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2.1 Histologisch-anatomische Betrachtungen

2.1.6 Barriere- und Reservoirfunktion der Haut

Allgemeine Funktionen der Haut

Die zahlreichen und sehr unterschiedlichen Funktionen der Haut machen sie zu einem wichtigen Organ.

Die Haut stellt durch ihre periphere Lage einen direkten Kontakt zu unserer Umwelt und deren Einflüsse her. Dies geschieht in beide Richtungen. Zum Einen nehmen wir unsere Umgebung durch Sinneswahrnehmungen wie dem Tasten und Temperatur-empfinden wahr, zum Anderen senden wir über unsere Haut Signale, wie zum Bei-spiel Erröten oder Duftstoffe, aus. Die Haut ist in der Tiermedizin ein wichtiges Indi-katororgan für den Gesundheitszustand des Tieres. Über die Haut erfolgt ein Teil der nonverbalen Kommunikation.

Der Tastsinn ist ein wichtiger Teil unseres Empfindens. Es heißt nicht umsonst

"Begreifen". Das Tasten ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedenster Rezepto-ren. Die Merkelschen Tastscheiben vermitteln die Dauer und Intensität einer Berüh-rung. Über die Meissnerschen Körperchen wird die Geschwindigkeit der durch Druckreiz verursachten Verformung der Haut wahrgenommen. Die Lamellenkörper-chen spreLamellenkörper-chen vor allem auf Vibrationen an. Nervenmanschetten am Haarbalg rea-gieren auf die Auslenkung der Haare und messen die Geschwindigkeit der Haarbe-wegung. Bei den Haussäugetieren dienen spezielle Tasthaare (Sinushaare) zur takti-len Wahrnehmung der Umwelt.

Schmerz ist ein Warnsignal, das auf schädliche äußere Einwirkungen aufmerksam macht, und wird, wie auch Wärme- und Kälteempfinden, durch die freien Nervenen-digungen in der Epidermis vermittelt. Etwa die Hälfte der freien NervenenNervenen-digungen sind Thermorezeptoren, die andere Hälfte sind Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren).

Juckreiz und auch Schmerzempfinden entwickelte sich vermutlich zur Erkennung und Abwehr von Parasiten und fordert zur Pflege der Haut auf.

Ein wichtiger Funktionskomplex ist die Schutzfunktion der Haut. Sie begrenzt den Körper nach außen und ist ein Schutzschild gegenüber der Umwelt. Sie erkennt und verhindert zum Einen das Eindringen von Mikroorganismen und bildet die erste Immunbarriere des Organismus. Zum Anderen hemmt sie den Verlust von

lebens-wichtigen Stoffen, wie Wasser und Elektrolyten.

Die Haut schützt den Organismus vor der Aufnahme von potentiell schädlichen Sub-stanzen. Als Grenzorgan steuert sie die Wasserabgabe und verhindert so ein Aus-trocknen des Organismus. Zur kurzfristigen Regulation des Wasserhaushalts kann der Körper Blut- und Lymphflüssigkeit in der Haut zwischenlagern, um das Kreislauf-volumen auf den akuten Bedarf anzupassen.

Neben dem mechanischen Schutz vor Verletzungen durch die Elastizität der Haut und ihrer damit verbundenen Reiß- und Druckfestigkeit, die hauptsächlich durch das Fasergeflecht der Dermis und das hypodermale Fettgewebe erreicht wird, ist der Schutz vor Infektionen für den Organismus lebenswichtig.

Hier wirkt die Haut einerseits durch den bakteriziden und fungiziden Oberflächenfilm und die Hornschicht als Schutzorgan, das das Eindringen erschwert, als auch als Immunorgan, das mit Hilfe von Langerhans-Zellen und regionären Lymphknoten, aber auch durch die Produktion von antimikrobiellen Substanzen in den Epidermis-zellen, eingedrungene Erreger frühzeitig bekämpft.

Der Hautoberflächenfilm besteht beim Menschen aus den Ausscheidungsprodukten von Talg- und Schweißdrüsen und abgeschilferten Hornzellen und setzt sich aus Tri-glyceriden, Wachsalkoholestern, Squalenen und freien Fettsäuren zusammen. Er hat bakterizide und fungizide Eigenschaften und besitzt einen pH-Wert zwischen 5,0 und 6,0. Der Hautoberflächenfilm des Pferdes besitzt im Rumpfbereich einen physio-logischen pH-Wert von 6,3 und besteht im Wesentlichen aus Laktonen, Cholesterol, Cholesterylester und deren Abbauprodukte.

