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KÜRZGEFASSTE ABHANDLUNG
UBER VERHÄLTNISSE
KNOCHEN- UND MUSKELBAU
MENSCHLICHEN KOEPEES
NACH DEN BESTEN QUELLEN ZÜSAMMENGESTELLT UND GEZEICHNET
VON ^
ANTON DWOEAK
AKADEMISCHEE MaLEK,
LehrerdesFreihandzeichnensanderk. k. böhmischen1’olytecunik zu Prag.
ZUM PRAKTISCHEN GEBRAUCHE
FÜR TECHNIKER, ARCHITEKTEN, BILDHAUER, KUNSTINDUSTRIELLE, DILETTANTEN, WIE ZEICHNER ÜBERHAUPT.
PRAG
1880.VERLAG
VON H. DOMINICUS.üinüGLLlBaaiUHI !if!nillMnilBBBHlBnnffllHmillflHBBlgiM
Zugleich zweites Heft von A. Dwofak: Verhältnisse und Wendungen des menschlichen Kopfes.
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KURZGEFASSTE ABHANDLUNG
ÜBER VERHÄLTNISSE,
KNOCHEN UND MUSKELBAU
DES
MENSCHLICHEN KÖRPERS.
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NACH DEN BESTEN QUELLEN ZÜSAMMENGESTELLT UND GEZEICHNET
AISTTON DWG KAK,
AKADEMISCHER MALER,
LehrerdesFreihandzeichnens anderk. k. böhmischenPolytechnikzu Prag. iHf lIBHiiiil! 0?
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ZUM PRAKTISCHEN GEBRAUCHE
FÜR TECHNIKER, ARCHITEKTEN, BILDHAUER, KUNSTINDUSTRIELLE, DILETTANTEN, WIE ZEICHNER ÜBERHAUPT.
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1880.VERLAG
VON H. DOMINICUS..0»
74 ^
VORWORT.
(^eber
Verhältnisse, überKnochen- und Muskelbau
des mensch-lichen Körpers besitzen wir seit
Vitruv
bis auf unsere Zeit zahlreiche W^erke, die aber alle ihrer W^eitschichtigkeit halber für jene Zeichner, die den Unterricht in diesenGegenständen
als obligat an der Maler- akademie nicht genossen habenund
dennoch das Verständniss der- selben besitzen müssen, als unpraktisch erscheinen.Gestützt auf Resultate bewährter Fachmänner, wie nicht minder auf meine eigene Ueberzeugung, die ich als Künstler
und
Lehrerwährend
meiner langjährigen Praxis mir erworben habe, bin ich in der Lage, allen Zeichnern, vorzüglich den Technikern, Architekten, Bild- hauern, Kunstindustriellenund
Dilettanten, einnotwendiges und
ver- lässlichesWerk
zu bieten.PRAG,
am ]. September 1879.DER VERFASSER.
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ÜBER VERHÄLTNISSE DES MENSCHLICHEN KÖRPERS.
Ein
regelmässig gebauterKopf
ist nachAnnahme
der besten Autoren in derLänge
des ganzen Körpers achtmal enthalten (nachAnderen —
yy^mal). Tab. i, 2.Das Maass
für einzelne Gliedmassenhaben
verschiedene Meister auf verschiedene Art gewählt, wir für unsere praktischenZwecke
halten es für das entsprechendste, dieLänge
eines regelmässig entwickelten Kopfes, in 16 gleiche Theile getheilt, als Maassstab für alle Glied- massen des menschlichen Körpers anzunehmen.Wollen
wir daher dieLänge
oder Breite irgend eines zu zeichnenden Gliedes erfahren, so überzeugeman
sich mittelst eines Zirkels auf Tab. i, 2, wie viele Theile des menschlichen Kopfes dieses Glied zähle,und
bestimme darnach nach Maassstab seiner eigenen Zeichnung die Grösse dieses Gliedes.Von
den Verhältnissen des menschlichen Körpers können wir nur in seltenen Fällen vollenGebrauch
machen,und
zwar nur dann,wenn
der menschlicheKörper
mit all seinen Gliedmassenvollkommen
ausgestreckt ohne eine Stütze steht, wie auf Tab. i, 2. Treten aber Verkürzungenund Wendungen
ein, so sind dieMaasse
nicht 'überallanwendbar. Ich will hier nur auf einen der geringsten Fälle aufmerk-
sam
machen. Die auf Tab. 3, Fig. 6 gezeichnete Figur enthält nichtvollkommen
8 Kopflängen,was
dieHebung
des Beckens, als Folge der Thätigkeit des Standfusses, wie die daraus folgendeKrümmung
des
Rückgrades
verursacht; einen ähnlichen Fall siehtman
auch an derVerkürzung
des Vorderfusses, beim Spielfuss, Tab. 3, Fig. 6. Hiermuss
das Verständniss der Perspektive, ein geübtesAugenmaass,
wie unser geläuterterGeschmack
zuRathe gezogen
werden.1
Die
Höhe
des weiblichen Körpers wird gewöhnlichum
die Hälfte des männlichen Kopfes kleinerangenommen,
Tab. i, 2.Von
den übrigenAbweichungen
wollen wir hier nur die wesentlichsten an- führen,und
zwar: Die Achselbreite beimWeibe
ist im Verhältniss zu der desMannes
kleiner, das Becken jedoch breiter wie beimManne
;
die Oberschenkel laufen
wegen
der grösseren Breite des Beckensgegen
das Kniezusammen und
erinnern etwas an dieForm
eines Kniebohrers;die
Formen
sind überhaupt runder, in den Gelenken etwas schmäler und die Muskeln weniger sichtbar, Tab. i, 2, Fig. 2, 5.t ^ 3-
VOM KNOCHENBAU DES MENSCHLICHEN KÖRPERS.
