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Die Arbeit des TRIPS-Rates seit 1999

Entwicklungsländer während der Uruguay-Runde

5.3 Die Arbeit des TRIPS-Rates seit 1999

Innerhalb der WTO überwacht der TRIPS-Rat die Einhaltung des Abkommens und bietet ein Forum für Debatten um Probleme mit dem Abkommen. Wie in den anderen Gremien der WTO auch ist jedes Mitgliedsland mit einer Stimme im TRIPS-Rat vertreten und kann aufgrund des Konsensprinzips durch sein Veto eine Entscheidung verhindern.

174 Vgl. GRAIN (2000). Regional zeichnen sich starke Differenzen ab. Viele lateinamerikanische Entwick-lungsländer sind mittlerweile UPOV beigetreten, so daß hier ein Sortenschutz besteht. Außerhalb Latein-amerikas hat sich Kenia als bislang einziges Ent-wicklungsland für UPOV entschieden. Sonderfälle bilden die UPOV-Mitglieder China (noch kein WTO-Mitglied) und Südafrika (zählt in der WTO nicht als Entwicklungsland).

175 Dies führte zu dem weiter unten dargestellten Streitfall zwischen den USA und Indien. Vgl. für eine kritische Darstellung des Vorgehens der indi-schen Regierung Dasgupta (1999).

In den ersten drei Jahren nach Gründung der WTO verlief die Arbeit des Rates relativ ruhig und konzentrierte sich auf technische Fragen.

Ende 1998 brachen dann die seit der Uruguay-Runde bestehenden Konflikte wieder auf. Der Zeitpunkt ist kein Zufall: Die Übergangsfrist für Entwicklungsländer näherte sich ihrem Ende, die generelle Enttäuschung über die Ergebnisse der Uruguay-Runde war angestie-gen, und die WTO-Ministerkonferenz in Seattle stand an, von der der Startschuß für eine neue multilaterale Liberalisierungsrunde erwartet wurde. Es war das erklärte Ziel der Entwicklungsländer, vor oder in einer neuen Runde die Ergebnisse der Uruguay-Runde zurechtzurücken. Dieses Mal, so lautete der allgemeine Tenor, würden sie sich nicht wieder über den Tisch ziehen lassen.

Im Vorfeld der Ministerkonferenz brachten zahlreiche Entwicklungsländer Reformvor-schläge für das TRIPS-Abkommen ein. Das Abkommen wird als Fait accompli akzeptiert, aber es soll „entwicklungsfreundlicher“ gestal-tet werden. Selbst diejenigen Entwicklungs-länder, die das Abkommen scharf kritisieren, weisen darauf hin, daß sie keinesfalls den Schutz geistiger Eigentumsrechte an sich ab-lehnen. Vielmehr richte sich ihre Kritik gegen einzelne Bestandteile des Abkommens und gegen die Art, wie es umgesetzt werde.

Die Diskussion einiger Probleme wird durch den Abkommenstext selbst vorgegeben. Er enthält eine sogenannte built-in agenda, durch die dem Rat Verhandlungen über Abkom-mensbestandteile vorgeschrieben werden.

Darunter fallen die gesonderte Überprüfung des Artikels 27.3(b) im Jahr 1999, der zusätzliche Schutz geographischer Herkunfts-angaben sowie die Anwendbarkeit von Non-Violation Complaints (NVCs).176 Zusätzlich

176 Normalerweise beziehen sich Handelsstreitigkeiten in der WTO darauf, daß ein Mitgliedsland eingegan-gene Verpflichtungen nicht erfüllt (Violation Com-plaints). Der Streitschlichtungsmechanismus der

gelangte das Thema Technologietransfer auf die Tagesordnung des Rates, weil die Entwicklungsländer den Industrieländern vorwarfen, ihrerseits eingegangene Verpflich-tungen in Bezug auf die Förderung des Technologietransfers nicht einzuhalten.

