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Band 4: Nationales Kulturgüter- und Denkmal- Denkmal-schutzrecht

Band 4des Handbuchs Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht beschäf-tigt sich mit dem öffentlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzrecht, d.h. den innerstaatlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzgesetzen zur Erhaltung und Be-wahrung national bedeutsamer Kulturgüter innerhalb des Ursprungsstaates. Natio-nale Kulturgüter- und Denkmalschutzgesetze kontrollieren in unterschiedlicher Intensität und Qualität einen sonst unreglementierten Kunsthandel und zielen 20 § 1 Einleitung

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mit diesem öffentlich-rechtlichen Resolutionsprogramm auf die Erhaltung und Bewahrung der kulturellen Schöpfung der Nation – des nationalen Kulturerbes – im Herkunftsstaat. Zu dessen Schutz und Bewahrung innerhalb der Grenzen des kulturellen Ursprungsstaates oder an einem bestimmten regionalen oder kom-munalen Ort bzw. im Bestand eines nationalen oder individuellen Kulturgut-trägers implementierten heute nahezu alle Herkunftsländer vergleichbare Rechts-vorschriften, die eine dauerhafte Adjunktion national bedeutsamer Kulturgüter an das kulturelle Zuordnungssubjekt zu erreichen suchen.

Das nationale Kulturgüter- und Denkmalschutzrecht unterscheidet Protektions-mechanismen innerhalb des kulturellen Ursprungsstaatesund des kulturellen Im-portstaates. Neben den Kulturgüter- und Denkmalschutzvorschriften, die von kulturellen Ursprungsstaaten zur Sicherung und Bewahrung ihrer national wichtigen Kulturgüter erlassen werden, sind auch solche Rechtsregeln kultureller Importstaaten von Interesse, die eine Reglementierung der Einfuhr unrecht-mäßig entzogener kultureller Güter vornehmen und bestimmen, dass entgegen den nationalen Kulturgüter- und Denkmalschutzgesetzen ausländischer Staaten transferierte Objekte nicht rechtmäßig auf ihr Territorium eingeführt werden dürfen.

Erster Schwerpunkt in Band 4 ist die rechtsvergleichende Analyse der theoretisch möglichen öffentlich-rechtlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzinstrumentarien innerhalb der kulturellen Ursprungsstaaten. Hier wird insbesondere das grund-legende Ziel des Rechtshandbuchs Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht ersichtlich, ein abstraktes Verständnis der einzelnen Kulturgüterschutzinstru-mentarien des öffentlichen Rechts und ihrer theoretisch möglichen Ausgestal-tungsformen zu vermitteln. Es wird nicht als Aufgabe angesehen, für jeden kultu-rellen Ursprungsstaat abschließend dessen nationale Kulturgüter- und Denk-malschutzvorschriften darzustellen. Vielmehr wird Wert darauf gelegt, dass beispielhaft ein Verständnis dafür geschaffen wird, welche Ausgestaltungs-varianten theoretisch denkbar sind und in der täglichen Anwendung effektiven Rechtsschutz gewähren. Damit wird für den Leser die Möglichkeit geschaffen, sich schnell in jede nationale Ausgestaltungsvariante öffentlich-rechtlicher Kul-turgüter- und Denkmalschutzinstrumentarien einzudenken und selbstständig die Wirkungsweise vergleichbarer Vorschriften solcher Rechtsordnungen zu ver-stehen, die keine exemplarische Nennung in Band 4erfahren.

Das öffentliche Kulturgüter- und Denkmalschutzrechtin kulturellen Ursprungs-staaten ruht – schematisiert dargestellt – auf sechs Säulen staatlicher Kontroll-instrumentarien. Soweit ersichtlich, nutzen sämtliche Rechtswerke als ersten Pfeiler des öffentlich-rechtlichen Kontrollregimes eine oder mehrere der unter-schiedlichen Ausgestaltungsformen öffentlich-rechtlicher Anzeige-, Mitteilungs-, Vorführungs-, Eintragungs- oder sonstiger Informationspflichten hinsichtlich ihrer national schützenswerten Objektemit dem Ziel der umfassenden behördlichen

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Inkenntnissetzung, Erfassung, Registrierung bzw. unmittelbaren Inaugenschein-nahme der zu schützenden Objekte seitens der zuständigen Verwaltungsbehör-den. Als zweite Stütze zahlreicher Kulturgüter- und Denkmalschutzgesetze be-leuchtet Band 4 verschiedene Instrumentarien zur staatlichen Observation des gewerblichen Kunsthandels, der Museen und sonstiger kultureller Institutionenund deren Verhaltens im internationalen Kunstmarkt. Besonderes Gewicht wird in Band 4auf die Untersuchung solcher Protektionsmechanismen gelegt, die sog.

