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Ausbau erneuerbarer Energien für die Stromerzeugung

Der zukünftige Strombedarf wird durch eine Zunahme der Stromnutzung in den zuvor skizzierten Anwen-dungsbereichen – also durch eine zunehmende Sektorkopplung – merklich ansteigen (müssen). Dieser Befund ist heute weitgehender Konsens innerhalb der Diskussion zur Entwicklung unseres Energiesys-tems. Neben die direkte Stromnutzung zur Wärmebereitstellung und im Verkehr tritt die Verwendung erneuerbaren Stroms für chemische Energieträger wie Wasserstoff und synthetische Energieträger auf Basis von Kohlenwasserstoffen (siehe hierzu Abschnitt 2.7). Wie stark der Strombedarf zunehmen wird, hängt darüber hinaus insbesondere von der zukünftigen Entwicklung im Bereich des originären Strombe-darfs ab – also für all die Anwendungen, die heute dominant mit Strom versorgt werden, wie künstliche Beleuchtung, stationäre Antriebe, Informations- und Kommunikationstechnik, Kältetechnik etc.

Beispielhaft zeigt Abbildung 7 die Stromnutzung im Jahr 2050 für drei ausgewählte Modellrechnungen.

Anhand der Darstellung lässt sich erkennen, dass mit weitergehenden Klimaschutzzielen der Strombedarf deutlich zunimmt. Während bei einem Zielwert der Reduktion energiebedingter CO2-Emissionen um 60 Prozent der zusätzliche Strombedarf bei rund 170 Terawattstunden liegt, resultiert bei einem Zielwert von 85 Prozent – unter sonst gleichen Randbedingungen – ein zusätzlicher Strombedarf von mehr als 500 Terawattstunden, sodass sich der Strombedarf insgesamt in etwa verdoppelt. Dieser zusätzliche Strombe-darf entfällt zu 39 Prozent auf die direkte Stromnutzung im Verkehr, zu 33 Prozent auf die Herstellung von Wasserstoff und zu 28 Prozent auf die direkte Nutzung zur Bereitstellung von Niedertemperaturwärme in Gebäuden. Im dritten dargestellten Fall – einer Reduktion um 85 Prozent, aber mit verschiedenen An-nahmen, die eine Erreichung der Reduktionsziele wesentlich erleichtern64 – resultiert eine Zunahme um rund 390 Terawattstunden.

Die Entwicklung des Strombedarfs von heute bis 2050 für die beiden Modellrechnungen mit einer Reduk-tion energiebedingter CO2-Emissionen um 85 Prozent zeigt Abbildung 8. Im Jahr 2015 wurden 509 Tera-wattstunden Strom als Endenergie genutzt, davon etwa 47 TeraTera-wattstunden im Verkehr und für Wärme-bereitstellung.65 Auch bei optimistischen Annahmen, die eine Erreichung der Reduktionsziele wesentlich erleichtern, tritt ein deutlicher Anstieg des benötigten Stroms auf, allerdings verzögert im Vergleich zu weniger optimistischen Annahmen, was mögliche Verbrauchsreduktionen betrifft.66 Um diesen wachsen-den Strombedarf bei zugleich kontinuierlich sinkenwachsen-den CO2-Emissionen bereitzustellen, ist ein kontinuier-licher Ausbau von Anlagen zur Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien notwendig. Den Korridor der Entwicklung der summarischen installierten Leistung von Anlagen zur Nutzung volatiler erneuerbar

64 Die wichtigsten Annahmen hierzu sind: Vorgabe eines Ausstiegs aus der Stromerzeugung mit Braun- und Steinkohle; Reduktion des originären Strombedarfs um 25 Prozent bis 2050; jährlich sinkender Energiebedarf für Industrieprozesse um 0,5 Prozent pro Jahr; Verdoppelung der Leistung der Grenzkuppelstellen zum Strom-austausch mit den Nachbarländern.

65 Basierend auf: BMWi 2017-3.

66 In den Szenarien, die in Ausfelder et al. 2017-1, Kapitel 4 verglichen wurden, reicht beispielsweise die Band-breite der Brutto-Stromerzeugung von rund 450 Terawattstunden bis etwa 800 Terawattstunden. Eine Aus-nahme bildet das Szenario „Treibhausgasneutrales Deutschland“ (UBA 2013): Hier ist unter Einbeziehung des Stroms zur Herstellung von regenerativem Methan und regenerativen Kraftstoffen eine Brutto-Stromerzeugung von rund 3.000 Terawattstunden notwendig, wobei ein hoher Anteil der regenerativ erzeugten Energieträger importiert wird.

