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Autonome Robotik ist ein interdisziplinäres Fachgebiet. Um erfolgreich For-schung in diesem Bereich betreiben zu können, müssen Hardware, Systemarchi-tektur und Werkzeuge eng miteinander verzahnt sein. Man kann dies als die drei Säulen der Robotik-Forschung bezeichnen. Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Systemarchitektur.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Echtzeit-Systemarchitektur DISTAL vorge-stellt (Kapitel 3). Aus der Analyse der Anforderungen an Forschungsroboter wurden wesentliche Konzepte für das Design der Architektur abgeleitet. Die Be-sonderheit entsteht aus dem Zusammenspiel der Aspekte Modularität und Au-tonomie. Da es möglich sein sollte, einzelne Teile eines Roboters autonom zu betreiben, wurde DISTAL so konzipiert, dass kein zentraler Rechenknoten not-wendig ist. Mehrere autonome Knoten können – auch im Betrieb – miteinander verbunden werden und so Daten über das gesamte System austauschen. Ebenso ermöglicht die Laufzeit-Flexibilität, Teile eines Roboters abzunehmen, ohne dass es zu einer Unterbrechung der Regelungsprogramme kommt.

Trotz der Komplexität eines solchen verteilten Systems sollte es möglich sein, dass sich unerfahrene Anwender in kürzester Zeit in das System einarbeiten kön-nen. Beim nano-Camp von 3sat haben zwölf Jugendliche innerhalb von nur 90 Minuten Regelschleifen auf einem Roboter in Betrieb nehmen können und dabei eindrucksvoll bewiesen, dass dieses Ziel erreicht wurde.

Realisierbar war diese schnelle Einarbeitung durch die enge Verbindung der Sys-temarchitektur mit dem Werkzeug BrainDesigner. Mit dieser Software, die ebenfalls in der Arbeit vorgestellt wurde (Kapitel 4), ist es möglich, sensomoto-rische Regelschleifen grafisch zu erstellen. Damit auch große Netze übersichtlich bearbeitet werden können, ist die hierarchische Kapselung von Teilnetzen mög-lich. Die erforderliche Flexibilität wurde erreicht, indem Modulen der untersten Ebene ein neuronaler Bytecode hinterlegt ist (Kapitel 4.3). Er legt fest, wie die Daten verarbeitet werden. Die erstellten Netze können direkt im BrainDesigner berechnet und ihre Werte visualisiert werden. Ein Roboter kann dabei an den

PC angeschlossen direkt betrieben werden. Gleichzeitig ist es mit nur einer ein-fachen Konfigurationsänderung möglich, aus dem Netz per Knopfdruck Code für Embedded-Prozessoren zu erzeugen und in deren Programmspeicher abzu-legen. In diesem Modus kann ein Roboter autonom betrieben werden, wobei es jederzeit möglich ist, ihn an einen PC anzuschließen und den BrainDesigner zur Visualisierung der Daten zu verwenden.

Ein Roboter, der die vorgestellte Architektur nutzt und bei dessen Entwicklung vor allem die Aspekte Modularität, Autonomie, Einfachheit und Robustheit große Bedeutung hatten, ist Myon (Kapitel 2). An ihm wurden in dieser Arbeit die Systemarchitektur und die Kompilierung der Netze des BrainDesigners bei-spielhaft erläutert.

Auf dem Roboter Myon wurden mithilfe der DISTAL-Systemarchitektur inzwi-schen erfolgreich etliche Regelungen umgesetzt. Das „aufstehende Bein“ ist ein Einzelbein, das mittels des CSL-Paradigmas [Hil13] aufsteht und auch auf un-ebenen Untergründen steht. Mit diesem Experiment wurde gezeigt, dass auch mit einzelnen Körperteilen gearbeitet werden kann. Das „stabile Stehen“ über-trägt das Paradigma auf den gesamten Roboter. Auch bei kleinen Stößen und geneigten Böden steht der Roboter stabil. Darüber hinaus konnten auch Laufbe-wegungen erfolgreich umgesetzt werden.

In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass auch anspruchsvolle Regelungen für huma-noide Roboter auf einer vollständig dezentralen Architektur möglich sind. Die Aussage von [UBL06] aus dem Jahr 2006, dass solche Architekturen für huma-noide Roboter nicht geeignet seien, da die Kinematik und Dynamik eine zentrale Regelungsinstanz erfordern7, ist inzwischen also überholt.

5.1 Ausblick

Die DISTAL-Architektur ermöglicht die einfache Adaption für neue Systeme.

Darüber hinaus sind auch bei bestehenden Implementierungen, wie der des

7 „While fully decentral controller architectures have been implemented successfully for many multi-legged walking machines, they are not suitable for humanoid robots—the highly coupled

boters Myon, Erweiterungen möglich. Für Module, die die Batterien überwa-chen und deren Ladestand übermitteln, wurden bereits bei der Planung Über-tragungsslots vorgesehen. Sie sind also ohne großen Aufwand einzubinden. Der Austausch bestehender Komponenten ist ebenfalls einfach möglich, derzeit wird beispielsweise das BrainModule überarbeitet. Die Elektronik der Motoreinheiten Dynamixel RX-28 könnte durch eigene ersetzt werden, die die Aufgaben der Re-gelungsplatinen (AccelBoard3D) mit übernehmen. Dies ist zwar bei 44 Motoren pro Myon-Roboter ein erheblicher Aufwand und die Datenkommunikation müsste für mehr Teilnehmer angepasst werden. Auf die AccelBoard3D-Platinen und die Kabel zu den Motoreinheiten könnte dann aber verzichtet werden. Dies würde nicht nur Gewicht sparen, durch die wegfallende Kommunikation zwi-schen AccelBoard3D und Dynamixel wäre auch eine potentielle Fehlerquelle eli-miniert. Dies würde die Zuverlässigkeit des Systems nochmals erhöhen.

Auch bei den Werkzeugen sind Anpassungen möglich. Für andere DISTAL-Sys-teme muss der Quellcode des BrainDesigners dank seiner Erweiterbarkeit durch Plugins nicht verändert werden. Mit der Bereitstellung einer leicht zu entwi-ckelnden DLL können sofort Netze für einen neuen Roboter erstellt werden.

Auch für Myon sind Änderungen denkbar, die ebenfalls nur die jeweiligen Plugins betreffen. Beispielsweise wird derzeit für jedes AccelBoard3D bestimmt, welche Teile eines neuronalen Netzes lokal notwendig sind. Es kann daher vor-kommen, dass große Teilnetze parallel auf mehreren Boards berechnet werden.

Das ist aufgrund der großen Anzahl möglicher Neuronen pro Board bisher keine Einschränkung und erhöht die Robustheit beim Ausfall eines Boards. Sollten die Netze zukünftig aber größer werden, könnte der BrainDesigner solche mehrfach vorkommenden Teilnetze automatisch erkennen und dem Nutzer Handlungs-empfehlungen zur Bündelung auf einem AccelBoard3D geben. Erweiterungen sind ebenso beim neuronalen Bytecode denkbar. Mit den derzeitigen Befehlen ist es möglich, unzählige lokale Lernverfahren zu implementieren. Mit geringen Änderungen kann diese Flexibilität auch für globale Lernverfahren erzielt wer-den. Sowohl DISTAL als auch der BrainDesigner sind so anpassungsfähig, dass sie auch zukünftig für anspruchsvolle Aufgaben und neue Robotiksysteme ein-gesetzt werden können.