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2 LITERATURÜBERSICHT .1 Ökologische Schweinemast

2.3 Ökologische Zuchtprogramme

Die politische Forderung nach einer nachhaltigeren Landwirtschaft, die Sensibilisierung der Verbraucher gegenüber der Produktion von Lebensmitteln und die dadurch in den letzten Jahren verstärkte Nachfrage nach ökologisch produzierten Lebensmitteln haben zu einer Diskussion über die Zukunft der Nutztierhaltung geführt. Die ökologische Tierhaltung stellt eine Alternative zu den derzeit vorherrschenden Tierhaltungspraktiken dar. Die Grundprinzipien der Tierhaltung im ökologischen Landbau sind in der Verordnung 1804/1999 der Europäischen Gemeinschaft zur Einbeziehung der tierischen Erzeugung in den ökologischen Landbau festgelegt worden. So sollen Tierhalter bei der Wahl der eingesetzten Rassen oder Linien auf die Fähigkeit der Tiere zur Anpassung an die Umweltbedingungen und somit ihre Vitalität und Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten achten. Dabei soll einheimischen Rassen und Linien der Vorzug gegeben werden. Es soll eine möglichst große Rassenvielfalt erhalten und gefördert werden. Zugekaufte Tiere, also auch Zuchttiere zur Remonte, sollen – soweit sie verfügbar sind aus – ökologisch wirtschaftenden Betrieben stammen (EG-VO 1804/1999, 1999).

Zur Frage der Notwendigkeit eigenständiger ökologischer Zuchtprogramme werden unterschiedliche Ansichten und Gründe formuliert. So stellt sich die prinzipielle Frage nach dem Umgang mit dem Tier in der Tierzüchtung und dessen Anspruch auf die Möglichkeit alle seine natürlichen Verhaltensweisen auszuleben, während die modernen Reproduktionstechniken und die Definitionen der Zuchtziele diesem Anspruch teilweise entgegenstehen. Besonders die Nutzung der modernen Reproduktionstechniken wie zum Beispiel der künstlichen Besamung oder des Embryotransfers wird als nicht mit den Zielen des ökologischen Landbaus vereinbar beschrieben, da sie unnatürlich sei und die Integrität der Nutztiere verletze (SCHROTEN, 1992).

Innerhalb eines niederländischen Projektes zur Frage, wie eine ökologische Tierzucht in Zukunft organisiert werden kann, stellen NAUTA et al. (2003) sechs mögliche Szenarien zur Diskussion:

1. Fortgesetzte Nutzung konventioneller Zuchtmethoden.

2. Fortgesetzte Nutzung konventioneller Zuchtmethoden ohne artifizielle Reproduktionstechniken.

3. Anpassung konventioneller Zuchtmethoden an ökologische Anforderungen.

4. Züchtung auf ökologischen Prinzipien basierend.

5. Regionale Züchtung, die auf den Bedingungen und Bedürfnissen bestimmter Regionen basiert.

6. Betriebszucht, die auf den Bedingungen und Bedürfnissen der einzelnen Betriebe basiert.

Welche Merkmale in ökologische Zuchtprogramme einbezogen werden sollen, wird auf ethischer und wirtschaftlicher Ebene diskutiert, wobei sich oftmals die Bereiche überschneiden können. Neben den klassischen Zuchtwertmerkmalen Zuchtleistung, Mastleistung und Schlachtkörperqualität nennt WEISSMANN (2003) die Fleischqualität, die Eignung für extensivere Haltung (z.B. Freilandhaltung) sowie die Mütterlichkeit, die als Merkmale in einem ökologischen Zuchtprogramm für Schweine Berücksichtigung finden sollten. KALM, JUNGE und HARDER (2003) befragten fünf ökologische Anbauverbände nach den für sie wichtigsten Merkmalen für Zuchtschweine. Auf Seite der Vaterlinie nannten alle Verbände die Fleischbeschaffenheit oder -qualität, vier der fünf Verbände die täglichen Zunahmen und drei den Fleischanteil als Merkmale von besonderer Bedeutung. Zwei der Verbände wünschten sich einen stärkeren Fokus auf das Merkmal der Robustheit. Für die Mutterlinien wurden die Anzahl der lebend geborenen Ferkel, gute Muttereigenschaften und Vitalität als wichtigste Merkmale genannt, wiederum zwei der befragten Verbände wünschten sich die stärkere Einbeziehung der Robustheit.

