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Automatisierte Fahrfunktionen

Im Dokument TUHH 55 (Seite 26-29)

Der Betrieb hoch- und vollautomatisierter Fahrzeuge wurde in der Bundesrepublik mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Straßenver-kehrsgesetzes vom 16.06.2017 für den Fall ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung unter der Voraussetzung erlaubt, dass sie den gesetzlichen Vorgaben in § 1a Abs. 3 StVG entsprechen. Dem Gesetz nach muss ein/e Fahrer:in anwesend sein, der stets Fahrzeugführer:in bleibt; auch dann, wenn nicht er/sie eigenhändig das Fahrzeug steuert, sondern die Steue-rung durch das AutomatisieSteue-rungssystem erfolgt. Das Gesetz regelt damit (noch) nicht die fahrer:innenlose Fahrfunktion, die technisch keine:n Fahrer:in mehr erfordert. Der Betrieb autonomer Fahrzeuge ist weiter unzulässig. Nach aktueller Rechtsauslegung muss der/die Fahrzeugfüh-rer:in jederzeit wahrnehmungsbereit sein und das nicht nur nach Auffor-derung durch das System, sondern auch „wenn er[/sie] erkennt oder auf Grund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraus-setzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung […] nicht mehr vorliegen“ (vgl. §1b StVG).

Zukünftig müssen sich Fahrzeugführer:innen voraussichtlich nicht mehr im Fahrzeuginnenraum befinden, sondern können per Fernzugriff durch eine Leitstelle (unter Beachtung hoher Sicherheitsanforderungen) in Ausnahmefällen eingreifen bzw. Manöver freigeben. Diese Regelung ist Gegenstand des aktuellen Diskurses über die nächsten möglichen Schritte der Fahrzeugautomatisierung.

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Fahrzeugzulassung

Für die rechtliche Beurteilung ist zunächst entscheidend, ob das automa-tisierte Fahrzeug auf einer öffentlichen oder nicht öffentlichen Verkehrs-fläche genutzt werden soll. Eine Fahrzeugnutzung auf nicht öffentlich zugänglichem, betrieblichem oder privatem Gelände erfordert keine Zulassung des Fahrzeugs, außer der/die Verantwortliche/Eigentümer:in des Geländes gibt die Anwendung der StVZO vor. Verkehrsflächen, auf denen der allgemeine Verkehr geduldet wird, sind mit oder ohne entgeltlicher Zufahrtsbeschränkung als öffentlich zu qualifizieren. Bei der Nutzung im öffentlichen Verkehrsraum, wie beispielsweise Wegen, Plätzen und Straßen, die dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind, findet das Straßenverkehrsrecht Anwendung. Auf öffentlichen Verkehrsflächen dürfen gemäß § 1 StVG i. V. m. § 3 FZV Kraftfahrzeuge mit bauart-bedingter Höchstgeschwindigkeit über 6 km/h nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie von der zuständigen Behörde zum Verkehr zugelassen sind. Auch auf automatisierte Klein- und Minibusse (auch Shuttle-Busse oder People-Mover genannt) trifft dies zu.

Das Verfahren zur Erlangung einer Zulassung ist mehrstufig und erfordert zunächst die Erlangung einer Betriebserlaubnis, durch welche festgestellt wird, ob das Fahrzeug den einschlägigen Bauvorschriften entspricht, insofern also vorschriftsmäßig ist. Es gibt verschiedene Arten von Betriebserlaubnisverfahren, die auf nationalen und EU-Vorschriften basieren: Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge (§ 21 StVZO), Allge-meine Betriebserlaubnis (§ 20 StVZO), Europäische Typgenehmigung (§ 3 EG-FGV), EG-Kleinserien-Typengenehmigung (§ 9 EG-FGV) und EG-Einzelgenehmigung (§ 13 EG-FGV).

