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Analyseergebnisse für den repräsentativen Bevölkerungsdurchschnitt

4. Empirische Analyse: Wirkung stark vereinfachter Nachhaltigkeitsinformationen als Nudges auf

4.5. Ergebnisse der empirischen Analysen

4.5.4. Analyseergebnisse für den repräsentativen Bevölkerungsdurchschnitt

Bevölkerungsdurchschnitt die Wirksamkeit von Nudging für eine klimaschonendere und gesündere Ernährung. Das Hervorheben und Veranschaulichen von Auswirkungen von Kauf-entscheidungen auf der Verpackung wirkt positiv auf die Beliebtheit fleischloser Mahlzeiten.

Für die Gesamtstichprobe des repräsentativen Bevölkerungsdurchschnitts weist die identi-sche Präferenzreihenfolge in der Ausgangssituation mit der Standard-Verpackung auf wie die erste Studie. Die Natürlich-Lecker!-Fleisch- und Gemüse-Variante sind wiederum die beiden beliebtesten Gerichte in der Ausgangssituation. Dabei liegen jedoch die Gesamtnutzenwerte der „Natürlich Lecker“-Gemüsemahlzeit auf Rang 2 (vgl. G2-S-KI in Tabelle 6) und die reguläre Fleisch-Lasagne auf Rang 3 (F1-S-KI) sehr nah beieinander.

Ausgangspunkt Mahlzeit Gesamtnutzen Rang

Nudges Mahlzeit Gesamtnutzen Rang ∆ Gesamtnutzen ∆ Rang

(Vergleich zum Gesamtnutzen und Rang im Ausgangspunkt oberhalb)

Tabelle 6: Wirkung der Nudges für den repräsentativen Bevölkerungsdurchschnitt

Für die Gesamtstichprobe zeigen sich folgende wesentliche Veränderungen in der Präferenz-reihenfolge der Mahlzeiten: Die Kombination aus Lebensmittelampel und Klima-Sternen lässt die reguläre Fleisch-Lasagne auf den vierten Rang der Präferenzreihenfolge zurückfallen. Die schematische Darstellung des durch die zur Auswahl stehenden Fleischlasagne abgedeckten Gemüse-Tagesbedarfs auf der Verpackung wirkt jedoch gegen eine nachhaltige Ernährung und führt zu einem höheren Rang für die reguläre Fleisch-Lasagne (von Rang 3 auf Rang 2).

Hier führt also die erhöhte Transparenz dazu, dass die weniger gesunde, klimaschädlichere Kaufentscheidung getroffen wird.

Ein Blick auf die Veränderung des Gesamtnutzens (Spalte ∆ Gesamtnutzen in Tabelle 6 auf der folgenden Seite) zeigt, dass durch Klima-Sterne, Lebensmittelampel sowie der Kombination von Ampel und Klima-Sternen die Gemüse-Varianten in der Regel besser abschneiden als die Fleisch-Varianten, da diese im Vergleich entweder an Nutzen gewinnen oder einen geringeren Verlust an Nutzen aufweisen. Bei den anderen Verpackungsmerkmalen (Gemüse-Tagesbedarf, Norm/Warnhinweis, Lebensmittelampel mit Gemüse-Tagesbedarf oder mit Norm/Warnhinweis) zeigen sich gemischte Effekte (in der Spalte ∆ Gesamtnutzen), sodass sich die Wirkung dieser Nudges für die Gesamtstichprobe nicht als zuverlässig und durchgehend wirksam bewertet werden können.

Im Unterschied zu den Studierenden erreicht der Nutzen der Nichtwahl im Bevölkerungs-durchschnitt in nahezu allen Fällen einen geringeren Gesamtnutzen als eine der angebotenen Mahlzeiten. Damit ist die Nichtwahl weniger beliebt als die Entscheidung für eine der zur Auswahl stehenden Mahlzeiten. Die Wirkung der Nudges ist insgesamt geringer als in der Studie mit Studierenden.

Die Grundlage der folgenden Ausführungen bilden die im Anhang dargestellten Tabellen 7 bis 18, die die Ergebnisse nach verschiedenen Kriterien (Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Fleischkonsum usw.) differenziert darstellen.

Auf Ebene der einzelnen Kundensegmente führt die Abbildung einzelner Verpackungs-merkmale nur in drei Fällen dazu, dass eine fleischlose Variante das beliebteste Gericht wird.

Diese Veränderung in der Präferenzreihenfolge geschieht nur durch die Abbildung von Klima-Sternen, einer deskriptiven Norm bzw. eines Warnhinweises oder der Lebensmittelampel auf den Gerichten bei Personen mit einem hohen Bildungsniveau. Darüber hinaus ergeben sich nur Veränderungen bei den hinteren Rängen, die den Tabellen 7 bis 18 im Anhang ent-nommen werden können.

