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Aufklärung, Auseinandersetzung und Selbst- Selbst-verständigung

Im Dokument Haltung zeigen! — jetzt erst recht (Seite 42-45)

Die in den letzten Jahren gegen den „klassischen“ Rechts-extremismus von NPD und Neonazis entwickelten Konzepte greifen beim aktuellen Rechtspopulismus oft zu kurz. Sie können nicht ohne weiteres auf die AfD und andere rechts-populistische Akteur_innen oder auf die Neue Rechte an-gewandt werden. Ein breiter Konsens der demokratischen Ächtung wie gegenüber NPD und Neonazis kann jedenfalls gegenüber der aktuellen rassistisch und völkisch-nationalis-tisch grundierten sozialen Bewegung von rechts, deren par-lamentarischer Arm die AfD ist, nicht vorausgesetzt werden.

Im Jahr 2016 zählte die Bundesregierung mehr als 3.500 Straftaten gegen Geflüchtete

Aus der Diskursanalyse ist bekannt, dass sich die von rechts-extremen und rechtspopulistischen Akteur_innen bewusst im öffentlichen Diskurs platzierten Themen und Tabubrüche durch ihre Reproduktion in den klassischen Medien sowie auf interaktiven virtuellen Plattformen und Blogs

schlei-chend verankern.17 Dadurch sind sie in der Lage, eine Wir-kungsmacht zu entfalten, die ihrer tatsächlichen Stärke und Verankerung in der Gesellschaft nicht entspricht. Zudem wird gezielt mit Desinformation gearbeitet. Bewusst ge-streute Falschmeldungen, aber auch rechtsextreme Deutun-gen und ForderunDeutun-gen, finden in kürzester Zeit vielfache Ver-breitung — vor allem in den Echokammern von Medien wie dem „Compact“-Magazin, dem Blog „Politically Incorrect“18, den Publikationen und Kampagnenplattformen des Instituts für Staatspolitik sowie deren Präsenzen bei Facebook und Twitter. Solche Falschmeldungen und Deutungen beeinflus-sen gesellschaftliche Diskurse und politische Entscheidun-gen, ohne auf einer empirisch belegbaren Grundlage zu be-ruhen. Auch die oft emotional geführten gesellschaftlichen und politischen Debatten, wie etwa im Nachgang der Über-griffe in der Kölner Silvesternacht 2015, werden von rechts-populistischen und rechtsextremen Akteur_innen aufgegrif-fen und instru mentalisiert.

Auch die AfD verfolgt dezidiert eine Politik der Skandalisie-rung und RadikalisieSkandalisie-rung vorhandener gesellschaftlicher Debatten, beispielsweise um Zuwanderung oder das Ver-hältnis zum Islam, und nutzt oder verstärkt vorhandene Ängste und gesellschaftliche Neiddebatten. Das führt zu einer Verschiebung von Grenzen, sodass ehemals selbstver-ständliche Positionen zum demokratischen Miteinander, den Menschenrechten und dem Schutz von Minderheiten zuneh-mend infrage gestellt werden.

Rechtspopulistisch vorgetragenen Positionen ist weder allein mit Skandalisierung beizukommen, noch indem sie ignoriert werden.

Rechtspopulistisch vorgetragenen Positionen der AfD ist allerdings weder allein mit Skandalisierung beizukommen, noch indem sie ignoriert werden. Auch eine dauerhafte Ausgrenzung scheint nicht zu gelingen. Zudem hat sich die Hoffnung, dass sich die Partei selbst entlarven möge oder von Kritiker_innen entzaubert, nicht erfüllt.

Offensichtlich greift eine Aufklärung über die völkisch-natio-nalistischen, rassistischen oder antifeministischen Inhalte der AfD da zu kurz, wo sie genau wegen dieser Inhalte

ge-17 Vgl. z.B.: Sebastian Seng: Normalisierungsmaschine Integration. Eine rassismuskritische Analyse des Integrationsdiskurses. In: Ansgar Drücker/Sebastian Seng u.a. (Hrsg.): Geflüchtete, Flucht und Asyl.

Texte zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Flucht- und Lebens-realitäten, rassistischen Mobilisierungen, Selbstorganisation, Em-powerment und Jugendarbeit. Düsseldorf: 2016, S. 24–30. Vgl. auch Sebastian Friedrich (Hrsg.): Rassismus in der Leistungsgesellschaft.

Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisie-rungsprozessen der „Sarrazindebatte“. Münster: 2011.

18 Politically Incorrect“ (kurz: PI oder PI-News) ist ein 2004 gegründe-ter islamfeindlicher Newsblog, der sich zu einem der bedeutendsten deutschsprachigen Internetportale entwickelt hat und international mit islamfeindlichen, rechtsextremen und rechtspopulistischen Perso-nen und OrganisatioPerso-nen vernetzt ist. Siehe die Beschreibung der BPB unter: www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/173908/

glossar?p=81 (Zugriff am 05.05.2017)

wählt wird.19 Die eigentliche Aufklärung muss zum einen die rechtspopulistischen Strategien und Techniken betreffen, durch die solche Inhalte wirksam werden.

