• Keine Ergebnisse gefunden

„nachhaltige Entwicklung“

4. Tourismus in der Türkei

4.2 Die türkische Tourismusentwicklung und Tourismuspolitik

4.2.4 Bedeutung der Tourismuswirtschaft für die Türkei

Die Türkei hat seit den 1980er Jahren ihre begrenzten Finanzressourcen in den Tourismus investiert. Dadurch hat sie große Wachstumsraten bezüglich der Besu-cherzahlen und Deviseneinnahmen erreicht (s. Tabelle 3) (vgl. Bayrak 2003, S.

115 Eine Art Jugendherberge.

116 Wie z.B. Boutique Hotels.

24). In dieser Phase entwickelte sich der Tourismus zu einer der wichtigsten Wirt-schaftssektoren der Türkei (vgl. Höhfeld 1995, S. 193). Mit dem Tourismus wird das Durchbrechen des Dauerkreises der Armut verbunden (vgl. Ta ar 18.06.2002). In allen Regionen der Türkei insbesondere in der Ägäischen- und in der Mittelmeerregion erhoffen sich die Menschen durch den Tourismus größeren Wohlstand und bessere Lebensqualität (Tourist bringt Devise, Devise bringt Wohlstand). Die Annahme, dass der Tourismus als Allheilmittel Probleme lösen kann, findet unter der Bevölkerung breite Zustimmung (vgl. Yağcı 2003, S. 17).

Er zeichnet sich als ein konkurrenzfähiges Produkt des Landes auf dem globalen Wirtschaftsmarkt aus, und ihm werden die besten Wachstumschancen eingeräumt (vgl. Bölük 09.12.2002, S. 19).

In den türkischen Quellen und der Literatur werden besonders drei wirtschaftliche Aspekte des Tourismus schwerpunktmäßig behandelt: der Einkommenseffekt, der Zahlungsbilanzausgleichseffekt und der arbeitsplatzschaffende Effekt.

Der Einkommenseffekt

Eines der vorrangigen Ziele des Tourismus ist die Schaffung von Arbeitsplätzen und damit die Erhöhung von Einkommen. Die Beschäftigten im Tourismus geben den größten Teil ihres Einkommens in der jeweiligen Region aus und schaffen dadurch zusätzliche Einkommensmöglichkeiten in der Region.

Die rasante und damit auch teilweise negative Entwicklung an den türkischen Küstenabschnitten hat die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen stark verän-dert. Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft nicht immer zugunsten der in der Region ansässigen Bevölkerung. Die Grundstücke der Bauern, von Spekulanten erworben, werden später zu vielfach überhöhten Preisen weiterverkauft, und die Angehörigen der zweiten Generation stellen sich als unterbezahlte Arbeitskräfte zur Verfügung. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ziehen aus allen Regio-nen des Landes Arbeitskräfte in die Tourismuszentren (vgl. Tüzün 1998, S. 29f.;

vgl. Kapitel 6.1.4).

Der Zahlungsbilanzausgleichseffekt

Die türkische Wirtschaft weist die Struktur eines Entwicklungslandes auf. Die Türkei importiert für das produzierende Gewerbe erforderliche Rohstoffe, Equip-ment und Verbrauchsgüter. Die Exportzahlen liegen deutlich unter den

Importzah-len. Der Export der Türkei umfasste 2004 ein Volumen von ca. 67 Mrd. US-$, der Import von ca. –90,925 Mrd. US-$. Das Zahlungsbilanzdefizit beträgt somit ca. – 23,924 Mrd. US-$117. Die Politik suchte nach Möglichkeiten, um die Handelsbi-lanz auszugleichen. Weil der Tourismus schnelle Deviseneinnahmen verspricht, wird dem internationalen Tourismus118 als Einnahmequelle eine sehr hohe Priori-tät gewährt. Um eine ausgeglichene Zahlungsbilanz zu erreichen, unterstützt die Türkei den Tourismus seit 1983 intensiv (vgl. Özdemir/Gürkan/Kıral 2000, S. 79;

