl einen Sonderfall dar, der nicht verallgemeinerungsfä-hig ist. Die Möglichkeit der elektronischen Buchführung soll den Kaufleuten einen rationellen Geschäftsbetrieb erlauben.969 Elektronische Unterlagen müssen im Gegenzug für dieses Zuge-ständnis nach § 239 Abs. 4 Satz 2 HGB „[…] jederzeit innerhalb angemessener Frist […]“

lesbar gemacht werden können. Werden die Unterlagen angefordert, regelt § 261 HGB neben der Herausgabe- auch die Kostentragungspflicht des betroffenen Kaufmanns. Derartige Son-derregelungen fehlen bzgl. anderer Kopien und Daten und verdeutlichen den Ausnahmecha-rakter der handelsrechtlichen Vorschriften. Aber auch eine Interpretation des Gegenstands-begriffs in § 95 StPO nach grammatischen, historischen, systematischen und teleologischen Gesichtspunkten ergibt, dass das Editionsverlangen nur die Pflicht zur Herausgabe bereits existierender körperlicher Gegenstände und nicht die Anfertigung neuer Gegenstände umfas-sen kann.970 Als Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass eine Herausgabe von Daten mangels Gegenstandsqualität nicht in Betracht kommt. Eine Pflicht zur Anfertigung von Kopien auf Datenträgern, die herausgabefähige Gegenstände nach § 95 StPO sein könnten, besteht dar-über hinaus nicht. Die weiteren Ausführungen beziehen sich daher auf die Herausgabe der stofflichen Datenträger.

4.5.5.1.2 Gewahrsam des Herausgabepflichtigen

Die Editionspflicht trifft nur den jeweiligen Gewahrsamsinhaber. Anders als im Rahmen der Sicherstellung ist eine Gewahrsamsbeziehung zwischen dem Normadressaten und der heraus-zugebenden Sache konstitutive Bedingung für das Herausgabeverlangen. Damit soll

964 Löwe/Rosenberg – Schäfer § 95 Rn 1; Meyer-Goßner § 95 Rn 8; aA: Bär, S. 418 ff., der sowohl die direkte als auch die analoge Anwendung von § 261 HGB im Strafprozessrecht mit überzeugenden Gründen ablehnt.

965 KK – Nack § 95 Rn 1; SK/StPO – Rudolphi § 95 Rn 8

966 Siehe Kapitel 4.3.7.2

967 Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn 55 mwN

968 Siehe zum Ganzen Kapitel 4.3.7.2.

969 Löwe/Rosenberg – Schäfer § 95 Rn 3

970 Ausführlich hierzu: Bär, S. 397-403

Artikel 18 – Herausgabeanordnung

stellt werden, dass das Gebot zur aktiven Mitwirkung auch erfüllt werden kann. Anderenfalls bestünden rechtsstaatliche Bedenken gegen die Norm. Zur Ausfüllung des Gewahrsamsbeg-riffs orientiert sich die Literatur im Wesentlichen am materiell-rechtlichen Gewahrsam, wie etwa im Rahmen von § 242 StGB.971 Das materielle Recht versteht unter „Gewahrsam“ ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis zwischen einer Person und einer Sache.972 In Bezug auf körperliche Speichermedien bereitet der Gewahrsamsbegriff keine größeren Schwierigkeiten.

Da der Herausgabepflichtige den Gegenstand „vorzulegen“ bzw. „auszuliefern“ hat, erfüllt er seine Mitwirkungspflicht bereits, indem er den Datenträger übergibt. Sind die Daten ver-schlüsselt oder nur mit einer besonderen Benutzerberechtigung zugänglich, ist der Anord-nungsadressat nicht verpflichtet, den Zugriff auf diese Daten zu ermöglichen. Anderenfalls würde die Herausgabepflicht zur Beweisbeschaffungspflicht modifiziert werden.973 Da Ge-genstand des Herausgabeverlangens nur der körperliche974 Datenträger ist, kommt es für die Beurteilung der Gewahrsamsverhältnisse allein auf die Herrschaft über das Speichermedium und nicht auf logische Zugriffsrechte auf einzelne Dateien an. Das tatsächliche975 Herr-schaftsverhältnis kann immer nur am Datenträger ansetzen und sich auf die gespeicherten Daten erstrecken. Bei Netzwerklaufwerken bedeutet dies, dass es nicht auf die logischen Zugriffsrechte der Nutzer, sondern auf die physische Einwirkungsmöglichkeit durch den Betreiber des Servers ankommt. Die gegenteilige Ansicht976, die auf die Zugriffsrechte an den Daten abstellt, verkennt, dass Daten keinen „Gegenstand der vorbezeichneten Art“ darstellen, sondern allein das Speichermedium, d.h. in der Regel die Festplatte, diese Anforderung er-füllt. Der Nutzer, der mittels eines Netzwerkes auf die Daten zugreifen kann, übt kein Herr-schaftsverhältnis über die Speichermedien des Betreibers aus. Er kontrolliert allein die unkör-perlichen Daten, wobei auch hier eine Eingriffsmöglichkeit durch den Betreiber des Servers besteht, und nicht die Sachsubstanz des Datenträgers.

