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Aspekte von Wohnsituation und Wohnumfeld

Im Dokument Daten zur Gesundheit (Seite 25-28)

Neben der Zugehörigkeit zu Referenzgruppen, sei es als Unterstützungsgebende oder Hilfe-nehmende, ist die Lebenssituation auch durch die Wohnverhältnisse sowie das nähere räumliche Umfeld charakterisiert. In Sachsen- Anhalt sind seit den 1990er Jahren hier ent-scheidende Verbesserungen bewirkt worden. Der Anteil von Einfamilienhäusern ist deutlich gestiegen, einhergehend mit hoher Mobilität, zugunsten der in den Speckgürteln gelegenen Dörfer (vgl. Harth/ Herlyn/ Scheller 1998). Aber auch in den Städten wurde vorhandener Wohnbestand renoviert, die Quartiere verschönert. Dennoch hat die vorliegende Untersu-chung diese Thematik aufgegriffen und sie ausschnitthaft durch zwei, die Gesundheit poten-ziell beeinträchtigende Aspekte beleuchtet - die Belastungen, die sich aus der Wohnsituation ergeben sowie die Lärmstörungen aus der Umgebung.

Belastungen durch die Wohnsituation

Die meisten der im Survey erfassten Personen sind mit der aktuellen Wohnsituation zufrie-den. Lediglich 15 Prozent berichten von mehr oder weniger grossen Belastungen in diesem Bereich (vgl. auch Kapitel 4). Unter ihnen sind jüngere Personen überrepräsentiert - und zwar zuvorderst ledige und alleinlebende, in Ausbildung oder Studium stehende. Tendenziell klagen auch Arbeiter und Arbeitslose eher als andere soziale Gruppen. Es handelt sich mit-hin um solche Menschen, die ein geringes Einkommen haben und deshalb nicht selten auf minderwertigen Wohnraum ausweichen müssen. Möglicherweise treten gestiegene Ansprü-che der heranwachsenden Generation hinzu. Sie mögen bereits feste Vorstellungen über gutes Wohnen entwickelt haben und sehen deshalb die eigene Unterkunft mit kritischen Au-gen. Mit Abschluss der Ausbildung aber, so ist zu vermuten, wird es den meisten von ihnen gelingen, die persönlichen Erwartungen zu realisieren und die Zufriedenheit zu steigern.

Gleichwohl ist das Belastungsempfinden im Wohnbereich nicht ausschliesslich Ausdruck subjektiver Empfindsamkeit oder übersteigerter Ansprüche. Vielmehr spielen äussere Ein-flussgrössen eine beachtliche Rolle. Hierzu gehören Beeinträchtigungen durch Lärm. Je stärker dieser zu Tage tritt und sich als schlafstörend auswirkt, desto belastender wird die gegenwärtige Wohnsituation erlebt (vgl. Abbildung 3.2). Insbesondere die Geräusche des Strassenverkehrs und aus der Nachbarschaft vermindern die Freude an den eigenen vier Wänden. Rund jeder Vierte, der sich hiervon in seiner Nachtruhe gestört sieht, gibt mittlere oder starke Belastungen durch die Wohnsituation an. In den ruhigeren Gegenden ist dies nur etwa jeder Siebte. Andere Lärmquellen sind ebenfalls signifikant negativ, wenngleich sie nicht in diesem hohen Maße Unterschiede zwischen den Teilstichproben erzeugen - Bau-maßnahmen, Geräusche der Hausinstallation, Schienenverkehr, Industrie und Gewerbe, Gaststätten und Diskotheken sowie Flugzeuge. Dies veranlasst, die Lärmquellen im einzel-nen zu betrachten und sie ausführlicher zu analysieren.

Schlafstörender Lärm in der Wohnumgebung

Wiederum ergibt sich insgesamt gesehen ein eher positives Bild - die Lärmstörungen halten sich in Grenzen. Wenn überhaupt, stört Strassen- und Nachbarschaftslärm. Jeweils etwa jeder Vierte berichtet, hiervon im Schlafverlauf etwas belästigt zu sein; 16 Prozent leiden in starkem Grade. Aber auch Naturgeräusche können zuweilen unangenehm sein; für immerhin 30 Prozent stellen sie eine, wenn auch leichtere Belastung dar, 10 Prozent klagen hierüber ernsthaft. Es folgt der Lärm der Baustellen - 17 Prozent sehen sich etwas gestört, 12 Prozent stärker - und der durch Familienmitglieder in der Wohnung verursachte Krach (21 bzw. 6 Prozent). Störungen durch Flugzeuge, Schienenverkehr, Industrie und Gewerbe, Gaststätten und Diskotheken sowie durch die Hausinstallation sind nur für eine kleine Minderheit bedeut-sam.

