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Auslandsaufenthalte von Wissenschaftlern in der Literatur

Die Literatur, die sich mit der sogenannten temporären Mobilität von Wissenschaftlern beschäftigt, betrachtet vor allem die Häufigkeit, die Dauer sowie die Gastländer der Auslandsaufenthalte. Ein weiterer Schwerpunkt bildet die Untersuchung der Beweggründe für Auslandsaufenthalte und Effekte von Auslandsaufenthalten.

Ausgehend von einem Forschungsdefizit bzw. dem Fehlen einer offiziellen Statistik über die Mobilität von Wissenschaftlern (vgl. RICHARDSON/MCKENNA 2003) wurde in jüngster Zeit versucht, Daten über Auslandsaufenthalte von Wissenschaftlern systematisch zu erheben. Das Projekt der Europäischen Kommission „Study on mobility patterns and career paths of researchers“ (MORE) versucht, die Mobilität und die Karrierewege von Wissenschaftlern in der Europäischen Union umfassend aufzuzeichnen. Es zeigt sich unter anderem, dass von den ca. 2500 betrachteten Wissenschaftlern verschiedener Fachbereiche, die an der Befragung teilnahmen, 56%

bereits einen Auslandsaufenthalt absolviert haben (vgl. LYKOGIANNI/VAN DEN

BROECK 2010). Die jährlich wiederkehrende Studie „Wissenschaft weltoffen“ des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD) erfasst vor allem solche Auslandsaufenthalte, die durch Förderorganisationen wie zum Beispiel den DAAD selbst, die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder die Europäische Union ermöglicht wurden. Im Jahr 2014 absolvierten ca. 21000 deutsche Wissenschaftler mit Hilfe von Förderorganisationen Auslandsaufenthalte. Ca. 90% der Auslandsaufenthalte dauerten maximal ein Jahr, rund 50% dauerten maximal 3 Monate (vgl. BURKHART

et al. 2014).

Des Weiteren gibt es auch länder- und fachspezifische Studien, die sich mit den Auslandsaufenthalten von Wissenschaftlern sowie den Beweggründen für und Effekten von Auslandsaufenthalten beschäftigen. In Bezug auf die Gastländer der

Auslandsaufenthalte kommen VAN BOUWEL/VEUGELERS/LYKOGIANNI (2012) basierend auf den MORE-Daten zu dem Ergebnis, dass ein Großteil der Wissenschaftler die USA als Gastland wählt (58%). Gleiches zeigt auch MELIN

(2004) auf Grundlage eines Samples schwedischer Postdoktoranden verschiedener Fachbereiche. Fast 50% der dort erfassten Auslandsaufenthalte werden in den USA absolviert. Auch das Vereinigte Königreich (14%), Kanada (9%), Australien (7%) sowie einige europäische Länder (insgesamt 13%) werden häufiger genannt. Auch DELICADO (2010) zeigt, dass die betrachteten portugiesischen Wissenschaftler vor allem Gastländer in Nordamerika und Europa wählen. Etwa 50% der erfassten Auslandsaufenthalte werden in den USA und dem Vereinigten Königreich absolviert.

Was die Beweggründe für Auslandsaufenthalte anbelangt, nennen AYARI -GHARBI/BESSON/MAMLOUK (2014) das Voranbringen der Karriere als Wissenschaftler, gute Ausstattung und Rahmenbedingungen für die eigene Forschung im Gastland, finanzielle Interessen sowie eine Veränderung des Lebensstils, wobei das Voranbringen der Karriere als Hauptgrund genannt wird.

ENDERS/MUGABUSHAKA (2005) nennen den Zugang zu Ressourcen, die Reputation der ausländischen Institution, Kontakte/Kooperationen mit anderen Wissenschaftlern, das Voranbringen der eigenen Chancen auf dem heimischen Arbeitsmarkt sowie die Tatsache, dass ein Auslandsaufenthalt im eigenen Fachgebiet

„einfach dazu gehört“ (ENDERS/MUGABUSHAKA 2005: 79). Eine Befragung portugiesischer Wissenschaftler durch DELICADO (2010) ergibt, dass das Erlernen neuer Techniken und Methoden, der Aufbau internationaler Netzwerke, die Nutzung von Ausstattung und technischen Gegebenheiten, die im Inland nicht verfügbar sind, sowie die Notwendigkeit eines Auslandsaufenthaltes im Lebenslauf zu den wichtigsten Beweggründen zählen. VAN BOUWEL/VEUGELERS/LYKOGIANNI (2012) finden heraus, dass Karrieregründe das Hauptmotiv der Wissenschaftler darstellen, vor allem für diejenigen, die Auslandsaufenthalte in den USA verbringen. Als Hinderungsgründe führen BOSMAN et al. (2007) unter anderem sprachliche und kulturelle Hürden sowie Gründe, die im persönlichen Umfeld zu finden sind, an. In Hinblick auf die Effekte von Auslandsaufenthalten zeigen EBERSBERGER et al.