Schließlich begann Anfang 2000 die allgemei-ne Überprüfung des TRIPS-Abkommens, was nach dem Scheitern der Seattle-Ministerkon-ferenz von einigen Entwicklungsländern dazu genutzt wird, über die built-in agenda hinaus-gehende Forderungen im Rat zu diskutieren.

Die Industrieländer lehnen bislang fast alle Reformvorschläge ab. Die meisten Beobachter schildern die Situation im TRIPS-Rat daher im Jahr 2000 als angespannt und festgefahren.

Inzwischen finden zwar inhaltliche Debatten statt, die aber noch nicht zu konkreten Ergebnissen geführt haben. Mit einem Ende der Blockadesituation wird nicht vor 2001/02 gerechnet.

5.3.1 Die Überprüfung des Artikel 27.3(b)

Die Spannungen im TRIPS-Rat begannen mit der Überprüfung des Artikel 27.3(b). Hier stehen die Interessen der Entwicklungsländer denen der Industrieländer unvereinbar gegen-über. Wollen die meisten Entwicklungsländer die Patentierung natürlicher Ressourcen am liebsten aus dem Abkommen entfernen, so sind die Industrieländer an einer Ausweitung des Schutzes interessiert. Verschärft wurde die Lage noch durch formale Gefechte um die korrekte Interpretation des Artikels. Die Industrieländer wollen nur die Implementie-rung des Artikels überprüfen, die

WTO läßt jedoch auch Klagen gegen Vertragspartei-en zu, wVertragspartei-enn die beklagte Seite nicht direkt gegVertragspartei-en das Abkommen verstößt, sondern durch andere Maß-nahmen die Verpflichtungen indirekt unterläuft.

Diese Fälle werden als Non-Violation Complaints bezeichnet.

lungsländer hingegen seine inhaltlichen Bestimmungen.

Wie bereits erwähnt, zählte der patentrechtli-che Schutz von biologispatentrechtli-chen Ressourcen und Pflanzensorten zu den am heftigsten umstritte-nen Teilen des Abkommens. Der erzielte Kompromiß sieht Ausnahmen für Pflanzen, Tiere und – zumindest in Bezug auf das Schutzinstrument – Pflanzensorten vor. Auf Druck der USA enthält der Artikel die Vorgabe, daß seine Bestimmungen im Jahr 1999 überprüft werden müssen. Die USA wollten auf diesem Wege nachträglich die eingeräumten Ausnahmen tilgen.

Doch 1998 hatte sich die öffentliche Meinung in den Industrieländern zum TRIPS-Abkommen gewandelt. Eine Verschärfung des Abkommens war sehr unpopulär und politisch schwer durchsetzbar geworden. Den Industrie-ländern wurde bewußt, daß sie höchstens einen Status Quo erreichen konnten. Daher interpre-tierten sie die Überprüfungsvorgabe nun in der Weise, daß lediglich die Implementierung des Artikels vom Rat überprüft werden müsse, nicht aber sein Inhalt.

Die Entwicklungsländer reagierten erbost auf diesen Schwenk und forderten eine inhaltliche Debatte. Doch der formale Streit blockierte die Überprüfung während des gesamten Jahres 1999. Mittlerweile beharren zwar beide Seiten weiter auf ihrer Interpretation des Abkom-mens, es werden aber gleichzeitig inhaltlich gehaltvolle Papiere vorgelegt, so daß Debatten faktisch stattfinden.

Die Positionen der Entwicklungsländer sind nicht in jeder Hinsicht identisch, gehen aber in eine ähnliche Richtung. Sie zielen darauf ab, bestehende Spielräume in dem Artikel auszubauen. Am weitesten reicht die Eingabe der Afrikagruppe, eines informellen Zusam-menschlusses afrikanischer

WTO-Mitglieds-länder.177 Die Afrikagruppe macht damit gleichzeitig deutlich, bei künftigen Beratungen eine größere Rolle spielen zu wollen und fordert unter anderem

– biologische Ressourcen generell von der Patentierbarkeit auszunehmen,

– die Spielräume bei der Gestaltung von sui generis-Schutzsystemen für Pflanzensor-ten auszubauen und

– den Artikel in Übereinstimmung mit der CBD zu bringen.

