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6 Interpretationen und Schlussfolgerungen

Mithilfe der in der vorliegenden Arbeit durchgeführten Experimente bzw. deren Ergebnisse kann ein umfassendes Bild von den Abläufen an den untersuchten Silberverbindungen unter den verschiedenen Gasatmosphären entwickelt werden. Jedoch bedarf der Vergleich der experimentellen Daten einer gründlichen Analyse, denn die verschiedenen apparativen Methoden bringen zum Teil sehr unterschiedliche Ergebnisse hervor. Das gilt besonders für die Aktivierungsenergien, so dass vor deren Auswertung eine sorgfältige Betrachtung der Versuchsbedingungen und Ableitung der Ursachen für diese Unterschiede notwendig ist. Im Folgenden werden daher zunächst die Grenzen der eingesetzten Methoden und Versuchsbedingungen kritisch geprüft.

zu klein, die Reaktionswärme der Oxidationen wird nur unzureichend abgeführt, besonders bei großen Heizraten, wo von außen zusätzliche Wärme ins System eingebracht wird. „Hot Spots“ bilden sich aus, die Probe zündet. Da der Temperaturfühler außerhalb der Probe platziert ist, wird die Überhitzung jedoch nicht sichtbar. Eine Auswirkung davon sind falsche Werte für die Aktivierungsenergien.

Bei kleinen Heizraten kommt das Phänomen nicht zum Tragen, so dass die dabei gewonnenen Erkenntnisse (Temperaturen, Selektivitätsverhalten) wichtige Informationen zum Verständnis des betrachteten Systems liefern.

6.1.2 Thermogravimetrie/Differenzthermoanalyse

Die Daten der TG/DTA liefern das umfassendste Bild des Systems, nicht zuletzt deshalb, weil mit dieser Methode alle Silberverbindungen in Kombination mit allen Gasphasen untersucht werden konnten. Allerdings bedürfen besonders die an Silbercarbonat gefundenen Resultate einer tieferen Betrachtung – nicht zuletzt aufgrund von Unterschieden gegenüber der DRIFTS/Pyrometer-DTA.

Beim näheren Blick auf die Aktivierungsenergien für Silbercarbonat, die mit TG/DTA ermittelt wurden, fällt auf, dass diese für beide beobachteten Prozesse fast identisch sind, und zwar unter allen Gasarten außer Wasserstoff, bei dem überhaupt nur ein Prozess gefunden wurde.

Der Hintergrund für die gleichen Aktivierungsenergien – unvollständiger Abbau des Carbonats im ersten Schritt, wie auch mittels DRIFTS/Pyrometer-DTA nachgewiesen – ist in Kap. 5.2 diskutiert worden.

Trotz der im Vergleich zur TPR kleineren Probemasse stößt die TG/DTA hier in apparativer Anordnung und experimenteller Auflösung an ihre Grenze. Im Versuchsaufbau wird die Probe mit Gas über- und nicht durchströmt; Reaktionen zwischen Gas und Probe starten an der makroskopischen Oberfläche der Probenschüttung, und wenn genug Probemasse vorhanden ist, kann Diffusionshemmung bestimmend für Reaktionen im Bulk werden. Möglicherweise gibt es dann neben dem Konzentrations- auch einen Temperaturgradienten, so dass die Probe im Endeffekt geschichtet ist. Gerade bei Silbercarbonat, dessen Zersetzung endotherm ist, ist vorstellbar, dass die Reaktion im Probenbulk bzw. tieferen Schichten zunächst nicht vollständig abläuft. Erst bei höherer Temperatur werden diese Schichten, in denen noch viel Carbonat vorliegt, aktiviert und reagieren ab. Sie entziehen der gesamten Probe Wärme, so dass das gemessene Reaktionsmaximum zu höheren Temperaturen verschoben wird.

Auch bei der Wasserstoff-Reduktion von Silbercarbonat könnte die große Probemasse die Ursache dafür sein, dass statt zwei Prozessen (wie bei der DRIFTS/Pyrometer-DTA) nur einer sichtbar wird. Ähnlich wie bei der TPR zündet die Probe unter der sehr reaktiven Wasserstoff-Atmosphäre (vgl. Kap. 6.1.1), die Reaktion geht durch: statt zwei Prozessen wird nur ein einzelner sichtbar.

Ohne grundlegende Änderungen am Design des Versuchsaufbaus lässt sich das Problem der unzureichenden Durchströmung der Probe und Ausprägung von Gradienten nur durch Verringerung der Probemasse zurückdrängen. Da dies aber nur auf Kosten der Genauigkeit der Analysemethode möglich ist, gilt hier eine Ausgewogenheit zu finden.

6.1.3 DRIFTS/Pyrometer-DTA

Die mit dieser neuartigen simultanen Analysemethode erzielten Ergebnisse vervollständigen wesentlich das Bild, das von den Vorgängen am untersuchten System gezeichnet werden kann. Alle Prozesse, die mit Hilfe anderer Methoden erkannt wurden, konnten mit dieser Methode bestätigt werden; für Wasserstoff als Reduktionsmittel konnten die Erkenntnisse aus der TG/DTA ergänzt werden. Der Pyrometer-DTA gelingt – im Gegensatz zur TG/DTA – auch unter einer Wasserstoffatmosphäre die Auflösung der beiden Reduktionsschritte von Silbercarbonat über Silber(I)oxid zu Silber0.

