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3.6 Dynamik der Sickerwasserbildung

3.6.3 Anwendung des Verfahrens von RENGER & WESSOLEK

Nachfolgend soll untersucht werden, ob mit Hilfe Regressionsgleichungen von RENGER &

WESSOLEK (1990) eine Abschätzung der jährlichen Sickerwassermengen erfolgen kann, da hier nFKWe und der jährliche Verdunstungsanspruch der Atmosphäre Berücksichtigung finden. Wie bereits in Kap. 3.5.4 beschrieben, wurde das Verfahren von RENGER &

WESSOLEK (1990) zur Ermittlung der Jahresverdunstung und der Höhe des jährlichen Gesamtabflusses für grundwasserferne, ebene Flächen entwickelt. Unter der Annahme

R = SW = PWi + PSo - ETR

mit R = jährliche Höhe des Gesamtabflusses = SW = jährliche Sickerwassermenge gilt nun zur Berechnung der Sickerwasserbildung folgende Gleichung:

Gl. 15: SW = a * Pwi + b* Pso - c * logWpfl - d * ETP + e [mm]

Pwi = korrigierter Winterniederschlag von Oktober bis März des Folgejahres Pso = korrigierter Sommerniederschlag von April bis September

Wpfl = pflanzenverfügbare Bodenwassermenge (s. Tab. 15 und Tab. 20) ETP = Gras-Referenzverdunstung ( Oktober bis September des Folgejahres) a,b,c,d,e = landnutzungsspezifische Regressionskoeffizienten

Für die Konstanten a bis e wurden von RENGER & WESSOLEK (1990) für nordwest-deutsche Bedingungen folgende Werte bestimmt:

Bodennutzung a b c d e

Ackerland 0,92 0,61 153 0,12 -109

Grünland 0,90 0,52 286 0,10 -330

Es werden der korrigierte Niederschlag und statt HAUDE die Gras-Referenzverdunstung verwendet, wodurch es zu relativ geringen Abweichungen der Berechnungsergebnisse kommt (s. Kap. 4.6.3). Der Beginn des Bilanzjahres wurde zunächst auf den 1. Oktober gelegt. Wie aus Tab. 31 hervorgeht, kommt es erwartungsgemäß u. a. auf Grund der noch vorhandenen Bodenwasserdefizite im Ergebnis der Berechnungen zu einer erheblichen Überschätzung der Sickerwassermengen.

Tab. 31: Mittlere Abweichung zwischen gemessener und berechneter Sickerwasserbildung und Bestimmtheitsmaß (R2) für die Übereinstimmung in den Einzeljahren in [%] – Beginn des Bilanzjahres am 1. Oktober

Lys.-Gruppe 5 4 8 1 7 11 9 10

Wpfl [mm] 75 127 124 164 175 160 450 410

berechn./gem. [%] 128 121 133 157 176 156 193 225

R2 [%] 44 31 34 22 11 23 8 6

Deshalb wurde von RENGER & WESSOLEK (1990) der 1. April (Lysimeterjahr) als Beginn des Berechnungsjahres festgelegt. Auch zu diesem Zeitpunkt entspricht der Bodenwasser-gehalt in einigen Jahren bei den Lößböden noch nicht der FK (s. Tab. 16). Für diese Jahre konnte das Verfahren bei den Lößböden nicht zur Anwendung kommen.

Wie aus Tab. 32 hervorgeht, wurde auch bei Verwendung des Lysimeterjahres keine zufriedenstellende Übereinstimmung zwischen Mess- und Berechnungsgrößen erreicht.

Große Abweichungen wurden vorwiegend in den Jahren ermittelt, die durch eine hohe Verdunstung während der Vegetationsperiode bei einem Pkorr/ETPGras < 0,9 gekennzeichnet sind (vgl. hierzu auch Tab. 23). Wie bereits in der Diskussion zur Abschätzung der Verdunstung festgestellt wurde, führt der höhere Verdunstungsanspruch der Atmosphäre im Untersuchungsgebiet zu einer höheren Verdunstungsleistung als im Raum Hannover. Die Höhe der Sommerniederschläge und der potentiellen Verdunstung finden in den Regressionsbeziehungen aber nur wenig Berücksichtigung. Dies ist eine Ursache dafür, dass die Sickerwassermengen insbesondere in warmen Jahren überschätzt wird.

Mit einer Veränderung der für nordwestdeutsche Bedingungen festgelegten Konstanten a bis e kann eine bessere Übereinstimmung von Mess- und Berechnungsergebnissen für den hier untersuchten Standort erreicht werden. Diese Veränderungen sollten aber gemeinsam mit den Urhebern des Verfahrens vorgenommen werden. Für den Ansatz zur Berechnung von Grünland ist eine prinzipielle Überprüfung der Gültigkeit der Koeffizienten für den Untersuchungsstandort erforderlich.