Vom Bau
des Knochengerüstes, als erster fester Grundlage, istForm und
Gestaltung des menschlichenKopfes und
Körpers grössten- theils abhängig-,darum
ist das Verständniss desselben für den Zeichnerals unabweisbar nothwendig.
Der
Zeichnermuss
klar wissen, wie das Knochengerüste imKörper
liege, Tab. i, 2, 3, wieund wo
esvom
darübergespanntenMuskelbau
bedecktund
welcheHöhlung
oderHebung
durch denKnochen und
welche durch den Muskel verursacht wird.Da
ich voraussetze, dass unseren Lesern die wesentlicheForm und
Konstruktion des Skelettes aus Mittelschulen bekannt sein wird, will ich derKürze
halber, unserenZwecken
entsprechend, mich nur aufBenennung
der Hauptbestandtheile desselben beschränken.Tab. I, Fig. i.
Knodieii am Kopfe.
Das Stirnbein.
DasSeitenwandbein.
Das Schlafbein.
DasHinterhauptbein.
DerFlügelknochen.
DasNasenbein.
DasThränenbein.
DasPflugscharbein.
Das Jochbein.
Der obere Kinnbacken.
DeruntereKinnbacken.
DasZungenbein.
Am Stamme.
Diesieben Halswirbelbeine.
Die Rückeiwirbelbeine.
Diefünf Lendenwirbelbeine.
Die zur Brusthöhle gehörigen Knochen.
Das Schlüsselbein.
Diesiebenwahren Rippen.
Die fünffalschen Rippen.
DieKnorpeln derselben.
Der Griffdes Brustbeines.
DasSchulterblatt.
Diejenigen, welche das Becken bilden.
Dasheilige oder Kreuzbein.
DasSteissbein.
Das Beckenbein,welchesausdrei Theilen besteht:
DasDarmbein.
DasSitzbein.
Das Schambein.
Knochen der oberen Gliedmassen.
DasOberarmbein.
DasEllenbogenbein.
DieSpeiche.
An der Hand.
DieKnochen derHandwurzelundder Mittelhand.
Diezwei GliederdesDaumen.
DieGlieder deranderenFinger.
Knochen der unteren Gliedmassen.
Am Schenkel.
DasSchenkelbein.
Am Unterschenkel.
Das Schienbein.
Das Wadenbein.
DasFersenbein.
DieKnochen derFusswurzel.
DieKnochen desMittelfusses.
Diezwei Glieder der grossenZehs.
Die übrigenKnochen der kleinenZehen.
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DIE MUSKELN DES MENSCHLICHEN KÖRPERS.