Bei weiteren Kundensegmenten wirken Nudges, nur wenn sie miteinander kombiniert werden, d. h. erst die Abbildung von Lebensmittelampel und Klima-Sternen führt dazu, dass sich die Präferenzreihenfolge zugunsten der Gemüse-Varianten verändert. Erst in Verbindung mit der

Lebensmittelampel zeigt sich die Wirkung der Klima-Sterne, der Darstellung des Gemüse-Tagesbedarfs und der deskriptiven Norm bzw. des Warnhinweises, die zu deutlicheren Veränderungen in der Präferenzreihenfolge führen:

- Die Kombination von Lebensmittelampel und Klima-Sternen sorgt bei zahlreichen Kundengruppen (vgl. Anhang Tabellen 7 bis 18) dafür, dass die Gemüse-Variante auf den ersten Rang gelangt und damit das beliebteste Gericht darstellt.

- Auch die Kombination von Lebensmittelampel und Darstellung des Gemüse-Tagesbedarfs führt dazu, dass die Gemüse-Variante bei folgenden Gruppen auf den ersten Rang der Präferenzreihenfolge aufsteigt: Frauen, Personen von 18 bis 40, sowie Personen, denen Gesundheit, Natürlichkeit der Zutaten, Gewichtskontrolle und Nachhaltigkeit von hoher Bedeutung sind.

- Die kombinierte Wirkung von Lebensmittelampel und der deskriptiven Norm bzw. des Warnhinweises bewirkt, dass die Natürlich-Lecker!-Gemüse-Variante bei Frauen, den Altersklassen 18 bis 30 und 31 bis 40 sowie Befragten mit einer hohen Präferenz für Gesundheit, Natürlichkeit, Gewichtskontrolle und Nachhaltigkeit den ersten Rang einnimmt. Dies gilt auch auf für Personen, die nie oder 3-5-mal in der Woche Fertiggerichte konsumieren und/oder typischerweise bis zu 10 Minuten zur Zubereitung von Mahlzeiten aufwenden.

Interessanterweise entsprechen diese Eigenschaften der Personen, die auf Nudging auf Verpackungen stark reagieren, weitgehend den demographischen Eigenschaften, die auch der bisherigen Forschungsliteratur von nachhaltigkeitsorientierten Konsument*innen ent-sprechen: Hier werden häufig die Eigenschaften jung bis mittleres Alter, weiblich und gut ausgebildet genannt (Verain et al. 2012; von Meyer-Höfer et al. 2015; Mohr & Schlich 2016).

Wenn man Nudging nicht als eine Form der Manipulation, sondern als die Ausgestaltung der Entscheidungsarchitektur zur Unterstützung an sich bestehender Präferenzen versteht (vgl.

Abschnitt 3.3.2; Hansen & Jespersen 2013) erscheint dieses Ergebnis wenig überraschend.

Gut gebildete Personen sind über Gesundheitswirkungen von Lebensmitteln und die Be-deutung des Klimawandels überdurchschnittlich gut informiert und entwickeln häufiger eine Präferenz für Nachhaltigkeit (Verain et al. 2012; von Meyer-Höfer et al. 2015; Mohr & Schlich 2016). Wird die Umsetzung dieser grundsätzlichen Präferenzen für gesunde Ernährung und Klimaschutz jedoch durch konkrete Umstände im Kaufkontext erschwert, so kommt es häufig zu einem nicht kohärenten Entscheidungs- und Kaufverhalten bzw. zu einer Einstellungs-Verhaltens-Lücke („Attitude-Behaviour-Gap“), wie es vielfach beobachtet und dokumentiert wurde (vgl. z.B. Carrington et al. 2010; Gleim & Lawson 2014; Kollmuss & Agyeman 2002;

Verbeke et al. 2010).

Hier setzt Nudging an, indem es den Entscheidungskontext berücksichtigt, um eine mit den grundsätzlichen Präferenzen kohärentere Handlungsumsetzung zu unterstützen (Thaler et al.

2018; Mont et al. 2014; Urban 2017). Dementsprechend scheint besonders für die gut gebildete Bevölkerungsgruppe eine hohe Wirkung von Nudging möglich, da es durch die der Kaufsituation angepasste vereinfachte Informationsbereitstellung, die Umsetzung der eigentlichen Präferenzen gebildeter Personen wirksam beitragen kann. Unsere empirischen Ergebnisse stützen demnach die These, dass Nudging helfen kann, kurzfristige Entscheidungen mit langfristigen Nachhaltigkeitswünschen besser in Einklang zu bringen.

Das Ergebnis, dass Nudges bei weiteren, über das hohe Bildungsniveau hinausgehenden Personengruppen nur stark wirken, wenn sie miteinander kombiniert werden, deutet mög-licherweise darauf hin, dass für Personen mit geringeren Nachhaltigkeitspräferenzen mehr Gründe (und Informationen zu Gründen) vorliegen müssen, damit sie von bisherigem Kauf-verhalten abweichen. Während ein einzelner Grund (z.B. Klimafreundlichkeit) möglicherweise als zu wenig triftig erachtet wird, das bisherige Verhalten zu verändern, sich aber die Veränderungsbereitschaft erhöht, wenn mehrere Gründe vorliegen (z.B. Klimafreundlichkeit und Gesundheit), ist ein interessantes Untersuchungsfeld für die zukünftige empirische Forschung.