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4. Typologie

4.2 Die Frühe Eisenzeit_____________________________________________________ 62

4.2.2 a Göttin auf einem Tier

Die Darstellungen einer Göttin auf einem Tier kommen in der Frühen Eisenzeit nur sehr sporadisch vor; sie häufen sich erst ab dem 7. Jh. v. Chr.451 Aus dieser Gruppe entstand formal die Jägerin Artemis der archaischen und klassischen Zeit. Das Motiv stammt aus dem hethitisch-syrischen Raum, wo wir sehr häufig Darstellungen dieser Art antreffen452. In der Regel handelt es sich um eine ungeflügelte, meist nackte Frau, die auf einem Tier,

449 F.R. Grace schlägt „drapery“ vor. GRACE 1939, 14.

450 RADET 1909, 12 Abb. 14. STUDNICZKA 1890, 162 Abb. 33.

451 CHRISTOU 1968, 128-135; SCHWEITZER 1969, 168.

452 CHRISTOU 1968, 133ff.; MÜLLER 1922, 15f.

vorwiegend Rind oder Pferd, steht453. Die weibliche Gestalt auf einem Pferd begegnet sehr häufig in Gestalt der geometrischen Bronzefigurinen, jedoch kann in den wenigsten Fällen von einer Göttin gesprochen werden, da die Figurinen die Arme meist gesenkt und nicht im konventionellen Epiphaniegestus erhoben halten454. Aus diesem Grund müssen die geometrischen Figurinen ausgeschlossen werden, da sich ohne im Epiphaniegestus erhobene Arme, was in diesem Schema unabdingbar ist, oder wirkliches Stehen auf dem Tier wie die vorderasiatischen Göttinnen, kein Indiz für Göttlichkeit konstatieren lässt.

Auch die Nacktheit der Reiterinnen bildet keine Außergewöhnlichkeit, denn sowohl weibliche als auch männliche Figuren werden in geometrischer Zeit nackt dargestellt455. Es gibt vier Beispiele einer reitenden Frau aus Olympia456, Tegea457 sowie zwei aus Lousoi458. Die reitende Frau von Olympia aus dem dritten Viertel des 8. Jhs. v. Chr.459 stellt eine Variation der Göttin auf dem Tier dar, da sie die Arme ausgestreckt hat. Die ausgebreiteten Arme sprechen für eine Figur des Kultus460. Eine Sonderstellung nimmt die trotz gesenkter Arme als Göttin zu identifizierende Bronzestatuette einer Reiterin aus dem dritten Viertel des 8. Jhs. v. Chr. im Benaki-Museum (Taf. XIV Nr. 22)461. Die nackte, im Damensitz reitende Frau hält in ihrem linken Arm einen Knaben fest. Der Kopf der Göttin war wohl nie ausgeformt worden. Von einer Herrin der Tiere kann man gewiss nicht sprechen, denn schließlich bildet das Kind den Fokus und nicht das Pferd. Da in der griechischen Kunst stets ein Knabe als Personifikation der Fruchtbarkeit gelten kann, haben wir es hier folglich mit einer nährenden Mutter zu tun462. Zuweilen gibt es auch die Göttin auf einem Tier kombiniert mit dem Heraldischen Schema, wie es sich auf einer spätgeometrischen Bronzescheibe aus Tegea (F 6) zeigt. Trotz des peloponnesischen Fundortes, lässt sich das Stück in den böotischen Raum einordnen, da gerade in der spätgeometrischen Zeit die Ritzzeichnungen auf Bronze einen Höhepunkt erfahren und sich gute Vergleichsbeispiele

453 Die Aussage C. Christous, die ältesten griechischen Darstellungen zeigten ein Pferd und keinen Stier, kann mit der Terrakottastatuette aus Charvati (F 4) belegt werden, welche ins 13.-12. Jh. v. Chr. (ca. SH III B-C) datiert.

454 Die ersten Bronzefigurinen überhaupt begegnen in allen griechischen Landschaften am Anfang der reifgeometrischen Zeit um 800 v. Chr. WEBER 1967, 10. Sehr häufig in geometrischer Zeit ist auch der

„Herr der Pferde“, der entweder ein oder zwei Pferde am Zügel hält. N. Yalouris will die Göttlichkeit der Person mit Parallelen zu kleinasiatischen und etrurischen Bildern untermauern. YALOURIS 1950, 89-91.

