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ausgewählter Brutvogelarten in Sachsen-Anhalt

Stefan Fischer, Gunthard Dornbusch, Kai Gedeon & Peter Südbeck

Einleitung

Im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion nach Rio hat auch die Bundesregierung Ziele der nach-haltigen Entwicklung in Deutschland definiert, die anhand von 21 sozio-ökonomischen und ökologi-schen Indikatoren überprüft werden können.

Unter diesen Nachhaltigkeitsindikatoren ist der Indikator für die Artenvielfalt (Entwicklung der Bestände ausgewählter Tierarten; umfassend dis-kutiert von ACHTZIGER et al. 2004) der einzige, der direkt die Biodiversität in Deutschland betrifft. Da Vogelarten leicht erfassbar sind, durch die ver-schiedensten Monitoringprogramme (s. Übersicht in FISCHER 2003) bereits umfangreiches Datenma-terial vorliegt und eine Vielzahl ehrenamtlicher Mitarbeiter für die Erfassungsvorhaben verfügbar sind, sollen bis auf einzelne Säugetierarten aus-schließlich Vogelarten den Indikator füllen.

Dieser Indikator ist ein simples Instrument, mit dem Kerninhalte des Artenschutzes möglichst pla-kativ der breiten Öffentlichkeit und der Politik nahe gebracht werden können. Er ermöglicht klare, all-gemein verständliche Botschaften (z.B. „Zustand der deutschen Vogelwelt erneut um X Prozent ver-schlechtert !“), ist dabei aber aufgrund seiner nach-vollziehbaren Methodik dennoch richtig in seiner Kernaussage.

Parallel zum bundesweiten Indikator für die Ar-tenvielfalt entwickelten die Bundesländer Initiati-ven zur Auswahl eines Sets von Kernindikatoren.

Anhand ihrer Flächenanteile in Deutschland (bzw.

in den Bundesländern) gehen Teilindikatoren für die Hauptlebensraumtypen Agrarlandschaft, Wäl-der und Forsten, Siedlungen, Gewässer, sowie Küsten und Alpen in den Indikator ein.

Indizes können entweder auf ein Basisjahr bezo-gen werden [wie beispielsweise im Monitoring häu-figer Vogelarten (u.a. FLADE & SCHWARZ 2003) oder DAX und DowJones-Index] oder sie beziehen sich auf einen Zielwert (s. SCHLUMPRECHT et al. 2001, SCHLUMPRECHT & SÜDBECK 2002, SCHLUMPRECHT

2003). Vorteile eines auf Zielwerte bezogenen In-dexwertes ergeben sich daraus, dass

• eine Erfolgsüberprüfung möglich ist,

• eine Handlungsorientierung gegeben ist,

• Prioritätensetzungen möglich sind und

• sich Managementaufgaben ableiten lassen.

Insbesondere die Handlungsorientierung ist ein ganz entscheidendes Argument für den Bezug auf Zielwerte. Der Indikator ermöglicht so nicht nur einen Blick in die Vergangenheit sondern zeigt,

wohin man will und wo man aktuell auf dem Weg zu den Zielen steht (Erfolgsüberprüfung). Da die Zielwerte artspezifisch sind, schlagen sich starke Bestandsveränderungen einzelner Arten nicht so stark im Indikator nieder. Der Bezug des Indika-tors auf ein Basisjahr birgt zudem die Gefahr, dass außergewöhnliche Extrembestände im Jahr des Beginns der Erhebungen die Werte erheblich ver-fälschen würden (s. ausführliche Argumentation in SCHLUMPRECHT & SÜDBECK 2002).

In Sachsen-Anhalt wurden im Zuge der Umset-zung des Indikators 2003 erstmalig Zielwerte für die ausgewählten Vogelarten durch Fachleute aus Ornithologie und Vogelschutz ermittelt, die hier vorgestellt werden.

Artenauswahl

Die Auswahl der Indikatorarten für den Zustand der „Normallandschaft“ in Sachsen-Anhalt folgte den innerhalb der Länderinitiative Kernindikato-ren (LIKI) breit diskutierten und festgelegten Vor-gaben. Für jeden der in Sachsen-Anhalt relevan-ten Lebensraumtypen wurden 6 bis 7 Indikatorar-ten ausgewählt, die möglichst verschiedene nah-rungs- und brutökologische Typen sowie unter-schiedliche Zugstrategien abdecken.

