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Affinitätsmaturierung des Anticalins N7E durch gerichtete Evolution

3 Ergebnisse

3.2 Funktionalisierung von α ED-B Anticalinen für die In-Vivo-Bildgebung

3.2.2 Affinitätsmaturierung des Anticalins N7E durch gerichtete Evolution

Die Kristallstruktur des Anticalins N7E (Gebauer et al., 2013) in Komplex mit Fn7B8 (Schiefner et al., in Vorbereitung) zeigte im Vergleich zu N7A eine unterschiedliche Orientierung und dichtere Packung an der Grenzfläche. Daher wurde diese Variante für eine Affinitätsmaturierung durch gerichtete Evolution ausgewählt. Auch hier lag der Fokus auf einer Erniedrigung der Geschwindigkeitskonstante der Dissoziation (koff). Im Verlauf ihrer Masterarbeit selektierte M. Trumpfheller unter Anwendung fehlerhafter PCR-Amplifizierung des Strukturgens für N7E und Selektion auf verstärkt bindungsaktive Varianten durch bakterielle Oberflächenpräsentation des Anticalins verschiedene N7E-Varianten mit verbesserter Affinität und deutlich verlängerter Komplex-Dissoziation (Trumpfheller, 2013).

Um die Target-Affinität gegenüber ED-B weiter zu optimieren und den Einfluss einzelner Mutationen, wie G102A, K75E und T54I, welche aus den Selektionsexperimenten resultierten, zu untersuchen, wurden folgende Kombinationsmutanten konstruiert: N7E.105 (T54I/L94V/K98R/G102A/F106Y), N7E.106 (T54I/K75E/L94V/K98R/G102D/F106Y), N7E.107 (T54I/K75E/L94V/K98R/F106Y) und N7E.108 (L94V/K98R/G102D/F106Y) (Tabelle 8). Die Mutationen wurden mittels ortsgerichteter Mutagenese unter Verwendung der in Abschnitt 2.1.2 aufgeführten Primer eingeführt.

Tabelle 8: Effekt der in das Anticalin N7E eingeführten Mutationen bezüglich Ausbeute aus E. coli und Affinität zu ED-B

b gemessen für das aus dem Periplasmaextrakt von E. coli gereinigte Protein nach abschließender SEC

c Geschwindigkeitskonstante der Dissoziation gemessen nach 12 h anstatt 800 s Dissoziationszeit Die Anticaline wurden unter Standardbedingungen in E. coli (sekretorisch) produziert und mittels SAC und SEC gereinigt. Proteinausbeuten lagen dabei in einem vergleichbaren Bereich mit der Ausgangsvariante N7E (Tabelle 8). Reinheit sowie die korrekte Ausbildung der Disulfidbrücke wurde im Anschluss mittels SDS-PAGE (Abb. 26) und analytischer SEC verifiziert, wobei homogene, monodisperse Elution der N7E-Variantenbeobachtet wurde. Die anschließende SPR-Analyse der gereinigten Varianten zeigte besonders niedrige Dissoziationskonstanten im unteren picomolaren Bereich für die Varianten N7E.105 mit 22,3 pM und N7E.107 mit 23,8 pM (Tabelle 8).

Abb. 26. In vitro Charakterisierung der N7E-Varianten. (A) SDS-PAGE. Die N7E-Varianten N7A.105 (1), N7A.106 (2), N7A.107 (3) und N7E.108 (4) sind unter nicht-reduzierenden Bedingungen aufgetragen. Die Proteinbanden wurden mit Coomassie-Brilliant Blau angefärbt. (B) SPR-Analyse von N7E.107. Eine Konzentrationsreihe des gereinigten Anticalins wurde auf einen mit Carboxymethyl-Dextran beschichteten Sensor-Chip, welcher mit Fn7B8 durch Amin-Chemie kovalent beladen wurde, appliziert. Die Kurvenanpassung (farbig) erfolgte mittels globaler nicht-linearer Regression entsprechend einem 1:1 Langmuir-Bindungsmodell mit Massentransfer (schwarze Linien). Die resultierenden kinetischen Parameter sind in Tabelle 8 aufgeführt.

Die Analyse der eingeführten Aminosäure-Austausche erfolgte auf Grundlage der Kristallstruktur des Komplexes N7E•Fn7B8 (Abb. 27). Aus dem Vergleich von N7E.101 und N7E.103 konnte man darauf schließen, dass speziell die Mutation 102D einen ungünstigen Effekt (Faktor 4 schlechtere KD) hatte.

Dies kann entweder durch die Zusätzliche negative Ladung oder durch den Verlust von Gly erklärte werden, das aufgrund seiner fehlenden Seitenkette dem Rückgrat besondere Eigenschaften verleiht.

