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elektr.strom .

2 NaCI + 2 (H20 )·

~

NaOH + CI2

~+ H2~

Steinsalz + Wasser Ouecksilber. Natronlauge + Chlor -I-Wasserstoff

Abb. 7: AIkali-Elelarolyse

..

1890 begann die Produktion von Chlor und Kalilauge (bzw. Natronlauge) nach einem neuen, ä~rst streng geheim gehaltenen Verfahren bei der Chemischen Fabrik GRJESHEIM: ELEKTRON AG bei Frankfurt.

Die Elektrolyse wurde damals unter prekären Arbeitsbedingungen durchgefiihrt.

In der Zersetzungshalle standen die "Bäder", schmiedeeiserne Kästen, 2 m lang, 2 m breit und 1 m hoch. Darin befanden sich eingetaucht mehrere Zellen von et-wa O,5_Kubikmeter, scbmiedeeiserene Gerippe mit Zementwänden und gußeiser-nen Deckeln. Die Wände wirkten als Kathoden (Minuspole), als Anode (plus-pol) waren an den Deckeln Kohlenstäbe angebracht, die in das Bad eintau~hten.

Durch das Anlegen einer hohen elektrische Gleichspannung zersetzte sich die Salzlösung, an den Anoden bildeten sich Chlor und chlprorganische Zerset-zungsprodukte aus der Kohleelektrode, an den Kathoden eine ätzalkalihaltige Lauge. Das aggressive, chemische Kampfgas Chlor wurde durch Glas- und Blei-röhren abgesaugt und in Bleikammern geleitet, deren Boden mit Ätzkalk: bedeckt war.

Das in der Tat gravierende Gesundheitsproblem waren nicht nur die Chlor-Dämpfe, sondern auch hochtoxische halogenorganische Gifte, die sich ständig an den sich abnutzenden Kohleelektroden anreicherten. Die Arbeiter wurden von "Pocken" ·befallen, sie litten unter akuter und chronischer Chlor akne, einem·

schmerzhaften, eitrigen Hautausschlag (Furunkel und Abszesse) oft am ganzen Körper, der auf einer massiven Überforderung des Im.nlunsystems beruht. Dazu kamen noch Schlafsucht, Schwäche, Appetitlosigkeit, Libidoverlust und Abma-gerung. Und als häufige Todesursache Krebs. Später sollte sich herausstellen,

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Sanfte Chemie: Theoretische GruncUagen,· Chancen und Perspektiven Von drei möglichen Verfahrensalternativen der Chloralkalielektrolyse werden in Österreich an den beiden Produktionsstandorten Brückl und Hallein nur das äl-teste Verfahren, das Amalgam-Verfahren eingesetzt, an dem an einer Graphit-oder Titan-Anode aus einer Kochsalzlösung gasförmiges Chlor abgezogen wird, während sich an der Quecksilberanode eine Natrium-Quecksilber-Verbindung abscheidet (Amalgam), das dann in einem zweiten Schritt in einem

Amalgam.-· Zersetzer zu Natronlauge und Wasserstoffaufspaltet.

Beim Amalgamverfahren entstehen auch die meisten Abfallprobleme. Es kommt

· ständig zu Quecksilberverlusten (ca. 20

Grainm

Quecksilber pro Tonne Chlor), außerdem kann sich hochexplosives Chlor-Knallga~ (eine Mischung von Chlor und Wasserstoff) bilden.

In Japan und anderen Ländern wurde aus Gründen des Umweltschutzes die

·Quecksilberelektrolyse auf das Diaphragma-Verfahren umgerüstet. Dabei wird die Elektrolysezelle durch ,eine für Wasser und:urchlässige aber ionenleitende Membran in zwei Räume geteilt. Im. Anodenraum wird an einer Titanelektrode das Chlor abgezogen. Die verbleibenden Natriumionen können durch die

Mem-• bran diffuridieren und danach gemeinsam. mit den Hydroxyd-Ionen als Natron-lauge gewonnen werden, während an der Stahlelektrode der Wasserstoff entsteht.