Eine weitere Schutzfunktion liegt in dem in der Haut eingelagerten Melanin, dessen Konzentration die Menge des aufgenommen UV-Lichts reguliert und die Erbinforma-tion der Haut vor unnötig vielen MutaErbinforma-tionen schützt.

Nicht zu unterschätzen ist beim Menschen die Rolle der Haut in der Thermoregula-tion. Sie dient zum Schutz vor Überhitzung oder Unterkühlung, den die Haut mit Hilfe von Haaren und einer Fettschicht, sowie der Fähigkeit, mittels erhöhter Durchblutung und Schweißbildung den Körper durch Verdunstungswärme abzukühlen, erreicht.

Bei Säugetieren erfolgt die Thermoregulation in gewissem Grad durch eine erhöhte oder verminderte Hautdurchblutung.

Das im Unterhautgewebe eingelagerte Fett dient als Energiespeicher,

Wärmeregula-tor und mechanischer Schutzschild (MEYER 1986; KARZEL u. LIEDTKE 1989;

LEONHARDT 1990; PLEWIG et al. 1997; HENZ et al. 1998; NEUBERT et al. 2001;

NEUBERT et al. 2001; FRITSCH 2004; MEYER 2009).

Übersicht zu den Funktionen der Haut:

Abschluss nach außen

Steuerung der Wasserabgabe

Thermoregulation

Stoffausscheidung

Stoffspeicherung

Metabolisierung von Stoffen

Energiespeicher

Schutz vor der Umwelt

Sinnesorgan

Immunsystem

Ausdrucksorgan

Psychoregulator

(ODLAND 1991; NEUBERT et al. 2001; HEYMANN 2002).

Barrierefunktion

Die Epidermis ist eine effektive Grenzregion zwischen der Zirkulation von Blut und Lymphe und der Körperoberfläche. Aus biologischer Sicht stellen die im Stratum gra-nulosum gebildeten, interzellulären, hochpolaren Glukolipide, wie Acylglucosylcera-mide, im Übergangsbereich zwischen dem Stratum granulosum und dem darüberlie-genden Stratum corneum conjunctum die eigentliche Barriere der Haut dar. Die MCGs oder Lamellenkörperchen fusionieren entlang der distalen Oberfläche des Stratum granulosum zu einer deutlichen Schicht. (MEYER 1986, 2009). Aus human-dermatologisch klinischer Sicht wird jedoch das gesamte Stratum corneum als Bar-riere betrachtet. Das Stratum corneum conjunctum, vor allem durch seine interzellu-lärenen Lipide 5mal weniger permeabel als der Rest der Haut, stellt den geschwin-digkeitslimitierenden Faktor für die perkutane Absorption von Substanzen dar (ROU-GIER et al. 1985; PROKSCH 1988; SHAW et al. 1991).

Die Kombination aus Korneozyten und interzellulären Lipiden behindern eine schnelle Diffusion von Substanzen durch das Stratum corneum. Die hierdurch begründete Barrierefunktion einer Hautregion ist nicht nur von der Gesamtdicke des dortigen Stratum corneum abhängig, vielmehr vom genauen Aufbau (Anzahl der Zellschichten und Größe der Korneozyten) und der Lipidzusammensetzung. Die sub-stantielle Permeation korreliert vor allem mit dem Lipidgehalt des Stratum corneum, welcher von den im Stratum granulosum gebildeten MCGs bestimmt wird, nicht aber mit der Zahl der Zellschichten oder mit der Dicke des gesamten Stratum corneum.

Die extrem verhornten Korneozyten widerstehen zwar vielen chemischen und physi-kalischen Belastungen, ihr Zellverbund kann allerdings durch Hautfeuchtigkeit aufge-lockert und so die natürliche Barriere in ihrer Schutzfunktion beeinträchtigt werden.

Fehlen essentielle Fettsäuren im Stratum corneum-Lipid sinkt die Barrierefunktion.

Sie steigt proportional zum Lipidgewicht an. Dies zeigt, dass die Barriere hauptsäch-lich von den Lipiden, die in den Lamellenkörperchen (MCGs) gebildet werden, insbe-sondere von den linolsäurehaltigen Ceramiden, erzeugt wird (ELIAS et al. 1981;

GRICE 1980; JARRETT 1980; ELIAS et al. 1983; LAMPE et al. 1983; SHAW et al.

