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Abgrenzung zum anglo-amerikanischen Copyright

von Open-Source-Software

6.3 Lizenzkompatibilität unterschiedlicher OSS-Lizenzen

6.4.1 Abgrenzung zum anglo-amerikanischen Copyright

Zum Verständnis der meisten OSS-Lizenzen ist es hilfreich, sich einige wesentliche Unterschiede zwischen dem anglo-amerikanischen »Copyright« und dem kontinental-europäischen, hier vor allem deutschen, »Urheberrecht« vor Augen zu führen:

Das deutsche Urheberrecht ist als Persönlichkeitsurheberrecht ausgestaltet (vgl. §§ 12 ff. UrhG).

Es besteht aus einer persönlichkeits- und einer vermögensrechtlichen Komponente.

Beide Komponenten sind nach deutschem Verständnis untrennbar miteinander verbunden.

Demgegenüber gibt das »Copyright« dem Urheber Rechte zur Vervielfältigung oder Verbreitung, mithin die hauptsächlich verwertungsbezogenen Rechte, die im deutschen Urheberrecht vor allem in §§ 15 ff. UrhG geregelt sind.

Dies hat zur Folge, dass das deutsche Urheberrecht als solches, im Gegensatz zum »Copyright«, grundsätzlich nicht übertragen werden kann (§ 29 Abs. 1 UrhG). Stattdessen können einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt werden, die so weit gehen können, dass der Urheber selbst von der Nutzung seines Werks ausgeschlossen ist. Diese Nutzungsrechte können auch nach deutschem Recht als übertragbare Rechte eingeräumt werden. Es können also nur Nutzungsrechte am Werk, nicht aber das Urheberrecht als solches übertragen werden.

Die Einräumung bzw. Übertragung solcher Nutzungsrechte erfolgt allgemein durch Lizenzvertrag.

Das »Copyright« entspricht also nicht vollständig dem deutschen »Urheberrechts«. Wenn in OSS-Lizenzen, die in weit überwiegender Zahl in ihrer Systematik auf US-amerikanischem Lizenzrecht und damit dem »Copyright«-Gedanken beruhen, daher von der »Übertragung des Copyright« die Rede ist, ist dies nach deutschem Recht als Einräumung bzw. Übertragung von Nutzungsrechten anzusehen.

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6.4.2 Rechtsinhaberschaft

Die Bestimmung der Rechtsinhaberschaft an einer OSS, d. h. die Identifizierung der Personen oder Organisationen, denen die Urheberrechte an der Software zustehen, kann sehr schwierig sein.

Grundsätzlich ist Urheber eines Werkes dessen Schöpfer. Wird eine Software als urheberrechtlich geschütztes Werk von mehreren Personen gemeinsam geschaffen, ohne dass sich ihre Beiträge gesondert verwerten lassen, so sind diese Personen Miturheber der Software (vgl. § 8 UrhG).

Wesentliche Folge einer solchen Miturheberschaft ist, dass eine Verwertung der Rechte an dem Werk grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung aller Miturheber möglich ist.

Bei komplexeren Werken oder ganzen »Distributionen«, bei denen selbständige Programme oder Programmteile zunächst unabhängig voneinander entstanden sind und später miteinander verbunden werden, entsteht keine Miturheberschaft aller Beitragenden an dem gesamten Werk, da die einzelnen Programmteile gesondert verwertet werden können. Stattdessen entsteht ein sogenanntes »verbundenes Werk« i.S.d. § 9 UrhG. In diesem Fall bleibt jeder Programmierer (Allein-)Urheber des jeweils von ihm geschaffenen Moduls, wobei für Module auch Miturheber-gemeinschaften denkbar sind. Somit können in einem »verbundenen Werk« Module einzelner Urheber und Miturhebergemeinschaften verbunden sein.

Prägend für den OSS-Gedanken ist schließlich die sukzessive Bearbeitung einer OSS-Komponen-te durch mehrere Urheber. Eine solche Bearbeitung eines Werks bedarf zwar grundsätzlich der Einwilligung des oder der Urheber (vgl. §§ 23, 69c Nr. 2 UrhG), sie ist bei OSS jedoch nachgera-de erwünscht. Aus einer bestehennachgera-den Software kann somit im Lauf nachgera-der Zeit eine u. U. erheblich umgestaltete neue Software werden. Soweit die jeweiligen Programmierer nicht nur unwesent-liche Bearbeitungen vornehmen, haben sie nach § 3 UrhG ein Bearbeiterurheberrecht, welches sich allerdings ausschließlich auf die Bearbeitung bezieht.

