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1.3 Soziale Haltungsumwelt

4.2.1 Anreicherung der sozialen Haltungsumwelt für Ferkel bei der

Neben der im vorangegangenen Kapitel behandelten Raumnutzung der Sauen ist aus wissenschaftlicher Sicht auch das Verhalten der Saugferkel in einem Gruppenhaltungssystem für laktierende Sauen interessant. Bei dem in Publikation 10 vorgestellten Haltungssystem wurde daher in Publikation 12 ein weiterer Fokus auf die Raumnutzung durch die Ferkel sowie deren Sozialverhalten nach dem Absetzen gelegt.

Gruppenhaltungssysteme für laktierende Sauen ermöglichen neben einem vergrößerten Flächenangebot auch ein frühes Aufeinandertreffen wurffremder Ferkel und somit eine Sozialisierung bereits während der Säugezeit. Somit bedeutet die Aufzucht von Saugferkeln in einem Gruppenhaltungssystem für diese auch eine Anreicherung der sozialen Haltungsumwelt. Ein gegenüber der Haltung in einer einzelnen Abferkelbucht

erhöhtes Flächenangebot ergänzt diesen Vorteil noch auf baulicher Ebene. In konventioneller Einzelhaltung mit Ferkelschutzkorb, aber auch in freien Abferkelsystemen mit Einzelhaltung der ferkelführenden Sau, wachsen Saugferkel hingegen bis zum Absetzen im Wurfverband auf, ohne soziale Kompetenzen in Bezug auf den Umgang mit unbekannten Altersgenossen zu erlernen.

Eine frühe Sozialisierung entspricht allerdings dem artspezifischen Verhalten des Schweines. Beim Wildschwein wird je nach Witterung der zur Geburt angelegte Wurfkessel bis zum 12. Lebenstag der Ferkel aufgegeben (Meynhardt, 1990). Eine Begegnung mit wurffremden Ferkeln findet demnach schon während der Säugephase statt.

In der konventionellen Schweinehaltung werden zuvor im Wurfverband gehaltene Ferkel beim Absetzen von ihren Muttersauen getrennt und meist in einem Aufzuchtstall mit Ferkeln anderer Würfe gruppiert. Der Neugruppierung folgen oftmals heftige Rangordnungskämpfe zwischen den einander unbekannten Ferkeln. Für Hausschweine wurde bereits in verschiedenen Untersuchungen nachgewiesen, dass einander aus der Säugezeit vertraute Ferkel wenig aggressives Verhalten zeigen, wenn sie bei der Gruppenbildung nach dem Absetzen erneut zusammentreffen (D’Eath, 2005; Hessel et al., 2006; Kutzer et al., 2009; Klein et al., 2016; Verdon et al., 2017). Li und Wang (2011) sowie Klein et al. (2016) berichteten zudem, dass sich Ferkel, welche einem System zur Gruppenabferkelung entstammten, auch toleranter gegenüber unbekannten Buchtengenossen verhielten als Ferkel aus konventionellen Abferkelbuchten ohne frühen Kontakt zu wurffremden Altersgenossen. Dies deutet auf eine höhere Sozialkompetenz dieser Ferkel hin. Ferkel, welche dem hier vorgestellten Gruppenhaltungssystem für laktierende Sauen entstammten, wiesen nach dem Absetzen und der Gruppierung weniger Hautverletzungen auf als Ferkel, die bis zum Absetzzeitpunkt wurfweise in Abferkelbuchten mit Einzelhaltung der Sau im Kastenstand gehalten wurden. In beiden Varianten herrschten gleiche Bedingungen, da jeweils fünf Ferkel aus zwei verschiedenen Würfen zu einer neuen Gruppe formiert wurden. Jedoch kannten sich die Ferkel aus dem Gruppenhaltungssystem bereits alle aus der Säugezeit, während in den Vergleichsgruppen jeweils nur die fünf Wurfgeschwister einander bekannt waren.

Während der Säugezeit wiesen die Ferkel aus dem Gruppenhaltungssystem nach dem erstmaligen Verlassen der Abferkelbuchten einen höheren Grad an Hautverletzungen auf als Ferkel, welche sich zu diesem Zeitpunkt wurfweise in einer konventionellen

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Abferkelbucht befanden. Somit ist davon auszugehen, dass bei Ferkeln aus dem Gruppenhaltungssystem bereits während der Säugezeit Rangkämpfe stattfanden. Diese waren allerdings von geringerem Ausmaß als bei Ferkeln, welche erstmals nach dem Absetzen zusammentrafen und konventionellen Abferkelbuchten entstammten.

Hervorzuheben ist zudem, dass auch Ferkel, welche wurfweise in konventionellen Abferkelbuchten gehalten wurden, während der Säugezeit einen ansteigenden Verletzungsgrad aufwiesen, der wiederum auf aggressive Auseinandersetzungen auch unter Wurfgeschwistern hindeutet. Ursache könnte die Flächenrestriktion in Verbindung mit fehlenden Ausweichmöglichkeiten in der Abferkelbucht sein. Die Haltung in einem Gruppenhaltungssystem für ferkelführende Sauen scheint positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten der darin aufgezogenen Ferkel auszuüben. Zudem wurden in vorgestellter Studie höhere tägliche Zunahmen dieser Ferkel innerhalb der ersten vier Tage nach dem Absetzen und tendenziell höhere Zunahmen über die gesamte Aufzucht nachgewiesen.