1991; HEYMANN 2002; MEYER 2009).

Sinn der Barrierefunktion der Hornschicht der Epidermis ist es, den transkutanen Wasserverlust und das Eindringen von Fremdorganismen und schädlichen Stoffen in

den Körper zu minimieren. Die Barrierefunktion des Stratum corneum beruht aus humandermatologisch-klinischer Sicht auf einem physikalischen Effekt, der dem Fick'schen Diffusionsgesetz folgt. Der Aufbau des Stratum corneum, aus vielen rela-tiv impermeablen Korneozyten eingebettet in eine Lipidmatrix, verlängert durch den tortuosen Weg die Diffusionsdauer. Die Diffusionshemmung durch die Lipidmatrix beruht auf chemischen Grundlagen.

Die Qualität der Barriere hängt von Lokalisation, Alter, Geschlecht, Umwelteinflüs-sen, Disposition sowie Ausprägungsgrad von Dermatosen oder anderen Verhor-nungsstörungen ab. Bei kranker oder verletzter Haut sinkt die Barrierefunktion. Im Versuch zeigt sich bei Hornschichtschädigungen durch Tesafilmabriss eine Permea-tionserhöhung um 1-2 Zehnerpotenzen (ROUGIER et al. 1985; SHAW et al. 1991;

PLEWIG et al. 1997; AKTORIES et al. 2005).

Die perkutane Absorption setzt sich im Wesentlichen aus folgenden Schritten zusammen: Adsorption an der Oberfläche des Stratum corneum, Diffusion durch das Stratum corneum, Aufnahme und Diffusion durch die vitale Epidermis, Erreichen des subepidermalen Kapillarsystems der Dermis mit weiteren Blutgefäßen und Lymphge-fäßen und Aufnahme in die Blutzirkulation. Die Hypodermis spielt in diesem Rah-men eher eine untergeordnete Rolle (SCHEUPLEIN 1978, STÜTTGEN et al. 1986, NEURAND und MEYER 1987).

Modifikation der Stratum corneum-Barriere

Die Hornschicht ist relativ empfindlich gegenüber organischen Lösungsmitteln und gegenüber Detergenzien. Die organischen Lösungsmittel extrahieren die interzellulä-ren Lipide und lösen somit den wichtigsten Bestandteil der Barriere, woraufhin der transkutane Wasserverlust deutlich ansteigt. Die Detergenzien zerstören die Zell-membranen der Korneozyten und greifen den „cornified envelope“ an (LANDMANN 1988; FRITSCH 2004).

Aufgrund ihres Proteincharakters und des Aminosäuregehalts der Korneozyten ist die Hornschicht hygroskopisch. Der physiologische Wassergehalt des Stratum cor-neum beträgt bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 30-50% ca. 40%. Im Vergleich

dazu liegt der Wassergehalt der Dermis bei 70%. Je stärker die Hornschicht hydrati-siert ist, umso höher ist ihre Durchlässigkeit. Auf diesem Effekt beruht der soge-nannte Okklusiveffekt. Durch die Abdichtung der Haut zur Außenwelt, z.B. durch Auf-legen einer Folie, nimmt der Wassergehalt im Stratum corneum zu, da das Wasser nicht mehr in die Luft verdunsten kann. Der Keratozytenverbund wird durch die Quel-lung der Hornlamellen gelockert und Barrierefunktion des Stratum corneum vermin-dert sich. Dieser Effekt wird von der pharmakologischen Industrie zur Verbesserung der transkutanen Arzneimittelresorption eingesetzt (ROUGIER et al. 1985; SHAW et al. 1991; AKTORIES et al. 2005; FRITSCH 2004).

Transepidermaler Wasserverlust

Der transepidermale Wasserverlust ist beim Menschen ein qualitativer Indikator und dient als quantitative Messgröße für die Barrierefunktion der Haut. Diese ist umge-kehrt proportional zum transepidermalen Wasserverlust, für den die aus dem engli-schen Sprachraum stammende Abkürzung TEWL von "transepidermal water loss"

verwendet wird. Die physiologische Wasserdurchlässigkeit der Haut beträgt bei 30°C 0,2-0,4 mg pro Quadratzentimeter pro Stunde. Das entspricht bei einem erwachse-nen Menschen einem insensiblen Wasserverlust von ungefähr 130 g pro Tag über die Haut. In einer wasserfreien Umgebung beträgt Wasserverlust eines ungeschütz-ten Organismus ohne Haut 1,63 kg/cm² pro Stunde. Wäre dieser Organismus in der-selben Umgebung nur durch Korneozyten geschützt, betrüge der Wasserverlust nur noch 1 g/cm² pro Stunde. Durch die Deckung des Organismus mit einem vollständi-gem Stratum corneum, bestehend aus Zellen und Lipidmatrix, sinkt der transepider-male Wasserverlust gegenüber dem oben genannten Wert auf nur noch 0,4 mg/cm² pro Stunde (SCHEUPLEIN 1978; GRICE 1980; LANDMANN 1988).