Tab. 32: Vergleich zwischen nach RENGER & WESSOLEK (1990) berechneten und

gemessenen Sickerwassermengen sowie Niederschlag (Pkorr) und Gras-Referenzverdunstung (ETPGras) – Beginn des Bilanzjahres am 1. April

n – das Verfahren wurde nicht angewendet

Nach Renger &Wessolek gemessen

Jahr Fruchtart ETPGras Pkorr Pkorr/ ETPGras

Top a Top b Top c Top d Top a Top b Top c Top d

1981 Zu.rüben 564,0 691,7 1,2 265,3 231,1 212,4 150,9 219,7 182,7 118,8 66,7

1982 Wi.weizen 687,6 528,3 0,8 145,7 111,5 92,8 n 50,6 24,3 17,2 3,6

1983 Wi.gerste 651,0 673,2 1,0 209,2 175,0 156,3 n 223,3 173,8 108,7 0,0

1984 Weidelgras 539,3 632,3 1,2 149,5 81,3 42,2 n 124,7 98,4 78,1 9,2

1985 Kartoffel 604,5 584,2 1,0 183,1 148,9 130,2 67,9 172,0 160,4 127,6 92,4 1986 Wi.weizen 558,3 685,4 1,2 280,2 246,0 227,3 163,0 297,9 264,6 214,1 132,2 1987 Kartoffel 533,4 726,6 1,4 296,5 262,3 243,6 181,5 217,4 225,6 203,3 202,0 1988 Wi.weizen 654,5 580,6 0,9 198,4 164,2 145,5 84,0 158,1 135,9 96,3 38,1

1989 Wi.gerste 722,2 585,6 0,8 181,0 146,8 128,2 n 85,9 48,3 24,6 1,5

1990 Zu.rüben 694,1 620,7 0,9 189,2 155,0 136,4 n 125,4 64,3 34,4 0,0

1991 Wi.weizen 652,4 598,3 0,9 207,3 173,1 154,4 n 110,9 70,1 44,9 0,0

1992 Wi.gerste 596,3 602,1 1,0 206,7 172,5 153,8 n 129,7 95,2 70,2 0,0

1993 Grünbrache 619,1 857,0 1,4 318,7 254,8 219,9 n 314,9 285,5 244,5 52,3 1994 Grünbrache 713,6 711,4 1,0 198,2 134,3 99,4 -16,8 237,6 207,9 153,8 150,1

1995 Rotklee 597,5 703,0 1,2 163,8 99,9 65,0 n 175,8 105,2 109,6 80,0

1996 Kartoffel 551,4 654,4 1,2 242,0 207,8 189,1 127,6 146,3 99,0 91,4 0,0

Mittel 621,2 652,2 1,1 214,7 172,8 149,8 - 172,6 137,7 107,8 48,8

Untersuchungsergebnisse 101 3.6.4 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Unter den klimatischen Bedingungen am Standort Brandis ist die Sickerwasserbildung der untersuchten Böden durch drei Merkmale gekennzeichnet:

einem typischen jahreszeitlichen Gang mit relativ hohen Werten im Winter und sehr geringen oder keinen Neubildungsraten im Sommer, wobei die Lößböden auch mehrere Jahre hintereinander kein Sickerwasser (in 3 m Tiefe) liefern,

einem mehrjährigen Rhythmus von Jahren mit überdurchschnittlich hoher bzw. niedriger Sickerwasserbildung,

einer sehr hohen Abweichung der Einzelwerte vom langjährigen Mittelwert.

Größten Einfluss auf die Sickerwasserbildung im betrachteten Bilanzjahr haben die Bodenwasserausschöpfung der untersuchten Böden und die Höhe der Niederschläge im Anschluss an die Vegetationsperiode. Aus dem jährlichen Wechselspiel zwischen Nieder-schlagshöhe und Bodenwasserdefizit resultiert eine hohe Variabilität der jährlichen Sickerwassermengen.