Die
Muskeln sind weiche, reizbareund
einer lebhaftenZusammen-
ziehung fähigeWerkzeuge
im menschlichen Körper, mittelst deren er auf mannigfache Artbewegt werden
kann. Sie bestehen theils aus rothen fleischigen, theils aus weissen sehnigen Fasern. Beijedem
Muskel bemerktman
seinenAnfang
oder das Haupt, seinen Mittel- körper oder denBauch und
sein schmäleresEnde
oder den Schweif, welcher grösstentheils sehnig ist. Bei derWirkung
des Muskels schwillt seinBauch
auf, wird dickerund
kürzer,und
veranlasst die Theile, an die er befestigt ist, ihmnachgeben
zu müssen,was
eine Zuziehung derselben bewirkt.lieber die
Wirkung
eines jeden einzelnen Muskels können wir uns hier unmöglich ausbreiten, auch halten wir es für unsere praktischenZwecke
nicht als unerlässlich;wer
bei complicirtenAufgaben,
bei heftigenBewegungen
ein gutes Re.sultat erzielen will, dermuss
dieNatur
zuRathe
ziehen, so wie es Meister aller Zeiten thatenund
noch thuen, selbst bei der genauesten theoretischen Kenntniss der Anatomie. Ich weise auf dieWerke
des M.Angelo, Rafael,
Rubens,VAN Dyck und
auf die bis jetzt unerreichten Statuen der Griechenund Römer,
wie den borghesischen Fechter, den farnesischen Herkules, denLaokoon
u. A.Es wird unseren
Zwecken
entsprechen,wenn
wir nur diejenigen Muskeln hier anführenund
benennen, die an der Oberfläche des Körpers sichtbar sindund
die Hauptfaktoren bildenund
die daher der Zeichner nothwendig kennen muss.>
Tab. 1.
Muskeln an der Vorderseite des Körpers.
Am Halse.
1.DerBrustschlüsselbeinmuskel des Warzenfortsatzes.
2. Der AufheberdesSchulterblattes.
3. DerkaputzenähnlicheMuskel.
Am Stamme.
4. Dergrosse Brustmuskel.
5. DerbreitesteRückenmuskel,
ö.DergrossegesägteMuskel.
7. DergeradeBauchmuskel.
8. Der Pyramidenmuskel.
9.Derinnere schiefeBauchmuskel.
10.Deräussere Bauchmuskel.
Am Arme.
11.Der deltaförmige Muskel.
12.DerzweiköpfigeMuskel.
13. Derdreiköpfige Muskel.
14. DerinnereArmmuskel.
Am Vorderarme.
lö. Derlange Auswärtswender.
17.Derlange äussere Speichenmuskel.
18. Derkurze äussereSpeichenmuskel.
19.Der innere Speichenmuskel.
An den unteren Gliedmassen.
Am Schenkel.
1. Deräussere Gefässmuskel.
2. Der Spannmuskelder Schenkelscheide.
3. Der Schneidermuskel.
4. Der gerade Schenkelmuskel.
5.Deräussere Schenkelmuskel.
6. Derinnere dicke Schenkelmuskel.
7. Dergrosse Zuzieherdes Schenkels.
Am Unterschenkel.
20. Kniescheibenbänder.
21.Dervordere Schienbeinmuskel.
22. DerlangeAusstrecker dervierkleinen Finger.
23. DerlangeWadenbeinmuskel.
24.Der Schollenmuskel.
25.Der Zwillingsmuskel.
26.Das Querband der Fusswurzel.
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Muskeln an der Seitenansicht des menschlichen Körpers.
Am Halse.
T.DerSchlüsselbeinmuskel des Warzenfortsatzes.
2.Der Kaputzenmuskel.
Am Stamme.
3. Dergrosse Brustmuskel.
4.Dergrosse gesägte Muskel.
5.Der breitesteRückenmuskel.
6. Dergerade Bauchmuskel.
7.Der Pyramidenmuskel.
8. DeiäussereBauchmuskel.
Am Arme.
9. Derdeltaförmige Muskel.
10.Derinnere Armmuskel.
11.Der zweiköpfigeArmmuskel.
12.Derdreiköpfige Armmuskel.
Am Vorderarme.
14.DerlangeAuswärtswender desVorderarmes.
15.DerlangeSpeichenmuskel.
16. DerkurzeSpeichenmuskel.
17. DergemeinschaftlicheAusstrecker der Finger.
An den unteren Gliedmassen.
Am Schenkel.
1. Dergrosse Gefassmuskel.
2.Dermittlere Gefassmuskel.
3. DerSchneidermuskel.
4. DerSpannmuskelder Schenkelscheide.
5. Deräussere dickeSchehkelmuskel.
6.Dermittlere Schenkelmuskel.
7. Derinnere Schenkelmuskel.
8.Derzweiköpfige Schenkelmuskel.
Am Unterschenkel.
9. Der vordere Schienbeinmuskel.
10. DerlangeWadenbeinmuskel.
11.Der Zwillingsmuskel.
12. DieAchillessehne.
Tah. n.
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Tab. III.
Muskeln an der Rückseite des Körpers.
Am Oberkörper. An den unteren Gliedmassen.
Am Oberschenkel.
1.Dergrosse Gefässmuskel.
2. DermittlereGefässmuskel.
3. Der Spannmuskelder Schenkelscheide.
4. Deräussere Schenkelmuskel.
5. DerzweiköpfigeSchenkelbeinmuskel.
Am Unterschenkel.
T.DerZwillingsmuskel.