öffentliche Kulturgüterkennen und diese als res extra commerciumbehandeln (als sog. dritte Säule). Neben der Darstellung der sachlichen Voraussetzungen der Qualifikation kultureller Güter zu sog. ‚öffentlichen Sachen‘ und der Extrakom-merzialität solcher sog. ‚öffentlicher Kulturgüter‘ anhand verschiedener Bei-spielsrechtsordnungen werden in erster Linie die Möglichkeiten zur Designation deutscher Kulturgüter als ‚öffentliche Sachen‘ und als res extra commercium sowie die Frage nach einem möglichen öffentlich-rechtlichen Herausgabean-spruch solcher Objekte innerhalb der deutschen Rechtsordnung Mittelpunkt der Darstellung sein.

Vierter Eckstein des nationalen öffentlichen Kulturgüter- und Denkmalschutz-rechtsbilden die unterschiedlichen Ausgestaltungsvarianten von Verbringungs-, Veräußerungs- und Ausfuhrbeschränkungen national bedeutsamer Kulturgüter.

Dabei sichern örtliche Verbringungsbeschränkungenden ‚lokalen status quo‘ des staatlichen, regionalen bzw. kommunalen Kulturbestandes. Von besonderem Interesse sind regelmäßig auch nationale Veräußerungsbeschränkungen, die den Eigentümern verbieten, eine einheitliche kulturelle Sammlung bildende Kultur-güter aus der häufig über einen langen Zeitraum geformten Provenienz heraus-zulösen, einzeln zu veräußern und somit die Sammlung zu zerschlagen und der Nutzung durch die Öffentlichkeit zu entziehen. Da ein völlig unreglementierter Außenhandel große Gefahren für das nationale Kulturerbe eines Staates birgt und das Risiko eines schleichenden Verlustes zahlreicher national bedeutender Kulturgüter in sich trägt, die die nationale Identität des Staates aus geschicht-licher, gesellschaftgeschicht-licher, künstlerischer, wissenschaftlicher oder sonstiger kultu-reller Betrachtung ausmachen, untersucht Band 4 schließlich die rechtlichen Wirkungen von Ausfuhrbeschränkungenfür bedeutsame Kulturgüter.

Als fünfte Säule des öffentlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzrechts be-schreibt Band 4 die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Designation kultu-reller Güter zu Eigentum des kulturellen Ursprungsstaates. Diese Vorschriften machen sich die dingliche Rechtswirkung der Eigentumsposition zu eigen, so-dass ein kultureller Ursprungsstaat als Sachherr die aus der Eigentumsposition erwachsenden Rechte gegenüber Dritten sowohl im In- als auch im Ausland gel-tend machen kann. Mittels sog. ‚umbrella statutes‘ erfolgt bspw. eine ex lege-Designation meist archäologischer Artefakte und Altertumsfunde zum Zeit-punkt ihrer Entdeckung zu Eigentum desjenigen Staates, auf dessen Territorium sie örtlich gefunden wurden. Ähnliche Rechtsfolgen ergeben sich bei Applikation 22 § 1 Einleitung

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sog. ‚automatic forfeiture clauses‘ bzw. sog. ‚rhetorical ownership statutes‘, die eine automatische Legaldesignation kultureller Güter zu Staatseigentum bei dem Versuch und in dem Moment der illegalen Ausfuhr national geschützter Objekte bestimmen. Außerdem werden der Verfall kultureller Güter zu Staatseigentum nach behördlicher oder gerichtlicher Beschlag- und Inbesitznahme bei dem Ver-such der illegalen Ausfuhr, das Recht auf Enteignung national bedeutsamer Kul-turgüter aufgrund ihrer kulturellen Bedeutung für den Ursprungsstaat, das Rechtsinstitut des staatlichen Erwerbs- und Vorkaufsrechtes kultureller Güter sowie die Möglichkeit des staatlichen Eigentumserwerbs aufgrund des Rechts-instituts der Hingabe von Kunstgegenständen zur Begleichung von Steuerschulden an Zahlungs statteiner ausführlichen Erläuterung zugeführt. Abschließend fin-det das öffentliche Recht der Abgabenerhebung und der kulturellen Steuerbe-freiung als indirektes Mittel der Regulation des (inter-)nationalen Kulturgüter-verkehrs Beachtung. Neben einer steuer- und zollrechtlichen Abgabenerhebung hat die Normierung unterschiedlichster steuerrechtlicher Anreize und positiver Impulse, um national wichtige Kulturgüter innerhalb des eigenen Staatsgebietes zu erhalten, heute nicht nur kulturpolitisch zur Anerkennung der immensen Bedeutung des privaten Sektors (des sog.Third Sectoroder Third Way) inner-halb einzelstaatlicher Protektionsmechanismen geführt, sondern gerade auch zu einer verstärkten rechtlichen Rahmenbildung einer effektiven steuerrechtlichen Einflussnahme als kulturelle Staatslenkungsfunktion.

