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17.1 (1) Der RH zeigt ausgewählte Probleme bei der Vollziehung der Grundversorgung anhand des nachfolgend beschriebenen Fallbeispiels auf:

Ein alleinstehender, volljähriger Fremder reiste im September 2015 über den Balkan nach Österreich ein, stellte im Oktober 2015 einen Asylantrag und war ab Mitte November 2015 der Grundversorgung Wien zugeordnet. Im März 2016 reiste dieser freiwillig während des laufenden Asylverfahrens wieder aus und kehrte nicht mehr nach Österreich zurück. Er erhielt durch die Grundversorgung Leistungen im Wert von rd. 2.000 EUR (Unterbringung, Taschengeld und Krankenversicherung).

Davon trugen der Bund 60 %, das Land Wien 40 %. Besondere rechtliche Fragen zu seiner Hilfs– oder Schutzbedürftigkeit stellten sich nicht.

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(2) Bei der Vollziehung der Grundversorgung kam es zu folgenden Problemen:

(a) Der Fremde schien in verschiedenen Unterlagen (z.B. für die Abrechnung von Leistungen) zwar mit der gleichen Grundversorgungszahl, aber mit unterschiedli­

chen Namen bzw. Geburtsdaten auf. Dies erschwerte die eindeutige Zuordnung der Leistungen, die Abrechnung und Kontrolle.

(b) Da die Unterbringung in einem kurzfristig eingerichteten Notquartier erfolgte, fehlten im Leistungszeitraum Regelungen über die Abrechnung der Leistungen zwischen dem Unterkunftgeber und dem Fonds Soziales Wien. Die Abrechnung erfolgte erst bis zu zwei Jahre verspätet (im Dezember 2016 für das Taschengeld, im Dezember 2017 für die Unterbringung).

(c) Mangels elektronischer Schnittstellen basierte die Abrechnung zwischen dem Unterkunftgeber und dem Fonds Soziales Wien nur auf manuell überprüfbaren Sammelrechnungen. Diese waren teilweise nicht korrekt (der Unterkunftgeber verrechnete rd. 100 EUR Taschengeld zu viel).

(d) Basis für die Abrechnung zwischen dem Bund und dem Fonds Soziales Wien war eine Datenbank (Betreuungsinformationssystem). Da elektronische Schnittstellen fehlten, hatte der Fonds Soziales Wien die Abrechnungsdaten auf Basis der Rech­

nungen des Unterkunftgebers manuell einzugeben. Der Fonds Soziales Wien tat dies aufgrund der hohen Anzahl der zu bearbeitenden Personen und der organisatori­

schen Änderungen während der Migrationskrise 2015/16 verspätet, unvollständig und teilweise nicht korrekt.

(e) Der Informationsfluss zwischen Unterkunftgeber, Fonds Soziales Wien und Innen­

ministerium war unvollständig: Der Unterkunftgeber informierte den Fonds Soziales Wien nicht über die Ausreise des Fremden. Eine per E–Mail übermittelte Informa­

tion des Innenministeriums dazu verarbeitete der Fonds Soziales Wien nicht wie vorgesehen. Dadurch ging das Innenministerium fälschlicherweise davon aus, dass der Fonds Soziales Wien für die bereits ausgereiste Person weiterhin Leistungen der Grundversorgung erbrachte. Erst eine Kontrolle der Fremdenpolizei im Novem­

ber 2017 brachte diesbezüglich Klarheit.

(f) Die vierteljährlich vorgesehene Abrechnung zwischen Wien und dem Bund erfolgte aus technischen Gründen nicht zeitgerecht im Jahr 2016, sondern erst 2018. Probleme bei der Dateneingabe erforderten aufwendige manuelle Kontrollen.

Der die Abrechnung abschließende Länderausgleich war zur Zeit der Gebarungs­

überprüfung noch offen.