Abbildung 3.2

Die Beziehung zwischen Belastungen durch die Wohnsituation und Störungen des Schlafs durch Lärmquellen. Extremgruppenvergleich. Mediane.

Quelle: Bevölkerungssurvey Sachsen-Anhalt 2003

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p < 0.01 (Mediantest)

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5 2

1

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nicht belastend (N 1254) Wohnsituation ist ... stark belastend (N 107) Schienenverkehr

Industrie/ Gewerbe Strassenverkehr

Hausinstallation Baumaßnahmen

Naturgeräusche Nachbarschaft

Familienmitglieder

überhaupt

nicht sehr

stark störend

Gaststätten/ Disko

Flugzeuge

Die im Fragebogen erhobenen zehn Lärmquellen wurden in einer Summenskala addiert.Der Wert 10 indiziert, dass alle erfragten Quellen als überhaupt nicht störend eingeschätzt wur-den, 50 drückt aus, dass alle mit der Antwortvorgabe 5 (sehr stark störend) bedacht wurden.

50 Prozent der Befragten sind unterhalb des Wertes von 12,7 (Median) positioniert, das heisst, sie sind nur in sehr geringem Ausmaß beeinträchtigt. Oberhalb der theoretischen Skalenmitte sind lediglich 2 Prozent zu finden. Und dennoch verdienen diese erfreulichen Befunde der vertiefenden Darstellung. Denn die Lärmquellen sind miteinander assoziiert.

Das heisst, Menschen, die mit einer bestimmten Geräuschursache konfrontiert sind, hören umso wahrscheinlicher auch weitere. Und umgekehrt - wer von gewissen Lärmbeeinträchti-gungen verschont ist, hat auch vor anderen überwiegend Ruhe. Die ausgeprägteste Ver-knüpfung besteht zwischen Baustellen- und Industrielärm (.57). Es folgen Verschmelzungen zwischen Geräuschen von Baustellen und Industrie, von Baustellen und Gaststätten/ Disko-theken (jeweils .54). Ebenso erwähnenswert sind die Verknüpfungen zwischen Flugbetrieb

und Baustellenlärm, Flugbetrieb und Strassenverkehr (je .51). Die weiteren Assoziationen liegen unterhalb dieser Werte, verbleiben aber allesamt im positiven Bereich (vgl. Tabelle A3.9).

Die regionale Differenzierung der Daten bestätigt einmal mehr, dass die Wahrnehmungen der Befragten nicht allein persönlichen Empfindlichkeiten geschuldet sind, sondern ein reales Substrat haben. So fühlt sich im Saalkreis - in dessen Einzugsbereich der Flugplatz Leipzig/

Halle liegt - jeder Vierte durch Flugzeuglärm gestört. Hinzu kommt der Schienenverkehr, der von ähnlich vielen beanstandet wird. Auch in den Regionen um Bitterfeld ist dies eine mo-nierte Geräuschkulisse. Baustellen sind am ehesten in Magdeburg zu hören, die wenigsten im Kreis Stendal. Naturgeräusche als Lärmstörung werden vor allem in den ländlichen Ge-bieten des Burgenlandkreises angezeigt, in Magdeburg hingegen am geringsten wahrge-nommen. Dennoch sticht in der Summe keiner der in der Untersuchung erfassten Landkreise negativ hervor. Vielmehr bleiben die gefundenen Unterschiede auf einzelne Aspekte be-schränkt, in der Summe gibt es keine signifikanten Abweichungen zwischen den Regionen.

Dies ist auch hinsichtlich der weiteren Variablen zu konstatieren. In der Gesamtschau unter-scheiden sich Männer und Frauen, Ältere und Jüngere, Alleinlebende und in grossen Haus-halten Wohnende nicht systematisch voneinander. Sie hören allenfalls Detailaspekte anders:

Strassenlärm, Naturgeräusche und Flugzeuge stören beispielsweise die vor 1959 Gebore-nen eher, die jungen Befragten indes klagen über Lärm aus der eigeGebore-nen Familie. Am wenigs-ten betroffen zeigen sich Personen im Alter über 60. Wenn Kinder im Haushalt leben, wer-den Geräusche aus der Familie öfter als störend benannt und generell wird offenbar, dass mit zunehmender Personenzahl in einem Haushalt eine gesteigerte, wenngleich immer noch moderate, innerfamiliale Lärmbeeinträchtigung einhergeht. Überdies sind Angestellte und Arbeiter lärmsensibler als Beamte und Selbständige. Gleichwohl sind unter jenen, die höchs-te Störungen vermelden, gerade die Selbständigen überrepräsentiert (4 Prozent).