Ähnliches wurde auch von anderen Autoren berichtet (Hessel et al., 2006; Kutzer et al.

2009). Somit scheint sich die Annahme positiver Effekte des frühzeitigen Kontaktes wurffremder Ferkel zu bestätigen. Hier könnten auch gesundheitliche Effekte eine Rolle spielen. So wird das Immunsystem der Ferkel durch stressbehaftete Situationen beeinflusst, was gerade in der Phase des Absinkens maternaler Antikörper bei Absetzferkeln bedeutsam erscheint. Infolge der Rangordnungskämpfe und der allgemeinen Belastungssituation des Absetzens kommt es zu einer Reihe physiologischer Stressreaktionen, die in einer Beeinflussung des Endokriniums und des Immunsystems resultieren (Puppe et al., 1997; Merlot et al., 2004). Eine Verminderung von Rangauseinandersetzungen durch die Gruppierung einander bereits aus der Säugezeit bekannter Ferkel kann somit durch eine Stressreduktion auch gesundheitlich für die Tiere von Vorteil sein.

Dennoch stellte sich die Frage, inwieweit das erweiterte Flächenangebot, welches laktierenden Sauen in einem Gruppenhaltungssystem zur Verfügung gestellt wurde, auch von den darin befindlichen Saugferkeln genutzt wurde. Die dargestellten Verhaltensbeobachtungen offenbarten, dass zwar die Abferkelbuchten die bevorzugten Aufenthaltsorte der Saugferkel darstellten, der Gemeinschaftsbereich jedoch insbesondere während der Aktivitätsphase in den Nachmittagsstunden vermehrt aufgesucht wurde. Hier wurde auch vorrangig Aktivitätsverhalten gezeigt, während die Buchten für das Ruheverhalten in den dort vorhandenen Ferkelnestern genutzt wurden. Mit zunehmendem

Alter der Ferkel sank erwartungsgemäß der Aufenthalt in den Ferkelnestern, und der Gemeinschaftsbereich wurde häufiger besucht. Mit dem erstmaligen Verlassen der Buchten gaben die Ferkel, ähnlich wie die Sauen, ihre Geburtsbucht weitgehend auf, hielten sich in anderen Buchten auf und suchten insbesondere in den ersten Tagen nach dem Verlassen der Geburtsbucht aktiv die Nähe der Muttersau. Auch hier ermöglichte das Gruppenhaltungssystem die Ausführung natürlichen Verhaltens, denn das Begleiten der Muttersau nach Verlassen des Nestes wurde auch unter naturnahen Bedingungen beobachtet (Stolba und Wood-Gush, 1989).

Es kann also geschlussfolgert werden, dass Gruppenhaltungssysteme für laktierende Sauen aufgrund einer Anreicherung der baulichen und der sozialen Haltungsumwelt die Tiergerechtheit der Haltung sowohl für Sauen als auch für Ferkel verbessern können.

Jedoch muss betont werden, dass in Abferkelsystemen ohne Fixierung der Sau oftmals von einer erhöhten Saugferkelmortalität durch Erdrücken berichtet wird (Hales et al., 2014;

Chidgey et al., 2015), was die Tiergerechtheit dieser Systeme wiederum einschränkt.

Insbesondere in den ersten Tagen nach der Geburt werden derartige Erdrückungsverluste beobachtet, wobei die ersten 24 Stunden nach der Geburt den kritischsten Zeitpunkt darstellen (Marchant et al., 2001; Kirkden et al., 2013). Daher wird eine Fixierung der Sau während der ersten vier Tage nach der Geburt der Ferkel empfohlen (Moustsen et al., 2013). Es existieren jedoch auch Berichte, wonach eine Haltung von Sauen ohne Fixierung die Saugferkelmortalität insgesamt nicht erhöhte (Weber et al., 2007; KilBride et al., 2012). Auch im für Publikation 10 genutzten Haltungssystem traten keine erhöhten Saugferkelverluste im Vergleich zur zeitgleich auf dem Betrieb praktizierten konventionellen Einzelhaltung der Sauen im Kastenstand auf. Dies traf jedoch nicht auf das für Publikation 11 genutzte Gruppenhaltungssystem zu, in dem die Erdrückungsverluste höher lagen als bei Einzelhaltung der Sau im Kastenstand. Die Darstellung der Erdrückungsverluste ist nicht Bestandteil der Publikationen und wird hier zusätzlich erwähnt. In beiden Gruppenhaltungssystemen erfolgte zu keinem Zeitpunkt eine Fixierung der Sau im Kastenstand. Eine Fixierung der Sauen über einige Tage nach der Geburt hätte eventuell die Zahl der Ferkelverluste im für Publikation 11 genutzten Haltungssystem reduzieren können.

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4.2.2 Auswirkungen der Haltungsumwelt auf aggressive Interaktionen und die