39 gien – Sonne und Wind – zeigt Abbildung 9. Die Darstellung macht deutlich, dass selbst bei sehr optimisti-schen Annahmen, die eine Erreichung der Reduktionsziele wesentlich erleichtern, von einem Zubau für Solar- und Windenergieanlagen bis auf rund 350 Gigawatt auszugehen ist. Bei gleichem Reduktionsziel ohne derartige Annahmen würde im Jahr 2050 eine summarische installierte Leistung von knapp 500 Gigawatt benötigt. Die heute installierte Leistung für diese Anlagen beträgt knapp 95 Gigawatt, davon 48 Gigawatt für Wind Onshore, knapp 5 Gigawatt für Wind Offshore und knapp 42 Gigawatt für Photovoltaik.

Daraus ergibt sich ein notwendiger mittlerer jährlicher Zubau in Höhe von rund 8 bis 12 Gigawatt – je nach Randbedingungen und natürlich in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Anlagen (Photovol-taik, Wind Onshore, Wind Offshore).

Abbildung 7: Stromnutzung im Jahr 2050 in drei ausgewählten Modellrechnungen. Oben (-60 %): freie Optimierung des Energiesystems unter Maßgabe einer Reduktion energiebedingter CO2-Emissionen um 60 Prozent; Mitte (-85 % a): freie Optimierung, Reduktion um 85 Prozent; Unten (-85% b): Modellrechnung mit verschiedenen Annahmen, die eine Errei-chung der Reduktionsziele wesentlich erleichtern, Reduktion um 85 Prozent.

40 Abbildung 8: Entwicklung des Strombedarfs in den Modellrechnungen mit einer Reduktion energiebedingter CO2 -Emissionen um 85 Prozent. Dabei wird nach Strombedarf für originäre Stromanwendung und Stromanwendungen bei Wärme und Verkehr (Sektorkopplung) unterschieden.

Links (-85 % a): freie Optimierung, Reduktion um 85 Prozent; Rechts (-85% b): Modellrechnung mit verschiedenen Annah-men, die eine Erreichung der Reduktionsziele wesentlich erleichtern/Reduktion um 85 Prozent.

Abbildung 9: Korridor zur Entwicklung der summarischen installierten Leistung für Anlagen zur Nutzung fluktuierender erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung (Sonne, Wind). Die Darstellung basiert auf den Modellrechnungen mit einer Reduktion energiebedingter CO2-Emissionen um 85 Prozent. Der untere Rand der Fläche ergibt sich aus der Modellrech-nung mit verschiedenen Annahmen, die eine Erreichung der Reduktionsziele wesentlich erleichtern, und der obere Rand

41 aus der Modellrechnung ohne derartige Annahmen. Zusätzlich ist die Ausbauentwicklung der installierten Leistung für Photovoltaik und Windenergieanlagen dargestellt, wie sie sich aus der Förderung erneuerbarer Energien nach dem EEG 2017 ergibt67 (petrol ohne Begrenzung der Leistung auf 52 Gigawatt; blau mit Begrenzung der Photovoltaik-Leistung auf 52 Gigawatt).

2.4.1 Fazit

Die Transformation des Energiesystems basiert zentral auf den Techniken zur Erzeugung von Strom aus den erneuerbaren Energien Sonne und Wind. Die Analyse macht deutlich, dass je nach Randbedingungen ein mittlerer jährlicher Zubau in Höhe von 8 bis 12 Gigawatt erforderlich ist. Dies ist nicht unmöglich, wie der Photovoltaikzubau zwischen 2009 und 2012 von 22 Gigawatt zeigt, jedoch eine große technische, energiewirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung. Eine installierte Leistung an Erneuerbaren von mehreren Hundert Gigawatt benötigt nicht nur Fläche, sondern verursacht auch Veränderungen im Landschaftsbild, die an Akzeptanzproblemen scheitern könnten.

Ein zügiger Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert einen korrespondierenden Ausbau der Strom-netze auf allen Spannungsebenen.68 Durch räumlich sinnvolle Anordnung von Anlagen zur Nutzung er-neuerbarer Energien (nah am Verbraucher bei gleichzeitig guten Wind- beziehungsweise Solar-Potenzialen) und neuen Großverbrauchern (an günstigen Orten im Übertragungsnetz) kann der Netzaus-baubedarf reduziert werden. Beispiele sind Photovoltaikanlagen im Stadtbereich im Gegensatz zu ländli-chen Gebieten oder Elektrolyseure im Norden von Deutschland in der Nähe von Windparks. Ausbauziele für erneuerbare Energien und Stromnetze sollten daher auf die – für die Erreichung der Klimaschutzziele unerlässliche – Zunahme der Sektorkopplung abgestimmt werden.