Da die Artenauswahl bundesweite Gültigkeit ha-ben soll, sind nicht in jedem Fall die für Sachsen-Anhalt optimalen Indikatoren ausgewählt worden (z. B. die hier sehr seltenen Arten Kolbenente, Steinkauz und Uferschnepfe).

Neben den LIKI-Arten wurden die Zielwerte auch für die in den Bundesindikator eingehenden Ar-ten ermittelt.

Um zusätzlich auch Maßnahmen des Artenschut-zes bewerten zu können, wurden neben den Ar-ten der Normallandschaft auch für ArAr-ten Zielwer-te ermitZielwer-telt, die stark von ArZielwer-tenschutzmaßnahmen profitieren bzw. die als sogenannte Problemvögel immer wieder auch Nachstellungen ausgesetzt sind.

Über die jeweils beste Auswahl der geeignetsten Indikatoren kann sicher lange diskutiert werden (für Arten des Ackerlandes s. GEORGE 2004). Bei besserem Kenntnisstand kann das Artenset dann aus fachlichen Gründen modifiziert werden.

Die Delphi-Methode

Die Frage „Wie viele Haubentaucher wollen wir im Jahre X in Sachsen-Anhalt haben?“, kann nicht einfach beantwortet werden. Ausgehend von der Berichte des Landesamtes

für Umweltschutz Sachsen-Anhalt.

Sonderheft 4/2004: 84-88

Ausgangssituation sollte es erfahrenen Feldorni-thologen aber möglich sein, „Etappenziele“ für ei-nen überschaubaren Zeitraum „optimistisch-rea-listisch“ abzuschätzen.

Wichtig ist dabei, die Randbedingungen zu ken-nen, unter denen die Entwicklung in den nächs-ten Jahren erfolgen soll:

1. alle verbindlichen Naturschutzbestimmungen (Schutzgebiets-Verordnungen, internationale Verpflichtungen etc.) werden eingehalten, 2. Land- und Forstwirtschaft sowie Siedlung,

Indus-trie und Verkehr entwickeln sich zügig in Rich-tung auf eine nachhaltige Nutzung (Tab. 1).

Die Delphi-Methode ist ausführlich von SCHLUMP

-RECHT et al. (2001) sowie SCHLUMPRECHT & SÜDBECK (2002) beschrieben worden. Es ist eine aus der empirischen Sozialforschung stammende Metho-de Metho-der Expertenbefragung zu zukünftigen Entwick-lungen. Dazu wurden nach Vorbild der niedersäch-sischen Kollegen 12 Ornithologen aus Sachsen-Anhalt eingeladen. Alle verfügten über die durch die Staatliche Vogelschutzwarte Sachsen-Anhalt zusammengestellten Daten zur Bestandsentwick-lung der betreffenden Vogelarten.

Die Experten sollten die Zielbestände für das Etap-penziel 2015 abschätzen. Diese aus populations-ökologischer Sicht eher kurze Zeitspanne wurde gewählt, um sie überschaubar zu machen und dann

auch recht bald eingreifen zu können, wenn offen-sichtlich wird, dass die Ziele nicht erreicht werden.

Die Befragung zu den Zielbeständen erfolgte an-onym. Die Zwischenergebnisse (Mediane, Quar-tile und prozentualer Quartilsabstand als Maß für die Streuung der Schätzwerte) wurden mitgeteilt und diskutiert. Nach der Diskussion erfolgte eine erneute anonyme Befragung. Bei neun Arten mit Quartilsabständen >20 % erfolgte eine weitere Diskussion und Befragung.