Mutafoğlu 2003, S. 9). Laut des Devlet Istatistik Enstitüsü (DIE – Das Amt für Statistik) erwirtschaftete die Türkei 2004 insgesamt 15.887.699,5 US-$. Davon wurden 12.124.059,8 US-$ von ausländischen Touristen und 3.763.639,7 von Türken119 erwirtschaftet. Die Gesamtbesucherzahl betrug 20.262.640, davon 17.202.996 ausländische Besucher und 3.059.644 Türken. Die Ausgaben pro Kopf bei den Ausländern betrugen ca. 784 US-$ und bei den Türken ca. 1230 US-$120. Der Anteil des Tourismus bei den Exporteinnahmen stieg von 1980 bis 2000 von 11,2% auf 27,8% (vgl. Tunç 2003, S. 12f.). Zwischen 1990 und 1999 machten die Einnahmen aus dem Tourismus 37% im Außenhandel aus. Dies bedeutet, dass das Handelsdefizit allein durch den Tourismus um 37% verringert wurde (vgl. Bayrak 2003, S. 49; en 1996 S. 1996).

Der arbeitsplatzschaffende Effekt

Die Türkei weist ein hohes Bevölkerungswachstum auf. Das Resultat ist hohe Ar-beitslosigkeit in den Heimatregionen. Der arbeitsplatzschaffende Effekt des Tou-rismus löst eine Zuwanderung aus den Heimatregionen u.a. in die TouTou-rismusregi- Tourismusregi-onen aus (vgl. Mutafoğlu 2003, 17; s. Kapitel 6.2.1.1.2).

Ein Beurteilungskriterium für die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Touris-mus ist sein Beitrag zur Beschäftigtensituation der Volkswirtschaft (vgl. Freyer 1995, S. 335). Inwieweit die Tatsache, dass der Tourismus neue Arbeitsplätze schafft, als positiv bewertet werden kann, hängt auch immer von den Investitions-kosten für diese Arbeitsplätze ab. Wenn sie niedriger sind als in den anderen Wirtschaftssektoren, scheint die Investition sinnvoll. „Im Vergleich mit anderen Branchen gilt die Tourismuswirtschaft als ein arbeits- und weniger

117 hazine.gov.tr/stat/egosterge/V-DisTicaretveOdemelerDengesi/V_3_1.xls, Stand 21.09.2005.

118 Der Binnentourismus wird als die eigentliche Stütze des türkischen Tourismus nach Höhfeld im Vergleich zum internationalen Tourismus vernachlässigt. Die Binnentouristen werden nicht ge-zählt, weil sie keine Devisen ins Land bringen (vgl. Höhfeld 1995, S. 182).

119 Damit werden die in ihre Heimat fahrenden im Ausland lebenden Türken gemeint.

120 turizmdebusah.com/devam_popup.asp?ID=20173, 26.01.2005, S. 1 von 1.

ver Bereich“ (Vorlaufer 2003, S. 8). Im Vergleich zu den anderen Wirtschaftssek-toren werden mehr Arbeitskräfte im Tourismus eingesetzt (vgl. Mutafoğlu 2003, 17). Daher stellt die Tourismusbranche mitsamt weiteren 38 Nebensektoren eine optimale Plattform für die Schaffung von Arbeitsplätzen dar (vgl. Bölük 09.12.2002, S. 19). „Die Lohneinkommen der direkt und indirekt Beschäftigten im Tourismus bzw. deren Nachfrage nach Gütern und Diensten schaffen zudem über den Multiplikatoreffekt weitere sog. induzierte Arbeitsplätze“ (Vorlaufer 2003, S. 8). Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und gleichzeitiger Dezentrali-sierung von Arbeitsplätzen im Land kommt die Tourismusbranche durch ihre Sesshaftigkeit an den Küstengebieten dem Staat entgegen, auch wenn ein hoher Anteil der Arbeitsplätze nur saisonale Phasen durchläuft (vgl. Usta 2002, S. 86).