2.3. Chlorchemie, das Jahrtausendproblem

Die Autoren halten es für eine industriepolitische Fehleinschätzung an, daß der Verbrauch jenes chemischen Grundstoffes zum Maßstab für den Entwicklungs-st;and der chemischen Industrie schlechthin .ausgelobt wurde, Nicht nur elemen-tar, sondern auch in se~en Folgeprodukten ist Chlor naturfremd, toxisch und mit-weltgefährdend, sodaß damit eine kaum überblickbare Fülle von irreversiblen Umwelt- und Gesundheitsschäden in die Welt gesetzt wird.

Selbst im internationalen ökologischen Diskurs, in Fach- und Wirtschaftsmedien

· der Chemischen Industrie ist die qu.orchemie ins Schußfeld geraten. Die Bemü-hungen, nun auch in der Natur nach Chlorverbindungen zu suchen, führte natür-lich zu deren Entdeckung, doch ist deren mengenmäßige Bedeutung im Vergleich 'zu den Freisetzungen der chemischen Industrie für die Mitwelt problemlos.

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Sanfte Chemie: Theoretische Grundlagen, Chancen und Perspektiven.

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Weltweit geraten Cblororganika in Verruf, versuchen Produzenten und Verwen-der zunehmend ohne .die Primär- und Folgeprodukte dieser Industrie auszukom-men. Auf der umweltpolitischen Prioritätenliste stehen Entgifumgsmaßnahmen innerhalb die~es Chernikalienbereiches an höchst prominenter Stelle. Die Ein-sicht, daß die Wirtschaft dort ihre GrenZen finden muß, wo die Lebensgrund-lagen der Menschen oder der Mensch selbst vorhersehbar geschädigt werden, gewinnt täglich an Bedeutung.

Die Chlorchemie gilt nicht nur ~s Hauptverursacher des Dioxinproblems, die gesamte Stoff'gruppe der Chlororganika23 steht außerhalb der vorgegebenen evo-lutionären Stoffkreisläufe.24

2.3.1. Aufschlüsselullltg umd Umbau deI!" Chlorchemüe

Etwa ein Drittel aller Zwischen-und Endprodukte der Chemischen Industrie sind chlorierte Kohlenwasserstoffverbindungen. Der größte Teil der Stoffe, die Koh-lenstoff und Chlor im. selben Molekül enthalten, wird noch immer als Massen-chemikalie vermarktet. In Deutschland wird fast eine Million Tonnen Chlor bei die Herstellung von PVC und anderen cblorhältigen Kunststoffen "entsorgt".

Umweltrelevant sind auch jene Chen;tikalien, sie selbst keine Chlor-Kohlen-stoff-Bindung aufweisen,. die aber über Chlorträger hergestellt WU!den (Koppel-produktion).

Das meIste Chlor davon verschlingt die Herstellung von Prop~lenoxid,2S gefolgt von ca. 200.000 t Chlor für. die Isocyanate TOI (Toluylendiisocyanat) und 1IDI (Methyldiisocynat). Deren Haupteinsatzgebiete sind die weit verbreiteten Kunst-stoffe auf Basis von Polyur~than.

23 .. So taktlos das Prinzip der.Sippenbafnmg ist, WemJ. man es auf Menschen anwendet, was auch heute noch vielerortS geschieht, so nützlich kann es sein. WemJ. Inan es als eine wexm auch nicht die einzige -Richtschnur bei der Untersuchung vor allem der alten Stoffe anwendet". Diese Aussage des Präsidenten des Deutschen Umweltbundesamtes in Berlin. Prof. Heinrich von Lersner. am Symposium "Chem.ie-Mensch-Umwelt" des Gottlieb Duttwei1er Instituts in Zürich (1980) hat bis zum heutigen Tag nichts von ihrer treffenden Aktualität eingebüßt.

24Die Dioxin-und Furananalysen in den Sedimerukemen von Flüssen und Seen bestätigen eindeutig die Relevanz der Chlorchemie für die industrielle Provenienz der Ultragifte. Der groBe Sprung von 40 aus 3000 Nanogramm pro Kilogramm Sediment (1990) deck1 sich zeitgleich mit dem Beginn der Chloralkali-elektrolyse und der weltweit beginnenden Produktion chloraromatischer Verbindungen um 1940.