Die beiden ersten Forderungen stehen den Interessen der Industrieländer genau entgegen.

Sie wollen die Ausnahmen und Spielräume verringern. In Bezug auf den Schutz von Pflanzensorten üben sie Druck auf Entwick-lungsländer aus, UPOV beizutreten. Viele Ent-wicklungsländer wollen hingegen sui generis-Systeme entwickeln, die auf die Bedürfnisse ihrer Agrarwirtschaften besser abgestimmt sind. Angesichts der noch ungeklärten Frage, welche Schutzsysteme im Sinne des TRIPS-Abkommens als „effektiv“ gelten, wird von manchen Entwicklungsländern eine Klarstel-lung gefordert, daß sui generis-Schutzsysteme das Landwirte- und das Züchterprivileg ent-halten können.

Die Forderung nach einer Harmonisierung von CBD und TRIPS stellt für die Industrieländer eine Herausforderung dar. Denn mit Ausnah-me der USA sind sie auch Unterzeichner der CBD und können eine Harmonisierung der Vertragswerke daher schlecht ablehnen. Es ist allerdings umstritten, inwiefern überhaupt Konflikte bestehen (siehe Kasten 7).

Inzwischen liegen einige Vorschläge vor, wie die CBD in das TRIPS-Abkommen integriert werden könnte. Lateinamerikanische Länder setzen sich dafür ein, traditionelles Wissen als

177 Vgl. das WTO-Dokument WT/GC/W/302 vom 6.8.1999.

schutzwürdig anzuerkennen. Zur Zeit untersucht die WIPO die Optionen beim Schutz traditionellen Wissens. Dieser Ansatz wird von anderen Entwicklungsländern und von Teilen der Zivilgesellschaft jedoch kritisch gesehen, weil letztlich auch hier natürliche Ressourcen mit einem exklusiven Nutzungs-recht versehen werden. Die Industrieländer haben noch keine klare Stellung bezogen.

Indien hat den Vorschlag unterbreitet, die Vorgaben der CBD durch eine Änderung des TRIPS-Artikels 29 umzusetzen, in dem die Be-dingungen für Patentanmelder festgelegt sind.

Hier solle eingefügt werden, daß Patentanmel-dungen künftig den Ursprung biologischer Ressourcen oder traditionellen Wissens sowie die Einverständniserklärung zur Nutzung der Ressourcen durch den betreffenden Staat enthalten müssen. Dadurch werde die Trans-parenz der Patentanmeldungen erhöht und sichergestellt, daß nationale Gesetze zum Vorteilsausgleich und zur vorherigen infor-mierten Zustimmung eingehalten würden.178 Die Industrieländer zeigen sich dieser Initiative gegenüber reserviert.179 Speziell die USA ha-ben deutlich gemacht, daß eine solche Reform nicht im Interesse ihrer Biotechnologieunter-nehmen liege.180

178 Vgl. die WTO-Dokumente IP/C/W/195 vom 12.7.2000 und IP/C/W/198 vom 14.7.2000. Der Vorschlag entstand vor dem Hintergrund der in Abschnitt 4.2.1 angesprochenen Klagen über „Biopi-raterie“.

179 Die EU-Bio-Patentrichtlinie enthielt ursprünglich eine entsprechende Bestimmung, die aber im Lauf der Beratungen in eine unverbindliche Empfehlung umgewandelt wurde. Selbstverständlich bleibt es den EU-Mitgliedsländern unbenommen, die Empfehlung in ihren nationalen Patentgesetzen umzusetzen und damit über den verpflichtenden Mindeststandard der Richtlinie hinauszugehen.

180 Der Streit um die Zulassung des Sekretariats der CBD als Beobachter im TRIPS-Rat illustriert die verfahrene Situation. Seit Jahren liegt ein Antrag des Sekretariats vor, der mit Ausnahme der USA von allen anderen Staaten befürwortet wird. Die

sung wird trotz der offensichtlichen inhaltlichen Berechtigung nicht erteilt.