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Ökologischer Maßnahmenkatalog Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft Ökolo

Projektbeispiele zum Ökologischen Stadtumbau

I. Baumhaus-Idee

2. Ökologischer Maßnahmenkatalog Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft Ökolo

gischer Stadtumbau war es, für diese Bau­

idee ein ökologisches Maßnahmen- und Forschungskonzept zu entwickeln und zu betreuen. Dafür wurde als ein Anreiz- und Förderkonzept für baubiologische Maßnah­

men bei der Auswahl und Bearbeitung der Baustoffe, der Verwendung lokaler Mate­

rialien und der Anwendung geeigneter technologischer Konzepte das System von Standard-, Sonder- und Experimentalmaß­

nahmen in einem Maßnahmenkatalog ent­

wickelt. Neben Baubiologie waren auch flächensparendes Bauen, der Schutz beste­

hender Bäume und Biotope, die Kompen­

sation zu überbauender Grünflächen durch Vegetationsflächen auf den Häusern und die Gestaltung in Anlehnung an natürliche Kreislaufsysteme Ziele des Vorhabens.

Fünf Teilkonzepte wurden definiert für Energie, W asser, Grün und Wohnumfeld, Abfall, Baustoffe und Baubiologie. Diese Teilkonzepte waren so aufgebaut, daß aus der Vielfalt ökologischer Planungsmöglich­

keiten und Alternativen für jedes spezifi­

sche Bauvorhaben geeignete Maßnahmen miteinander kombiniert werden konnten.

Abb. 2: Querschnitt und Nordansicht des Südost-Hauses

Standardmaßnahmen

Sie entsprachen zum Zeitpunkt der Bean­

tragung dem Stand der Technik und verur­

sachten kaum Mehrkosten. Deshalb sollten sie - als Voraussetzung zur Förderung von Sonder- oder Experimentalmaßnahmen - von allen Bauherren umgesetzt werden. Zu dieser Kategorie gehörten:

Wasser: Wassersparende Armaturen, wie Durchflußbegrenzer in Spüle, Bad und Toilette.

Energie: Niedertemperaturheizungen, M eß­

systeme für den Energieverbrauch, hoch­

wertige Isolationstechnik, wärmespeichem- de Materialien und Bauteile im Innenbereich, Wintergärten als Pufferzonen, Zonierung bei Wohnungsgrundrissen

Baustoffe und Baubiologie: nicht-toxische, ökologische Baumaterialien, kein Tropen­

holz.

Abfall: getrennte Sammlung von recyclfä- higen Stoffen, Abfall und kompostierbaren organischen Materialien.

Grün und Wohnumfeld: Hausgärten, Dach-, Terassen- und Fassadenbegrünung, Kin­

derspielplatz im Zentrum des Gemein­

schaftsplatzes.

Sondermaßnahmen

Diese Maßnahmen entsprachen zum Zeit­

punkt des Antrages bereits dem Stand der Technik, waren aber mit M ehrkosten ver­

bunden, die zu 30-70% gefördert werden konnten. Zu dieser Kategorie gehörten:

Wasser: Etwa 70% des anfallenden Regen­

wassers wird durch die begrünten Dächer und die anderen Gebäudebepflanzungen zurückgehalten.

Das abfließende W asser wird dezentral ge­

sammelt und entweder zur Bewässerung des Gartens, der Hauspflanzen oder für die Grundwasseranreicherung genutzt. In eini­

gen Fällen verwendet man das Regenwas­

ser für kleine Kaskaden und Teiche.

Energie: Aktive Energiesysteme: Einzel­

feststofföfen; Sonnenkollektoren dienen der Warmwasserbereitung zur Brauchwas- semutzung; Wärmeaustauschsysteme zur Entnahme der W ärme aus der Abluft (Kreuzstromwärmetauscher), Hypokau- sten-Steinspeicher in den Wintergärten, Wandleistenheizungen, Einzelraumrege­

lung durch ein elektronisches Steuergerät.

