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Marinoni gehörte in seiner Geburtsstadt Udine zwar einer gut situierten Familie an (wie schon erwähnt war sein Großvater Apotheker, sein Vater Notar), aber ein Adel lässt sich dort nicht nach-weisen.

Die Familie stammt väterlicherseits aus der Gegend von Bergamo, wo sie seit dem 14. Jahr-hundert dokumentiert ist und ein Wappen führt, das mit dem 1726 von Johann Jakob Marinoni beantragten schon eine gewisse Ähnlichkeit auf-weist.103)

Ein Zweig der Familie lebt seit dem 15. Jahrhun-dert in Venedig. Die Beschreibung des „modernen“

Wappens weist auf die Herkunft der Familie aus Clusone (Klausen), Provinz Bergamo, sowie auf Venedig und Sola (Istrien) hin, wo die Marinoni 1751 dem Rat der Stadt angehörten.104)

In Wien war Johann Jakob Marinoni durch seine mathematischen und vermessungstechnischen Arbeiten bald bis an den kaiserlichen Hof sehr bekannt (kaiserlicher Hofmathematiker, Ingenieur von Niederösterreichisch, Jagdatlas für Kaiser Karl VI.), aber er konnte keinen hohen Posten im hierarchischen Gefüge erreichen, nicht einmal die Stelle des ersten Direktors in der von ihm mitgegründeten Ingenieur-Akademie. Allerdings konnten Architekten und Wissenschaftler „um die Gnade einer Standeserhebung ansuchen“, was Marinoni im Jahr 1726 auch tat.105)

6.1 Adelsakt vom 8. Juli 1726, Adelserhebung in den Reichsadel

Der Adelsakt in Wien

Mit dem Adelsakt vom 8. Juli 1726 wurde ihm durch Kaiser Karl VI. das Ehrenwort „von“ und eine „Wappenvermehrung“ verliehen.

Auszug aus dem Adelsakt vom 8. Juli 1726,106) in dem Marinonis Verdienste als Begründung für die Adelserhebung angeführt werden:

„ … Gütig wird also erkannt, dass Du, Johann Jakob Marinoni aus Udine in Friaul (Forum Ju-lii) aus einer verdienten Familie (in einer Fußnote werden die Namen seiner Eltern angegeben), die öffentliche Ämter innehatte, stammst.

Nachdem Du die Studien der Philosophie und Mathematik beendet hast, wolltest Du Unserem erhabenen Haus Österreich dienen und strebtest an die Universität unserer Hauptstadt Wien, wo Dir der höchste Grad der Philosophie verliehen wurde, Du als Professor der Mathematik lehrtest und Dir danach von Unserem verewigten Vater, dem Kaiser Leopold, der Titel Österreichischer Hofmathematiker verliehen wurde. So

ausge-Abb. 76.2: Wappen für Marinoni aus dem Adelsakt vom 8. 7. 1726 [© GZ: ÖSTA-2028656/0012-KA/2017]

Abb. 76.1: Adelsakt des Hl. Röm. Reichs mit Bezeich-nung für Johann Jakob Marinoni, Wien, 8. Juli 1726, abgedruckt auch im Vorwort zu „De re ichnometrica“, Wien, 1775

zeichnet, hast Du Dich 1703 dem Bau des vor-städtischen Linienwalls gewidmet, wenig später der Kartierung des Gebiets der Stadt Wien 1706.

Unter den Auspizien unseres verehrten Bruders des Kaisers Joseph wurde Dir der Titel eines Hofmathematikers bestätigt. Von 1705 warst Du bei den Kaiserlichen Edelknaben und dann in der Akademie Unserer Niederösterreichischen Land-stände und zugleich in der neuen militärischen Schule für Mathematik und Architektur, die wir 1718 einrichteten, als Professor beziehungsweise

Direktor. ...

Wir haben erfahren von Deinen Verdiensten in Deinen Wissenschaften, von Deinen Schriften in Astronomie, Analysis und Geometrie, von Deiner mathematischen Bibliothek, Deinen exquisiten mathematischen und astronomischen Instrumen-ten, darunter der planimetrischen Waage und Deiner neuen Methode zur leichteren Messung des Geländes, die Du uns 1719 gewidmet hast. ….

Bis dahin unbekannte geometrische Karten Unserer Provinz Österreich unter der Enns hast Du angefertigt. 1709 erwählt, von der gesam-ten Fakultät mit Dank verabschiedet, hast Du verschiedene öffentliche und private Grenzstreitig-keiten immer mit Klugheit und vorausschauender Gewandtheit gelöst, sodass Dir viele zu Dank verpflichtet sind.

Auf Unser Geheiß hast Du Dich auch mit hydrostatischen und hydrometrischen mathema-tischen Arbeiten beschäftigt, in Kommissionen an den Flüssen Reno in Bologna und Po in unseren Provinzen in der Poebene bis zur Mündung ins Adriatische Meer bei schwierigen und seit alters her kontroversen Regulierungen mitgewirkt.