4.5.5.1.3 Beschränkungen im Anwendungsbereich von § 95 StPO

§ 95 StPO enthält dem Wortlaut nach keine Beschränkungen. Insbesondere erlaubt er vom Wortlaut her eine Herausgabeanordnung auch gegen Beschuldigte und gegen Personen, die nach den §§ 52 ff. StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind. Nach allgemeiner Ansicht977 im Schrifttum steht der Editionspflicht des Beschuldigten jedoch der „nemo tenetur se ispsum accusare“-Grundsatz entgegen. Danach muss niemand sich an seiner eige-nen Überführung aktiv beteiligen. Zwar wurde dieser Grundsatz in der StPO nicht kodifiziert.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ergibt er sich jedoch aus dem allgemeinen Persönlich-keitsrecht und der Menschenwürdegarantie der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.978 Der Beschul-digte kann daher nicht zur Vorlage oder Auslieferung von Beweisgegenständen herangezogen werden. Gegenüber Zeugnisverweigerungsberechtigten kann die Herausgabe zwar zunächst angeordnet werden. Auf Grund von § 95 Abs. 2 Satz 2 StPO, der die Festsetzung der in § 70 StPO genannten Ordnungs- und Zwangsmittel verbietet, bleibt die Weigerung der Herausgabe allerdings folgenlos. Im Übrigen wird durch die Bezugnahme auf „Gegenstände der vorbe-zeichneten Art“ verdeutlicht, dass die Beschlagnahmeverbote des § 97 StPO zu beachten

971 Bär, S. 410; Löwe/Rosenberg – Schäfer § 95 Rn 4

972 Sch/Sch – Eser § 242 Rn 23; Tröndle/Fischer § 242 Rn 11

973 Bär, S. 413, für den „Online-Zugriff“ auf beweisrelevante Daten; Löwe/Rosenberg – Schäfer § 95 Rn 3;

ebenso: Leicht IuR 1986, 346 (352); Nelles JuS 1987, 51 (53) sowie Sieber, The International Emergence of Criminal Information Law, S. 54

974 KK – Nack § 95 Rn 1; Löwe/Rosenberg – Schäfer § 95 Rn 2, 4; Meyer-Goßner § 95 Rn 3

975 Löwe/Rosenberg – Schäfer § 95 Rn 4; Sch/Sch – Eser § 242 Rn 23; Tröndle/Fischer § 242 Rn 11

976 Bär, S. 413

977 KK – Nack § 95 Rn 2; Löwe/Rosenberg – Schäfer § 95 Rn 5; Meyer-Goßner § 95 Rn 5

978 BVerfGE 38, 105 (113); 55, 144 (150); 56, 37 (45)

sind.979

4.5.5.1.4 Verhältnismäßigkeit

Wie bei allen Eingriffen in die Rechte Privater durch die öffentliche Gewalt ist der Verhält-nismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Zweck und Mittel der Zwangsmaßnahme müssen in ei-nem angemessenen Verhältnis stehen. Die Eingriffsintensität staatlicher Maßnahmen soll da-durch auf ein im Einzelfall angemessenes Niveau angepasst werden. Das Übermaßverbot kann nicht dazu herangezogen werden, den Anwendungsbereich einer Eingriffsnorm auszu-weiten. Anderenfalls würde die dogmatische Funktion dieses Rechtsgrundsatzes umgekehrt werden. Die insoweit von Teilen der Literatur vertretene Ansicht, dass der Beschuldigte zur Herausgabe von Kopien oder lesbaren Reproduktionen als milderer Eingriff zur Edition der Originale herangezogen werden könne, ist mit Ausnahme handelsrechtlicher Unterlagen abzu-lehnen.980 Der Gegenstandsbegriff der StPO ist ein körperlicher, der nicht unter Zuhilfenahme missverstandener Verhältnismäßigkeitserwägungen auf unkörperliche Daten ausgedehnt wer-den kann.

4.5.5.1.5 Ergebnis zu § 95 StPO

Im Gegensatz zu Art. 18 bezieht sich § 95 StPO nur auf körperliche Objekte. Daten sind we-der „Gegenstände we-der vorbezeichneten Art“, d.h. solche im Sinne von § 94 StPO, noch kön-nen sie „vorgelegt“ oder „ausgeliefert“ werden. Auch der Umweg über eine extensive Ausle-gung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann, da er seine dogmatische Funktion ins Ge-genteil verkehren würde, nicht zu dem Ergebnis führen, dass Daten auf Grund einer Anord-nung nach § 95 StPO herauszugeben wären.

4.5.5.2 § 89 Abs. 6 TKG – Abfrage von Bestandsdaten

§ 89 Abs. 6 TKG erlaubt die Abfrage so genannter „Bestandsdaten“. Dabei handelt es sich um Informationen der Anbieter von Telekommunikationsdiensten über die Verträge mit den Be-nutzern dieser Dienstleistungen. Im Gegensatz zu Art. 18 Abs. 1 lit. b) ist ein Zugriff der Strafverfolgungsbehörden nur möglich „im Einzelfall“ und „soweit“ dies für bestimmte ho-heitliche Aufgaben erforderlich ist. In Betracht kommen in erster Linie die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie nachrichtendienstliche Tätigkeiten. Weder den Kunden noch Dritten darf die Auskunftserteilung mitgeteilt werden.

Im Dokument Convention on Cybercrime (ETS 185) (Seite 183-186)