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Sanfte Chemie: Theoretische Gniridlagen, Chancen und Perspektiven

Abb.8: Aufscblüsselung des Chlorverbraucbs·

Auf'scltllüsselung des Chlorverbrauchs

fj! pvc u.achlorhält.Palymere 32%

m

Lösemittel: Tri, PER U.ä. 22%

1]1 Chloraromaten incl. Pestizide 5%

El

H~rst. von Propylenaxid 23%

[BI Herst. von TOt u. MOl (PUR) _ 7%

~ sonst. arg. Produkte 11 %

Grafik CONCERNED PEOPLE 1994

Es ist notwendig geworden, daß wir uns über den Ausnahmecharakter der histo-rischen Situation klar werden,t in die wir seit Beginn der Chlorchemie geraten sind, um die Ernsthaftigkeit der angesprochenen Probleme akzeptieren zu kön-nen. Daraus folgt der wichtige chemiepolitische Leitsatz:

Der Chlorverbrauch bzw. der Umgang mit halogenierten organischen Verbin-dungen kann heute nicht mehr als Maß für den industriellen Fortschritt eines Landes gelten. Vielmehr wird die Geschwindigkeit, mit der ein Lpnd seinen Chlorverbrauc'h senken und die gefährlichen Chlorverbindungen -durch "Pro-dulae mit ökologischem Design" ersetzt, ein Maß

für

den umweltpolitischen.

Fortschritt in diesem Lande sein.

Die ökologischen Grundsätze nach Vorsorge, Vermeidung und Verwertung im System des Wirtschaftskreislaufs sind

Zwar

unumstritten. Umstritten sind aller-dings die Fragen:

wie und in welchem Umfang in die chemische Produktion und Anwendung eingegriffen werden soll. _

welche ökonomischen Steuerungsinstrumente und

welche rechtlichen Sanktionsmechanismen zur Entgiftung in unserem demokratischen Gemeinwesen zur Anwendung gelangen können.

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Sanfte Chemie: Theoretische Grundlagen, Chancen und PerspeKtiven Zu diesen Fragen lieferte die Prognos-Srudie "Chemiestandort Hessen" ooreits 1986 den wesentlichen strategischen Ansatz. Im Kein kommt diese Studie (sie . wurde vom damaligen hessischen Umweltminister Joscbka Fischer in Auftrag gegeben) zu der Schlußfolgerung: "Die bundes deutsche Chemieindustrie könnte die Belastung der Umwelt mit chlorierten Kohlenwasserstoffen und Schwer-metallen innerhalb von fünf Jahren um 70 % reduzieren, wenn sie für den Um,.

weltschutz nur ein Umsatzprozent mehr ausgeben würde als geplant".

Auch die Einführung einer Chemiesteuer, wie sie der Bund für Umwelt

Natur-schu~ Deutschland (BUND) als e:r:ster präsentiert hat, paßt durcha~s in diesen chemiepolitischen Rahmen. Mit diesem Instrument (das sich auf einfache Weise berechnen läßt), soll der Gebrauch giftiger und langlebiger Stoffe "bestraft", Recycling belohnt und ein Anreiz zur Vermeidung geschaffen werden. Dadurch würde beispielswesise der Preis von Perchloräthylen um rund 50 % und der von PVC um 100% steigen, der Preis von Cadrniumfarben würde sich verfiinffachen.

Ob allerdings marktwirtschaftliche MeChanismen ausreichen, um die Belastung durch-organische Halogenverbindungen rechtzeitig und wirksam zu vermindern, muß aus heutiger Sicht bezweifel~ werden. Auch chemiepolitische Schritte bezüglich Entlastung der Ökosyseme von halogenorganischen Stoffen im Rah-men des Chemikalienrechtes sind in den Industrieläridem eher zögerlich in Angriff genommen worden.

Die folgende Tabelle zeigt eine .Zu~ammenfassung der Einsatzgebiete, Ersatzstoffe und·-technologien zum Thema CKW /FCKW.

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