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Anfechtung des Aufhebungsvertrages

Im Dokument A I Jura Studium & Examen J§E (Seite 41-44)

„Ein Audi A5 als Stein des Anstoßes“

B) Anfechtung des Aufhebungsvertrages

Fraglich ist, ob F den Aufhebungsvertrag zumindest wirksam anfechten kann. Dann wäre der Aufhebungsvertrag als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB), so dass der damalige Arbeitsvertrag noch fortbestehen würde. Eine Anfech-tung setzt einen AnfechAnfech-tungsgrund, eine AnfechAnfech-tungserklärung und das Einhalten der Anfechtungsfrist voraus.

I. Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB

Fraglich ist, ob der Anfechtungsgrund der widerrechtlichen Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB erfüllt ist.

1. Drohung nach § 123 Abs. 1 BGB

Zu untersuchen ist zunächst, ob eine Drohung vorliegt. Drohen ist das in Aussicht stellen eines künftigen Übels, auf dessen Verwirklichung der Drohende Einfluss zu haben vorgibt.

M hat F hier in Aussicht gestellt, dass er aus der Vertragsstrafen-Regelung in Anspruch genommen wird. Das hätte nach dem Wortlaut der Regelung zu einer Zahlungspflicht in Höhe von 12 Monatsgehältern geführt. Auf den ersten Blick stellt diese Ver-tragsstrafe für F ein künftiges Übel dar.

a) Empfindliches Übel

Problematisch ist aber, dass die Klausel in seinem Arbeitsver-trag womöglich unwirksam ist und objektiv betrachtet dann kein Übel darstellt.

b) Vertragsstrafen-Regelung

Es könnte sich bei dieser Vertragsstrafen-Regelung um eine All-gemeine Geschäftsbedingung handeln, die nach den §§ 305 ff. BGB zu prüfen ist.

aa) AGB iSv. § 305 Abs. 1 BGB

Fraglich ist zunächst, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen vor-liegen. Das bestimmt sich nach § 305 Abs. 1 BGB. Da die T-GmbH die Regelung vorformuliert, als Arbeitgeber gestellt und zudem mit einer Mehrfachverwendungsabsicht gehan-delt hat – die Regelung wurde dutzendweise eingesetzt – hangehan-delt

6 Basedow, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. (2016), § 310 Rn. 96; Stadler, in: Jauernig, BGB, 16. Aufl. (2015), § 310 Rn. 13.

7 Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl. (2017), § 310 Rn.

99; Melms, in: Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 4. Aufl.

(2017), § 10 Rn. 142.

es sich um eine AGB. Eine AGB kann insbesondere auch nur eine einzelne Klausel sein. Da die T-GmbH Unternehmerin iSv. § 14 BGB ist und F Verbraucher iSv. § 13 BGB, gilt die AGB als von der T-GmbH gestellt (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

bb) Einbeziehungskontrolle nach § 305 Abs. 2 BGB Fraglich ist sodann, ob die AGB wirksam in den Vertrag einbe-zogen wurde (Einbeziehungskontrolle). Das bestimmt sich im Grundsatz nach § 305 Abs. 2 BGB. Da es sich vorliegend um ei-nen Arbeitsvertrag handelt, braucht § 305 Abs. 2 BGB jedoch nicht geprüft zu werden (§ 310 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 BGB).

Eine Einbeziehungskontrolle ist nicht notwendig.6 Hinweis

F wird offenbar eine Möglichkeit gehabt haben, seinen Arbeitsvertrag vorher zu lesen und damit die dortige Re-gelung zur Kenntnis zu nehmen. Da er den Arbeitsvertrag eingegangen ist, war er offensichtlich auch mit der Gel-tung einverstanden.

cc) Inhaltskontrolle nach §§ 307-310 BGB

Fraglich ist, ob die Klausel der Inhaltskontrolle standhält. Bei der Prüfung der §§ 307-309 BGB sind die im Arbeitsrecht gelten-den Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 S. 1 BGB).

(1) § 309 Nr. 6 BGB

Die vorliegende Klausel ist nicht schon ohne weitere Wertungs-möglichkeit nach § 309 Nr. 6 BGB verboten, da sie nicht an die dortigen Auslösungsgründe anknüpft.