Um dies zu untersuchen, wurde an Position 102 Ala eingeführt, was in N7E.103 resultierte. Das Ergebnis war ein um den Faktor 2 bessere KD-Wert verglichen mit Asp in N7E.101, aber immer noch schlechter als Gly in N7E.103. Folglich handelt es sich hier um eine Mischung aus elektrostatischen (negative Ladung von Asp) und konformationellen Effekten (Konformationsflexibilität von Gly).

Die direkt aus der kombinatorischen Mutagenese resultierende Mutation Lys75Glu (in der Variante N7E.5) wurde aufgrund scheinbar fehlender Interaktionen zu Fn7B8 zunächst entfernt (Trumpfheller, 2013). Um den Effekt dieser Mutation genauer zu untersuchen, wurde sie allerdings in dieser Arbeit (in den Varianten N7E.101 und N7E103) wieder eingeführt, woraus sich die Varianten N7E.106 und N7E.107 ergaben (Tabelle 8). Interessanterweise führte dieser Aminosäure-Austausch dabei zu einer langsameren Assoziation, vermutlich durch elektrostatische Abstoßung zwischen dem negativ geladenen Glutamat und dem insgesamt negativ geladenen Target Fn7B8. Allerdings wurde auch ein 2- bis 2,4-fach langsamerer koff-Wert beobachtet, was durch konformationelle Stabilisierung der Schleifenregion #2, welche wichtige Interaktionen mit Fn7B8 ausbildet, erklärt werden kann.

Die Rückmutation zu Threonin 54 in N7E.108 führte im Vergleich mit N7A.101 zu einer 2,5-fachen Beschleunigung von koff. Daher kann Isoleucin 54 vermutlich den Raum zwischen Anticalin und Fn7B8 besser ausfüllen, wodurch hydrophobe Interaktionen gestärkt werden.

Abb. 27 Strukturelle Modellierung der hoch-affinen, durch kombinatorisches Design entwickelten N7E-Variante N7E.107.

Blick auf die Bindestellen zwischen Fn7B8 und den Anticalin-Versionen N7E (A) und N7E.107 (B). Das FN Target ist grau, die jeweiligen Anticaline sind blau dargestellt. Die Struktur von N7E:Fn7B8 wurde im Labor von Prof. Dr. Arne Skerra gelöst (Schiefner et al., in Vorbereitung). Wichtige Aminosäure-Positionen, welche sich aus der Affinitätsmaturierung ergaben, sind hervorgehoben, und modellierte mutierte Reste in N7E.107 wurden rot eingefärbt. Die neuen Seitenketten an den entsprechenden Positionen für N7E.107 wurden mit PyMOL (Schrödinger, 2015) modelliert, wobei eine Rückgrat-abhängige Rotamer-Bibliothek verwendet wurde. Die resultierenden Wechselwirkungen der einzelnen Mutationen mit FN sind in schwarz (gestrichelt) dargestellt, die Abstände sind in Å angegeben.

Weitere aus der kombinatorischen Selektion resultierende Mutation waren Leu94Val, Lys89Arg und Phe106Tyr (Tabelle 8). Die Mutation Leu94Val war in den beiden ursprünglich selektierten N7E Varianten (N7E.5 und N7E.8) aufgetreten. Sie ist direkt vor der Schleifenregion #3 gelegen, wodurch diese vermutlich in eine günstige Konformation für die Wechselwirkung mit Fn7B8 gebracht wird (Trumpfheller, 2013). Die Mutation Lys89Arg befindet sich ebenfalls in der Schleifenregion #3 an der Kontaktfläche zu Fn7B8 und die entsprechende Seitenkette kann möglicherweise eine Wasserstoffbrücke zu Fn7B8:Asp213 oder Fn7B8:Ser211 ausbilden. Die Mutation Phe106Tyr stellt eine Rückmutation zur Lcn2 Wildtyp-Sequenz dar und ist direkt nach Schleifenregion #3 positioniert.

Der Tyrosinrest ist wahrscheinlich in der Lage, eine Wasserstoffbrücke mit Fn7B8:Glu135 in der CC'-Schleifenregion von Fn7B8 auszubilden, was zu einer verbesserten Dissoziations-Kinetik führen kann (Abb. 27).

Abschließend betrachtet kombiniert das Anticalin N7E.107 mit seinen fünf zusätzlichen Mutationen hohe Target-Affinität im unteren picomolaren Bereich mit einer bemerkenswert langen

Komplex-Halbwertszeit von 7,2 Tagen. Diese Variante repräsentiert somit den idealen Kandidaten für Anwendungen zur In-vivo-Bildgebung und Therapie. Im Vergleich mit N7A.19 zeigt N7E.107 eine 64-fach langsamere Dissoziation vom Target, trotz insgesamt ähnlicher Verbesserung der Affinität um Faktoren 233 gegenüber 119 (s. Tabellen 7 und 8) als Ergebnis der rationalen bzw. kombinatorischen Affinitätsmaturierung.