Datengrundlage aus Sachsen-Anhalt

Die Datengrundlagen für die Abschätzung der Ziel-werte sind bei den einzelnen Arten sehr verschie-den. Für einige seltenere Arten und Koloniebrü-ter liegen jährliche Zählungen über einen länge-ren Zeitraum vor (s. u.a. Zusammenstellungen in DORNBUSCH 2002, FISCHER & DORNBUSCH 2004). Für die übrigen Arten liegen in der Regel nur zwei Schätzwerte vor, die die Datengrundlagen für die Roten Listen der Vögel Deutschlands von 1996 und 2003 (WITT et al. 1996, BAUER et al. 2002, s. auch DORNBUSCH et al. 2004) bildeten. Diese Bestands-schätzungen betrafen die Jahre 1994 und 1999. Um wenigstens einen weiteren Datenpunkt zu erhalten, wurde anhand der Bestandsschätzung und der Trendangabe für die letzten 25 Jahre der Bestand des Jahres 1974 extrapoliert. Dazu wurde, um Be-standswerte für 1974 zu erhalten:

Hauptlebens-Raumtyp

Leitbild Grundlage für die Experten

Agrarland naturverträgliche Ausrichtung der Landwirtschaft durch Förderung des ökologischen Landbaus, Reduzierung von Umweltbelastungen und Erhalt der Artenvielfalt

Die Landwirtschaft wird naturverträglich ausgerichtet (Ausweitung des ökologischen Landbaus, Reduzierung von Umweltbelastungen wie Düngung und Pestizideinsatz, Erhöhung des Anteils naturnaher, extensiv genutzter Bereiche wie Saumstrukturen und Pufferflächen im Rahmen eines Biotopverbunds).

Wälder naturnahe Waldbewirtschaftung möglichst auf der gesamten forstwirtschaftlich genutzten Waldfläche

Im Zuge einer naturnahen Waldbewirtschaftung werden sich die Anteile stabiler, strukturreicher und naturnaher Mischwälder aus standortein-heimischen Baumarten sowie die Alt- und Totholzanteile im Wald sukzessive erhöhen.

Siedlungen sparsame und naturverträgliche Flächennutzung; Reduktion der Flächeninanspruchnahme sowie Erhalt und Entwicklung noch vorhandener Naturbestände im besiedelten und angrenzenden Bereich

Vorhandene Naturbestände, Freiflächen und Grünanlagen werden erhalten und entwickelt; die Flächeninanspruchnahme soll von heute 130 ha/Tag bis 2020 auf 30 ha/Tag reduziert und die siedlungsnahen Freiräume durch

Biotopvernetzung und Pflegemaßnahmen aufgewertet werden.

Binnengewässer Leitbild der

EG-Wasserrahmenrichtlinie ist „der natürliche bzw. der potenziell natürliche Zustand“

Die Gewässergüte in allen Gewässern sowie die Strukturgüte in den Fließgewässern wird (weiter) zunehmen. Zugleich werden sich die Anteile an gewässerbegleitenden Biotopen

(Uferrandstreifen, Auwälder) erhöhen. Die Bewirtschaftung von Fließgewässern wird auf der Ebene von Flusseinzugsgebieten durchgeführt werden und führt zu Konsequenzen über das unmittelbare Gewässerumfeld hinaus.

Tab. 1: Leitbilder der Entwicklung in den Hauptlebensraumtypen und Entscheidungsgrundlage für die Experten (aus ACHTZIGER et al., unveröff.).

