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5.5 Vergleich

5.5.6 Abschließender Vergleich

Alle beschriebenen Detektoren und Diffraktometergeometrien sind prinzipiell zur Samm-lung von Proteindaten geeignet. Allerdings sollte die Strahlenquelle deutlich st¨arker sein als eine abgeschmolzene R¨ohre, um verwertbare Daten in vertretbarer Zeit zu erhalten.

Das anomale Signal der mit dem marCCD, dem mar345 und dem Bruker HiStar

gesam-melten Daten war stark und pr¨azise genug, um die Position des Iodidions mit SHELXS aus den anomalen Daten zu bestimmen.

Die moderneren Z¨ahler (mar345 und marCCD) sind dem ¨alteren HiStar hinsichtlich ih-rer Geschwindigkeit klar ¨uberlegen. Die Qualit¨at der HiStar-Daten steht jedoch in keiner Weise hinter der der j¨ungeren Ger¨ate zur¨uck.

Die Geometrie des Goniometers wirkt sich vor allem bei Lauegruppen niedriger Symmetrie aus, so daß im vorliegenden Vergleich keine Vor- oder Nachteile festzustellen sind.

Grunds¨atzlich ist es vorteilhaft, ein Goniometer zu verwenden, das mit einem 2Θ-Arm ausgestattet ist, da anderenfalls die m¨ogliche Aufl¨osung deutlich limitiert ist und unter Umst¨anden keine atomar aufgel¨osten Daten gesammelt werden k¨onnen.

Unklare Zuordnung des Elements

Nach Datensammlung und L¨osung des Phasenproblems steht man prinzipiell vor der Auf-gabe, die gefundene L¨osung zu interpretieren. Da die in der Strukturl¨osung gefundenen Elektronendichtemaxima von dem zur L¨osung verwendeten Programm – bei Kleinmo-lek¨ulen fast immer SHELXS [49] – nur in Einzelf¨allen allesamt der richtigen Atomsorte zugeordnet werden, ben¨otigt der Kleinmolek¨ulkristallograph ein fundiertes chemisches Wissen.

In vielen F¨allen, etwa bei Phenyl- oder Cp*-Resten, die bereits durch ihre Geometrie zweifelsfrei erkannt werden k¨onnen, ist die Zuordnung unkritisch, in einigen anderen Si-tuationen dagegen kann das Erkennen der Atomsorte durchaus ein Problem sein. Speziell im Periodensystem nahe beieinanderstehende relativ leichte Atome k¨onnen in Gegenwart von Schweratomen nicht immer zweifelsfrei unterschieden werden. H¨aufigstes Beispiel ist vermutlich die Verwechslung von Stick- und Sauerstoff, die unter Umst¨anden ¨ahnliche Koordinationsgeometrie zeigen k¨onnen und deren Elektronendichten sich nur durch ein Elektron voneinander unterscheiden. Dieses Problem wird im ersten Beispiel dieses Ka-pitels gezeigt, w¨ahrend das zweite Beispiel die ¨ahnlich gelagerte Problematik, zwischen Schwefel und Phosphor zu unterscheiden, beschreibt. In Einzelf¨allen kann allerdings auch die Zuordnung des (einzigen) Schweratoms selbst zum Problem werden, wie das dritte Beispiel dieses Kapitels zeigt.

6.1 Tetrameres InCl

3

Bei dem Versuch, durch eine Eliminierung von Me3SiCl aus Et2NSiMe3 und InCl3 einen InN-Precursor f¨ur CVD darzustellen, war im Reaktionsgef¨aß kristalliner Niederschlag er-halten worden, der durch Umkristallisieren aus Diethylether in f¨ur die R¨ ontgenstruk-turanalyse geeignete Kristalle ¨uberf¨uhrt werden konnte. Die Strukturanalyse ergab das Vorliegen von tetramerem InCl3 in der triklinen RaumgruppeP¯1 mit einem halben Mo-lek¨ul in der asymmetrischen Einheit. Die vier In-Zentren sind verbunden durch sechs µ-verbr¨uckende Cl-Atome, wodurch drei viergliedrige In2Cl2-Ringe entstehen. Zus¨atzlich sind an die inneren In-Atome jeweils ein, an die ¨außeren jeweils zwei terminale Chlo-ratome gebunden. Die verzerrt oktaedrischen Koordinationssph¨aren der In-Atome wer-den durch insgesamt sechs koordinierte L¨osungsmittelmolek¨ule komplettiert (siehe Abb.