Mit Ausnahme der Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung der Fleischqualität gibt es kaum Unterschiede zwischen den Merkmalen, die für die ökologische oder konventionelle Schweineproduktion als wichtige Selektionskriterien erachtet werden. Auch wenn sich die für die ökologische und die konventionelle Schweinezucht und -mast formulierten Ziele entsprechen, das Vorhandensein von G-U-Interaktionen könnte ein eigenes Zuchtprogramm für die ökologische Schweineproduktion erfordern (OLESEN et al., 2000). Sollten sich die Leistungen mehrerer Herkünfte in ihrer Ausprägung so stark zwischen konventioneller und ökologischer Haltung unterscheiden, dass es zu Unterschieden in der Rangierung der Herkünfte zwischen den beiden Umwelten kommt, wäre eine Übertragbarkeit der Zuchterfolge, die in der einen Umwelt erzielt wurden, auf die andere nicht möglich.

Der Ökologische Gesamtzuchtwert (ÖZW) für Rinder, der mittlerweile in der Zuchtwertschätzung für Fleckvieh, Gelbvieh und Braunvieh genutzt wird, stellt einen Versuch dar, Tiere speziell nach ihrer Eignung für ökologische Produktionssysteme zu selektieren.

Erstmals eingeführt in Bayern, beruht der ÖZW auf der Basis der Zuchtwertschätzung in der konventionellen Rinderzucht. Die Merkmalskomplexe, die bei der Selektion nach diesem Zuchtwert berücksichtigt werden, werden in Leistungs- und Konstitutionsmerkmale aufgeteilt.

Als Leistungsmerkmale werden der ökologische Milchwert, die Persistenz und Leistungssteigerung sowie der Fleischwert berücksichtigt. Die Nutzungsdauer der Vorfahren, Kalbung, Vitalität und Form der Euter werden im Bereich der Konstitution berücksichtigt. Der Fleischwert ist als einziges Merkmal direkt aus der üblichen Zuchtwertschätzung übernommen worden. Mit einer Gewichtung von 35 % gehen die Teilwerte der Leistung in den ÖZW ein (BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT, 2006). Prinzipiell erhalten also auch im Ökologischen Gesamtzuchtwert für Rinder die Milchleistung und die Nutzungsdauer die höchste Bedeutung. Unterschiede sind aber bei der Definition der Merkmale gegeben.

Eine eigenständige ökologische Tierzucht existiert zurzeit nur in Ansätzen. Eine mit der konventionellen Tierzucht vergleichbare Zucht- und Vermehrungsstruktur ist nicht vorhanden, was die Bereitstellung ökologischer Zukaufstiere unmöglich macht. Daher werden in der ökologischen Tierhaltung weitestgehend die gleichen genetischen Herkünfte wie in der

konventionellen eingesetzt (NAUTA et al., 2001; KALM et al., 2003; LÖSER & DEERBERG, 2004). Tiere, die unter konventionellen Bedingungen auf hohe Leistungen selektiert wurden, stellen besondere Ansprüche an ihre Umwelt. In der Schweinezucht wurde in den vergangenen 50 Jahren verstärkt auf einen hohen Fleischanteil bei hohen Zuwachsraten und einer günstigen Futteraufnahme selektiert. Um ihr genetisches Potential ausschöpfen zu können, benötigen diese Tiere hoch konzentrierte, einheitliche Futtermittel, die in der ökologischen Schweinehaltung nur begrenzt zur Verfügung stehen (NAUTA et al., 2001). Die Folge einer unzureichenden Energie- und Proteinversorgung können Wachstums- und Fortpflanzungseinschränkungen sein, die sich wiederum auf die Wirtschaftlichkeit der Schweineproduktion auswirken. Dies sowie die Ansicht, dass in konventionellen Zuchtprogrammen für Schweine für die ökologische Schweineproduktion wichtige Eigenschaften nicht berücksichtigt würden, führte ebenso wie die zuvor angesprochenen ethischen Gesichtspunkte zur Forderung nach eigenständigen ökologischen Zuchtprogrammen.

BOELLING et al. (2003) stehen dieser Forderung kritisch gegenüber, da sie die Gefahr der möglichen Reduzierung der Varianz innerhalb der in der ökologischen Zucht eingesetzten Populationen sehen, wie sie in den konventionellen Zuchtpopulationen bereits heute schon zu finden ist. Dies könne besonders beim Einsatz von „alten“ oder Robustrassen problematisch sein, da sich dadurch möglicherweise die Diversität und die Anpassungsfähigkeit der Rassen verringern würden, also Eigenschaften, auf die in der ökologischen Landwirtschaft besonderer Wert gelegt wird.

Die vorliegende Arbeit soll durch den Einsatz von alten, bedrohten und modernen Schweinerassen sowie Hybridherkünften in der Untersuchung dazu beitragen, die Eignung der eingesetzten Genotypen für die ökologische Schweinemast zu bestimmen und zu klären, ob aufgrund des Auftretens von G-U-Interaktionen ein eigenständiges ökologisch ausgerichtetes Zuchtprogramm hierfür entwickelt werden muss.