Passive Energieelemente: Transluzente Wärmedämmung, Wärmeschutzvergla­

sung, Zweifachglasung der Wintergärten, saisonaler und temporärer Sonnenschutz, temporärer W ärmeschutz, zonierte Fußbo­

denbeläge, Reflektorwände als Vorsatz vor Zwischenwänden als Lichtlenkmaßnahme, Klappbalkon (im Obergeschoß einer W oh­

neinheit im Bereich des Wintergartens, dient im Sommer als Sonnenblende, wird im W inter hochgeklappt), verschiedene Arten von Solarglas.

Baustoffe und Baubiologie: Die Plattform­

konstruktion erlaubt massive Wände nur in der Erdgeschoßebene (Ziegel, Kalksand­

stein, schweres Holz, Lehm); die höheren Plattformen müssen Leichtbaukonstruktio­

nen verwenden (Holzständerkonstruktion, Ziegeldecken, Leichtbauplatten). Anstelle von Zementestrich wurden Ziegel-Trocken­

estriche verwendet (geringere Baufeuchte, fußwarmes Material, geeignet für Fußbo­

denheizungen und W ärmespeicher im di­

rekten Strahlungsbereich von Wintergärten und Fenstern). Beim Bau der »Bioküchen«

sollten nur nicht-toxische Materialien (Holz, keine kunstharzgebundenen, kunststoffbe­

schichteten Spanplatten) und natürliche Anstriche zu verwenden. Für die Treppen sollte Holz zum Einsatz kommen. Abge­

schirmte Elektroinstallation und Einbau von Netzfreischaltautomaten vermeiden störende elektromagnetische Felder.

Abfall: Kompostierung mit Wurmkästen.

Experimentalmaßnahmen

Dies sind Maßnahmen, die sich damals noch im Stadium der Erforschung befan­

den und in diesem Bauvorhaben erprobt werden sollten, weshalb sie zu 100% ge­

fördert wurden.

Abb. 3: Baustelle 1988

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Wasser: wohnungsbezogene Sammlung des Grauwassers aus dem Obergeschoß und seine Aufbereitung für die Toiletten­

spülung im Erdgeschoß.

Energie: Aktive Energieversorgung: Kop­

pelung des Feststoffofens mit der übrigen Heizanlage, Römerheizung in Hoursdielen (durch in den Fußboden eingelegte Ton­

hohldielen wird warme bzw. kalte Luft im ganzen Erdgeschoßfußboden verteilt), Wandheizungen (großflächige Strahlungs­

heizungen), Solarstromanlage im Dachge­

schoß (ermöglicht Voll Versorgung der W ohnung und Einspeisung nicht benötig­

ter Energie in das Netz der BEWAG).

Passive Wärmespeicherung: massive Ge­

bäudeteile und Raumteiler, die W ärme und W asser speichern können, ein bead wall- System an den nördlichen Fassaden, neu­

artige Wärmespeichersysteme (Salze), be­

wegliches Tageslichtsystem (zwei Grup­

pen von verschattungsfrei am Geländer des obersten Plateaus in 12,00 m Höhe be­

festigten, dem Sonnenstand nachführbaren Strahlungsempfängern, ein stationärer Ge­

genspiegel zwischen den Bäumen vor dem Gebäude, Strahlungsdiffusionsflächen im Gebäude).

Baustoffe und Baubiologie: Lehmwände mit Außendämmung in der Erdgeschoßebe­

ne: Stampflehm mit Gleitschalung, gemau­

ert mit Grünlingen oder aufgebaut mit Lehm­

strängen aus einer Strangpresse vor Ort.

Die Oberfläche innen kann roh belassen oder mit Lehm oder Kalk verputzt werden.

Außen erfolgt eine Dämmung, Luftschicht und Holzschalung. Der Lehmputz weist eine neuartige Zusammensetzung auf: Lehm­

mörtel, Siebkies 0-4 mm, Kälberhaare, H- Milch. Untersuchungen zu den elektroma­

gnetischen und radioaktiven Bedingungen als Basis für die Festlegung der Wohnräume.