Zum anderen bedarf es einer Selbstverständigung über zwar grundlegende, aber häufig nur phrasenhaft verwandte Be-griffe wie Demokratie, Partizipation, Engagement, Zivilgesell-schaft und Solidarität.

Rechtsextremismus

In dieser Handreichung wird ein im Vergleich zu be - hördlichen Definitionen erweiterter Rechts extre-mis mus begriff verwendet, der sich vor allem auf die politischen Inhalte, vertretenen Standpunkte und Aktions formen bezieht. Dadurch wird deutlich, dass die hier als „Rechtspopulismus“ (siehe Definition oben) be-schriebene Strategie deutliche Überschneidungen mit rechtsex tremen Positionen, Haltungen und Handlungen aufweist.

Mit Hans-Gerd Jaschke beschreibt der Begriff „Rechts-extremismus“ im Folgenden „die Gesamtheit von Ein-stellungen, Verhaltensweisen und Aktionen, organisiert oder nicht, die von der rassisch oder ethnisch beding-ten sozialen Ungleichheit der Menschen ausgehen, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und das Gleichheits gebot der Menschenrechts-Dekla-rationen ablehnen, von der Unterordnung des Bürgers unter die Staatsräson ausgehen und die den Werte-pluralismus einer liberalen Demokratie ablehnen und Demokratisierung rückgängig machen wollen. Unter

‚Rechtsextremismus‘ verstehen wir insbesondere Zielsetzungen, die den Individualismus aufheben wollen zugunsten einer völkischen, kollektivistischen, ethnisch homogenen Gesellschaft in einem starken National-staat und in Verbindung damit den Multikulturalismus ablehnen und entschieden bekämpfen. Rechtsextremis-mus ist eine antimodernistische, auf soziale Verwerfun-gen industriegesellschaftlicher Entwicklung reagieren-de, sich europaweit in Ansätzen zur sozialen Bewegung formierende Protestform.“20

19 Vgl. etwa Frank Decker: Wahlergebnisse und Wählerschaft der AfD, online unter www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/afd/273131/wahlergebnisse-und-waehlerschaft (Zugriff am 05.03.2019).

20 Hans-Gerd Jaschke: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit:

Begriffe, Positionen, Praxisfelder. Opladen: 2001, S. 30.

Hrsg.: Bundesverband Mobile Beratung e.V.

Der Bundesverband Mobile Beratung e.V. vertritt die Interessen seiner Mitglieder, die in ganz Deutschland Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus anbieten.

Sie unterstützen die fachliche Vernetzung der Mobilen Beratungsteams und organisieren Fachtagungen und Fortbildungen, nehmen an gesellschaftlichen Debatten teil und beraten Politik, Verwaltung und Zivilgesell-schaft.

www.tinyurl.com/y5ekqk7t

Extrem rechte Aktivitäten haben in einigen, v.a. peripher gelegenen Regionen des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu einer ernsthaften Bedrohung für den sozialen Zusam-menhalt der Zivilgesellschaft und demokratischer Verhält-nisse vor Ort geführt. Dieser Entwicklung will das Projekt

„We come together — Regionales Handeln für Demokratie, Diversität und Partizipation“ etwas entgegensetzen. Ziel ist es, gerade in strukturschwachen und ländlichen Räumen de-mokratiefördernde Bildungsprozesse mit Jugendlichen zu entwickeln und umzusetzen. Jugendliche sollen dadurch zur Reflexion eigener Einstellungen angeregt werden, um da-mit auch präventiv gegen Rechtsextremismus zu arbeiten.

Das Projekt wird in Orten durchgeführt, in denen dezentra-le Wohnungen oder Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsu-chende bestehen und gleichzeitig rechte und rechtsextre-me Strukturen einen hohen Stellenwert besitzen. Über eine vorangehende Sozialraumanalyse wurden die Einstellungen dort bezüglich Zuwanderung, demokratische Gesellschaft und menschenfeindlichen Einstellungen erhoben.

Die Zielgruppe des Projektes sind Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren aus der Region, mit und ohne Migrations- oder Fluchthintergrund. Die Interessen und Lebenswelten dieser Jugendlichen bilden den Ausgangspunkt für die Bildungs-angebote zu den Themen Migration, Asyl und Gruppenbezo-gene Menschenfeindlichkeit. Die einjährig konzipierten frei-willigen Kurse folgen dem Schuljahresrythmus und bauen aufeinander auf. Die Jugendlichen werden befähigt, eigene kreative Projekte, in welchen sie ihre Wünsche für das ge-sellschaftliche Zusammenleben vorstellen, umzusetzen. Des Weiteren lernen sie, Themen und Methoden selbstständig anzuwenden und sie an Gleichaltrige weiterzugeben.

Darüber hinaus werden Schulungen und Trainings für Multi-pli kator_innen in Schulen, Freizeiteinrichtungen und Ver-einen angeboten, die die Teilnehmenden dazu befähigen, die Themen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und

We come together — Regionales Handeln

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