Der Prozess für automatisierte Shuttle-Busse ist derzeit im Vergleich zur regulären Zulassung eines serienmäßig homologierten Fahrzeuges mit Mehraufwand verbunden. Die Fahrzeuggenehmigung wird derzeit in der Regel als Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge nach § 21 StVZO erteilt, zum einen, weil die Fahrzeuge bauartbedingt unter der Höchstgeschwin-digkeit von 25 km/h bleiben (dies ist bei Neufahrzeugen die Grenze für die Anwendung von EU-Recht, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EG-FGV. Zum anderen erfordern die konkreten Gegebenheiten der zu bedienenden Einsatzgebiete nach dem gegenwärtigen Stand der Technik regelmäßig eine Abstimmung mit den jeweiligen technischen Möglichkeiten, sodass die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge nur streckengebunden festge-stellt werden kann (auf Basis von detaillierten strecken- und fahrzeug-bezogenen Risikoanalysen).

Grundlage für die Einzelbetriebserlaubnis ist ein Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit mittels eines Gutachtens eines/einer amtlich anerkannten Sachverständigen einer technischen Prüfstelle (z. B. TÜV®

oder Dekra). Ein solches Gutachten bescheinigt, dass das Fahrzeug den

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Anforderungen nationaler, europäischer2 und multilateraler Regelungen3 für Fahrzeuge entspricht bzw. in den Fällen, wo es den Vorschriften nicht entspricht, unter Auflagen Ausnahmen erteilt werden können. Die Vorschriftsmäßigkeit der automatisierten Fahrfunktionen ist stets an die zu befahrende Strecke geknüpft und kann nur mit Ausnahmen (gem. § 70 StVZO) erteilt werden, da die technische Ausstattung nicht in jedem Fall mit den Bauvorschriften vereinbar ist (z. B. elektrische Lenkung und Bremsung). Die Betriebserlaubnis gilt dann ausschließlich für das Einzel-fahrzeug auf der zuvor festgelegten Strecke. Für das Fahrzeug muss zudem eine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kfz-Haft-pflichtversicherung bestehen. Im Anschluss an den Genehmigungspro-zess, den Antrag auf Zuteilung eines Kennzeichens, die Abstempelung der Kennzeichenschilder und die Ausfertigung einer Zulassungsbeschei-nigung erfolgt die Zulassung. Es handelt sich um vom Einzelfall abhän-gige Verfahren. Dies bedingt Unterschiede in der Genehmigungspraxis der jeweils zuständigen Stellen auf Ebene von Gemeinde, (Land-)Kreis und Bundesland.

Der Prüfaufwand für den Einsatz im öffentlichen Raum ist durch diese Anforderungen und die notwendige Abstimmung zwischen Hersteller:in-nen, Technischer Prüfstelle und Behörden aktuell noch sehr aufwen-dig. An einheitlichen Standards arbeiten jedoch bereits verschiedene Akteur:innen. In absehbarer Zeit werden die ersten Dual-Mode-Fahr-zeuge mit Serienhomologation auf den Markt kommen, welche als fahrergesteuerte Elektrobusse konzipiert werden, bei denen die automa-tisierte Funktion optional aktiviert werden kann. Durch die Möglichkeit der Typengenehmigung, bei welcher der Prototyp einer Produktionsreihe technisch begutachtet und genehmigt wird, wird der fahrzeugbezo-gene Aufwand sinken und der Zulassungsaufwand sich nur noch auf die Vorrichtungen der automatisierten Steuerung beschränken. Details hierzu wurden noch nicht veröffentlicht.

2 Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bautei-len und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG.

3 Zumeist betrifft dies die Bauvorschriften der UN/ECE-Regelungen, die im Rahmen des Genfer Abkommens über die Annahme einheitlicher techni-scher Vorschriften für Radfahrzeuge, Ausrüstung und Teilen für Radfahr-zeuge sowie die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen auf der Basis dieser Vorschriften erlassen worden sind. UN/ECE-Regelungen für automa-tisierte Fahrzeuge fehlen bisher weitgehend.

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