17.2 (1) Der RH hielt fest, dass ein rund fünfmonatiger Aufenthalt eines Fremden – ohne besondere Fragen zur Aufnahme in die Grundversorgung aufgrund des fremden­

rechtlichen Status, zur Hilfsbedürftigkeit oder zum Betreuungsbedarf – einen mehrere Jahre dauernden Abrechnungsprozess auslöste. Dieser war sehr aufwen­

dig, teilweise fehlerhaft und führte zu erhöhtem Abstimmungsbedarf zwischen dem Innenministerium und dem Fonds Soziales Wien.

(2) Bei folgenden Prozessen beurteilte der RH die Probleme im beschriebenen Einzelfall als exemplarisch für einen systematischen Verbesserungsbedarf:

• Abrechnung und Kommunikation mit dem Vertragspartner: Die vertraglichen Grund­

lagen für die Abrechnung zwischen Fonds Soziales Wien und Unterkunftgeber waren nicht rechtzeitig festgelegt. Die Rechnungslegung erfolgte verspätet und war nur aufwendig zu prüfen. (TZ 25)

• Die Darstellung im Betreuungsinformationssystem war aufwendig, erfolgte verspätet und teilweise nicht korrekt. (TZ 20)

• Abrechnung mit dem Bund: Die Abrechnung zwischen Bund und Ländern war verspätet, der nachfolgende Länderausgleich war im Oktober 2019 noch offen.

(TZ 42 ff.)

• Leistungserbringung: Die Festlegung der Leistung (Höhe des Taschengelds) war nicht korrekt (weitere Beispiele dafür finden sich in der Stichprobenprüfung in TZ 19).

Der RH empfahl dem Innenministerium und dem Fonds Soziales Wien, die Phase rückläufiger Zahlen bei Asylanträgen zur Optimierung der Organisation, der internen und übergreifenden Prozesse und der eingesetzten IT–Anwendungen zu nutzen.

17.3 (1) Das Innenministerium sagte in seiner Stellungnahme zu, eine Optimierung seiner Prozesse zu prüfen. Es wies jedoch darauf hin, dass aufgrund der unterschiedlichen Organisationsstrukturen beim Bund und bei den Ländern eine weitgehende Harmo­

nisierung der übergreifenden Prozesse nur in beschränktem Umfang möglich sei. Es sei jedoch bestrebt, eine verbesserte und effektive Zusammenarbeit mit den Ländern im Rahmen der Grundversorgung zu forcieren. Auch im Bereich der Weiter­

entwicklung der IT–Anwendungen (Implementierung des Betreuungsinformations­

systems in die Integrierte Fremdenadministration (IFA)) stehe die Prozessoptimierung im Vordergrund. Daher würden in diesem Zusammenhang im Rahmen einer Projekt­

studie die konkreten Anforderungen vorweg erhoben.

(2) Der Fonds Soziales Wien wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich 2015 und 2016 die Anzahl der Personen in Grundversorgung in Wien mehr als verdrei­

facht habe. Um die Erstversorgung der Ankommenden zu gewährleisten, habe der Fonds Soziales Wien zusätzlich zu den eigenen Aufgaben noch Agenden des Innen­

ministeriums übernommen, wie etwa die Erstregistrierung, die Unterbringung in

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Notquartieren sowie die Versorgung von Transitflüchtlingen. Die Phase rückläufiger Asylanträge nach der Fluchtbewegung 2015/16 habe der Fonds Soziales Wien für die Nacharbeit und Erledigung von Aufgaben, die noch zur Krisenbewältigung notwendig gewesen seien, genutzt. Es seien Abläufe neu definiert und die neu entstandenen Schnittstellen geschärft sowie Prozessoptimierungen im Zuge der Umstellung auf die Subjektförderung vorgenommen worden. Mit einem den Gege­

benheiten angepassten Personalstand seien mittlerweile eine zeitgerechte Abrech­

nung und Bezahlung der Rechnungen möglich.

Der Fonds Soziales Wien fordere seit Jahren die Neuprogrammierung des Betreu­

ungsinformationssystems in diversen Gremien mit dem Ziel der Effizienzsteigerung in der Verwaltung und Abrechnung von Leistungen. Die Stellungnahme des Fonds Soziales Wien enthielt einen umfassenden Überblick über die diesbezüglichen Forderungen und Aktivitäten im Zeitraum 2014 bis April 2020.