455 SCHWEITZER 1969, 168.

456 KUNZE 1944, 107; SCHWEITZER 1969, 166; HEILMEYER 1979, 103

457 ROLLEY 1967, 2 Nr. 16; DUGAS 1921, 354 Nr. 49; HEILMEYER 1979, 103

458 In Karlsruhe: SINN 1980, 35f.; WEBER 1967, 9. In Wien: KUNZE 1944, 107.

459 Olympia B 1750. Athen Inst. Neg. Ol. 2233. FLOREN 1987, XVI. 57. Taf. 5,4.

460 SCHWEITZER 1969, 168.

461 PAPAGEORGIOU 2005, 1-34. Taf. 1, 1-3.

462 PAPAGEORGIOU 2005, 30.

einzelner Motive auf böotischen Fibeln finden lassen463. Dargestellt ist eine nackte weibliche Gestalt, stehend auf einem rinderähnlichen464 Tier und flankiert von riesenhaften Wasservögeln465. In ihrer linken Hand hält sie einen Mohnstängel466, welcher ein Attribut für Fruchtbarkeit darstellt. Auffällig ist auch, dass sie nicht auf dem Tier reitet, sondern in der Manier der hethitischen Gottheiten auf ihm steht467. Die hethitischen Vorbilder allerdings zeigen die Göttin ohne Gürtel und meist ohne Gegenstände in den Händen, was ebenso viele griechische wie vorderasiatische Vergleichsbeispiele findet. Hier sollen vor allem die Göttinnen mit Lotus oder Papyrus bzw. Böcken und Gazellen in den Händen, auf den kanaanitischen Metallplättchen der Pictorial Qudšhu-Group genannt werden468. Es gibt kaum Zweifel über den göttlichen Charakter der Figuren, da sie zudem in zwei Fällen mit einer Hathorkrone geschmückt sind. Darüber hinaus steht die weibliche Figur auf mindestens drei Bildwerken auf einem Löwen und auf fünf weiteren sind ihr astrale Symbole wie Sonne, Mond und Sterne beigegeben. Einen griechischen und nicht orientalischen Motivzusatz stellt der flankierende große Vogel dar, dessen Äquivalent sicherlich ob der runden Bildfläche symmetrisch zur Rechten der Göttin zu ergänzen ist469. Diese Bronzescheibe verdeutlicht einmal mehr, dass nicht alle Bildwerke mit der Sage von Europa mit dem Stier abgefertigt werden können470. In Zypern wird die Stier reitende Göttin als Aphrodite angesprochen, wohingegen sie in Amathus, genauso wie auf Kreta, die Epiklese Ariadne trägt471. Anhaltspunkte für die Deutung bieten die Haltung des Stieres sowie der Reiterin. Denn zuweilen steht der Stier einfach still da oder die weibliche Figur steht auf ihm, wie beispielsweise einige Terrakotten aus Tanagra und Böotien zeigen472. gleich als Stier an. BRANDT 1965, 62; MÜLLER 1922, 14ff.; KUNZE 1931, 250; SPARTZ 1962, 42. 106 Nr. 39; TECHNAU 1937, 89. Für die Identifizierung mit einem Pferd: CHRISTOU 1968, 116; HAMPE 1936, 40 Anm. 4.

465 GOODISON – MORRIS 1998, 141 Abb. 68; TECHNAU 1937, 89 Abb. 9.

466 Der Annahme von C. Dugas, die Pflanze sei ein Granatapfel, kann nicht zugestimmt werden, da sie deutlich über einen langen Stiel verfügt und Granatäpfel ob ihres kurzen Stieles direkt auf der Faust zu liegen kämen. DUGAS 1921, 385 Nr. 154; MÜLLER 1922, 15.

467 MÜLLER 1922, 15f.; SPARTZ 1962, 42f.

468 NEGBI 1976, 99.

469 Dies stellt einen guten Bezug zu der böotischen Amphora (B 2) her, in deren Nähe Vögel und Rinderkopf abgebildet sind.

470 Auf späteren schwarzfigurigen Vasen erscheint die Stier reitende Frau oftmals in dionysischem Kontext oder in Begleitung von Hermes und einer weiteren Frau.

471 Auch mit der syrischen Astarte wird Europa gleichgesetzt, wie ein Tempel Zeugnis ablegt, über den Lukian berichtet. Dies bestätigen Münzen von Sidon. TECHNAU 1937, 94f; GIMBUTAS 1974, 149.

472 TECHNAU 1937, 87f. Die Tonfiguren sind alle in archaischer Zeit in Griechenland, vor allem in Böotien entstanden.

Begleiters, in Gestalt eines Stieres473. Meist ist Europa mit dem Stier nur an der Laufbewegung des Tieres oder anhand von Beischriften von der Großen Göttin unterscheidbar474. In der Regel unterscheidet man zwischen dem laufenden Stier als Szene der Entführung der Göttin und im Gegensatz hierzu dem ruhig stehenden Stier als Epiphanie der Großen Göttin. Es liegt nahe, dass das Schema der Europa auf dem Stier mit der Ausbreitung der griechischen Kultur auch an entlegene Orte transportiert wurde und dort auch auf göttliche Gestalten übertragen wurde, deren Wesenszüge der Europa oder der Großen Göttin entsprachen, beispielsweise in Zypern und Syrien475.