Der transepidermale Wasserverlust, auch Perspiratio insensiblis genannt, also die epidermale Barrierefunktion gegenüber Wasser, nimmt von den Extremitäten (Arm und Oberschenkel) über den Körperstamm (Rücken, Thorax und Abdomen) zur Stirn hin zu (STÜTTGEN u. SCHAEFER 1985). Er ist von den in der folgenden Auflistung aus verschiedenen Literaturstellen zusammengetragenen Parametern abhängig:

Hauttemperatur

Größe und Anordnung der Hornzellen (Hornschichtkompaktheit)

Lipidgehalt und -zusammensetzung (Linolsäuremangel!)

Hautgesundheit / Zustand der Hornschicht

Alter

Geschlecht

Spezies

(STÜTTGEN 1972; GRICE 1980; STÜTTGEN u. SCHAEFER 1985; SCHMIDT 1995;

NEUBERT et al. 2001).

Reservoirfunktion

Das Stratum corneum bildet einen Puffer und Reservoir für in die Haut eindringende Substanzen. Dieses Depot bindet Substanzen binnen Stunden und gibt sie dann über bis zu 7 Tage wieder ab.

Das Reservoir des Stratum corneum findet sich je nach Lipophilität der permeieren-den Substanz verteilt in permeieren-den Interzellularspalten und durch Bindung in permeieren-den Korneozy-ten.

Insbesondere die oberen Stratum-corneum-Schichten, die äußeren, abschilfernden Korneozyten, bilden das Reservoir, hier sind die Desmosomen gelockert und

befin-den sich in Auflösung, der Interzellularspalt ist geweitet. Dagegen sind die medialen und proximalen Korneozytenschichten eher eine Barriere, hier sind die desmosoma-len Verbindungen noch fest. Erst bei langen Einwirkzeiten können auch die inneren Lagen der Korneozyten die diffundierende Substanz aufnehmen (VICKERS 1963;

DUPUIS et al. 1984; BODDE et al. 1990; SCHMIDT 1995; NEUBERT et al. 2001).

Verhältnis von Barriere- zu Reservoirfunktion

Die Funktion des Stratum corneum als Barriere steht im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu derjenigen als Reservoir. Mit zunehmender Festigkeit und Dichte der Hornschicht nimmt die Barrierefunktion zu. Das Stratum corneum disjunctum ist auf-grund seiner lockeren Zellverbindungen ein gutes Reservoir, hier ist die Barriere nur schwach ausgeprägt. Das Stratum corneum conjunctum, insbesondere der Über-gangsbereich zum Stratum granulosum, übernimmt einen Großteil der Barrierefunk-tion der Epidermis. Dennoch trägt auch die ReservoirfunkBarrierefunk-tion in geringem Maße zur Verminderung der Diffusion bei, da die gebundenen Substanzen erst verzögert wie-der abgeben werden und so weniger Substanz pro Zeiteinheit in die Blutbahn gelan-gen kann.

Bei in-vivo-Penetrationsversuchen stellten ROUGIER et al. (1983) fest, dass die Reservoirfunktion des Stratum corneum beim Menschen direkt proportional zur tota-len perkutanen Absorption ist und ein konstanter Fluss existiert. Die Absorptions-menge ist von den Applikationsbedingungen, wie der Versuchstierspezies, der ana-tomischen Region des Auftrags, der aufgetragenen Dosis, dem genutzten Vehikel und der Dauer der Applikation abhängig.

Somit ist festzustellen, dass die Barrierefunktion der Hornschicht von außen nach innen zunimmt und im Übergangsbereich zum Stratum granulosum ihren Höhepunkt erreicht, im gleichen Umfang wie ihre Reservoirfunktion von außen nach innen abnimmt (ZESCH et al. 1973; NEUBERT et al. 2001).

2.2 Pharmakologische Betrachtungen