Grün und Wohnumfeld: Erhalt der Vegeta­

tionsbestände, insbesondere der 26 großen Bäume während der Konstruktionsphase durch ein Bündel von Maßnahmen: groß­

flächige Abgrenzung der Gehölzbestände durch Schutzzäune (Höhe mind. 1,80 m);

Sektorenbildung durch Belüftung und Mutterboden bei evtl. Überfüllungen im Wurzelbereich; Wurzelvorhang bei Aus­

grabungen; Kies-/Splittaufschüttungen als Schutz gegen Befahren in den nicht durch Schutzzäune abzuschirmenden W urzelbe­

reichen; Belüftungseinrichtungen in Berei­

chen, wo spätere Teilbefestigungen in der Kronentraufe nicht zu vermeiden sind; mit Kies verfüllte Bohrlöcher zur Bewässe­

rung, falls Grundwasserabsenkungen zu befürchten sind; Naturlabor und pflanzli­

che Schutzzäune.

4. Methode

Die Stadthaus GmbH suchte 1984/85 mit­

tels einer öffentlichen Ausschreibung Grundstücksbewerber, worauf sich über 1.000 Interessenten meldeten. Nach einer Informationsveranstaltung und einem auf Fragebögen gestützten Auswahlsystem verblieben für die Süd-Häuser 87 Interes­

senten, von denen 20 Erstbewerber per Losverfahren bestimmt wurden.

Abb. 4: Blick auf das Südwest-Haus von der Comeliusstraße aus

Das von der AG Öko erarbeitete Ökologie- Gutachten bildete die Grundlage für die In­

tegration der ökologischen Maßnahmen in

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tekten. Es realisierte sich über ein Nutzer­

konzept, was eine begleitende ökologische Beratung der Bauherren und planenden Architekten beinhaltete. Dazu wurden themenbezogene Seminare durchgeführt.

Die Mitbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner im Gestaltungs- und Ent­

wurfsprozeß wurde durch die neuen Eigen­

tumsformen gefördert: Land und Infrastruk­

tur ist kollektiver Besitz (Erbbaurecht), die Wohnungen sind hingegen Privatbesitz. In den W ohnungen konnten unterschiedliche Gestaltungskonzepte und ökologische Maßnahmen realisiert werden.

5. Zeitachse

1983-1987/88: Projektierungsphase Konzept zur Absicherung der rechtlichen, technischen und finanziellen Fragen und Rahmenbedingungen

1987- 1988: Planungsphase

Bauplanung bis hin zur Baugenehmigung 1988- 1992: Bauphase

Herbst 1988: Fertigstellung der Beton­

skelette mit den Plattformen

bis 1989: Bau der Infrastruktur Sommer 1989: Fertigstellung der Woh­

nungen im Nord-Haus (Rauchstr.) Frühjahr 1991: Fertigstellung der W oh­

nungen in den Süd-Häusern (Comeliusstr.) 1992-1994: Forschungsphase

6. Akteure

• Idee und Gesamtleitung: Frei Otto, Her­

mann Kendel

•Architekten: Dietrich Dörschner, Edgar Haas, Hermann Kendel, Dietmar Klo­

ster, M artin Küenzlen, Günther Ludewig, Jürgen Rohrbach, Manfred Ruprecht, Ute Schulte-Lehnert

• Ökologiekonzept: AG Öko

Dr. Ekhart Hahn (Projektleiter bis 1989), Dagmar Gast, Gabriele Güterbock, Norbert Müller, Peter Thomas, Alessandro Vasella, Joachim Zeisel

• Beratung und Betreuung der ökologi­

schen Maßnahmen nach 1989: AG Öko, Bem ward Derksen, Alessandro Vasella

© Entwurf der Außenanlagen: Christoph Lutz, Reinhard Hanke

• Projektsteuerung: Stadthaus, Gesell­

schaft für Stadtentwicklung und experi­

mentellen Wohnungsbau mbH

• Begleitforschung:

Institut für Stadtforschung und Struktur­

politik GmbH, Petra Delfort

Bundesforschungsanstalt für Landeskun­

de und Raumordnung, Dr. Claus-C.