3.4 Fazit

Auf den ersten Blick erscheint die Lebenssituation der Menschen in Sachsen- Anhalt in ei-nem recht günstigen Licht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Indikatorenbündel - Bildungs-, Berufs- und Erwerbsstatus, soziale Unterstützung, Wohnen und Wohnumgebung - herangezogen werden: Die Mehrheit verfügt über ein mittleres Bildungs- und Qualifikations-niveau, das beruflich in Angestellten- und Arbeiterpositionen eingebracht wird. Immerhin je-der Fünfte hat ein Hochschulexamen vorzuweisen, in je-der heranwachsenden Generation zeichnet sich ein weiterer Anstieg des Bildungsniveaus ab. Über zwei Drittel der Befragten sind in das Erwerbsleben integriert, zumeist in einer Vollzeitstelle. Schwere körperliche Ar-beit ist selten geworden, insbesondere jüngere Leute verrichten ihre Tätigkeit im Sitzen.

Auch die familiale Eingebundenheit ist überwiegend positiv. Mit anderen zusammen zu leben ist das dominierende Muster, sei es im Status der Ehe oder in freier Partnerschaft. Insbe-sondere in der älteren Generation zählen Kinder dazu, auch wenn sie - gerade im städti-schen Milieu - nicht mehr im Haushalt wohnen. Aktive Betreuungs- und Pflegeleistungen für Angehörige oder Nahestehende hat allerdings nur eine Minorität in den letzten 5 Jahren erbringen müssen. Dies oblag überwiegend, doch nicht ausschliesslich, den älteren Frauen.

Insgesamt erweist sich das potenzielle soziale Netzwerk als stabil. Wenn sie selbst in Not gerieten, dürfen die meisten darauf vertrauen, dass ihnen mehrere Personen helfen würden.

Die Wohnsituation schliesslich, wird überwiegend positiv beurteilt, grobe Beeinträchtigungen durch Lärm aus dem Umfeld sind eher die Ausnahme. Wenn die Geräuschkulisse als schlaf-störend empfunden wird, so ist dies vor allem dem Strassenverkehr und der lauten Nachbar-schaft geschuldet.

Auf den zweiten Blick aber, offenbaren sich deutliche schicht- und altersspezifische Dispari-täten. Vor allem Angehörige der unteren Bildungsschicht verrichten harte körperliche Arbeit, und sie empfinden dies auch so. Sie tragen zudem das höchste Risiko, arbeitslos zu werden.

Zugleich mehren sich die Anzeichen sozialer Desintegration - Arbeiter und Arbeitslose leben häufiger als andere allein und können weniger hoffen, in Notfällen Unterstützung durch ande-re Menschen zu erlangen. Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich dies weiter, wobei mehr Männer als Frauen betroffen sind. Hinzu treten, wohl auch in Folge der finanziellen Einschränkungen, desolatere Wohnverhältnisse. Während die schichtspezifischen Ungleich-heiten eindeutig sind, gilt dies für die alterstypischen nicht. Junge Menschen sehen sich mit Beeinträchtigungen durch die Wohnverhältnisse, durch den Lärm der Familienmitglieder kon-frontiert. Parallel dazu können sie aber auf ein breites Netzwerk von Unterstützungen zu-rückgreifen, ohne selbst aktiv helfen zu müssen. Mit zunehmendem Alter verringern sich die Haushaltsgrössen und die Zahl jener, die im Notfall hilfreich zur Seite stünden. Dies geht einher mit steigenden Diensten, die die Befragten für pflegebedürftige Personen erbringen.

Den Angehörigen unterer Sozialschichten sowie den älteren Menschen sollte mithin das be-sondere Augenmerk gelten. Für Arbeitslose und Arbeiter käme es darauf an, Angebote zu entwickeln, die ihnen mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erlauben, etwa im Bereich von Bewegung und Sport. Auch verbesserte, preisgünstige Angebote im Wohnungssektor wären hilfreich. Für ältere Menschen erscheint es wichtig, zur Aufrechterhaltung sozialer Netzwerke beizutragen, und sie vor allem dann zu unterstützen, wenn Angehörige zu pflegen sind.

Im Dokument Daten zur Gesundheit (Seite 25-28)