Art Aktueller Brutbestand in Paaren/Revieren (Mittelwert

der Schätzgrenzen) Arten der Agrarlandschaft

Kiebitz 1.000-2.000 (1.500) 2.000 *) 33

Rotmilan 2.000-2.800 (2.400) 2.550 6

Neuntöter 15.000-25.000 (20.000) 24.500 23

Braunkehlchen 4.000-6.000 (5.000) 6.000 20

Feldlerche 200.000-300.000 (250.000) 300.000 20

Goldammer 80.000-120.000 (100.000) 110.000 10

Grauammer 2.000-3.000 (2.500) 3.500 40

Steinkauz (B) 5 [2002] 30 500

Uferschnepfe (B) 5 [2002] 15 250

Heidelerche (B) 10.000-14.000 (12.000) 12.000 0

Arten der Wälder und Forsten

Mittelspecht 800-1.400 (1.100) 1.300 18

Ziegenmelker 300-400 (350) 500 43

Kleiber 40.000-70.000 (55.000) 60.000 9

Sumpfmeise 8.000-15.000 (11.500) 12.250 7

Weidenmeise 8.000-15.000 (11.500) 12.750 11

Waldlaubsänger 20.000-30.000 (25.000) 27.000 8

Kleinspecht (B) 2.500-3.000 (2.750) 3.000 9

Schwarzspecht (B) 2.000-3.000 (2.500) 2.700 8

Grauspecht (B) 200-400 (300) 345 15

Schreiadler (B) 2 [2003] 6 200

Nachtigall (B) 25.000-35.000 (30.000) 30.000 0

Tannenmeise (B) 40.000-60.000 (50.000) 50.000 0

Arten der Siedlungsbereiche

Mauersegler 15.000-25.000 (20.000) 24.250 *) 21

Dohle 500-800 (650) 900 *) 38

Hausrotschwanz 45.000-55.000 (50.000) 55.000 10

Gartenrotschwanz 10.000-20.000 (15.000) 19.000 27

Rauchschwalbe 60.000-100.000 (80.000) 95.000 19

Mehlschwalbe 80.000-120.000 (100.000) 115.000 15

Haussperling 200.000-300.000 (250.000) 250.000 0

Wendehals (B) 1.500-2.500 (2.000) 2.200 10

Grünspecht (B) 1.500-2.500 (2.000) 2.250 13

Girlitz (B) 15.000-25.000 (20.000) 24.000 20

Arten der Binnengewässer

Eisvogel 100-400 (250) 300 20

Wasserralle 800-1.200 (1000) 1.200 *) 20

Rohrweihe 500-800 (650) 800 23

Haubentaucher 650-670 (660) [2001] 800 21

Rohrdommel 25 [2002] 42 *) 68

Teichrohrsänger 8.000-12.000 (10.000) 12.000 20

Kolbenente (B) 2 [2003] 5 150

Flussuferläufer (B) 5-10 (7) 15 114

Zwergtaucher (B) 350-1.000 (675) 800 19

Arten des Maßnahmenindikators

Uhu 11 [2000] 25 *) 127

Kranich 117 [2002] 150 28

Flussseeschwalbe 30 [2000] 50 *) 67

Trauerseeschwalbe 150 [2000] 200 *) 33

Fischadler 13 [2002] 25 92

Seeadler 13 [2002] 25 92

Wanderfalke 17 [2002] 25 47

Kormoran 693 [2003] 1.000 *) 44

Graureiher 2145 [2002] 2.500 17

Schwarzstorch 23 [2002] 30 30

Weißstorch 539 [2002] 600 11

Saatkrähe 3357 [2002] 3.500 4

• bei Trendangabe

– – (Abnahme >

50 %) der Be-stand von 1999 verdoppelt,

• bei Trendangabe – (Abnahme > 20 %) zum Bestand von 1999 ein Viertel addiert,

• bei Trendangabe + + (Zunahme > 50) der Bestand von 1999 um ein Drit-tel reduziert,

• bei Trendangabe + (Zunahme > 20 %) der Bestand von 1999 um ein Sechstel reduziert.

Zielbestände aus-gewählter Arten für das Jahr 2015 Die von den Exper-ten abgeschätzExper-ten Zielwerte für 2015 lagen bereits bei der ersten Befragung meist dicht beiein-ander. Nur bei eini-gen Arten (z. B. Kie-bitz) lagen die Quar-tile der Schätzwerte weit auseinander.

Die nach der Ergeb-nisdiskussion durch-geführte zweite Be-fragung führte bei den meisten Arten zu deutlich verringer-ten Spannen. Nur bei Uferschnepfe, Hausrotschwanz, Wasserralle, Kor-moran und Trauer-seeschwalbe führte die Diskussion sogar zu stärker divergie-renden Schätzwer-ten. Eine dritte Befra-gung wurde bei neun Arten nötig.