Für Software, die von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen wird, bleibt der Arbeitnehmer zwar (Mit-)Urheber der Software. Jedoch stehen seinem Arbeitgeber – sofern nichts anderes vereinbart ist – nach

§ 69b Abs. 1 UrhG alle vermögensrechtlichen Befugnisse und damit auch die ausschließlichen Nutzungsrechte an dieser Software zu. Die »Rechtsinhaberschaft« liegt somit, bis auf ein dem Programmierer verbleibendes ideelles Urheberrecht, beim Arbeitgeber. Dies lehnt sich an die im US-Urheberrecht geltende »Work Made For Hire-Doktrin« (17 USC §101) an, wonach dem Auftrag- oder Arbeitgeber grundsätzlich das »Copyright« am geschaffenen Werk zusteht.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Urheberschaft an einer OSS-Komponente je nach Anzahl der Autoren bzw. Urheber sehr einfach (ein Urheber) oder auch äußerst kompliziert (viele miteinander verbundene einzelne Urheber und Urhebergemeinschaften) strukturiert sein kann, wobei sich die Komplexität im Fall der Bearbeitung durch Dritte noch erhöht. Zwar erleichtert zumindest im deutschen Recht § 10 UrhG den Nachweis ein wenig dadurch, dass gesetzlich die Urheberschaft oder Rechtsinhaberschaft bei demjenigen vermutet wird, der für ein Werk als Urheber oder Herausgeber angegeben ist. Dennoch kann die Rechtsinhaberschaft an einer bestimmten OSS sehr schwer zu bestimmen oder nachzuweisen sein.

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6.4.3 Rechteübertragung

Nach § 69c UrhG bedürfen bestimmte Handlungen im Zusammenhang mit Computerpro- grammen grundsätzlich der Zustimmung des Rechteinhabers. Hierzu gehört insbesondere die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung des Computerprogramms, dessen Bearbeitung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung. Der Rechtsinhaber kann anderen Personen durch Lizenz die Erlaubnis zur Vornahme solcher Handlungen erteilen.

Urheber von OSS erteilen entsprechende Lizenzen nicht zur Erzielung von Lizenzentgelten, sondern zur Realisierung und Sicherung von Nutzungsmöglichkeiten. Insofern gestatten die Bedingungen von OSS-Lizenzen durchweg die Weiterverbreitung der OSS. Sie gestatten die Vervielfältigung und Nutzung, erlauben die Analyse und Bearbeitung bzw. Weiterentwicklung der Software und gewähren somit umfassende Nutzungsrechte. Einige OSS-Lizenzen, darunter die Lizenzen der GPL-Familie, regeln ausdrücklich, dass die Weiterverbreitung nur unentgeltlich erfolgen darf. In der Regel handelt es sich aus urheberrechtlicher Sicht bei den durch OSS-Lizenzen eingeräumten Rechten um »nicht ausschließliche Nutzungsrechte«

(»non-exclusive rights«). Dies bedeutet, dass die OSS auf die erlaubte Art genutzt werden darf, ohne dass eine Verwendung durch andere ausgeschlossen ist bzw. Dritten durch den Lizenznehmer untersagt werden kann.

Häufig sind in OSS-Lizenzen weitere Bedingungen enthalten, die nicht direkt an die Einräumung von Rechten geknüpft sind. So sehen die Open-Source-Kriterien der OSI ein Diskriminierungs- verbot vor, wonach Open-Source-Lizenzen weder Nutzer noch Einsatzbereiche einschränken dürfen. OSS kann in solchen Fällen beispielsweise auch zur Entwicklung von Waffentechnologie oder in der Gentechnik eingesetzt werden.

Einige wenige Lizenzen erlauben das Ablaufenlassen der Software auch dann, wenn den zugehörigen Lizenzpflichten nicht zugestimmt wurde. Entsprechend sieht z. B. Ziffer 0 der GPLv2 vor: »Activities other than copying, distribution and modification are not covered by this License; they are outside its scope. The act of running the Program is not restricted (…)«.

Dies ist jedoch nicht verallgemeinerungsfähig. Wird OSS dagegen über das bloße Ablaufen- lassen hinaus genutzt, insbesondere verbreitet oder vertrieben (»distribution«), greifen stets die jeweiligen Lizenzbedingungen.

Schließlich können die Urheber gewährte Nutzungsrechte an OSS auch wieder entziehen, wenn die Nutzungsbedingungen der OSS-Lizenz nicht eingehalten werden. So beinhaltet z. B. Ziffer 4 der GPL v2 eine Regelung, wonach die eingeräumten Rechte bei einem Verstoß gegen die Lizenz automatisch entfallen. Das LG München hat diese Klausel als wirksam angesehen.40

40 vgl. LG München I, Urt. v. 19.5.2004, Az. 21 O 6123/04

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