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IV. Diskussion

IV.3 ZO-1 in der Säugetierretina

IV.3.1 Architektur von gap junctions

Den besten Einblick in mögliche Funktionen von ZO-1 in der Retina bieten die A-Typ Horizontalzellen des Kaninchens. Die Größe der Connexin-plaques erlaubte eine gute Auflösung der räumlichen Struktur von ZO-1 zusammen mit Cx50. An diesen gap junctions formt ZO-1 eine zaunähnliche Abgrenzung um die Connexine statt direkt mit ihnen zusammenzufallen (Abb. 61). Eine direkte Interaktion von ZO-1 und den Connexinen, wie sie oftmals postuliert wurde (Übersichtsartikel von Giepmans, 2004), wäre an solchen Synapsen allenfalls nur mit Connexinen an den äußeren Rändern möglich.

Die dort vorgefundenen Strukturen erinnerten stark an die elektronenmikroskopisch untersuchte Architektur der von tight junctions umschlossenen gap junctions zwischen Endothelzellen der Kaninchenkornea (Raviola et al., 1980). Wiederum mit Hilfe der Elektronenmikroskopie konnten auch weitere Analogien direkt in der OPL der Retina gezeigt werden. So wurden in der Katze von Kolb (1977) adherens junctions gefunden, welche dort die gap junctions der Horizontalzellen umgeben. Des Weiteren werden in der aktuellen Studie von Janssen-Bienhold et al. (2009) Cx57-immunreaktive gap junctions von Maus-Horizontalzellen beschrieben, die abermals von adherens junctions umschlossen sind.

Abbildung 61: Modell der Verteilung von Proteinen an den hier untersuchten gap junctions. Die Connexine sind eng mit den Glutamatrezeptoren (GluRs) an den desmosome-like junctions assoziiert. Die gap junction wird von tight oder adherens junctions begrenzt, an denen ZO-1 die Transmembranproteine mit dem Zytoskelett verankert, statt direkt mit den Connexinen zu interagieren.

Die lichtmikroskopische Analyse von ZO-1 und Cx57 im Rahmen der hier vorliegenden Studie zeigte eine Kolokalisation dieser Proteine. Die Struktur der großen Connexin-plaques im Kaninchen und die ultrastrukturellen Resultate von Janssen-Bienhold et al.

(2009) legen jedoch nahe, dass die hier in der Maus gefundene Kolokalisation von ZO-1 und Cx57 bloß auf die geringe Größe der gap junctions bzw. auf die dafür mangelnde Auflösung der konfokalen Mikroskopie zurückzuführen ist. ZO-1 könnte demnach auch an den anderen, kleineren gap junctions diese tight-/adherens-junction-ähnlichen Strukturen ausbilden, statt ausschließlich mit den Connexinen zu interagieren.

Neben den vorgenannten Befunden spricht besonders im Falle von Cx57 ein weiteres Argument für diese Hypothese. Als MAGUK-Protein besitzt ZO-1 drei PDZ-Domänen50 (Übersichtsartikel von González-Mariscal et al., 2000), durch welche es mit verschiedenen Connexinen interagieren kann (Li et al., 2004; Flores et al., 2008; Übersichtsartikel von Giepmans, 2004). Im Gegensatz zu anderen Connexinen besitzt Cx57 allerdings kein PDZ-Bindemotiv (Ciolofan et al., 2007), was einer direkten Interaktion mit ZO-1 im klassischen Sinne widerspricht.

Die Befunde aus Versuchen mit der Cx36-knock-out-Maus können nur unter bestimmten Voraussetzungen die Hypothese einer Funktion von ZO-1 als tight- oder adherens-junction-Protein an gap junctions unterstützen. Färbungen von ZO-1 an Retinae dieser Tiere ergaben qualitativ keinen offensichtlichen Unterschied zu wildtypischen Gewebe, obwohl in der OPL alle Cx36-immunreaktiven Punkte mit ZO-1 kolokalisiert waren. Bei einer direkten Interaktion von ZO-1 und Cx36 wäre in den knock-out-Mäusen eine

50 Bindestellen für Protein-Protein-Interaktionen; benannt nach den Proteinen, in welchen sie urspr. entdeckt

offensichtliche Änderung im Expressionsmuster von ZO-1 zu erwarten gewesen. Das Ausbleiben dieser Änderung könnte zur Ursache haben, dass ZO-1 eben auch an den gap junctions mit Cx36 eine andere Funktion erfüllt, als die Connexine direkt mit dem Zytoskelett zu verankern. Jedoch wird Cx36 nur auf Seite der Zapfenendfüßchen exprimiert, und es bleibt ungeklärt, ob ZO-1 in der äußeren OPL nicht eventuell von den Stäbchenterminalien exprimiert wird und dort gegebenenfalls mit einem bislang unbekanntem Connexin assoziiert ist.

ZO-1 fällt auch unterhalb des Zapfenendfüßchens mit Cx36 zusammen. Eine Änderung der ZO-1-Immunreaktion in diesen Bereichen der Cx36-knock-out-Maus könnte auf Grund der vergleichsweise geringen Zahl dieser gap junctions nicht so offensichtlich gewesen sein.

Möglicherweise kann eine Doppelfärbung von ZO-1 und Cx57 in der Cx36-knock-out-Maus zeigen, ob alle „übrigen“ ZO-1-Punkte mit Cx57 kolokalisiert sind.