Die Ergebnisse der Zielwertbestimmung sind Tab. 2 in Vergleich mit den aktuellsten verfügbaren Be-standsdaten der Arten zu entnehmen. Für vier Ar-ten (Heidelerche, Tannenmeise, Nachtigall, Haus-sperling) wurden gleich bleibende Bestände pro-gnostiziert, für die übrigen Arten Zunahmen um 3 (Elster) bis 500 % (Steinkauz).

Tab. 2: Zielbestände ausgewählter Brutvogelarten Sachsen-Anhalts für das Jahr 2015 im Vergleich zu aktuellen Bestandsschätzungen.

[In der Regel Bestandsschätzung für 1999 (DORNBUSCH et. al 2004), sonst Jahr der letzten Zählung angegeben]. *) – Arten für deren Zielbestandsermittlung eine dritte Befragungsrunde nötig war. (B)

– Arten, die zusätzlich zum Satz der Kernindikatoren der Bundesländer für den bundesweiten Indi-kator von Interesse sind.

Die mittleren angestrebten Bestandszuwächse der Arten lagen (bei Ausschluss von Arten mit Aus-gangsbeständen < 20 Paaren) bei:

Arten der Wälder und Forsten: 12 + 11,7 % Arten der Siedlungsbereiche: 17 + 10,4 % Arten der Agrarlandschaft: 19 + 13,4 % Arten der Binnengewässer: 27 + 18,0 % Arten des Maßnahmenindikators: 29 + 19,9 %

Diskussion und Indexbildung

Artenauswahl und Methode der Zielwertbestim-mung sind Themen, über die sicher über Jahre diskutiert werden könnte (s. GEORGE 2004). Jeder gute Kenner eines bestimmten Lebensraums oder jeder Artspezialist kann sicher viele gute Gründe aufführen, warum eine Art besser aus dem Indi-kator zu streichen wäre, eine andere dafür grund ihres indikatorischen Wertes unbedingt auf-genommen werden müsste.

Die getroffene Artenauswahl ist letztlich ein Kom-promiss zwischen den Bundesländern. Berück-sichtigt sind neben rein fachlichen Gründen (De-cken die Arten unterschiedliche ökologische Pa-rameter ab?) auch die Erfassbarkeit der Arten und naturschutzstrategische Fragen.

Nahezu allen Vogelarten trauten die Experten zu, dass sie unter den in Tab. 1 aufgeführten Rand-bedingungen das Potenzial zur Bestandszunah-me bis zum Jahr 2015 haben. Die Zuwachsraten waren im Vergleich zu den für Niedersachsen pro-gnostizierten relativ gering. Für die Arten der ein-zelnen Lebensräume fielen die erhofften Be-standszuwächse unterschiedlich aus. Da jetzt beginnende Veränderungen in Wäldern und Fors-ten bis 2015 kaum wirksam werden können, fiel der erwartete Zuwachs für Arten dieses Lebens-raumtyps mit 12 + 11,7 % am geringsten aus. Die Zuwachsraten für Arten der Siedlungen (17 + 10,4

%) und der Agrarlandschaft (19 + 13,4 %) lagen deutlich höher. In diesen beiden Lebensraumty-pen sind durch Landnutzungsumstellungen bzw.

artenschutzgerechtes Bauen schnellere Effekte zu erwarten. Die höchsten Zuwächse prognostizier-ten die Experprognostizier-ten für Arprognostizier-ten der Binnengewässer (27 + 18,0 %) und die Arten des Maßnahmenindi-kators (29 + 19,9 %). Der hohe mittlere Zuwachs bei den Gewässerarten wird hauptsächlich durch die Rohrdommel getragen, die derzeit offensicht-lich überregional wieder leicht zunimmt (FISCHER

& DORNBUSCH 2004). Da durch Flutung von Gru-ben der Tagebaufolgelandschaft zunehmend neue Gewässer entstehen, können sich die Ansied-lungsbedingungen für Wasservögel in Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren wahrscheinlich verbessern. Der hohe Wert für die Arten des Indi-kators für Maßnahmen des Artenschutzes ergibt sich hauptsächlich durch hohe erwartete Zu-wachsraten bei den beiden Seeschwalbenarten, beim Kormoran und beim Schwarzstorch.