Der weitere Bereich des öffentlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzrechts in Band 4untersucht theoretisch mögliche und in der Praxis angewendete Protek-tionsmechanismen innerhalb kultureller Importstaatenund erläutert so die – inter-national betrachtet, bislang vereinzelt erlassenen und in erster Linie fremdnützi-gen – Rechtsregeln, die eine Reglementierung der Einfuhr unrechtmäßig entzo-gener kultureller Güter vornehmen – und dies entgegen dem allgemeinen Grund-satz der generellen Nichtberücksichtigung ausländischer Kulturgüter- und Denkmalschutzvorschriften außerhalb des kulturellen Ursprungsstaates auf-grund ihrer Qualifizierung als Normen des öffentlichen Rechts. Eine solche Ein-fuhrkontrolle bestimmt, dass entgegen den nationalen Kulturgüter- und Denk-malschutzgesetzen ausländischer Staaten transferierte Objekte nicht rechtmäßig auf ihr Territorium eingeführt werden dürfen. Dabei sind verschiedene Maß-nahmen des Importstaates ersichtlich, die in die grundsätzlich freie Einfuhr kul-tureller Güter eingreifen. Zunächst findet die kulturgüterunspezifische Import-kontrollesämtlicher Waren im Generellen, unabhängig von einer Qualifizierung als Kulturgut, Erwähnung. Ebenso wie andere bewegliche Güter von erheb-lichem Wert bei Einfuhr den nationalen Zollbehörden des Einfuhrstaates dekla-riert werden müssen, unterfallen grundsätzlich auch Kulturgüter den allgemeinen zollrechtlichen Einreisebestimmungen und können bei Nicht- oder Falsch-deklaration beschlagnahmt und zu Staatseigentum des Einfuhrstaates verfallen erklärt werden.

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Besonderes Gewicht erlangt innerhalb dieses Teils der Kommentierung von Band 4 jedoch die kulturgüterspezifischeImportkontrolle, der spezielle Rechts-regeln für die Einfuhr kultureller Güter zugrunde liegen. Die hauptsächlich aus den kanadischen und australischen Rechtsordnungen bekannte sog. ,blank check‘-Theorieappliziert eine umfassende Einfuhrkontrolle sämtlicher Kultur-güter und führt grundsätzlich zur Rückführung illegal transferierter KulturKultur-güter an den kulturellen Ursprungsstaat. Wesensmerkmal des sog.,selective import control‘-Systemsist dagegen eine sachlich, situativ oder temporal beschränkte Einfuhrkontrolle kultureller Güter, die bspw. allein solche Kulturgüter erfasst, die von essenzieller Bedeutung für das Kulturerbe eines kulturellen Ursprungsstaates sind oder die weiteren bi- oder multilateralen Abkommen und Vereinbarungen unterliegen, in denen die besondere Schutzbedürftigkeit einer bestimmten Klasse kultureller Güter, bspw. aus einer bestimmten Region, bestimmt wird. Dritte Säule der Einfuhrkontrolle kultureller Güter stellen die Abgabentatbestände des Zoll- und Einfuhrsteuerrechtsdar, die zwar keine unmittelbare Funktion inner-halb des Kulturgüterschutzes übernehmen, jedoch einmal mehr die besondere, von sonstigen Waren zu unterscheidende Rechtsstellung kultureller Güter als res sui generismittels spezieller Zollfreiheiten und außertariflicher Zollbefreiungen sowie einer speziellen Einfuhrumsatzsteuerbegünstigung zum Ausdruck bringen.