(2) Pauschalisierter Schadensersatzanspruch

Die Klausel könnte jedoch (auch) einen pauschalisierten Scha-densersatzanspruch darstellen, der dem Arbeitnehmer keinen Nachweis gestattet, zu beweisen, dass überhaupt kein Schaden entstanden ist oder dieser wesentlich niedriger als die Pauschale ist. Das Klauselverbot nach § 309 Nr. 5 BGB ist auch im Arbeits-recht anwendbar.7 Hier übersteigt die Pauschale den in den ge-regelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu er-wartenden Schaden, da eine kurze private Fahrt von 8 km nicht die Schadenshöhe einer Jahresvergütung eines Arbeitnehmers in Vollzeit erreichen wird. Die Klausel übersteigt damit (erheblich) den typischen Durchschnittsschaden8 und verstößt gegen § 309 Nr. 5 BGB. Die Klausel ist unwirksam.

(3) Verstoß gegen das Transparenzgebot

Die Klausel könnte auch – hilfsgutachterlich – gegen das Trans-parenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen. Das wäre der Fall, wenn sie nicht klar und verständlich wäre und dadurch eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers ent-steht. Vorliegend ist unklar, ob sich die Vertragsstrafe auf 12 Brutto- oder Nettogehälter bezieht. Sie kann daher nicht einmal der Höhe nach genau bestimmt werden. Die Regelung ist daher nicht klar und verständlich und hält auch der Generalklausel nicht stand. Im Übrigen – hilfsgutachterlich – ist eine solche

8Schulte-Nölke, in: Schulze [u.a.], HK-BGB, 9. Aufl. (2017), § 309 Rn. 20;

Wurmnest, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. (2016), § 309 Nr. 5 Rn. 11; Becker, in: Bam-berger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK-BGB, 43. Edition (01.05.2017), § 309 Nr. 5 Rn. 19, 21.

Klausel nicht mit Treu und Glauben zu vereinbaren, da der Ar-beitnehmer ein ganzes Jahr tadellos gearbeitet haben könnte und für einen minimalen Schaden sein Jahresgehalt verlieren würde. Sie ist daher auch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unange-messen.

dd) Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen

Fraglich ist, was mit dem Arbeitsvertrag im Übrigen geschieht.

Sollte der Vertrag insgesamt unwirksam sein, würde F die AGB-Kontrolle nichts helfen, sondern ihn sogar belasten. § 306 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt.

Hinsichtlich der entstandenen Lücke ist auf gesetzliche Vor-schriften abzustellen (§ 306 Abs. 2 BGB). Kraft Gesetzes gibt es jedoch keine Vertragsstrafen-Regelung (vgl. §§ 336 ff. BGB).

c) Ergebnis

Da die Klausel gegen Klauselverbote und die Generalklausel ver-stößt, ist sie nichtig. Objektiv betrachtet ist das Drohen mit ei-ner nichtigen Klausel damit kein Übel. Fraglich ist also, ob ein empfindliches Übel im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB auch dann an-zunehmen ist, wenn der Bedrohte nur subjektiv von einem empfindlichen Übel ausgeht.

Das ist zu bejahen, da § 123 BGB den freien Willen schützt9 und damit auch denjenigen, der in der Situation der Drohung nicht erkennt, dass von dem in Aussicht gestellten Übel keine Gefahr ausgeht. Es kommt auf die Sicht des Bedrohten an.10 Eine be-sondere Schwere muss das Übel nicht aufweisen;11 es kann also auch objektiv gering sein. Die Drohung war aus Sicht des Be-drohten keine Lappalie12, so dass man von F auch nicht erwarten konnte, hierin keine Drohung zu sehen. Würde man das anders sehen, würde man bei Lichte betrachtet von F verlangen, dass er als juristischer Laie in der vorliegenden Stresssituation am 16.01.2017 eine komplexe AGB-Prüfung vornimmt, bevor er ein-schätzen kann, ob objektiv ein empfindliches Übel vorliegt. Das kann vorliegend nicht verlangt werden. Es genügt daher, dass subjektiv ein empfindliches Übel vorliegt, obwohl objektiv die zur Drohung verwendete Klausel nichtig ist.

2. Kausalität

Zwischen Willenserklärung und Drohung muss eine Kausalität vorliegen. Ohne die entsprechende Drohung hätte F die Wil-lenserklärung auf Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht ab-gegeben. Die Kausalität liegt damit vor.