Für die Berechnung der Indexkurven für die ein-zelnen Lebensräume in Sachsen-Anhalt wurden lediglich die „LIKI“-Arten, also nicht die mit einem

„B“ in Tab. 2 gekennzeichneten Arten des Bun-desindikators herangezogen.

Dass die Artenauswahl keinen sehr gravierenden Einfluss auf den Verlauf der Indexkurve hat, zeigt Abb. 1. Hierfür wurden die Indexkurven sowohl für die 6 Waldarten nach „LIKI“ als auch für zwei

zu-fällig ausgewählte Sets von je sechs Waldarten der gesamten Indikatorenliste (Tab. 2) berechnet. Der Verlauf der drei Kurven ist recht einheitlich.

Abbildung 2 zeigt die Trendverläufe der Indikato-ren der andeIndikato-ren Lebensraumtypen in Sachsen-An-halt und des Maßnahmenindikators (Erfolg von Ar-tenschutzmaßnahmen). Sie macht insbesondere die dramatische Entwicklung in der Agrarlandschaft mit deutlichen Bestandseinbrüchen zwischen 1974 und 1994 deutlich. Dieser Trend ist offensichtlich noch nicht gestoppt.

Bei den Waldarten (Abb. 1) hat es dagegen offen-sichtlich bereits Mitte der 90er Jahre eine Trend-umkehr gegeben. Allerdings kann der niedrige Indexwert für 1994 durch zu niedrige Schätzwer-te einiger WaldvogelarSchätzwer-ten mit verursacht sein.

Nicht ganz klar sind die Trends bei den Arten der Gewässer und der Siedlungen.

Sehr positiv ist die Entwicklung des Maßnahmen-indikators mit einem stetig ansteigenden Index-wert. Diese Entwicklung würde deutlich negativer aussehen, wenn die Großtrappe mit in die Betrach-tung gezogen wäre, deren Bestände in Sachsen-Anhalt trotz erheblichen Engagements bei Arten-schutzmaßnahmen nicht zu halten waren.

Die Nachhaltigkeitsdiskussion im Bereich des Ar-tenschutzes sollte als Chance begriffen werden, die derzeit im Lande laufenden und anlaufenden Monitoringprojekte (DORNBUSCH & FISCHER 2003) intensiv voranzutreiben. Der Nachhaltigkeitsindi-kator ist nur zu füllen, wenn auch ausreichend gute Daten zu Bestand und Bestandsentwicklung der Vogelarten vorliegen.

Die Indikatoren müssen auch genutzt werden, um immer wieder den Finger in die Wunde zu legen, wenn Entwicklungen nicht nachhaltig verlaufen und wenn wir fern von der Erfüllung der Zielwerte bleiben. Hier müssen ehrenamtlicher und behörd-licher Naturschutz Maßnahmen einfordern, um sich den Zielen zunehmend anzunähern.

Abb. 1: Vergleich der Indexkurven für die 6 Waldarten nach „LIKI“ (schwarze Symbole) und für zwei zufällig ausgewählte Sets von je sechs Waldarten der gesam-ten Indikatorenliste (graue Symbole).

Indikator Wälder und Forsten 60

70 80 90 100 110

1960 1970 1980 1990 2000

Index in %

2010 2020

Abb. 2: Vergleich der Indexkurven für drei Lebensraumtypen und den Indikator für Artenschutzmaßnahmen in Sachsen-Anhalt.

Agrarlandschaft

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200

1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

Index in %

2015 2020

Siedlungen

0 20 40 60 80 100 120 140

1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

Index in %

2015 2020

Binnengewässer

0 20 40 60 80 100 120

1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

Index in %

2015 2020

Artenschutz 0

20 40 60 80 100 120

1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

Index in %

2015 2020

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Anschriften der Verfasser S. Fischer & G. Dornbusch

Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Staatliche Vogelschutzwarte

Zerbster Str. 7 39264 Steckby

fischer@lau.mlu.lsa-net.de Dr. Kai Gedeon

Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Reideburger Str. 47

06116 Halle (Saale)

gedeon@lau.mlu.lsa-net.de Peter Südbeck

Staatliche Vogelschutzwarte Niedersachsen Göttinger Str. 14

30449 Hannover