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4 Diskussion

4.1 Was sind die Herausforderungen bei der Synthese von Chromosomen?

4.1.2 Assemblierung von synthetischen Chromosomen

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Diskussion

mit einer Größe von etwa 200 kb aufzuteilen, die daraus resultierenden 23 Chromosomen wären mit molekularbiologischen Methoden in vitro zu manipulieren und könnten anschließend wieder in E. coli Zellen eingebracht werden. Mit dem 4,6 mb großen E. coli Chromosom wäre dies nicht möglich.

Bakterien mit zwei oder mehr Chromosomen sind eher die Ausnahme, wohingegen die Organisation des Genoms auf mehrere Chromosomen in Eukaryoten eher die Regel ist (Egan et al. 2005). Die Anzahl an Chromosomen bei Eukaryoten schwankt von eins bis zu 16.000 Chromosomen im haploiden Chromosomensatz (Crosland and Crozier 1986; Swart et al. 2013). Interessanterweise variiert die Größe der etwa 16.000 Chromosomen von Oxytricha trifallax von 469 bp bis 66 kb, wobei 90 % der Chromosomen ein proteinkodierendes Gen und nur 10 % der Chromosomen zwei bis maximal acht proteinkodierende Gene aufweisen (Swart et al. 2013). An dieser Stelle sollte ganz klar erwähnt werden, dass Oxytricha trifallax eine Ausnahme darstellt, da der Chromosomensatz zusätzlich polyploid ist und die Chromosomen durchschnittlich mit etwa 2.000 Kopien vorliegen. Das Konstruieren eines E. coli Stammes mit 4.288 Chromosomen, bei dem jedes Chromosom ein einzelnes proteinkodierendes Gen aufweist, wird auch in Zukunft utopisch sein (Blattner et al. 1997).

Ist ein Design für ein synthetisches Chromosom entstanden und soll dieses hergestellt werden, muss dieses entsprechend der Designvorgaben umgesetzt werden. Hier stellt sich zuerst die Frage, ob die gewünschten Änderungen noch durch Änderungen eines vorhandenen Chromosoms mittels Methoden des Genome Engineering umgesetzt werden können oder ob eine Neusynthese des Chromosoms notwendig ist (Schindler and Waldminghaus 2015). Doch wie kann die Herausforderung, ein ganzes Chromosom zu synthetisieren, bewerkstelligt werden?

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eine Kombination aus in vitro und in vivo Methoden für die DNA-Assemblierung von synthetischen Chromosomen zu verwenden (Zhou et al. 2016; Gibson et al. 2008a).

Vor- und Nachteile der in vitro DNA-Assemblierung synthetischer Chromosomen

Der Vorteil von in vitro DNA-Assemblierungsmethoden wie beispielsweise bei der für JCVI-syn1.0 verwendeten Gibson Assembly oder dem in der vorliegenden Arbeit verwendeten MoClo-System ist, dass diese deutlich zeiteffizienter sind als in vivo DNA-Assemblierungen in Hefe. Das MoClo-System ist der Gibson Assembly aufgrund der geringen Anzahl an Arbeitsschritten überlegen. Allerdings haben Typ IIS-basierte DNA-Assemblierungssysteme spezifische Anforderung an das Design, denn es dürfen keine zusätzlichen Erkennungssequenzen vorliegen bzw. vorliegende Erkennungssequenzen müssen eliminiert werden. Für die Gibson Assembly ist es ebenfalls wichtig, dass assemblierte DNA-Fragmente aus den Vektoren in denen sie assembliert wurden, durch eine selten schneidende Endonuklease herausgeschnitten werden können. Dabei ist zu beachten, dass diese Endonuklease nicht innerhalb der assemblierten DNA-Fragmente schneiden darf. Zudem hat die Gibson Assembly den Nachteil, dass homologe Bereiche an den Enden der zu assemblierenden DNA-Sequenzen vorhanden sein müssen. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass durch das MoClo-System effizient synthetische sekundäre Chromosomen bis zu einer Größe von 100 kb assembliert werden können (Schindler and Waldminghaus in preparation). Es konnte gezeigt werden, dass es möglich ist das ganze 583 kb große Mycoplasma genitalium Genom in vitro anhand der Gibson Assembly zu assemblieren (Gibson et al.

