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An Goethes Mutter

Im Dokument Malte Laurids Brigge (Seite 148-151)

Ich aber kann Ihr sagen, daB mir bis heute die allgemeine Be-geisterung fiir seine GroBe, fi.ir seinen Namen noch nicht aufge-gangen ist. Meine Liebe zu ihm beschriinkt sich auf das Stiibchen mit weiBen Wiinden, wo ich ihn zuerst gesehen, wo am Fenster der Weinstock, von seiner Hand geordnet hinaufwiichst, wo er auf dem Strohsessel sitzt und mich in seinen Armen halt; da liiBt er keinen Fremden ein, und da weiB er auch von nichts als nur von mir allein. Frau Rat! Sie ist seine Mutter, und Ihr sag ich's: wie ich ihn zum erstenmal gesehen hatte, und ich kam nach Haus, da fand ich, daB ein Haar von seinem Haupt auf meine Schulter ge-fallen war. Ich verbrannte es am Licht, und mein Herz war er-griffen, daB es auch in Flammen ausschlug, aber so heiter, so lustig wie die Flammen in blauer, sonnenheller Luft, die man kaum gewahr wird, und die ohne Rauch ihr Opfer verzehrt. So wird mir's auch gehen: mein Leben lang werde ich lustig in die Li.ifte flackern, und die Leute werden nicht wissen, woher sich diese Lust schreibt; es ist nur, weil ich weiB, daB, wenn ich zu ihm komme, er ailein mit mir sein will und alle Lorbeerkriinze vergiBt (L 14, II, 26-27).

An Goethes Mutter

Winckel, am 12. Juni -Bei solcher Lebensweise, was soil ich da lernen, woher soil ich klug werden?- Was ich Ihrem Sohn schreib, das gefiillt ihm, er verlangt immer mehr, und mich macht das selig, denn ich schwelge in einem OberfluB von Gedanken, die meine Liebe,

mein Gluck ausdriicken, wie es Ihm erquicklich ist. Was ist nun Geist und Klugheit, da der seligste Mensch, wie ich, ihrer nicht bedarf?- Es war voriges Jahr im Eingang Mai, da ich ihn sah zum erstenmal, da brach er ein junges Blatt von den Reben, die an seinem Fenster hinaufwachsen, und legt's an meine Wange und sagte: ,Das Blatt und deine Wange sind beide wollig"; ich saB auf dem Schemel zu seinen Fuf5en und lehnte mich an ihn, und die Zeit verging im stilleno -Nun, was hatten wir Kluges einander sagen konnen, was diesem verborgnen Gluck nicht Eintrag getan hatte; welch Geisterwort hatte diesen stillen Frieden ersetzt, der in uns bluhte?- 0 wie oft hab ich an dieses Blatt gedacht, und wie er damit mir die Stirne und das Gesicht streichelte, und wie er meine Haare durch die Finger zog und sagte: ,Ich bin nicht klug; man kann mich leicht betrugen; du hast keine Ehre davon, wenn du mir was weismachst mit deiner Liebe 0" -Da fiel ich ihm urn den Halso - Das ailes war kein Geist, und doch hab ich's tausendmal in Gedanken durchlebt und werde mein Leben lang dran trinken wie das Aug das Licht trinkt (L 14, II, 30-31)0

An Goethes Mutter

0 0 0 Ich hab ihm gesagt in Weimar: wenn ich dort wohnte, so wollt ich als nur die Sonn- und Feiertag zu ihm kommen und nicht aile Tag, das hat ihn gefreut; so mein ich, daB ich auch nicht aile Tag an ihn schreiben darf, aber er hat mir gesagt: ,Schreib aile Tag, und wenn's Folianten waren, es ist mir nicht zu viel", aber ich selbst bin nicht aile Tag in der Stimmung, manchmal denke ich so geschwind, daf5 ich's gar nicht schreiben kann, und die Ge-danken sind so suB, daB ich gar nicht abbrechen kann, urn zu schreiben, noch dazu mag ich gern grade Linien und schone Buchstaben machen, und das halt im Denken auf, auch hab ich ihm manches zu sagen, was schwer auszusprechen ist, und man-ches hab ich ihm mitzuteilen, was nie ausgesprochen werden kann; da sitz ich oft Stunden und seh in mich hinein und kann's nicht sagen, was ich seh, aber weil ich im Geist mich mit ihm zusammen fuhl, so bleib ich gern dabei, und ich komme mir vor wie eine Sonnenuhr, die grad nur die Zeit angibt, solang die Sonne sie bescheint (L 14, II, 34)0