Ursache für die geringen Sickerwasserraten (175 mm bei Sandlöß über Schmelzwassersanden und rd. 50 mm beim tiefgründigen Löß) ist der im Vergleich zum Jahresniederschlag vergleichsweise hohe Verdunstungsanspruch der Atmosphäre, insbesondere in den Sommermonaten. Dieser kann zwar nur auf den Lößböden tatsächlich realisiert werden, führt aber auch bei den Böden mit geringer und mittlerer nFKWe zu einer vergleichsweise hohen Verdunstung. Die Verteilung der Sommer- zu Winterniederschlägen fällt nach WENDLAND et al. (1993) in den östlichen Bundesländer eindeutig zu Gunsten der Sommerniederschläge aus. Dies ist von Nachteil für die Sickerwasserbildung, da die Sommerniederschläge nahezu vollständig verdunsten (Abb. 30) und nur die Winterniederschläge abzüglich der zur Auffüllung der Bodenwasserdefizite erforderlichen Wassermengen zur Sickerwasserbildung beitragen können.

Die zum Referenzgebiet des Verfahrens von RENGER & WESSOLEK (1990) abweichende Wasserhaushaltssituation wird als Ursache für die schlechte Übereinstimmung von Mess- und Berechnungsergebnissen (in Bezug auf Verdunstung und Sickerwasserbildung) in Einzeljahren am Standort Brandis angesehen. Da das Verfahren auf Grund seiner praktischen Handhabung zunehmend auch in den neuen Bundesländern angewendet wird, besteht dringender Bedarf einer Anpassung der Koeffizienten.

Probleme bei der Aufstellung von Nomogrammen zur Ableitung von Jahreswerten der Sickerwasserbildung aus Niederschlag, Verdunstung und verfügbarem Bodenwasservorrat ergeben sich auch aus der Tatsache, daß keine geeignete Abgrenzung des Bilanzzeitraumes (=Jahres) gelingt. Im Mittel der Jahre sind drei Phasen zu verzeichnen (Abb. 30):

die Phase der Ausschöpfung von März bis Juli

die Phase der Wiederauffüllung der Bodenwasservorräte von August bis Dezember (auch bis Januar oder Februar)

die Phase der Sickerwasserbildung von Dezember (Januar oder Februar) bis Juni.

Abb. 30: Mittlerer Jahresgang von Bodenwasservorratsänderung (dSB), Niederschlag (Pkorr), Gras-Referenzverdunstung (ETPGras), klimatischer Wasserbilanz (kWB, realer Verdunstung und Grundwasserneubildung am Standort Brandis (Reihe 1981-97)

-60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120

NOV DEZ JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT

[mm/Monat]

ETPGras Top a Top b Top c

Top d Pkorr kWB

0 20 40 60 80 100 120

NOV DEZ JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT

[mm/Monat] Top a

Top b Top c Top d Sickerwassermenge

0 20 40 60 80 100 120

NOV DEZ JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT

[mm/Monat]

ETPGras Top a Top b Top c Top d

Verdunstung

Untersuchungsergebnisse 103

Auf Grund der jährlichen Variabilität dieser Prozesse läßt sich weder für das hydrologische Jahr (Nov. bis Okt.) noch für das Lysimeterjahr (April bis März) ein zufriedenstellender Zusammenhang zwischen Boden (nFKWe), Jahresniederschlag und Sickerwassermenge in 3 m Tiefe herstellen. Regressionsbeziehungen für das hydrologische Jahr entstehen erst, wenn das aktuelle Bodenwasserdefizit zu Beginn des entsprechenden Bilanzjahres berücksichtigt wird.

Dieses jährliche bodenabhängige Bilanzdefizit kann aus Lysimeter- oder Bodenfeuchte-messungen ermittelt werden. Wird als Beginn des Jahres der April gewählt, ist es auf Grund der Laufzeiten bis in 3 m Tiefe nicht möglich, eine vollständige Neubildungsperiode zu erfassen.

Unter der Voraussetzung, dass 3 m tiefe Lysimeter Standortbedingungen mit flurfernen Grundwasserständen repräsentieren (mit Ausnahme tiefgründiger Lößböden), entspricht die ermittelte Sickerwassermenge dem maximal mögliche Abfluss (Gesamtabfluss) des Standortes. Diese Wassermenge gilt als potentielle Speisungsgröße für das Grundwasser. Sie ist deshalb bilanzmäßig von wasserwirtschaftlichem Interesse und gleichzeitig wichtiges Kriterium hinsichtlich der Risikoabschätzung von Stoffeinträgen in das Grundwasser. Ob dieser „potentielle Abfluss“ jedoch der Grundwasserneubildung gleichgesetzt werden kann, hängt von den hydrogeologischen Gegebenheiten der Einzugsgebiete ab (s. Kap. 4.1.3). Diese Fragestellung gilt es insbesondere zu berücksichtigen, wenn unter Standortbedingungen gewonnene Sickerwassermengen mittels GIS-System (oft ohne Interaktion zwischen den benachbarten Flächen) zur Bestimmung von Gebietsabflüssen verwendet werden.