2009). Allerdings sind in vitro Methoden mit zunehmender Größe der DNA-Assemblierung nicht mehr praktikabel, was unter anderem auf Scherkräfte zurückzuführen ist, die die DNA fragmentieren können.

Als Lösung für dieses Problem hat sich die in vivo DNA-Assemblierung herausgestellt.

Vor- und Nachteile der in vivo DNA-Assemblierung synthetischer Chromosomen

Die in vivo DNA-Assemblierung wird häufig in einem heterologen System durchgeführt. Dies hat den Vorteil, dass dadurch mögliche toxische Effekte durch eine erhöhte Anzahl an Genkopien und die damit veränderte Expression unterbunden werden. Die Hefe Saccharomyces cerevisiae hat sich derzeit als System der Wahl etabliert (Benders et al. 2010; Tagwerker et al. 2012; Karas et al. 2012; Lartigue et al.

2009). Studien konnten eindrucksvoll zeigen, dass in der Hefe synthetische Chromosomen assembliert werden können oder aber ganze, intakte, mikrobielle Chromosomen durch Zellfusion aufgenommen werden können (Gibson et al. 2010; Hutchison et al. 2016; Karas et al. 2013a; Karas et al. 2014). In Hefe ist es anschließend möglich die aufgenommenen DNAs durch die Vielzahl an etablierten molekularbiologischen Methoden effizient zu modifizieren (Duina et al. 2014; Tsarmpopoulos et al. 2016;

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Chandran et al. 2014; Noskov et al. 2010; Lartigue et al. 2009). Zudem ist es möglich S. cerevisiae ohne großen technischen und wirtschaftlichen Aufwand zu kultiviert.

In Hefe können große DNAs und ganze Chromosomen als episomale Vektoren stabil aufrechterhalten werden, was ein klarer Vorteil gegenüber einer in vivo DNA-Assemblierung, wie sie in Bacillus subtilis durchgeführt wird, ist (Itaya 1995; Ohtani et al. 2012; Itaya et al. 2003). Dieses Bakterium kann effizient einzelne, lineare DNA-Fragmente aufnehmen und ins Chromosom integrieren, so dass eine schrittweise DNA-Assemblierung möglich ist. Allerdings ist die Insertion in das Chromosom auch gleichzeitig die Limitierung dieser Methode, denn die Isolation der assemblierten DNAs in Form von episomalen Vektoren und deren Transfer aus dem Chromosom von B. subtilis ist bisher nur beschränkt möglich (Itaya and Tanaka 1997; Tanaka and Ogura 1998; Kaneko et al. 2005). Es ist derzeit technisch nicht möglich ganze in B. subtilis assemblierte Chromosomen zu isolieren.

Ein Vorteil von S. cerevisiae, der jedoch gleichzeitig ein Nachteil sein kann, ist die effiziente homologe Rekombination, denn diese benötigt lediglich 20 bp an homologer Sequenz für eine erfolgreiche Rekombination (Gibson 2009). Die homologe Rekombination in Hefe wird genutzt, um wie bereits beschrieben in vivo DNAs zu assemblieren, jedoch können dadurch assemblierte DNA-Konstrukte mit bereits kurzen homologen Bereichen instabil werden (Resnick and Nilsson-Tillgren 1990). Zudem ist es schwierig in Hefe Chromosomen mit einem hohen GC-Gehalt zu assemblieren und stabil aufrecht zu erhalten (Noskov et al. 2012; Karas et al. 2013b). Die natürlichen Chromosomen der Hefe haben nicht einen einzelnen Replikationsursprung, sondern viele in unregelmäßigen Abständen auftretende, autonom replizierende Sequenzen (ARS) (Dhar et al. 2012; Musialek and Rybaczek 2015). ARS sind AT-reiche Sequenzabschnitte, was bei einem Design von synthetischen Chromosomen mit hohem GC-Gehalt zwingend zu berücksichtigen ist. Es konnte gezeigt werden, dass es etwa alle 100 kb zusätzlich eingefügte ARS erst möglich machen GC-reiche Chromosomen in Hefe zu assemblieren und als Replikon aufrecht zu erhalten (Noskov et al. 2012; Karas et al. 2013b). Dies ist nicht notwendig bei Chromosomen mit einem GC-Gehalt ähnlich dem der Hefe (38 %), da die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass ARS zufällig vorhanden sind (Karas et al. 2013b). ARS besitzen eine 11 bp lange degenerierte DNA-Kernsequenz 5´-WTTTAYRTTTW-3´, welche beispielsweise im 1.084 kb Chromosom von M. mycoides 303-mal vorkommt, was durchschnittlich einer ARS pro 3,6 kb entspricht. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, dass einige der DNA-Sequenzen in der Hefe als ARS funktionieren können und eine Insertion von zusätzlichen Hefe-ARS nicht notwendig ist (Karas et al. 2013b).