An Goethes Mutter

0 0 0 Ich will doch lieber ein einfaches Weizenkorn sein, als eine beruhmte Frau, und will auch Heber, daiS Er mich als tagliches

Brot breche, als daB ich ihm wie ein Schnaps durch den Kopf fahre (L 14, II, 40).

An Goethe

Lieber totals tibrig sein! Ich bin es aber nicht; denn ich bin Dein, weil ich Dich erkenne in allem. - Ich weiB, daB, wenn sich auch die Wolken vor dem Sonnengott aufttirmen, daB er sie bald wie-der niewie-derdrtickt mit glanzenwie-der Hand; ich weiB, daB er keinen Schatten duldet als den er unter den Sprossen seines Ruhmes sich selber sucht. - Die Ruhe des BewuBtseins wird Dich tiberschatten;

- ich weiB, daB, wenn er sich tiber den Abend hinwegbeugt, so erhebt er wieder im Morgen das goldne Haupt. Du bist ewig. -Drum ist es gut mit Dir sein. Wenn ich abends allein im dunklen Zimmer bin und des Nachbars Lichter den Schein an die Wand werfen, zuweilen auch Streiflichter Deine Btiste erleuchten, oder wenn es schon still in der Stadt ist, in der Nacht; hier und dort ein Hund bellt, ein Hahn schreit;- ich weiB nicht, warum es mich oft mehr wie menschlich ergreift; ich weiB nicht, wo ich vor Schmerz hin will. - Ich mochte anders als wie mit Worten mit Dir sprechen;

ich mochte mich an Dein Herz drticken; - ich ftihl, daB meine Seele lodert. - Wie die Luft so ftirchterlich still ruht kurz vor dem Sturm, so stehen dann grade meine Gedanken kalt und still, und das Herz wogt wie das Meer. Lieber, lieber Goethe! -Dann lost mich eine Rtickerinnerung an Dich wieder auf; die Feuer-und Kriegszeichen gehen langsam an meinem Himmel unter, und Du bist wie der hereinstromende Mondstrahl. Du bist groB und herr-lich und besser als alles, was ich bis heute erkannt und erlebt hab.

- Dein ganzes Leben ist so gut (L 14, II, 77-78).

An Bettine

Am 5. September

Du hast Dich, liebe Bettine, als ein wahrer kleiner Christgott er-wiesen, wissend und machtig, eines jeden Bedtirfnisse kennend und ausftillend; - und soll ich Dich schelten oder loben, daB Du mich wieder zum Kinde machst? Denn mit kindischer Freude hab ich Deine Bescherung verteilt und mir selbst zugeeignet (L 14, II, 87).

An Bettine

Du ztirnst auf mich, da muB ich denn gleich zu Kreuz kriechen und Dir recht geben, daB Du mir den Prozess machst tiber meine

kurzen kalten Briefe, da doch Deine lieben Briefe, Dein lieb Wesen, kurz alles, was von Dir ausgeht, mit der schonsten An-erkenntnis miifSte belohnt werden. Ich bin Dir immer nah, das glaube fest, und daiS es mir wohler tut, je Hinger ich Deiner Liebe gewifS werde. Gestern schickte ich meiner Mutter ein kleines Blatt-chen fiir Dich; nimm's als ein bares Aquivalent fiir das, was ich anders auszusprechen in mir kein Talent fiihle, sehe zu, wie Du Dir's aneignen kannst. Leb wohl, schreib mir bald, alles was Du willst (L 14, II, 109). Goethe

Im Dokument Malte Laurids Brigge (Seite 148-151)