3. Widerrechtliche Drohung

Die Drohung müsste widerrechtlich gewesen sein. Problema-tisch ist, dass der erreichte Zweck („Geschäftsleitung weiß von einem Verstoß eines Mitarbeiters“) legitim ist und auch das dazu verwendete Mittel („Information eines Sachverhalts gegenüber der Geschäftsleitung“13) für sich betrachtet nicht zu beanstanden

9 Dörner, in: Schulze [u.a.], HK-BGB, 9. Aufl. (2017), § 123 Rn. 1; Mansel, in:

Jauernig, BGB, 16. Aufl. (2015), § 123 Rn. 1; Armbrüster, in: MüKo-BGB, 7.

Aufl. (2015), § 123 Rn. 1.

10 Armbrüster, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. (2015), § 123 Rn. 102; Dörner, in:

Schulze [u.a.], HK-BGB, 9. Aufl. (2017), § 123 Rn. 12.

11Wendtland, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK-BGB, 43. Edition (15.06.2017), § 123 Rn. 27; Spindler, in: Spindler/Schuster, Recht der elektro-nischen Medien, 3. Aufl. (2015), § 123 BGB Rn. 6.

12 Dazu Armbrüster, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. (2015), § 123 Rn. 102.

13 Ähnlich Dörner, in: Schulze [u.a.], HK-BGB, 9. Aufl. (2017), § 123 Rn. 10;

Armbrüster, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. (2015), § 123 Rn. 104, 106; Wendtland, in:

ist.14 Allerdings führt die Verknüpfung dieses Mittels mit diesem Zweck zu einer Inadäquanz15, wenn dadurch F zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gebracht werden soll, weshalb die Drohung als widerrechtlich zu würdigen ist.

4. Zwischenergebnis

Der Anfechtungsgrund der widerrechtlichen Drohung nach

§ 123 Abs. 1 BGB liegt vor.

Hinweis

Sofern man in der Aussage der M, „sie [müsse] die Sache eigentlich der Geschäftsleitung vorlegen“ eine Täuschung sieht, war diese jedenfalls arglistig. Denn M wusste, hierzu nicht mehr befugt zu sein. Der Anfechtungsgrund des § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB erscheint somit vertretbar.

II. Anfechtungserklärung nach § 143 BGB

Das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes führt nicht automa-tisch zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Vielmehr bedarf es ei-ner Anfechtungserklärung (Gestaltungsrecht nach § 143 Abs. 1 BGB). Diese Anfechtungserklärung liegt noch nicht vor. F müsste diese gegenüber der T-GmbH noch erklären.

III. Anfechtungsfrist nach § 124 BGB

Fraglich ist, ob F die Anfechtungsfrist noch einhalten kann.

Diese beträgt nach § 124 Abs. 1 BGB ein Jahr. Die Frist beginnt nach § 124 Abs. 2 Satz 1 BGB im Falle der Drohung mit dem Zeit-punkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Das war offensicht-lich am 17.01.2017 der Fall. Damit ist die Anfechtungsfrist am 01.02.2018 bereits verstrichen. Das Anfechtungsrecht ist damit erloschen.16 F kann damit nicht mehr wirksam anfechten.

C) Ergebnis

F kann sein altes Arbeitsverhältnis nicht mehr fortsetzen.

 Inhaltsverzeichnis

Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK-BGB, 43. Edition (15.06.2017), § 123 Rn. 29, 30.

14 Dazu Dörner, in: Schulze [u.a.], HK-BGB, 9. Aufl. (2017), § 123 Rn. 10; Arm-brüster, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. (2015), § 123 Rn. 105.

15 Vgl. Dörner, in: Schulze [u.a.], HK-BGB, 9. Aufl. (2017), § 123 Rn. 10; Arm-brüster, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. (2015), § 123 Rn. 103; Mansel, in: Jauernig, BGB, 16. Aufl. (2015), § 123 Rn. 15.

16 Dörner, in: Schulze [u.a.], HK-BGB, 9. Aufl. (2017), § 124 Rn. 3; Wendtland, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK-BGB, 43. Edition (15.06.2017),

§ 124 Rn. 3; Armbrüster, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. (2015), § 124 Rn. 4.

Im Dokument A I Jura Studium & Examen J§E (Seite 41-44)