Wiegand 7. Finanzierung

• Förderung der Mehrkosten ökologischer Maßnahmen durch das Bundesbaumini­

sterium im Rahmen von EXWOST:

Infrastruktur 280.000 DM

Begrünung der Dächer 50.000 DM Sondermaßnahmen 280.000 DM Experimentalmaßnahmen 230.000 DM

• Förderung im Rahmen des Programms A (Sozialer Wohnungsbau)

• Förderung im Rahmen des Programms B (Steuerbegünstigter Wohnungsbau)

• Eigenfinanzierung durch die Bauherren (von 18 Einfamilienhäusern in den Süd- Häusern wurden 6 frei finanziert)

8. Ergebnisse

Das Konzept ermöglichte eine sehr indivi­

duell geprägte Gestaltung und die M itwir­

kung der Bewohner. So nutzte z.B. ein Lehrer sein Sabbatjahr zur selbständigen Errichtung seiner Wohnung. Es besteht nun von allen Bewohnern eine große Bin­

dung und Identifizierung mit den Wohnan­

lagen.

Ein Problem bestand darin, daß sich die von einzelnen Eigentümern ausgewählten Architekten nur wenig mit ökologischem Bauen und entsprechenden Baumaterialien auskannten. So wurde der M aßnahmenka­

talog letztlich Gründen nicht konsequent zur Anwendung gebracht, d.h. nicht alle Standardmaßnahmen fanden ihre Umset­

zung, aber eine ganze Reihe von Sonder­

und Experimentalmaßnahmen. Dadurch ka­

Ökologie zustande. Als allgemeines Instru­

mentarium zur Förderung bauökologischer Ziele ist der Maßnahmenkatalog aber jetzt anerkannt und läßt sich weiter ausbauen.

In den einzelnen Konzeptbereichen sind folgende Maßnahmen verwirklicht worden:

Energie: Experimente mit Wandheizung, S olarstromanlage, Wärmerückgewinnung aus Abwasser und Luft, wärmezonierte Grundrisse mit Pufferzonen und Dämmaß­

nahmen.

Wasser: wassersparende Installationen, in sechs Wohnungen Einbau von Grauwas­

seranlagen für die Toilettenspülung, wobei diese unterschiedlich konzipiert waren und einige später baulich verändert werden mußten.

Baustoffe: weitestgehender Einsatz natür­

licher Materialien (v.a. Holz und Lehm), Vermeidung von Wohngiften.

Grün: Der Baumbestand blieb erhalten.

Die Begrünung der Dächer, Fassaden und Terassen ist eine angemessene Kompensa­

tion für die überbaute Grünfläche.

Abfall: Fraktionierung der Wertstoffe, ei­

gene Kompostierung.

Die Realisierung des Projekts war kompli­

ziert und zeitaufwendig: Für das Bauvor­

haben mußten getrennte Bauanträge für den Rohbau (Infrastruktur) und den Ausbau der 18 Einzelhäuser (in den Süd-Häusern) gestellt werden. Eine ungewöhnlich lange Bauzeit resultierte daraus, daß sich bei ein­

zelnen W ohneinheiten der Baubeginn ver­

zögerte. Diese Methode, Häuser in der In­

nenstadt zu errichten, muß nicht wesentlich teurer sein als herkömmliche Ansätze. Da der Architekt des Gesamtkonzeptes jedoch darauf bestand, die Grenzen zwischen den Einheiten auch nach ihrer räumlichen und architektonischen Fixierung flexibel zu hal­

ten, wurden anstelle einfach herzustellen­

der, tragender Haustrennwände aufwendi­

ge Tragegerüste nötig, die die Baukosten deutlich erhöhten.

Für alle Beteiligten bedeutete die Errich­

tung der Ökohäuser eine hohe soziale und zeitliche Belastung. Das Ökologische Kon­

zept konnte auch nur in den beiden an der Corneliusstraße gelegenen Gebäuden um­

fassend verwirklicht werden, wo 18 Fami­

lien einen Bauplatz erwarben. Auf Grund organisatorischer Schwierigkeiten wurde das Haus an der Rauchstraße von den ökologischen Planungen abgekoppelt und durch eine Wohnungsbaugesellschaft als Mietshaus mit 8 Wohneinheiten und einer Büroetage über den Parkplätzen im Erdge­

schoß errichtet.

Abb. 5: Blick auf die Süd-Häuser (rechts Nord-Haus angeschnitten)

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