6.1). Die L¨osungsmittelmolek¨ule als Diethylether anzunehmen lag dabei nahe, weil die Kristalle aus diesem gewachsen waren. Unbefriedigend bzw. auff¨allig bei diesem Modell

Abb. 6.1: Anf¨angliches Strukturmodell des tetrameren InCl3 mit Et2O als koordiniertes L¨osungsmittel.

Außerdem sind die drei h¨ochsten Restelektronendichtemaxima und ihre Symmetrie¨aquivalenten darge-stellt.

waren die folgenden Punkte: Die Auslenkungsparameter der Sauerstoffatome waren im Vergleich zu denen der anderen Atome etwas zu groß (F¨ur O: mittlerer Ueq = 0.031 ˚A2, f¨ur die terminalen Cl-Atome: Ueq = 0.026 ˚A2)1. Außerdem waren die C–O-Bindungen mit im Mittel 1.50 ˚A l¨anger als vermutet (Standardwert f¨ur eine C–O-Einfachbindung ist 1.43 ˚A [19]), wobei aufgrund der Koordination an die In-Atome mit einer Verl¨angerung der C–O-Bindung gerechnet werden mußte.

1 Ueq ist definiert als ein Drittel der Spur der orthogonalisierten MatrixUij, die das anisotrope Aus-lenkungsellipsoid beschreibt, ist also ein Maß f¨ur die Gr¨oße des Auslenkungsellipsoids [3].

Abb. 6.2: Endg¨ultiges Strukturmodell des tetrameren InCl3 mit koordiniertem Et2NH und eingezeich-neten N-H-Cl-Wasserstoffbr¨ucken.

Diese beiden Punkte sind eher als auff¨allig denn als unbefriedigend zu bezeichnen und k¨onnten, ließe sich der Verdacht auf falsch gew¨ahlte Atomsorte nicht anderweitig erh¨arten, ohne weiteres hingenommen werden.

Auf der Suche nach etwaigen weiteren Unstimmigkeiten wurde auch die Restelektronen-dichte analysiert: Zwar waren die RestelektronenRestelektronen-dichtemaxima f¨ur eine In-Struktur nicht auff¨allig gewesen (h¨ochstes Maximum: 0.883 e·˚A−3, tiefste Restelekronensenke: -1.357 e·˚A−3), bei n¨aherer Betrachtung konnten jedoch drei Restelektronendichtepeaks gefun-den wergefun-den, deren Positionen f¨ur an die drei unabh¨angigen

”Sauerstoffatome“ gebundene Wasserstoffatome geeignet waren. Damit mußte im Strukturmodell Diethylether durch Diethylamin ersetzt werden (siehe Abb. 6.2). Zwar hatte Et2NH weder bei der urspr¨ ungli-chen Reaktion, noch beim Umkristallisieren Verwendung gefunden, doch war offensichtlich nicht ausreichend getrocknetes THF verwendet worden. Daher reagierte das Et2NSiMe3 zu Diethylamin und dem entsprechenden Siloxan, so daß die tats¨achlich abgelaufene Re-aktion die folgende war:

6 Et2NH + 4 InCl3 →[(InCl3)4·(Et2NH)6]

Aufgrund der ¨Anderung der Atomsorte verschwanden alle oben genannten Auff¨alligkeiten:

Der mittlereUeq-Wert f¨ur die drei N-Atome betr¨agt im endg¨ultigen Modell 0.0017 ˚A2, was identisch ist mit dem mittlerenUeq-Wert derµ-verbr¨uckenden Cl-Atome. Die mittlere C–

N-Bindungsl¨ange berechnet sich nach wie vor zu 1.50 ˚A und ist nur wenig l¨anger als der Standardwert f¨ur eine C–N-Einfachbindung (1.47 ˚A [19]). Als weitere Best¨atigung der drei

neuen Wasserstoffpositionen kann aufgefaßt werden, daß sich f¨unf kristallographisch un-abh¨angige N-H-Cl-Wassersoffbr¨uckenbindungen finden lassen (siehe Abb. 6.2). Außerdem verbesserten sich durch die ¨Anderung alle G¨utekriterien der Verfeinerung signifikant, was die Richtigkeit des neuen Modells zus¨atzlich untermauert. Eine ausf¨uhrliche Beschreibung der Struktur findet sich in [50].