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Ist Sinorhizobium meliloti in Zukunft eine Alternative zu S. cerevisiae?

In der Synthetischen Biologie werden immer weitgreifendere Veränderungen an Genomen durchgeführt und neben E. coli, M. mycoides und S. cerevisiae werden viele weitere Modellorganismen bzw. Chassis für diese Zwecke erforscht und etabliert (Adams 2016). Ein interessanter Organismus in diesem Bezug ist Sinorhizobium meliloti, da dieser im Begriff ist als Chassis für die Synthetische Biologie etablieren zu werden (Döhlemann et al. 2016; Döhlemann et al. submitted). S. meliloti ist in der Lage homologe Rekombination durchzuführen, allerdings benötigt S. meliloti dafür mindestens 200 bp homologer Sequenzen (Becker et al. 2009). Dies könnte ein Vorteil für die Assemblierung von DNA-Sequenzen mit kleineren homologen DNA-Sequenzen sein, da die Chance eines Rekombinationsvorgangs geringer ist als in S. cerevisiae. Des Weiteren werden keine zusätzlichen ARS benötigt, denn die DNA-Replikation des gesamten Replikons kann, wie in Bakterien üblich, ausgehend von einem Replikationsursprung bewerkstelligt werden. In S. meliloti wurde ein auf repABC-Plasmiden basierendes System etabliert, um effizient DNAs zu assemblieren (Döhlemann et al. submitted). Dabei handelt es sich um Plasmide, die in einer einfachen Kopienzahl in S. meliloti vorliegen und eine hohe Replikonstabilität aufweisen (Döhlemann et al. submitted). Dieses könnte vielleicht in Zukunft genutzt werden, um ganze Chromosomen zu assemblieren, allerdings fehlen dazu noch Projektstudien, ob S. meliloti ähnlich große episomale DNAs stabil aufrechterhalten kann wie S. cerevisiae.

Das Potential von S. meliloti ist allerdings enorm, da dieses Bakterium neben dem primären Chromosom von 3,65 mb, zwei Megaplasmide pSymA (1,35 mb) und pSymB (1,68 mb) besitzt, wobei nur pSymB zwei essentielle Gene kodiert (Barnett et al. 2001; Finan et al. 2001; Capela et al. 2001; Galibert et al. 2001;

diCenzo et al. 2013). Wenn die essentiellen Gene von pSymB in das Chromosom von S. meliloti transferiert werden, ist es möglich, dass lebensfähige Zellen ohne die beiden Megaplasmide entstehen können (diCenzo and Finan 2015). Angenommen die entstandene Genomreduktion kann für die Assemblierung heterologer DNA-Sequenzen genutzt werden, dann könnte dies bedeuten, dass DNA-Sequenzen mit mehr als 3 mb assembliert und in S. meliloti als extra Replikon aufrechterhalten werden könnten. Für B. subtilis konnte gezeigt werden, dass dieses Bakterium mehr als 3 mb zusätzlich in das Chromosom integrieren kann (Itaya et al. 2005; Watanabe et al. 2012). Sollte dies in S. meliloti ebenfalls möglich sein, könnte vielleicht ein ganzes E. coli Chromosom (4,6 mb) in S. meliloti als eigenständiges Replikon aufrechterhalten werden.

Durch Methoden der Synthetischen Biologie ist es möglich ganze Chromosomen zu designen und zu assemblieren. Eine effiziente DNA-Assemblierung basiert meist auf der Kombination von in vitro und in vivo Techniken mit einer finalen, heterologen in vivo DNA-Assemblierung. Finale Assemblierungen

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Diskussion

müssen aus diesem Grund isoliert und transplantiert werden, um Zellen zu generieren deren Genom ausschließlich auf dem synthetischen Chromosom basiert. Doch wie können synthetische Chromosomen transplantiert und somit synthetische Zellen generiert werden?