(2007b), dass die befragten Wissenschaftler durch die Auslandsaufenthalte ihre Karriere voranbringen konnten sowie mit bekannten Forschern zusammenarbeiten konnten. Ein Teil der Wissenschaftler nannte auch die Erstellung höherwertigerer Publikationen als Effekt der Auslandsaufenthalte. Eine Analyse der Mobilität von

Promovierten durch ENDERS/BORNMANN (2002) zeigt, dass „Auslandstätigkeiten (…) eine beflügelnde Wirkung auf den nach klassischen Kriterien von Position und Einkommen gemessenen Berufserfolg der Promovierten“ (ENDERS/BORNMANN

2002: 60) haben. Mit Hilfe einer qualitativen Analyse kommen RICHARDSON/MCKENNA (2003) ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Voranbringen der Karriere der wichtigste Effekt von Auslandsaufenthalten ist.

SCELLATO/FRANZONI/STEPHAN (2012) finden einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen der Mobilität von Wissenschaftlern und dem Aufbau internationaler Netzwerke, welche anschließend auch zu gemeinsamen Publikationen mit Wissenschaftlern aus dem Ausland führen. Dass auch negative Erfahrungen gemacht werden, zeigen KYVIK et al. (1999). Die befragten PhD-Studenten, die einen Auslandsaufenthalt absolvierten, gaben an, dass dieser zu einer Verzögerung der Fertigstellung der Dissertation führte und dass es Schwierigkeiten gab, mit Professoren oder anderen Forschern an der Gastinstitution in Kontakt zu treten.

Zusammenfassend zeigt sich also, dass neben dem Aspekt des Voranbringens der Karriere allgemein vor allem Beweggründe und Effekte genannt werden, die auf den erhofften bzw. erlangten Erwerb von Humankapital2 (Zugang zu Ressourcen, Erlernen neuer Techniken und Methoden, forschungsrelevante Ausstattung) und Sozialkapital3 (Kontakte zu anderen Wissenschaftlern, Aufbau internationaler Netzwerke) im Ausland hindeuten.

Dieses Kapitel trägt zur bestehenden Forschung zu Auslandsaufenthalten von Wissenschaftlern bei, indem zum einen eine empirische Bestandsaufnahme der Auslandsaufenthalte von Wirtschaftswissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz vorgenommen wird. Dabei können einzelne Aspekte der bisherigen Forschung zu Auslandsaufenthalten von Wissenschaftlern weiter vertieft werden: Die Anzahl der Auslandsaufenthalte wird mit Hilfe des vorliegenden Datensatzes auch getrennt nach Fachbereich (Betriebswirtschaftslehre / Volkswirtschaftslehre) und Geschlecht sowie nach Geburtskohorten betrachtet.

2 Humankapital wird hier definiert als der Bestand an produktivitätsrelevanten Fähigkeiten und Wissen, über den ein Wissenschaftler verfügt (vgl. BECKER 1993).

3 Sozialkapital wird hier definiert als die Ressourcen, zu denen ein Wissenschaftler durch sein Netzwerk Zugang hat (vgl. COLEMAN 1988; BOURDIEU 1983).

Letzeres zeigt, wie sich die Anzahl an Auslandsaufenthalten im Zeitablauf entwickelt. Des Weiteren wird untersucht, wie sich die Dauer der Auslandsaufenthalte entwickelt, wenn mehrere Auslandsaufenthalte absolviert werden. Auch die Gastländer und Gastinstitutionen der Wirtschaftswissenschaftler werden untersucht. Außerdem wird gezeigt, zu welchem Zeitpunkt der Karriere die Auslandsaufenthalte absolviert werden. Auch die Beweggründe für Auslandsaufenthalte sowie die von den Wissenschaftlern selbst eingeschätzten Effekte der Auslandsaufenthalte werden aufgezeigt. Was den Effekt der Steigerung des Publikationsoutputs anbelangt, kann gezeigt werden, wie hoch die Wissenschaftler den durch die Auslandaufenthalte entstandenen Publikationsoutput einschätzen und wie viele der Beiträge und Arbeitspapiere in Ko-Autorenschaft mit Autoren der Gastinstitution oder anderen Gästen der Gastinstitution entstanden sind.

Zum anderen erweitert das Kapitel die bestehende Forschung dahingehend, dass unter Anwendung von Regressionen untersucht wird, inwiefern die Anzahl und Dauer der Auslandsaufenthalte, die Anzahl der Auslandsaufenthalte in den USA sowie die Anzahl verschiedener Gastinstitutionen in Zusammenhang mit der Einschätzung der Effekte von Auslandsaufenthalten stehen.