Dankbar anerkennen wir Deine Erstellung der geometrischen Ausmaße Unseres und des Heiligen Römischen Reiches Staates Mailand in den Jahren 1719, 1720 und 1721 und der Gewandtheit und Treue, die Du Unserem

Generalgouverneur dieses Staates und der Zensusbehörde erwiesen hast. Es hat sich gezeigt, dass die von Dir vorgeschla-gene Methode, durch Versuche bestätigt, wegen der Mittel- und Zeitersparnis in Deiner Anwesenheit einstimmig angenom-men wurde. ...

In Kenntnis Dei-ner Tugenden und wissenschaftlichen Vorzüge und Deinen kumulierten

Verdiens-Abb. 77: Gamba Bartolo-meo, Galleria dei letterati ed artisti illustri delle provincie veneziane nel secolo XVIII, Venedig 1824

ten und vertrauend darauf, dass das Begonnene in gleicher Weise für Uns, das Heilige Römische Reich und das erhabene Erzhaus Österreich wei-tergeführt werde, ist es aufgrund der Güte unserer erhabenen Kaiserlichen Majestät recht und billig, dass wir Dich und Deine Nachkommen mit den Insignien unserer Kaiserlichen Dankbarkeit ...

auszeichnen.

Es kann also darauf hingewiesen werden, dass der Besitz eines Wappens nicht gleichbedeutend mit dem Adelsstand war. Zu einer Wappenver-mehrung musste jedenfalls ein eigenes, meist von einem Künstler gezeichnetes Wappen beigestellt werden, das, nach genauer Überprüfung, durch normierte Beigaben außerhalb dieses Wappens

„vermehrt“ wurde. Im Adelsakt wurden das Wap-pen und dessen Vermehrung der Form und den Farben nach detailliert beschrieben (siehe dazu Kap. 6.3). Der Text links des Wappens von Ma-rinoni lautet: „Loco plumarum gallus scutarius imponendus.“ („Die Stellung der Hahnenfedern soll der Schildermacher festsetzen“); rechts des Wappens steht wahrscheinlich die Unterschrift des Prüfers des Wappens.

Die Urkunde in Udine

Das für Marinoni bestimmte Original des Adels-patents vom 8. Juli 1726 befindet sich in Udine im Diözesanarchiv.107) Das aus insgesamt 15 Textseiten und einem Blatt mit dem Wappen Marinonis bestehende, in lateinischer Sprache verfasste Dokument zeigt einen sehr guten Er-haltungszustand. Allerdings berichtet das Archiv, dass nach dem großen Erdbeben in Friaul im Jahr 1976 dieses Dokument mit einem neuen Einband versehen werden musste, die wesentlichen Seiten dieses Adelsdokuments aber völlig unbeschädigt geblieben sind. Das Adelsdiplom ist eher sehr schlicht gehalten, mit wenigen Dekorationen auf der ersten Seite (Abb. 78.1) und einer klar leserlichen, leicht verblassten, in nun dunkelgrau erscheinender Schrift und der ebenso verblassen-den Unterschrift Kaiser Karl VI. auf der letzten Sei-te (Abb. 78.2 und 78.3). Dafür ist das durch dieses Adelsdiplom „vermehrte“ Wappen Marinonis als Aquarell in üppigen Farben ausgeführt (Abb. 78.4;

vgl. mit den Abb. 75, 76.2 und 80).

Interessant ist, dass im Diözesanarchiv auch eine Kopie der Liste des Bibliotheksbestandes von Marinoni aufbewahrt wird, die am 10. Mai 1786 in der Wiener Zeitung zum Verkauf der

Bü-cher Marinonis veröffentlicht wurde (vgl. Kap. 7.6).

Möglicherweise ist diese Liste, ebenso wie das

Adelsdiplom, durch den Erben Marinonis, seinen Neffen bzw. Sohn seiner Schwester, Blasius Fred-di, nach Udine gekommen.

6.2 Adelsdiplom vom 5. April 1729 für den Rittermäßigen Adelsstand

Marinoni musste erkennen, dass er bei den Nachbesetzungen der Stelle des ersten Direktors der Ingenieur-Akademie trotz des Adelstitels (von 1726) nicht zum Zug kam. Er sucht nun, unter

Anführung seiner bisherigen Verdienste und dem Hinweis, er wäre nun in seiner Heimatstadt Udi-ne in den Adelsstand gesetzt worden, um den erbländischen Adel an. Weiters ersucht er um die Verleihung des kaiserlichen Rats-Titels, die Nachsehung der Taxen und um die Verständigung

„der Niederösterreichischen Regierung, der Land-stände und anderer subordinierter Stellen“.