2. Der Schienbeinmuskel.
3. DerlangeWadenbeinmusktl.
4. DieAchillessehne.
1. Der Kaputzenmuskel.
2.Der untereGrätenmuskel.
3.Dergrosse rundeMuskel.
4. Deräussere schiefeMuskel.
5.Der breitesteRückenmuskel.
6. DerSakrolumbalis.
7. Der Heiligenbeinmuskel.
Am Oberarme.
a)DerDeltamuskel.
b)Derkurze Ausstrecker.
c;Derinnere Armmuskel.
di DerdreiköpfigeArmmuskel.
e)Derlange Ausstrecker.
An
der Rückseite desStammes
hat das Schulterblatt für den Zeichner die grösste Bedeutung, da es bei jeder Thätigkeit derHände und
des Körpers dieFormen
desRückens
anders gestaltet,und
es istdem
Geübtestenkaum
möglich hier mit Bestimmtheit zuWerke
zu gehen.
Der
Zeichner wird in solchen Fällenam
besten thun,wenn
er ein lebendes Modell zu Rathe zieht.
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VON DEN VERHÄLTNISSEN IN DEN VERSCHIEDENEN AETERSSTUFEN DES MENSCHEN.
Ganz
anders wie beim erwachsenenMenschen
verhält es sich mitdem Knochenbau
eines Kindes. Je jünger derMensch
ist, desto wenigerKopflängen
enthält die ganzeHöhe
des Körpers.Mar
wollen hier inKürze
andeuten, wie vielKopflängen
derKörper
eines imWachsthum
begriffenenMenschen
in seinem ver- schiedenen Lebensalter enthalte,was
theilweise auf Tab. III, Fig. 7, 8 bildlich dargestellt ist.Beim Kinde
im ersten Jahre ist derKopf
in derLänge
des ganzen Körpers (denKopf
mitgerechnet) 4V^mal enthalten, Tab. III,Fig. 7, im dritten Jahre 5y3mal, Tab. III, Fig. 8, im siebenten Jahre 6mal, im zwölften Jahre by^mal, im achtzehnten Jahre im vier-
undzwanzigsten Jahre 8mal.
Da
der obere Theil des Körpers beim neugeborenenKinde
im\Trhältniss zu
dem
unterenimmer
viel länger ist,und
erst im Ver- laufe desWachsthums
biszum
vierundzwanzigsten Jahre die gleicheHöhe
erreicht, ist es nothwendig, dass der Zeichner wisse, wie vielKopflängen
auf den oberenund
wie viel auf den unteren Theil des Körpers entfallen,was
theilweise auf Tab. III, Fig. 7, 8 dargestelltist,
und was
wir hier wörtlich anführen wollen;Beim Kinde
im ersten Jahre zählt der Oberkörper 2(4, der untere Kopflängen, Tab. III,Fig. 7, im dritten Jahre der Oberkörper 3, der untere 2'
3 Kopflängen.
Beim Knaben
von sieben Jahren zählt der obere Theil 3(4, der untere 2V4 Kopflängen.I
Beim Knaben
von zwölf Jahren zählt der obere Theil 3^^, der untere 3 Kopflängen.Beim
Jüngling von achtzehn Jahren der obere Theil 4’/^, der untere 37^ Kopflängen.Ebenso
hat der Zeichner zu berücksichtigen, dass derKörper
des einjährigen Kindesam
fleischigsten ist, von welcher Lebensstufe an derselbe an Beleibtheit biszum
siebenten Jahre abnimmt. Mitdem
siebenten Jahre beginnt das Knabenalter,
wo
dieFormen
biszum
zwölften Jahre fester
und
entschiedener werden. Mitdem
dreizehnten Jahre beginnt der Jüngling sich zu entwickelnund
erreichtvom
acht- zehnten biszum
vierundzwanzigsten Jahre alsMann
seine volle Aus- bildung.Hiermit wären die Principien ausgesprochen, mit denen sich der Zeichner des menschlichen Kopfes (dieser
Abhandlung
I. Theil)und
Körpers (II. Theil) vertrautmachen
muss, damit er schnellund
sicherzum
Ziele gelange.Praxis ohne Theorie führt nie zur vollen Erkenntniss, ohne Er- kenntniss ist
man
Verirrungen ausgesetztund
erzielt nicht vollkommeneund
dauernde Resultate.Des Verfassers Abhandlung I. Theil:
VERHÄLTNISSE UND WENDUNGEN DES MENSCHLICHEN KOPFES
ist ebenfalls bei H.
DOMINICUS
inPRAG
erschienen.Dkuck von Gebrüdeu Stiepel in Keichenberü.