Eine weitere mögliche Erklärung der unveränderten ZO-1-Lokalisation könnte ein

„unvollständiger“ knock-out von Cx36 in diesem Tier sein. In diesem Falle könnten immer noch Teilstücke des Connexins exprimiert werden, die zwar funktionslos sind und nicht mehr von Antikörpern erkannt werden können – aber trotzdem noch (durch Erhaltung des PDZ-Bindemotivs) die Fähigkeit zur Interaktion mit ZO-1 besitzen.

Eine Assoziation von ZO-1 und Cx36 wurde mit immunhistochemischen und proteinbiochemischen Methoden an retinalem Mausgewebe gezeigt (Ciolofan et al., 2006, 2007). Die ältere Studie beinhaltet ebenfalls die Untersuchung von ZO-1 in Retinae von Cx36-knock-out-Mäusen. In der IPL wurde dort eine leichte Verminderung von ZO-1 festgestellt, allerdings eine auffällig stärkere von ZO-2. Dieses Protein ist eine weitere von insgesamt drei ZO-Isoformen, welche in der inneren Retina exprimiert wird und dort mit ZO-1 und Cx36 assoziiert ist (Ciolofan et al., 2006). In der OPL konnte hingegen eine deutliche Reduktion von ZONAB51 dokumentiert werden, welches dort mit ZO-1 und Cx36 zusammenfällt. Diese Ergebnisse weisen eher auf eine Interaktion von ZO-2 und ZONAB mit den Connexinen hin, anstelle von ZO-1 als direkten Interaktionspartner. Dass trotzdem eine Bindung zwischen ZO-1 und Cx36 gezeigt werden konnte, mag auf unterschiedliche Funktionen von ZO-1 in der Retina zurückzuführen sein. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass in der IPL eine schwache Reduktion der ZO-1-gefärbten Punkte bei Experimenten mit der Cx36-knock-out-Maus vorlag. Außerdem erscheint auch im Kaninchen an den großen plaques das Cx50 an den äußeren Rändern mit ZO-1 kolokalisiert. Eventuell erfüllt ZO-1 in diesen Grenzbereichen sowohl die Rolle eines

Gerüstproteins für die Connexine und wirkt ebenfalls als Bindeglied zwischen Zytoskelett und Transmembranprotein. Die Möglichkeit besteht auf Grund der Proteinstruktur: ZO-1 kann mit seiner ersten PDZ-Domäne an Cx36 binden (Li et al., 2004), es bindet mit der GUK-Domäne an Occludin und mit dem Prolin-reichen, C-terminalen Abschnitt an Aktinfilamente des Zytoskeletts (Fanning et al., 1998).

Weil nun viele Gründe für die klassische Rolle von ZO-1 als tight oder adherens junction Protein sprachen, wurde nach einem integralen Membranprotein an den gap junctions der Retina gesucht, welches den extrazellulären Kontakt mit der gegenüberliegenden Zelle vermittelt (Abb. 60). Im Gegensatz zu Claudin-1 und E-Cadherin gab es bei der immunhistochemischen Untersuchung von Occludin, dem Transmembranprotein der tight junctions, zunächst einen positiven Befund in beiden plexiformen Schichten. Dieser konnte aber nur mit einem der drei verwendeten Antikörper erhalten werden, die sich gegen unterschiedliche Epitope von Occludin richteten. Darüber hinaus zeigten die Occludin-Antikörper bei proteinbiochemischen Untersuchungen im Western Blot unspezifische Kreuzreaktionen mit ZO-1. Es ist aber nicht sicher, ob die dort beobachteten Kreuzreaktionen auch wirklich bei immunhistochemischen Färbungen zum Tragen kommen. Zum Beispiel zeigte auch der polyklonale ZO-1-Antikörper viele unspezifische Reaktionen mit leichteren Proteinen als ZO-1 auf der Blot-Membran. Lichtmikroskopisch erschien bei seiner Verwendung aber das exakte gleiche Reaktionsmuster wie mit dem monoklonalen ZO-1-Antikörper, der auf dem Blot sehr spezifisch nur die ZO-1-Bande detektiert hat. Außerdem zeigte ein Vergleich der Peptidsequenzen von Occludin und ZO-1, dass die Wahrscheinlichkeit einer Kreuzreaktion der Antikörper eher gering ist.

Trotzdem kann durch die mangelnde Konsistenz der Ergebnisse kein endgültiges Urteil über die Occludin-Färbungen in der Retina gefällt werden. Die Frage nach einer konkreten Rolle von ZO-1 an den gap junctions bleibt also offen. Aus diesem Grunde sind Experimente mit ZO-1-Färbung zur STED52-mikroskopischen Analyse geplant. Mit einem STED-Mikroskop ist eine Auflösung fluoreszenzgefärbter Strukturen bis weit unter 100 nm möglich (Hell, 2003). Falls die Hypothese einer Formation von tight oder adherens junctions mit Beteiligung von ZO-1 um gap junctions zuträfe, würden sich die ZO-1-gefärbten Punkte unterhalb der Photorezeptorterminalien durch solch ein stark erhöhtes Auflösungsvermögen gegebenenfalls als Ringe bzw. als Zaun-ähnliche Strukturen

52 stimulated emission depletion [engl.] – stimulierte Emissionsunterdrückung

darstellen lassen – analog zu ZO-1 an den Connexin-plaques der A-Typ Horizontalzellen des Kaninchens.