Am 5. April 1729108) wird nun für ihn der rit-termäßige Adelsstand für die Erbkönigreiche und Erblande mit dem Prädikat „von“ verliehen, er in den rittermäßigen Stand erhoben, sein Wappen beschrieben und es zu führen bewilligt und die Erbländer und Landstände verständigt. Erst per Hofdekret vom 27. Februar 1733 wird ihm der Majestäts-Rats-Titel verliehen (siehe dazu auch Kap. 3.3).

6.3 Marinoni im „Salbuch“ Kaiser Karls VI.

Im „Salbuch“ Kaiser Karl VI. für die Zeit 1730-1740 sind Standes-Erhöhungen von Grafen, Freiherrn, Rittern und Edelleuten, auch Wappen-Verbesse-rungen der Ansucher detailliert beschrieben, so auch jene von Marinoni109). Diese Wappenbe-schreibung und das eindrucksvoll gezeichnete Wappen werden hier wiedergegeben:

Text der Wappenbeschreibung aus dem oben beschriebenen Salbuch (S. 63-68, in stark gekürz-ter Form):

Adels-Brief

samt Wappen und Prädikat-Verleihung für den Johann Jacob Marinoni

Kaiserlichen Hof-Mathematicum de dato Wien den 5. April 1729.

Wir Carl /:titulus Magnus:/

„Bekennen für Uns … zumal er Johann Jacob Marinoni bei … unseres durchlauchtigsten Erz-hauses Diensten zu Unseren gnädigsten Gefallen, und seinen wohlverdienten Lob jederzeit eifrigst und treu gehorsamst erschienen … nachdem er in seiner Geburts- und friulanischen Hauptstadt

Udine in den Adelstand gesetzt worden, Wir ihm

… mit einen scheinbarlichen Kennzeichen Unserer besonderen Gnade … für und für in ewige Zeit in den Stand und Grad des Adels, deren Recht Edlgeborenen Lehen- und Furniers-Genoss- und Rittermäßigen Edlleuten erhebt, … haben Wir ihm Johann Jacob Marinoni nachbeschriebenes adeliges Wappen und Kleinod gnädig zugelegt, … nämlich einen aufrecht gestellten in der Mitte mit

einem gelb oder goldfarben Straif oder Balken quergeteilten Schild in dessen unteren rot- oder rubinfarbenen Teil zwei gelb- oder goldfarbene Balken, in dem oberen blau- oder lasurfarben Teil aber ein gegen der Rechten in seiner na-türlichen Gestalt aufrecht stehender weißer Haan (Hahn), ob dem Schild ein rechts gewendeter frei-offen-adeliger Turnierhelm mit goldenem Rost, anhangendem Kleinod, und zur rechten mit Ausschnitte aus dem Adelspatent Marinonis: die Titelseite (Abb. 78.1), der Beginn der zweiten Seite (Abb. 78.2), die letzte Seite mit der Unterschrift Kaiser Karl VI. (Abb. 78.3) sowie das „vermehrte“ Wappen Marinonis (Abb. 78.4).

Abb. 78.3

Abb. 78.1

Abb. 78.2

Abb. 78.4

blau- oder lasur- und weiß- oder silberfarbenen, zur linken aber rot- oder rubin- oder gelb- oder goldfarben beiderseits zierlich abfließenden Helmdecken, dann einer goldenen Krone geziert, ob welcher der im oberen Feld nach seiner Art beschriebene weiße Hahn erscheint, allermaßen solch- adeliges Wappen und Kleinod hierinnen mit Farben eigentlich entworfen zu sehen ist. … Überdies haben Wir oft gedachten Johann Jacob Marinoni und all seine eheliche Nachkommen-schaft … auch vollkommene Macht und Gewalt gegeben, dass sie sich von nun an ewiglich gegen Uns und Unsere Nachkommen … Von Marinoni nennen und schreiben … das meinen Wir ernstlich mit Urkund dies Briefs besiegelt mit Unserem Kaiserlichen, Königlichen, und Erzherzoglichen

anhangenden größeren Insiegel, der gegeben ist in Unserer Haupt- und Residenz-Stadt Wien den fünften Monatstag April nach Christi Unseres lieben Herrn und Seligmachers gnadenreicher Geburt im 1729ten. Unserer Reiche des Römi-schen im 18ten. Deren HispaniRömi-schen im 26ten.

Deren Hungarischen und Böhmischen auch im 18ten Jahre.

Carl m:p:

Die Wappen aus Marinonis Adelspatent und dem Salbuch wirken viel üppiger als jenes aus dem Adelsakt vom 9. Juli 1726 und weisen vor allem eine andere Helmzier auf: hier der Hahn ge-genüber den drei Federn beim Wappen von 1726, auch der Hahn wirkt voller und kräftiger. In der Heraldik symbolisiert der Hahn den Vorboten der Morgendämmerung, ist ein Symbol für die Sonne;

er ist ein Vogel von großem Mut in der Schlacht und kämpft, wenn nötig, bis zum Tod; daher ist er ein Zeichen des Helden, der mit Ausdauer und Mut kämpft.110)

7. Marinonis wissenschaftliche Hauptwerke