Ein Vorteil der DRIFTS/Pyrometer-DTA ist eindeutig, dass die Probe vom Gas durchströmt wird. Das strömende Medium sorgt für Temperaturausgleich über die Probeschüttung und es kann sich kein Konzentrationsgradient ausprägen. Ein weiterer Vorteil für die Temperaturverteilung in der Schüttung ist auch die Verwendung einer Matrix (Kaliumbromid), in welche die Probe eingebettet ist. Sie wirkt als Wärmespeicher und kann Wärme aufnehmen oder nachliefern, z. B. bei der endothermen thermischen Zersetzung von Silbercarbonat. Dies alles gewährleistet, dass die in der Probe herrschende Temperatur nicht wesentlich von der vorher unabhängig bestimmten Kalibriertemperatur abweicht. Allerdings bleiben Über- oder Untertemperaturen unsichtbar – ähnlich wie bei der TPR.

Die Temperaturbereiche, in denen die Reaktionen bei DRIFTS/Pyrometer-DTA gefunden werden, sind fast identisch mit denen, die bei der TG/DTA für den entsprechenden Schritt bestimmt wurden. Das gilt auch für die meisten Aktivierungsenergien, die hier berechnet wurden. Ausnahme sind die Versuche zur thermischen Zersetzung. Hier zeigen sich die

Fehlerbreiten aufweisen, da die zu ihrer Berechnung notwendigen Temperaturen nicht immer mit der nötigen Genauigkeit bestimmt werden konnten.

Mehrere Ursachen kommen dafür in Frage. Erstens die Transformation der Messdaten aus der Zeitebene in die Temperaturebene. Die tatsächlich der Probe aufgeprägten Temperaturrampen sind möglicherweise unterschiedlich von den unabhängig vom jeweiligen Experiment ermittelten Temperatur/Zeit-Verläufe. In diesem Fall würden allerdings alle berechneten Aktivierungsenergien systematisch von denen der TG/DTA abweichen. Als andere, wahrscheinlichere Ursache kommt eine systemimmanente Schwäche dieser Methode in Frage: durch die regelmäßige Aufnahme von Hintergrundspektren für die DRIFTS-Messungen entstehen Lücken im pyrometrischen Datenverlauf, die durch Interpolation gefüllt werden (siehe Kap. 5.4.1). Wenn ein Prozess in solch eine Lücke fällt, wird er nicht detektiert und die Auswertung der Daten führt zwangsläufig zu falschen Ergebnissen. Da gerade die thermische Zersetzung von Silbercarbonat über einen weiten Temperaturbereich reicht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Prozess zumindest teilweise in eine Lücke fällt. Daher sind die mit DRIFTS/Pyrometer-DTA gefundenen Daten für diesen Fall mit Vorsicht zu betrachten.

6.1.4 Schlussfolgerungen

Aufgrund der oben diskutierten Grenzen der verschiedenen apparativen Methoden werden im Folgenden nicht mehr alle Ergebnisse betrachtet. Insbesondere fallen einige Aktivierungsenergien aus der weiteren Diskussion heraus. In Tab. 6–1 sind alle in dieser Arbeit berechneten Aktivierungsenergien aufgeführt. Daten, die aufgrund der oben gegebenen Erläuterungen nicht mehr berücksichtigt werden, sind gestrichen dargestellt, so dass nachfolgend für jede der zwölf unteruchten Reaktionen nur noch eine einzige Aktivierungsenergie betrachtet wird (siehe auch Abb. 6-2).

Tab. 6-1: Die Aktivierungsenergien und Temperaturen (β = 2 K min-1) bei der thermischen Zersetzung der Silberverbindungen und Reduktion mit Ethylen, Propylen und Wasserstoff.

Thermische Zersetzung (Stickstoff) 1. Prozess 2. Prozess

Verbindung Methode Tmax / °C Ea / kJ mol-1 Tmax / °C Ea / kJ mol-1

Silber(I)oxid TG/DTA - - 382 191 ± 15

Silber(I,III)oxid TG/DTA 179 136 ± 6 381 216 ± 13 Silbercarbonat TG/DTA 189 155 ± 10 338 159 ± 17

DRIFTS/

Pyrometer-DTA 197 81 ± 20 359 136 ± 16

Reduktion (Ethylen) 1. Prozess 2. Prozess

Verbindung Methode Tmax / °C Ea / kJ mol-1 Tmax / °C Ea / kJ mol-1

Silber(I)oxid TPR - - 177 175 ± 5

TG/DTA - - 178 96 ± 6

Silber(I,III)oxid TPR 155 - 169 134 ± 7

TG/DTA 161 94 ± 8 179 102 ± 4

Silbercarbonat TG/DTA 168 85 ± 3 184 91 ± 2 DRIFTS/

Pyrometer-DTA 143 62 ± 10 167 107 ± 8

Reduktion (Propylen) 1. Prozess 2. Prozess

Verbindung Methode Tmax / °C Ea / kJ mol-1 Tmax / °C Ea / kJ mol-1

Silber(I)oxid TG/DTA - - 182 177 ± 6

Silber(I,III)oxid TG/DTA 139 130 ± 9 170 141 ± 24 Silbercarbonat TG/DTA 162 106 ± 1 167 107 ± 1

DRIFTS/

Pyrometer-DTA 168 108 ± 33 177 164 ± 18

Reduktion (Wasserstoff) 1. Prozess 2. Prozess

Verbindung Methode Tmax / °C Ea / kJ mol-1 Tmax / °C Ea / kJ mol-1

Silber(I)oxid TG/DTA 118 53 ± 4

Silber(I,III)oxid TG/DTA 87 49 ± 6 Silbercarbonat TG/DTA 127 72 ± 7

DRIFTS/

Pyrometer-DTA 115 26 ± 1 144 46 ± 4