Bei der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus muss die Frage nach der Qua-lität der Arbeitsplätze, Gewährleistung einer ganzjährigen Beschäftigung und dem Lohnniveau gestellt werden (vgl. Rothfuß 2004, S. 55).

Nach dem World Travel & Tourism Council (WTTC) ist im Jahre 2005 jeder 13.

Arbeitsplatz in der Türkei im Tourismussektor zu finden. Die absolute Zahl der Beschäftigten im Tourismus beträgt 1.654.570, was einen relativen Anteil von 7,7% aller Arbeitsplätze im Land ausmacht121. Die Arbeitslosenquote in den Tou-rismushochburgen ist im Vergleich zur Gesamttürkei (10,3%) deutlich niedriger (Antalya 6,6%, Muğla 7,2, Balıkesir 6,6%122).

121 wttc.org/2005tsa/pdf/1.Turkey.pdf, Stand: 01.07.2005, S. 3 von 44.

122 Für Alanya fehlen Daten zur Beschäftigtenzahl oder Arbeitslosigkeit.

Tabelle 6: Faktor „Beschäftigung“ im Tourismussektor

1994 1996 1997 1998 1999 2000 2001

Gesamt-

beschäftigung in der Türkei

20.07. 000 21.546.000 20.900.000 21.374.000 21.860.000 20.394.000 19.742.000

Direkte und indirekte Beschäftigung im Tourismus*

1.778.693 1.902.290 2.228.334 2.438.498 2.523.379 2 .523.026 2. 519.481

Der Anteil der Di-rektbeschäftigung durch den Tourismus an der Gesamtbe-schäftigung %

3,54 3,62 4,26 4,56 4,63 4,82 5,10

Der Anteil der Indi-rektbeschäftigung durch den Tourismus an der Gesamtbe-schäftigung %

8,86 9,05 10,66 11,41 11,58 12,05 12.07

Quelle: tursab.org.tr./content/turkish/istatistikler/gostergeler/04istihdam.htm, Stand: 27.05.2008, S. 1 von 1.

* Es wurde von der Annahme ausgegangen, dass die Hälfte der Beschäftigten von Restaurants und Bars in der Türkei im Tourismus beschäftigt wären.

Aus der Tabelle 6 ist ein kontinuierlicher Anstieg der direkt und indirekt im Tou-rismus Beschäftigten zu erkennen. 2001 waren über 17% aller Erwerbspersonen, d.h. fast jede fünfte Person, vom Tourismus abhängig.

Aufgrund der starken Saisonalität und Krisenanfälligkeit des Tourismusangebots findet eine Abwanderung der Absolventen von Tourismushochschulen bzw. -fachhochschulen in die anderen Wirtschaftsbranchen wie in das Bankwesen statt.

Auf der anderen Seite rekrutieren sich viele unqualifizierte Tourismusbeschäftigte aus anderen Wirtschaftssektoren wie z.B. der Landwirtschaft (s. Kapitel 6.3.1).

Weitere wirtschaftliche Effekte des Tourismus sind:

- direkte und indirekte Steuereinnahmen für den Staat, - Nachahmungseffekt beim Konsumverhalten,

- Verknappung von Gütern/Ressourcen, - regionale Inflation,

- Verbesserung der Infrastruktur durch den Bau von Straßen, Flug- und Yachthäfen,

- teilweiser Abbau von regionalen Disparitäten,

- Geld fließt aus den reichen Regionen in die ärmeren Regionen (vgl. Freyer 1995, S. 335f.; Höfels 1990, S. 21; Mutafoğlu 2003, S. 2).

4.2.5 Die türkische Tourismuspolitik unter dem Gesichtspunkt der